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Wir wollen Investitionen in die nachhaltige und soziale Mobilität

  • Freitag, 15. Dezember 2023 @ 05:36
Linz
Rede von KPÖ-Gemeinderat Mag. Michael Roth-Schmida in der Budgetsitzung des Linzer Gemeinderats bei der Spezialdebatte zum Kapitel 6 (Verkehr) am 14. Dezember 2023:

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, werte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Zusehende auf der Galerie und im Livestream,

das Dogma der „Wahlfreiheit“ bei der Mobilität, das „Sowohl-als-Auch“ was die unterschiedlichen Mobilitätsformen betrifft, ist nicht nur verkehrswissenschaftlich veraltet, sondern erweist sich auch hinsichtlich der Ziele beim Klima oder Verkehr als kontraproduktiv.

Leider ist die Stadt Linz noch immer nicht bereit sich von diesem Dogma zu verabschieden. Da das jetzt ja die Budgetsitzung ist, weise ich darauf hin, dass dieses Dogma uns auch viel Geld kostet: Mit 60 Millionen Euro ist der Bereich Mobilität auch der größte Ausgabenposten für die nächsten zwei Jahre. 2024 sind es 36,4 Millionen Euro für Verbesserungen der Verkehrsinfrastruktur, im Jahr 2025 dann 23,6 Millionen. Allein rund zehn Millionen Euro werden 2024 für die Sanierung des Mona-Lisa-Tunnels fällig. Auch weitere Auto-Infrastrukturprojekte sind teuer und belasten den städtischen Haushalt: Neun Millionen Euro sind für die Umfahrung Ebelsberg, sechs Millionen Euro für den Westring (erst der Anfang) und sieben Millionen Euro für die Halbanschluss Auhof vorgesehen. Die sog. "aktive Mobilität" in Form von Rad-, Fußgänger- und Wanderwegen ist hingegen nur mit 2,8 Millionen Euro budgetiert. (2024 1,8 Mio. Euro, 2025 sogar nur 1 Mio. Euro) Das ist im Vergleich zu früher zwar immer noch mehr. Bezogen auf das heurige Jahr sinkt aber sogar das Radbudget wieder. Im Städtevergleich steht Linz ohnehin gar nicht gut da: Während Linz heuer (im besten Jahr) zehn Euro, nächstes Jahr dann neun und 2025 dann sogar nur mehr fünf Euro pro Einwohner:in für die Errichtung der Radinfrastruktur ausgibt, waren es 2023 in Salzburg fast 17 Euro und in Graz sogar 34 Euro pro Einwohner:in!

In ihrer Generalrede vor bereits über zehn Jahren meinte meine Fraktionskollegin Gerlinde Grünn: „Investitionen in den Verkehr sind dann zu begrüßen, wenn sie dazu beitragen die einseitige Verkehrspolitik zugunsten des motorisierten Verkehrs zu überwinden. Diese Absicht kann ich aber nicht erkennen, nach wie vor setzt die etablierte Stadtpolitik auf unnötig teure Prestigeprojekte wie auf die unterirdische Führung der zweiten Straßenbahnachse oder auf den, den Begehrlichkeit der Wirtschaft geschuldeten Westring.“ Daran hat sich leider wenig geändert. Die 2. Straßenbahnachse ist zwar passé. Der Gipfel ist aber wohl der völlig aus der Zeit gefallene Westring und das Festhalten der Stadt an diesem Steinzeitautobahnprojekt mitten durch Linz – im wahrsten Sinne: koste es was es wolle. (Siehe dazu auch die vorliegende Erinnerung der KPÖ Linz zum Budget https://ooe.kpoe.at/article.php/20231215062546340)

Und auch das hat meine Kollegin Gerlinde Grünn schon vor mehr als zehn Jahren ganz richtig festgehalten (Zitat): „Im Übrigen muss ja nicht alles viel Geld kosten. Eine konsequente Erweiterung der für den motorisierten Verkehr gesperrten Busspuren und eine dichtere Taktung kann auch schon vieles bewirken. Das würde aber ein klares Bekenntnis zur Bevorzugung der nicht motorisierten VerkehrsteilnehmerInnen und des öffentlichen Verkehrs voraussetzen und das scheut unser Verkehrsreferent aus Angst vor der Autolobby wie der Teufel das Weihwasser.“ Der Verkehrsreferent war damals zwar jemand anderer (nämlich niemand Geringerer als der jetzige Bürgermeister), viel hat sich aber auch unter dem aktuellen Referenten nicht daran geändert. Da steht seine eigene Ideologie (siehe Dogma der Wahlfreiheit), die Partei, wirtschaftliche Interessen und natürlich auch die Mehrheiten im Rathaus einer Kurskorrektur entgegen.

Ein, zwei großzügig angelegte Radfahranlagen machen da noch keinen verkehrspolitischen „Sommer“. Im Gegenteil sie sind sogar Symbol und gutes Beispiel für diese teure „Sowohl-als-Auch“-Verkehrspolitik. Ich nenne hier nur etwa die aufwendige, aber sehr kurze Zweirichtungs-Radfahranlage in der Lederergasse. Und weil der Verkehrsreferent vom Fahrrad scheinbar so angetan ist. Hier muss ich halt anmerken, dass der Radverkehr für eine Modal Split-Veränderung Richtung weg vom Auto, hin zum Radfahren, zum Gehen und zur ÖV-Nutzung nicht so viel beitragen kann, wie es vielleicht scheint. Zu bedenken ist auch, nicht alle können aus unterschiedlichen Gründen das Fahrrad nutzen und auch Räder brauchen sowohl hinsichtlich Wege aber auch Abstellflächen städtischen Raum - wenngleich in einem viel geringeren Ausmaß wie das Auto.

Und wie sieht es mit dem öffentlichen Verkehr in Linz aus? An der Oberfläche und für die Öffentlichkeit bemerkbar streiten sich die unterschiedlichen politischen Player bei den großen Prestigebauprojekten. Darunter ist der Linzer ÖV zwar flächendeckend vorhanden, aber fahrplanmäßig wird ein sehr sparsamer „Notbetrieb“ für die (armen) Nicht-Auto-Besitzer:innen, für Schüler:innen, für Alte und Behinderte (Stadtteilbuslinien), und für Berufstätige (Schnellbuslinien), die keinen Führerschein (mehr) haben, gefahren. Hier (also beim Betrieb) müsste aber – das ist unser Zugang - vor allem investiert und ausgebaut werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir von der KPÖ wollen Investitionen in die nachhaltige und soziale Mobilität. Diese müssen aber auch unter dem Aspekt der Ressourcenschonung – sowohl monetär/finanziell als auch hinsichtlich anderer Ressourcen, wie Energie, Boden, Rohstoffe beleuchtet werden. Insofern sehen wir auch manche große ÖV- und Radprojekte durchaus kritisch. Sie sind oft dieser „Sowohl-als-Auch“-Strategie geschuldet. Um ja nicht das Auto unattraktiver zu machen, muss viel in eine kostspielige, parallelgeförderte Verkehrsinfrastruktur investiert werden. Wir sind davon überzeugt, würde sich die verantwortliche Politik davon verabschieden, wären wirksamere und budgetschonendere Maßnahmen und Investitionen möglich. Außerdem sollte über diese großen Infrastrukturprojekte (ob für den Straßenverkehr, aber auch für den öffentlichen Verkehr) unter Einbeziehung und Beteiligung der Bevölkerung entschieden werden. Volksbefragungen sollten bei sehr weitreichenden und kostspieligen Verkehrsinfrastruktur-Vorhaben zum demokratiepolitischen Muss gehören.

Sehr geehrte Damen und Herren, viel wird über einen Paradigmenwechsel, über eine notwendige Transformation im Verkehrssystem und von einer Mobilitätswende geredet und diskutiert. Gerade der Sektor Verkehr ist es, der uns bezüglich Klimaziele die meisten Sorgen bereitet. Beim Verkehr ist jedoch abseits von großspurigen Absichtserklärungen wenig Veränderung bemerkbar. Damit Linz etwa die Klimaziele der Regierung bzw. EU erreicht, bräuchte es - trotz deutlich effizienterer Fahrzeuge und E-Autos – täglich mindestens 150.000 Autofahrten in der Stadt weniger! Die herrschende Politik hofft und setzt hingegen ganz auf die individuelle E-Mobilität. Mit ihr sollen die Probleme im Verkehr gelöst sein. So wie auch in anderen Bereichen, wie z.B. in der Industrie, sollen es die technologischen Innovationen richten. Es braucht aber viel mehr zu einer wirklichen Wende und zu wirksamen Veränderungen.

Der Grundsatz Vermeiden geht vor Verlagern und Verlagern geht vor Verbessern, gilt ganz klar auch bei der Mobilität. Dabei geht es aber nicht (oder bei weitem nicht nur) um das individuelle Verhalten des Einzelnen, sondern es sind die Strukturen, die Systeme die die Menschen umgeben bzw. das einzelne Verhalten bestimmen. Wenn die Strukturen falsch sind, muss logischerweise auch das Verhalten falsch sein. Deshalb muss es oberstes Anliegen der Politik eigentlich sein in der Mobilitätsfrage die Wege in der Stadt wieder kurz bzw. kürzer zu machen, um dann so viel wie möglich hin zur „sanften Mobilität“ zu bringen. Technologische Verbesserungen wie auch Verbesserungen in der Infrastruktur (schlimmstenfalls so wie jetzt für alle Fortbewegungsformen) kommen erst ganz zum Schluss und bringen am wenigsten bzw. erreichen sogar das Gegenteil.

Paris macht es mit der „15-Minuten-Stadt“ vor, wie eine zukunftsweisende, ressourcenschonende, nachhaltige und soziale Stadt- und Verkehrspolitik geht. Im Mittelpunkt steht eine Stadt der kurzen Wege als neues Dogma, welches bei der Verkehrsmittelfrage klare Prioritäten, statt auf ein „Sowohl-als-Auch“ setzt. Mit dieser Strategie wird das Auto „unpraktisch“ und die Stadt als Ganzes weiterentwickelt. Ich frage mich, wann ist Linz endlich auch so weit? Das Budget ist jedenfalls noch weit davon entfernt!

Danke!

(Es gilt das gesprochene Wort. Videoaufzeichnung der Rede: https://youtu.be/Pn8rtlftuEI?si=cup1QLS2knabqOTR)

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