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Linz bleibt auch mit der Fahrradstrategie weiter Autostadt

  • Freitag, 24. Mai 2024 @ 07:25
Linz
Statement von Gemeinderat Michael Roth-Schmida bei der Gemeinderatssitzung am 23.5.2024 zum "Grundsatzbeschluss L_NZ FAHR_RAD – Schritt für Schritt zur Fahrradstadt - Fahrradstrategie Linz"

Das ist eigentlich kein Grundsatzbeschluss, sondern eine unverbindliche Absichtserklärung. Das merkt man an solchen Worten wie „sollen mitbedacht“, „eventuelle Umsetzung“, „keine Vorentscheidung für den Beschluss dieser Maßnahmen ....“ Deshalb werden wir auch zustimmen, denn andernfalls wäre uns dieses Papier doch zu substanz- und wirkungslos und zum Teil setzt es auch falsche Maßnahmen.

Etwas konkreter: Zuallererst fällt einmal auf, dass in dem 80-seitigen Papier die Gender-Frage keine Rolle spielt. Das ist bemerkenswert. Ein solches Grundsatzpapier, insbesondere von Expert:innen ausgearbeitet, sollte sich heutzutage auch mit dem Geschlechteraspekt in der Mobilität auseinandersetzen, z.B. hier im Hinblick auf das Radfahren in der Stadt.

Zum ambitionierten Ziel den Radanteil bis 2040 auf 25% zu erhöhen: Da muss grundsätzlich festgehalten werden, dass der Radverkehr für eine Modalsplit-Veränderung, wie sie auch im Strategiepapier beabsichtigt ist, nämlich weg vom Auto, hin zum Radfahren, zum Gehen und zur ÖV-Nutzung nicht so wirklich taugt bzw. sogar kontraproduktiv darstellt. Warum? Weil die Radnutzer:innen kommen fast ausschließlich von ehemaligen Fußgänger:innen und von ÖV-Nutzer:innen. Städte wie Graz und Gent werden als "Best-Practice-Beispiele" genannt. Dort ist aber der Zu-Fuß- und ÖV-Anteil geringer als in Linz. Sogar Klagenfurt, mit einem MIV-Anteil von 55 %, wird in diesem Konzept als vorbildlich erwähnt. Das ist deshalb so, weil der nicht Auto besitzende Teil der Bevölkerung, die Fußgänger:innen also, schnell merken, dass sie mit dem Rad (das sie sich leisten können) schneller und bepackter und auch jederzeit (relativ kurze) Wege in der Stadt zurücklegen können. Unter "kürzere Wege" fallen auch viele (aber kostenpflichtige) ÖV-Wege. Hingegen sehen die Autobesitzer:innen wohl kaum einen Nutzen für sich, das vorhandene Auto in der Garage oder am Parkplatz stehen zu lassen und aufs Fahrrad umzusteigen.

Also wenn man ein PLUS beim Rad will, muss man immer auch dazusagen und vor allem dazutun wo man das MINUS dann will! Beim Zufußgehen? Beim ÖV? Beim MIV? Deshalb ist auch eine Radstrategie allein zu wenig. Vielmehr - aus diesem Grund - braucht es neben einer Fahrradstrategie vor allem eine Verkehrswende- und Autovermeidungsstrategie!

In einer solchen (Gesamt-)Verkehrsstrategie muss

- eine klare Einordnung (Prioritäten) der einzelnen Verkehrsarten vorkommen bei der der Fußgehverkehr absolute Priorität haben muss, also z.B. auch kein Radfahren auf Gehsteigen durch kombinierte Geh- und Radwege oder durch eine einfache Markierung!
- sollten (bedarfsgerechte) Hauptrouten festgelegt werden, auf denen die Radfahrer auch zügig und sicher vorankommen.
- müssen Standards (Abmessungen) festgelegt werden und nur so neue Verkehrsanlagen geplant und gebaut werden: Zuerst Gehsteige 2,00 m + jeweils evtl. nötige Zuschläge (siehe Priorität!!!), dann Radfahranlage z.B. 2,30 m, und zum Schluss Fahrsteifen jeweils 2,75 m, dazu noch Parksteifen/Ladestreifen mit Bäumen je nach Straßenbreite.
Wenn die bestehende Straßenbreite eine gesonderte Radfahranlage für die Radfahr-Hauptroute nicht zulässt, dann sind die Geschwindigkeiten in diesem Abschnitt zu reduzieren und im kooperativen Mischverkehr (Shared Space) zu führen.

Und noch kurz etwas zu den genannten konkreten prioritären Maßnahmen mit dem Ziel "Schließen der Lücken im Hauptradnetz":

- Nibelungenbrücke: schon längst Verbesserungen fällig, unabhängig von der A26. Der aktuelle Zustand ist einfach katastrophal und nicht akzeptabel.
- Ost-West-Routen:
Lederergasse: Warum gerade hier Maßnahmen erforderlich sind, verstehen wir nach wie vor nicht. Die bisherigen Umsetzungen haben sich nicht als der große Wurf erwiesen (milde formuliert)
Ost-West-Route Harrachstraße - Weißenwolffstraße - Derfflingerstraße: In der Harrachstraße ist der Radweg vom Gehsteig sofort auf die Fahrbahn zu verlegen und die „Vision“ in der Mozartstraße ist anzustreben!
- Nord-Süd-Routen:
Die Cityroute West durch Fuzo in der Herrenstraße ist keine gute Lösung! Cityroute Ost (Schubertstraße): Gehsteig auf beiden Seiten ist zu schmal, Zweirichtungsradweg gefährlich nahe an Hausausgängen, besser: breitere Gehsteige und Fahrradstraße in der Straßenmitte. Hingegen bleiben die beiden Gegeneinbahnen in der Innenstadt (Humboldtstr. / Dinghoferstr.) im Papier unerwähnt: Warum wohl? Gerade hier sollte aber etwas für den Radverkehr (und nicht nur dafür) gemacht werden! Siehe Antrag später heute noch!
- „Bulgariplatz“ Auch da ist die langfristige mögliche Maßnahme, "nämlich die Neugestaltung der gesamten Platzes mit Neuorganisation der Verkehrsströme und Vereinfachung der Kreuzungsgeometrie", die wirkungsvollste und sollte sofort umgesetzt werden. An dem Platz wird gerade ein Hochhaus errichtet. Eine städtebauliche d.h. eine menschenfreundliche Lösung ist für den Platz dringend gefragt! Jetzt und nicht erst irgendwann!

Ich fasse zusammen: Die Fahrradstrategie adressiert nicht die entscheidende Frage, wie der Verkehr in der Stadt gestaltet werden sollte und wem welcher Raum zugestanden wird. Statt radikaler Antworten beschränkt sich das Papier auf die Eröffnung einiger neuer Radwege und das Schließen einiger Lücken im Radwegenetz. Die grundlegenden Prioritäten bleiben unverändert, und damit auch die Probleme durch die dominierende Mobilitätsform in der Stadt. Linz bleibt auch mit dieser Fahrradstrategie weiter Autostadt.

(Es gilt das gesprochene Wort. Videoaufzeichnung des Statements: https://youtu.be/uzPzukF7w3k)

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