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Linz verendet – ohne freie Kultur!

  • Donnerstag, 20. Oktober 2011 @ 09:08
Linz 36 Kulturinitiativen und 37 Einzelpersonen aus der Linzer Kulturszene weisen in einem Offenen Brief an Kulturreferent VBgm. Erich Watzl auf die für die Arbeit der freien Szene immer untragbareren finanziellen Zustände in Linz hin.

Das Schreiben erging in Kopie auch an Bgm. Franz Dobusch, Finanzstadtrat Johann Mayr, die Stadtregierung, Linz Kultur, den Kulturausschuss des Gemeinderates und den Stadtkulturbeirat. Wörtlich heißt es in dem Brief vom 17.10.2011:

Sehr geehrter Herr Vizebürgermeister Dr. Watzl, sehr geehrte Damen und Herren,
es ist wieder einmal Krisenzeit! Diesmal haben die Auswirkungen der Finanzkrise auch Österreich erreicht, in Linz in Form der Swap-Affäre. Unter deren Eindruck wurden erste Einschnitte im städtischen Budget vorgenommen, weitere sind zu befürchten. Doch für diese Krise zahlen wir nicht!

Dass die Kultur ihren Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung leistet, wissen wir aus vielen Sonntagsreden und Ansprachen. Doch wenn am Montag die Budgets erstellt werden, scheinen die hehren Worte schnell vergessen, denn die Linzer freie Szene leidet unter der extremen Budgetnot. Nicht erst seit der jüngsten Krise, sondern seit 2004 stagniert das der freien Szene zuordenbare Budget. Der Anteil der freien Szene am gesamten Kulturbudget beträgt derzeit circa 2,7 Prozent, in absoluten Zahlen müssen sich die mehr als fünfzig Kulturinitiativen und hunderte KünstlerInnen 1,2 Millionen Euro teilen. Und das in einer Zeit, in der Linz kulturell aufblüht - fast monatlich gründen sich neue Kulturinitiativen, deren Initiatorinnen mit viel Elan und Engagement das Leben in dieser Stadt bereichern!

Auch die Hoffnung, dass es nach dem Kulturhauptstadtjahr im Sinne der Nachhaltigkeit zu nennenswerten Verbesserungen der finanziellen Ausstattung der freien Szene Linz kommt, hat sich leider zerschlagen. Nur bei stadteigenen Kulturinstitutionen konnte und kann man eine anhaltende Investitionsfreude beobachten. Doch man darf nicht vergessen, dass der Nährboden für neue KünstlerInnen, für junge KulturarbeiterInnen weniger die großen Häuser sind, sondern vielmehr eine vielfältige lokale Kulturszene. Und dass Kultur für Alle nicht nur das Feuerwerk am Ende der Klangwolke bedeutet, sondern vielmehr im selbstbestimmten Arbeiten in freien Kulturinitiativen ihren Ausdruck findet.

Sei es die junge, preisgekrönte Kulturinitiative junQ.at, deren ohnedies geringe Subvention von 1.500 Euro auf 1.000 Euro gekürzt wurde, sei es die vielfach ausgezeichnete Aktionsgemeinschaft Social Impact, deren Subvention von 8.000 Euro um mehr als 50 Prozent gestrichen wurde, sei es die Linzer KAPU, die sich schlicht

wegen inflationärer Kostensteigerungen ihr Magazin Kapuzine nicht mehr leisten kann, sei es das Ende des Szenemagazins spotsZ, sie alle stehen stellvertretend für die prekäre finanzielle Lage der freien Szene Linz. Besonders die Bereiche Musik, Video, Tanz, Theater und neue Medien haben sich in den letzten Jahren rasant entwickelt, doch den vielen jungen Initiativen und Künstlerinnen wurden keine adäquaten Fördermittel in Aussicht gestellt.

2011 (Prognose)

Die Diskrepanz in der Entwicklung des Kulturbudgets der letzten vier Jahre ist augenscheinlich. Das gesamte Kulturbudget ist in dieser Zeit um mehr als 50 Prozent angestiegen, während sich das Budget der freien Szene unterhalb der Inflationsgrenze entwickelt hat:

Weiters ist unverständlich, warum manche Kulturvereine erst im Spätsommer, acht Monate nach der Einreichung ihrer Förderanträge Zu- oder Absagen bekommen. Dadurch haben die Kulturinitiativen keine Planungssicherheit, müssen immense Zinsforderungen an die Banken zahlen und gehen als Privatpersonen hohe finanzielle Risiken ein. Weiters ist auch die Streichung von Förderprogrammen wie der CD-Förderung ohne Rücksprache mit den Betroffenen ein Schlag ins Gesicht all jener Kulturarbeiterinnen und Musikerinnen, die der Musikstadt Linz ihre Identität verleihen.

So kann es nicht weitergehen! Wir fordern daher eine sofortige Maßnahme zur Sicherung der freien Szene, um die schlimmsten oben genannten finanziellen Engpässe zu beheben. Mittelfristig, bis spätestens 2015, fordern wir eine schrittweise Erhöhung des Anteils der freien Szene auf 5 Prozent des Kulturbudgets, oder in absoluten Zahlen ausgedrückt auf mindestens 2,3 Millionen Euro. Weiters fordern wir in Zukunft eine für die Verwaltung verpflichtende Behandlung der Förderanträge innerhalb von 3 Monaten und die Auszahlung von 3-Jahresvertrags-Förderungen unabhängig von der Abrechnung des Vorjahres.

Wir sind zu Gesprächen bereit und bitten Sie um einen gemeinsamen Verhandlungstermin mit Vertreterinnen der Freien Szene Linz.

Diese Stellungnahme wird von zahlreichen Initiativen unterstützt, sowie von vielen Einzelpersonen mitgetragen, von denen wir hier einige exemplarisch aufführen:


Initiativen
aktionsgemeinschaft social impact
ARGE Zimbabwe Freundschaft
Artifex
Backlab Collective
bb15, Raum für Gegenwartskunst
Designforum Linz
die zebras Theaterverein
Dorf TV
FIFTITU Prozent - Vernetzungsstelle für Frauen in Kunst und Kultur in OÖ
IFEK - Institut für erweiterte Kunst
junQ.at - Medien- & Kulturplattform
KAPU
Kompott
Kult-Ex / Das Kollektiv
Kulturverein Catalyzer
Kunstverein lin-c
Kunstverein Paradigma
Kulturverein Z6
KUPF - Kulturplattform Oberösterreich
maiz - Autonomes Zentrum von & für Migrantinnen
Moviemento
Musentempel
nomadenetappe
Pangea - Interkulturelle Medienwerkstatt
qujOchÖ
Radio FRO - Freier Rundfunk Oberösterreich GmbH
servus.at
SILK
SPACEfemFM Frauenradio
spotsZ - Kunst.Kultur.Szene.Linz
Stadtwerkstatt
theaternyx*
Time's Up
Transpublic
Verein Flipt! Daumenkinofestival
Zachrecords

Personen
Aileen Derieg
Alexander Vojvoda
Andi Wahl
Andrea Hummer
Andrea Mayer-Edoloeyi
Astrid Esslinger
Bernhard Hummer
Christian Diabl
Christian Stefaner-Schmid
Christoph Fürst
Dagmar Höss
David Wagner
Didi Bruckmayr
Franz Fend
Georg Ritter
Gottfried Gusenbauer
Hannes Langeder
Harald Renner
Helga Schager
Ilona Roth
Katharina Loidl
Klaus Hollinetz
Michael Schweiger
Paul Fischnaller
Rubia Salgado
Rudolf Danielczyk
Sabine Stuller
Silke Grabinger
Simone Boria
Thomas Diesenreiter
Thomas Hinterberger
Thomas Pohl
Ursula Kolar
Veronika Merl
Werner Puntigam
Wolfgang Dorninger
Wolfgang Steininger

Zu diesem Offenen Brief nahm auch KPÖ-Gemeinderätin Gerlinde Grünn Stellung:

Sehr geehrte Vertreterinnen der freien Szene,
die prekäre Lage der freien Szene ist bekannt, niemand kann behaupten davon nichts gewusst zu haben. Prekäre Arbeitsverhältnisse für die in diesem Feld Arbeitenden stehen einer Vielzahl von inspirierenden Aktivitäten gegenüber.

Die Verteilung von Budgetmitteln ist natürlich nicht nur eine Frage der oft zitierten Krise, im Falle des SWAP-Debakels ist sie vor allem hausgemacht, sondern auch eine Frage des politischen Willens. Wenn man bedenkt, dass etwa für die umstrittene Stadtwache eine Million fließt, für die Weihnachtsbeleuchtung 400.000 Euro jährlich veranschlagt sind, das Krone-Fest 78.000 Euro von der Stadt lukriert oder im letzten Gemeinderat von SPÖ und ÖVP ein fünfprozentiger Blankoscheck für die Mitfinanzierung des Westrings beschlossen wird, kann man ja ganz schön zweifeln an dem von Stadtsenatsparteien gerne ins Treffen geführten Argument Geldknappheit. Wie immer geht´s natürlich um die Frage, wer bekommt das größte Stück vom Kuchen und wer die Bröseln.

Eine Erhöhung des Anteils des Kulturbudgets von 2,7 Prozent auf fünf Prozent für die freie Szene und die Forderung nach Planungssicherheit durch langfristige Förderungen erscheinen mir hier sogar als heraus bescheidene Forderungen, die ich natürlich gerne politisch unterstütze. Ich wünsche Euch viel Erfolg bei den Verhandlungen.

Mit solidarischen Grüßen
Gerlinde Grünn
Gemeinderätin der KPÖ




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