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„Wir sind keine Wunderwuzzis“

  • Freitag, 5. Februar 2010 @ 16:44
Linz Gerlinde Grünn, KPÖ-Gemeinderätin in Linz, über neue Herausforderungen auf der Bühne der bürgerlichen Demokratie – im Gespräch mit Christoph Kepplinger.

„Volksstimme“: Im Jahr 2009 hat die KPÖ nach 18 Jahren den Wiedereinzug in den Linzer Gemeinderat geschafft. Was hat sich seither in Deinem Alltag geändert?

Grünn: In diesem Fall kann nicht gesagt werden: „vor der Wahl ist nach der Wahl“. Meine persönliche Situation ist eine andere. Da ich einer regulären Beschäftigung nachgehe und die Arbeit im Gemeinderat viel Zeit braucht, ist es schwierig, beides zu koordinieren. Ab Februar wechsle ich auf Teilzeit, das bringt mehr Zeit für diese schöne Aufgabe. Es steigt auch der persönliche Bekanntheitsgrad. Das Attribut „Gemeinderätin“ bringt Anforderungen, mit denen ich vorher nicht gerechnet habe. Man hat einen anderen Status, obwohl man sich menschlich nicht verändert.

„Volksstimme“: Dein Vorgänger Leo Furtlehner hat angemerkt, dass es schwierig war, sich als Einzelner in alle Themen einzuarbeiten. Hast du dafür eine Verstärkung im Hintergrund?

Grünn: Ich bin natürlich nicht alleine. Das Wahlkampfkomitee hat sich zu einem kommunalpolitischen Team gewandelt, das sich mit den vielen inhaltlichen Fragen beschäftigt. Das ist wichtig bei neuen Themen. Wir sind in allen Ausschüssen vertreten, wozu wir mit nur einem Mandat eigentlich keine Berechtigung hätten. Es wurde aber so gelöst, dass ich als beratende, nicht stimmberechtigte Gemeinderätin an allen Ausschußsitzungen teilnehmen darf.

So komme ich an Informationen heran, die wir sonst nicht hätten. Diese müssen natürlich ausgewertet werden und da wäre ich alleine überfordert. Wir arbeiten aber auch mit sehr vielen Menschen zusammen, die ihre Interessen vertreten möchten, ihr Fachwissen mit uns teilen und mich vor Abstimmungen beraten. Wir sind ja keine allwissenden Wunderwuzzis, sondern jeder von uns hat seine Schwerpunkte. Auch auf die Erfahrungen von Leo Furtlehner können wir zurückgreifen, denn er hat sich in den vergangenen Jahren intensiv mit kommunalpolitischen Themen auseinandergesetzt.

„Volksstimme“: Du bist eine kommunistische Solistin im Konzert der bürgerlichen Linzer Gemeindedemokratie. Wie sind eigentlich die Reaktionen der anderen Parteien auf diese neue Konkurrenz von links?

Grünn: Es herrscht erhöhte Aufmerksamkeit, es gibt Irritation, es gibt wohlwollendes Interesse, aber es gibt auch scharfe Auseinandersetzungen, vor allem mit der ÖVP und mit den Freiheitlichen, beispielsweise zur Stadtwache. Die konstituierende Sitzung verläuft gewöhnlich sehr harmonisch und die Stimmung ist festlich. Diesmal ist es zu einer Disharmonie gekommen, weil ich als Einzige gegen den Sicherheitsausschuss gestimmt habe. Das kam für die anderen unverhofft und hat auch entsprechende Irritationen ausgelöst.

„Volksstimme“: Im Wahlkampf lautete der Slogan: „Wir versprechen nichts als Widerspruch und lästige Fragen im Gemeinderat.“ Welche lästigen Fragen konntest Du bereits stellen und was sind die brennendsten Probleme in Linz?

Grünn: Wir können, da ich alleine bin, keine Anträge stellen. Es gibt für uns aber die Möglichkeit, Anfragen zu stellen. Und wir haben an den Bürgermeister die Anfrage gestellt, wie viele Menschen in Linz von Energiearmut betroffen sind, sich also Strom und Wärme nicht leisten können. Diese Anfrage ist noch nicht beantwortet und wir warten, was da kommt.

In der Budgetsitzung am 17.12. habe ich gezielt Themen der sozialen Sicherheit angesprochen und dargestellt, wie es für die Menschen in unserer Stadt aussieht, die auf Sozialhilfe angewiesen sind. Weiters haben wir Fragen zum Öffentlichen Verkehr und zur geplanten Westringautobahn aufgegriffen. Ein großes Thema ist für uns die Ablehnung einer Stadtwache. Das ist ein Kampf, der noch mindestens bis zur Entscheidung im September geführt werden muss. Außerdem soll für die Stadt Linz ein neues Sozialprogramm ausgearbeitet werden. Das ist eines unserer Kernthemen und da gibt es auf jeden Fall noch einiges zu tun.

„Volksstimme“: Die KPÖ ist nun in drei großen Städten mit MandatarInnen vertreten, weiters in einigen kleineren Städten und Gemeinden. Welchen Stellenwert hat Kommunalpolitik für eine kommunistische Partei und wie könnte man den kommunalpolitischen Austausch in der Partei weiter fördern?

Grünn: Kommunalpolitik ist meiner Meinung nach nur ein mögliches Standbein, das man einnehmen kann. Es bringt gewisse Vorteile, mit Mandaten vertreten zu sein, weil man einen besseren Zugang zu Informationen hat und weil das symbolische Kapital die mediale Aufmerksamkeit erhöht. So können wir auch mit uns nahestehenden Gruppierungen auf einer höheren Ebene zusammenarbeiten.

Eine rein kommunalpolitische Orientierung kann nicht funktionieren, denn wir sind uns aufgrund unserer politischen Ansätze darüber im Klaren, dass Entscheidungen auf dieser Ebene nicht die große Politik sind, sondern nur ein kleiner Ausschnitt. Da auch wir sehr klein sind und wenig wirklichen Einfluss haben, müssen wir das eher als Bühne betrachten, über die wir unsere Ideen transportieren können.

Zur Zusammenarbeit in der KPÖ: Es hat im November 2009 ein kommunalpolitisches Treffen in Salzburg stattgefunden, bei dem aus fast ganz Österreich VertreterInnen beteiligt waren. Ich denke, dass es gelingen kann, auch bundesweit ein kommunalpolitisches Thema zu finden, bei dem alle mitmachen.

Eine große Gemeinsamkeit ist, dass die Gemeinden als unterste Instanz der staatlichen Verwaltung finanziell ausgehungert werden, wodurch immer weniger Geld für jene Grundbedürfnisse der Menschen zur Verfügung stehen, die über die Gemeindepolitik geregelt werden. Die Ausrichtung des jeweiligen politischen Schwerpunktes ist natürlich von den spezifischen Möglichkeiten abhängig. Die sind in Linz klarerweise anders als Graz, in der es eine Regierungsbeteiligung mit einer KPÖ-Stadträtin gibt, oder in Wien, wo die Arbeit in den Bezirksvertretungen passiert.

„Volksstimme“: Wohnen ist in Graz und Wien ein wichtiges Thema, wie sieht es mit der Wohnpolitik in Linz aus?

Grünn: Es ist uns ein Anliegen, dass der kommunale Wohnbau wieder forciert wird. In Linz herrscht ein Mangel an leistbarem Wohnraum durch die Ausgliederung der GWG. Deren Mieten sind durchwegs hoch, weil vor allem in „hochwertigen“ Wohnbau investiert wurde. Die Menschen haben selbstverständlich einen Anspruch auf möglichst hochwertige Wohnungen. Es wurde aber nicht bedacht, dass diese Wohnungen teuer und für viele gar nicht leistbar sind. Zudem verlangt die GWG eine Bürgschaft von WohnungswerberInnen, die jene, denen es finanziell nicht gut geht, vom sozialen Wohnbau von vorneherein ausschließt.

„Volksstimme“: Mit der KPÖ im Linzer Gemeinderat haben viele eine Stimme bekommen, die sich zuvor politisch nicht mehr vertreten fühlten. Welche Möglichkeiten haben diese Menschen zur politischen Selbstermächtigung, wenn es nicht bei reiner StellvertreterInnenpolitik bleiben soll?

Grünn: Es wird unsere Aufgabe im Linzer Gemeinderat sein, dass wir das Wissen über die Instrumente der direkten Demokratie, die es zwar gibt, die aber bis jetzt nicht bedient worden sind – Erinnerungen oder Bürgerbefragungen – weitergeben nach außen. Es gibt die Möglichkeit für nicht direkt vertretene Gruppierungen und Menschen, aktiv mitzuwirken, indem sie diese Instrumente für sich nützen.

„Volksstimme“, Februar 2010
http://www.volksstimme.at/

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