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EUROPA ANDERS-Spitzenkandidat Martin Ehrenhauser im ZiB2

  • Dienstag, 4. März 2014 @ 23:37
Wahlen Am 4.3.2014 war der EU-Abgeordnete Martin Ehrenhauser, Spitzenkandidat der Wahlallianz „EUROPA ANDERS – KPÖ, Piratenpartei, Wandel und Unabhängige“ zu Gast bei Armin Wolf im „Zeit im Bild 2“.

Armin Wolf: Und Spitzenkandidat Martin Ehrenhauser ist bei mir im Studio. Guten Abend, vielen Dank fürs Kommen.

Martin Ehrenhauser (EUROPA anders): Hallo. Guten Abend.

Herr Abgeordneter, ich würde gerne mit Ihnen als Person beginnen. Sie sind politisch ja erstaunlich flexibel, muss man sagen. Wir haben schon gehört: Sie waren mit 27 bei den Hochschülerschaftswahlen Spitzenkandidat bei den Liberalen Studenten, also beim Liberalen Forum. Ein Jahr später haben Sie dann bei der Nationalratswahl eine Wahlempfehlung für die ÖVP abgegeben. Dann waren Sie der engste Mitarbeiter von Hans-Peter Martin und haben für seine Liste kandidiert. Vor einem Jahr waren Sie dann bei einer Gründungsversammlung der NEOS. Und jetzt sind Sie Spitzenkandidat von gleich drei Parteien – unter anderem der KPÖ. Aber bei keiner sind Sie Mitglied. Wie passt das alles zusammen?

Also, ich bin als gelernter Koch auf die Universität gekommen. Ich wollte mich politisch engagieren. Die herkömmlichen Parteien haben für mich kein Angebot gehabt. Und so bin ich zum LSF gekommen. Ich habe nur gesehen, dass hier Missstände waren. Ich habe die Missstände aufgedeckt und ich habe mich dann an Hans-Peter Martin gewandt, da ich gedacht habe, er ist jemand, der gegen Korruption auftritt. Ich musste dann leider erkennen, dass er auch Teil des Systems ist.

Und musste auch hier wieder Missstände aufdecken. Ich habe dann versucht – ich war natürlich enttäuscht zu dem Zeitpunkt – ich habe dann versucht weiter zu arbeiten. Ich glaube, das habe ich sehr, sehr gut gemacht. Ich habe an unterschiedlichen Themen aus fraktionsfreier und parteifreier Abgeordneter im EU-Parlament gearbeitet. Sei es ACTA, sei es Datenschutz, sei es die Frage des Lobbying-Transparenz-Registers. Und jetzt ist ‘EUROPA anders’ auf mich zugekommen. Die haben gesehen, wie ich gearbeitet habe. Die haben mich gefragt. Die haben das Projekt vorgestellt. Sie haben mich gefragt, was ich von diesem Projekt halte. Ich habe gesagt: Tolles Projekt, ich unterstütze gerne ‘EUROPA anders’. Das mache ich jetzt.

Trotzdem versteht man vielleicht ein bisschen schwierig: Wie kommt man vom Liberalen Forum und von einer Wahlempfehlung für die ÖVP zu den Kommunisten?

Also, es sind ja nicht die Kommunisten. Es ist eine Wahlplattform als ‘EUROPA anders’. Da sind die Kommunisten Teil davon.

Aber von diesen drei Mini-Parteien die mit Abstand größte.

Es gibt drei Parteien. Und unabhängig davon auch das vierte Element: Diese Unabhängigen. Also, wir sind eine Wahlallianz. Und wir haben einen gemeinsamen Grundkonsens. Und dieser Grundkonsens ist, dass wir eintreten für eine faire Verteilung von Chancen, von Vermögen, von Ressourcen und von Informationen. Auf diesen gemeinsamen Grundkonsens aufbauend haben wir ein gemeinsames Programm beschlossen. Wo wir sagen: Schluss mit diesen Bankenrettungen. Für uns sind die Menschen systemrelevant.

Aber nicht die Banken. Wir wollen diesen postdemokratischen Exekutivföderalismus in Europa etwas entgegensetzen. Wir wollen den Menschen vor Lampedusa die Hand reichen. Wir wollen nicht mehr, dass wir sie ertrinken lassen. Wir stehen für eine aktive Friedenspolitik und für eine aktive Neutralitätspolitik. Und wir wollen endlich Schluss machen mit diesem Überwachungsstaat. Wir wollen endlich, dass es wieder vertrauensvolle Beziehung gibt zwischen Bürger und Staat. Und diese Gemeinsamkeiten stehen natürlich im Vordergrund. Natürlich ist EUROPA anders ein sehr buntes Bündnis. Ja, es ist ein offenes Bündnis, da kann jeder mitmachen. Aber: Faktum ist, es muss anders werden, damit es gut wird.

Jetzt, zu dieser relativ bunten politischen Vergangenheit, die Sie haben, kommt noch dazu: In den letzten Jahren im EU-Parlament haben Sie fast immer genau so abgestimmt wie die Grünen. Was unterscheidet EUROPA anders eigentlich von den Grünen?

Ich glaube, ein sehr zentrales Element ist sicherlich – und wo die Grünen sicherlich viel Glaubwürdigkeit verspielt haben – war, wie sie bei der Bankenrettung zugestimmt haben. Wie sie dem ESM zugestimmt haben. Man sieht ja genau, wo das Geld dann hinfließt. Wenn man sich anschaut. In Irland, in Griechenland. Das Geld geht ja nicht zu den Leuten dort vor Ort. Sondern, das Geld fließt ja dann wieder an die großen Banken in Deutschland und Frankreich zurück. Und genau das sind zentrale Fragen, wo wir uns sicherlich auch von den Grünen unterscheiden. Dass es natürlich Gemeinsamkeiten auch mit den Grünen gibt, das steht außer Frage.

Sie schreiben in Ihrem Programm: “Es sollen keine Banken mehr auf Kosten der Gesellschaft gerettet werden.” Jetzt haben wir in Österreich gerade ein großes Problem mit der Hypo Alpe Adria. Viele, viele Milliarden. Es gibt keine Lösung für diese Bank, ohne dass die Steuerzahler zum Handkuss kommen. Oder wie würden Sie denn das machen?

Na schauen Sie. Die Frage ist ja schon, wie man davor das ganze System regelt. Und da ist schon einmal die Frage, wieso lässt man Banken überhaupt so groß werden? Und da war es ganz wichtig, dass man diese Banken auch klar trennt. Das man sagt: “OK, hier ist der Geschäftsteil, hier ist der Investmentteil.” Das sind alles Dinge, die man vorher schon nicht gemacht hat. Durch eine Politik, durch eine verfehlte Politik über die letzten Jahre.

Das ist ja nicht passiert. In Ihrem Programm steht: “Es sollen keine Banken mehr gerettet werden.” Diese Banken gibt es aber schon so, wie sie sind. Müssen möglicherweise gerettet werden. Was würden Sie jetzt mit der Hypo Alpe Adria machen, so dass es die Steuerzahler nichts kostet?

Ja, hier geht es natürlich darum, dass man die Gläubiger effektiv auch miteinbindet. Und, dass jene, die auch die Krise dann verschuldet haben, schlussendlich für die Kosten dann auch aufkommen.

Das heißt, Sie würden einfach die Haftungen, die die Bank eingegangen ist, nicht bezahlen. Oder die das Land Kärnten eingegangen ist nicht bezahlen.

Ich bin der Meinung, dass die Gläubiger hier fester in die Verantwortung genommen werden müssen.

Jetzt gibt es ein nicht sehr langes Wahlprogramm. Das ist möglicherweise deswegen nicht sehr lang, weil die drei Parteien doch relativ unterschiedlich sind. Aber, was auffällt: Zu einem der allerwichtigsten Themen in der EU in den letzten Jahren, gibt es keinen einzigen Satz in diesem Wahlprogramm. Nämlich zum Thema EURO. Und jetzt habe ich keine Ahnung, wo EUROPA anders da steht. Soll Österreich im EURO bleiben? Sollen alle derzeitigen Mitglieder im EURO bleiben? Sollen neue Mitglieder in den EURO aufgenommen werden?

Also was natürlich Faktum ist, ist, dass das politische Konstrukt hinter dem EURO natürlich nicht funktioniert. Das hat man ganz klar gesehen. Man sieht auch, dass natürlich die Wirtschaftsleistung in den südlichen Ländern – zum Beispiel in Griechenland, in Spanien – mit dem Wert des EURO nicht übereinstimmt. Man sieht auf der anderen Seite, dass das auch ein Vorteil sein kann für Länder wie Deutschland oder auch in Österreich. Dass deren Wirtschaftsleistung natürlich auch mit dem EURO.

Also, dass die Mitgliedschaft von Griechenland und Spanien zum Beispiel eben diesen EURO für diese Länder auch drückt. Und dadurch der Export angekurbelt wird.

[...]

Vielleicht darf ich ausreden, dann sage ich Ihnen das. Also, ich glaube nicht. Also, wir glauben wir nicht, dass Österreich aus dem EURO austreten soll. Aber natürlich sehen wir die Probleme sehr wohl in den südlichen Ländern. Wir sehen sie in Spanien, wir sehen sie in Griechenland. Und wenn diese Länder entscheiden – für sich entscheiden -, dass es das richtige ist, aus dem EURO auszutreten, weil genau dieses System sie sonst erdrückt, dann müssen wir ihnen natürlich Hilfestellung leisten. Und wir sollten dann versuchen, selbstverständlich auch wieder Pläne zu schmieden, wie man sie wieder zurückholen kann.

Es gibt in ihrem Programm nichts zum EURO. Aber es gibt dafür Forderungen, wie eine europaweit einheitliche Vermögens- und Erbschaftssteuer ab 500.000 EUR und Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. Das mag sehr schön sein. Aber für beides ist die EU in keiner Weise zuständig.

Wir haben ein großes Problem in der EU. Die EU ist so in ihrer Verfasstheit ein postdemokratischer Exekutivföderalismus. Und das beginnt an drei Fragen: Die erste Frage ist natürlich: Wie werden Entscheidungen in Brüssel getroffen? Da muss man ganz klar sagen, wir sind undemokratisch und intransparent. Die zweite Frage ist natürlich: Was wird entschieden? Und da sieht man ganz klar, dass ökonimische Interessen im Vordergrund stehen und Gemeinwohlinteressen im Hintergrund sind.

Und jetzt komme ich auf Ihre Frage. Und das ist die dritte Frage. Und das ist die dritte Frage, worüber darf die EU eigentlich wirklich entscheiden? Und das ist die Frage der Kompetenzabgrenzung. Da ist es derzeit so, dass es keinen klaren Kompetenzkatalog gibt. Da ist es derzeit so, dass durch die Flexibibilisierungsklausel natürlich auch ein gewisser Zentralismus stattfindet. Aber, ich glaube, was die Frage der Gerechtigkeit betrifft: Da ist es auch wichtig, dass man auch genau solche Gerechtigkeitsinstrumente, wie Vermögenssteuer auch auf europäischer Ebene als Instrument hebt.

Gut, ist momentan nicht so. Ich habe noch eine letzte Frage. Sie haben 2010 gesagt: “Heinz Christian Strache ist für mich ein Nazi.” Sagen Sie das noch immer?

Was man in der Vergangenheit gesehen hat, ist, dass der Unmut von so vielen Leuten in der Vergangenheit immer wieder zugenommen hat. Und jetzt stellt sich natürlich die Frage: “Wie wird dieser Unmut der Menschen, das zukünftige politische System steuern und lenken?”

Jetzt weichen Sie mir auf, Herr Ehrenhauser.

Nein, ich komme gleich auf Ihre Frage. Selbstverständlich. Aber lassen Sie mir bitte den Gedanken zu Ende führen. Und jetzt ist die Frage, wie dieser Unmut unser zukünftiges politisches System steuert. Und man sieht ganz klar, dass eben Rechte, dass Nazis schlussendlich auch in Frankreich, ja in Österreich, auch in Griechenland immer weiter an Zulauf gewinnen. Dass autoritäre Systeme…

Sie weichen mir aus…

…das Nationalismus, menschenverachtende Parolen immer wieder…

Ich versteht das, dass Sie das probieren, aber Sie weichen mir trotzdem aus.

Wir von EUROPA anders möchten genau diesen Menschen, die die Politik…

Sie halten eine Wahlrede. Herr Ehrenhauser, ich verstehe das…

…in der letzten Zeit verlassen hat, wieder Zuversicht geben.

Ich verstehe das, aber meine Frage war: Stehen Sie zu diesem Zitat, das jetzt dreieinhalb Jahre ist von Ihnen?

Ich glaube, dass er menschenverachtende Parolen von sich gibt. Ich glaube, dass er Hassprediger ist.

Das ist nicht Ihr Zitat.

Ich stehe zu dem, was ich gesagt habe.

Sie haben gesagt: “Herr Strache ist für mich ein Nazi.”

Ich stehe zu dem, was ich gesagt habe.

Danke für Ihren Besuch im Studio.

Quelle: http://neuwal.com/index.php/2014/03/0...4-03-2014/

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