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„Mit einem Wort: Prekarität bekämpfen“

  • Sonntag, 21. September 2008 @ 20:00
Wahlen Michael Schmida und Alois Franz im Gespräch mit Mirko Messner über degoutante Diskurse, alternative Sicherheits-Vorstellungen und politische Traditionen.

Café KPÖ: Die Losung „Links. Mit Sicherheit“ bedeute, dass man sich darauf verlassen könne, dass die KPÖ linke Positionen vertrete, sagst Du in einem Interview. Bedeutet diese Losung nicht auch ein Liebäugeln mit dem virulenten Sicherheits-Diskurs, dessen sich jedoch fast ausschließlich rechte Parteien bedienen?


Messner: Na, das könnt ihr ausschließen, und zwar, wie gesagt, mit Sicherheit. Der rechte Begriff von „Sicherheit“ beruht auf der allgemeinen Verunsicherung, auf der vorherrschenden und um sich greifenden sozialen Unsicherheit in einer zunehmend rücksichtslosen Gesellschaft. Und auf rassistischer Weltsicht. Beispielsweise wird Kriminalität ethnisiert, das heißt, als latente Eigenschaft bestimmter „nichteinheimischer“ Bevölkerungsgruppen kolportiert oder behauptet.

Wer einen Beleg dafür will, braucht nicht lange zu suchen. Der Kärntner Landeshauptmann deportiert eine ganze Gruppe von Asylsuchenden aus Kärnten – Männer, Frauen und Kinder – auf den unbewiesenen Verdacht hin, dass sich ein Jugendlicher unter ihnen befinden könnte, der sich straffällig gemacht hat. Und er fordert elektronische Fußfesseln für jeden und jede Asylsuchende. Das Problem dabei ist nicht nur, dass ein Rassist Landespolitik macht, sondern dass die angeblich sozialdemokratische und die angeblich christliche Partei den Stimmen nachlaufen, die ihnen dieser Typ von Politikern abspenstig macht. Es fällt ihnen nicht ein, etwa das Arbeitsrecht und das Wahlrecht für alle zu fordern, die hier leben oder leben wollen.

Das ist die eine Seite. Die andere ist: Allgemeine und andauernde Verunsicherung, Perspektivlosigkeit und Prekarität begünstigen nicht nur Depression und seelische Krankheit, sondern führen unter bestimmten Umständen auch zu wüster, blinder Rebellion. Und was den Rechten dann an „Eindämmungspolitik“ einfällt, wirkt sich als antidemokratische Prävention auf die Gesamtgesellschaft aus, schränkt bürgerliche Freiheiten ein, soll linke Opposition einschüchtern, noch bevor sie laut geworden ist. Der rechte Sicherheitsbegriff schließt Ausgrenzung, Deportation, Repression und Überwachung ein. Weil er soziale Sicherheit explizit ausschließt.

Café KPÖ: Kann man diesem Sicherheits-Fanatismus überhaupt eine linke Gegenposition gegenüberstellen?

Messner: Man kann. Oder besser, man muss. Aber nicht nur, indem man darstellt, was die Welt und unser Leben unsicher macht, sondern vor allem, indem man ein Zusammen-Agieren organisiert und gestaltet. Ich habe vor Jahren in Triest, auf einer Diskussionsveranstaltung der Rifondazione, einer führenden Funktionärin einer großen MigrantInnenorganisation zugehört, und die hat ihren ganzen Beitrag auf einen Satz zugespitzt: „Die europäische Linke wird die Migrationsfrage in allen ihren widersprüchlichen Facetten als eigene begreifen lernen müssen, oder sie wird sich nicht entwickeln können.“

Ich meine, da haben wir noch viel zu tun, auch in unseren eigenen Reihen. Und ich rede von der Migrationsfrage im Zusammenhang mit der Sicherheitsfrage gerade deswegen, weil die Rechte den Migrations- und den Sicherheitsdiskurs in ihrem Sinne verknüpft und daraus die Brühe kocht, aus der sie schöpft. Das Strache-Plakat macht´s augenscheinlich: „Sicherheit – für unsere Leute“ heißt es da. „Unsere“ doppelt unterstrichen.

Was hier für viele Menschen harmlos daherkommt, ist es nicht, und wird anderswo auch ausgesprochen. Strache kritisiert die Vorstellungen der Großparteien bezüglich Gesundheitsreform, denn sie, die Großparteien, ließen es geschehen, dass Nicht-Österreicher die Gesundheitstöpfe leerräumen. Das ist Rassismus, wie er im Buche steht. Knüpft an realen Missständen an – und die gibt es im Gesundheitswesen, allerdings nicht wegen der Migranten und Migrantinnen –, holt sich seine Argumente aber nicht aus der Wirklichkeit, sondern aus einer Verzerrung derselben.

Café KPÖ: Was bedeutet es, wenn Linke von Sicherheit sprechen?

Messner: Zuerst einmal: Sicherheit nicht für „unsere“, sondern für alle Menschen, die hier und in anderen Weltregionen leben, Sicherheit vor Krieg und Kriegstreibern. Sicherheit für Frauen vor männlicher Anmaßung, Sicherheit für Kinder, sich Bildung aneignen zu können, ohne dafür zu zahlen. Und dann Sicherheit vor Rassisten. Vor Erwerbslosigkeit. Vor dem Rauswurf aus der Wohnung (so man eine hat).

Der Kern jeglicher Sicherheit in gesellschaftlichem Sinne ist die soziale Sicherheit. Das, was der neoliberale Politik- und Gesellschaftsumbau bewirkt, fassen wir üblicherweise in einem Wort zusammen: Prekarität. Und die führt zu Unsicherheit. In jeder Beziehung. Und das ist es auch, was die Mehrheit der Menschen alltäglich und in zunehmendem Maße spürt: Unsicherheit, persönliche und gesellschaftliche. Wir sollten den Sicherheitsbegriff Stück für Stück zurückerobern. Ich weiß schon, dass die hegemonialen Verhältnisse so ein Vorhaben nicht gerade begünstigen. Aber zumindest streitig machen sollten wir den Rechten diesen Begriff, ihn klassenbezogen auffassen d. h., unsere Inhalte, unsere Forderungen gegen ihre ausrichten.

Café KPÖ: Wie lebt es sich in der KPÖ? Du hast in der KPÖ die radikale Abrechnung mit dem Stalinismus wesentlich vorangetrieben.

Messner: Gut lebt sich’s in der KPÖ. Es kann zwar – im Bundesvorstand – keine(r) leben davon, aber die Lebendigkeit, die Bereitschaft, sich bei aller Vielfalt und Widersprüchlichkeit der Zugänge solidarisch über Gemeinsames zu einigen, das hebt uns von allen anderen Parteien ab. Dass die KPÖ mit dem Stalinismus radikal abgerechnet hat, ist vielen zu verdanken, Alten und Jungen. Was haben wir daraus gelernt?

Erstens, auch die Geschichte der KPÖ ist nicht eindimensional. Es hat in der KPÖ immer unterschiedliche kulturelle und politische Traditionen gegeben. Wir setzen heute bewusst auf ihre emanzipatorische Tradition. Und dann war da noch die Erkenntnis, dass Kommunismus von zwei Seiten mit Stalinismus verwoben oder gleichgesetzt wird.

Erstens von Dogmatikern und Anhängern autoritärer Politikvorstellungen; die machen jetzt ihre Exerzitien in eigenen Vereinen und nicht mehr in der KPÖ. Und zweitens von Antikommunisten, die unsere Partei gern in politischer Quarantäne sehen. Und zwar nicht deswegen, weil sie einen kommunistischen Umsturz befürchten, sondern weil sie verhindern wollen, dass in der monokulturellen politischen Landschaft Österreichs radikale – im ursprünglichen Sinn des Wortes –, soziale und demokratische Ideen Fuß fassen und die Landschaft verändern. Und dieses Kapitel ist nicht abgeschlossen. Aber indem wir das erste Problem gelöst haben, können wir auch das zweite angehen. Und da sind wir gerade dabei. Hoffentlich zeigt sich’s auch bei den Wahlen.

Quelle: Café KPÖ, Nummer 23, September 2008

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