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Eine Linkspartei – aber wie?

  • Dienstag, 1. Juli 2008 @ 14:15
Wahlen Es ist schon paradox: Da kürt die SPÖ-Führung ohne jeden Beschluss einen neuen Parteichef und unterordnet ihre Politik faktisch der „Kronenzeitung“ – aber es gibt keinen Aufschrei in der Partei. Sind alle so geschockt über den neuen Stil oder hat man ganz einfach verinnerlicht, dass das Fußvolk ohnehin nichts zu sagen hat?

Der Widerspruch zwischen den in sieben Oppositionsjahren aufgebauten Erwartungen und den auf dem Altar der Regierungsbeteiligung geopferten Wahlversprechen hat für massiven Unmut bei Mitgliedern und WählerInnen der SPÖ gesorgt. Nutznießer davon ist allerdings bis dato fast ausschließlich die mehr denn je auf fremdenfeindliche Hetze setzende FPÖ.

Einmal mehr bestätigt sich damit die Aussage des früheren Innenministers Caspar Einem, wonach SPÖ und FPÖ sich „zueinander verhalten wie kommunizierende Gefäße“. Ebenso bestätigt sich, dass die SPÖ seit Jahrzehnten nach links mauert – Stichwort Eisenstädter Erklärung - nach rechts aber offen ist wie ein Scheunentor, wie die mehr oder weniger offenen Spekulationen für eine Koalition mit der FPÖ beweisen.

Neoliberalismus in der Krise

In einer solchen Situation ist der Wunsch vieler Menschen nach einer Linkspartei durchaus verständlich und der Blick auf das benachbarte Deutschland nicht verwunderlich. Gemeinsam ist Österreich wie Deutschland der zunehmende Widerspruch, dass immer öfter eine Mehrheit im Parlament anders entscheidet als was die Mehrheit der Bevölkerung will, dass Wünsche nach Mitsprache wie etwa beim EU-Vertrag kalt vom Tisch gewischt werden.

Der Neoliberalismus gerät zunehmend in eine Krise, wie das Beispiel Lateinamerika zeigt. Dieser Subkontinent war ab den 70er Jahren das Experimentierfeld des Neoliberalismus schlechthin, jetzt hat die Bevölkerung diese Variante des Kapitalismus satt und drängt nach Veränderung. Die Grundproblematik ist also international, wachsende Unzufriedenheit resultiert aus einer deutlichen Verschlechterung der Lebenslage als Folge von Globalisierung und Neoliberalismus.

ÖGB-Reformchance vertan

In Österreich kommt dazu, dass die 2006 durch die BAWAG-Krise vorhandene Chance für eine ÖGB-Reform an Haupt und Gliedern nicht genützt wurde und im Gegenteil eine Reaktivierung der Sozialpartnerschaft parallel zum Regierungseinstieg der SPÖ erfolgte, bei der sich die Gewerkschaften als Hoflieferanten der Regierung für soziale Verschlechterungen profilieren.

Zwar ist eine gewisse Distanz zwischen ÖGB und SPÖ erkennbar, die aber vor allem daraus resultiert, dass nicht mehr so wie früher automatisch alle SpitzengewerkschafterInnen auch SPÖ-Abgeordnete sind. Aber es gibt noch lange keinen Bruch von relevanten Teilen der Gewerkschaften bzw. der SPÖ mit der neoliberalen Politik ihrer Partei.

Dieser Umstand ist auch vor dem Hintergrund einer durchgängigen neoliberalen bzw. rechten Hegemonie und der Fragestellung, wie man diese brechen kann, zu sehen. Auch der Widerspruch zwischen politischen Haltungen wie sie bei Umfragen (etwa zum EU-Vertrag oder zur Neutralität) geäußert werden und einer praktischen Aktionsbereitschaft bzw. dem Verhalten bei Wahlen darf nicht außer acht gelassen werden.

Deutschland ist anders

Ein Vergleich zwischen Deutschland und Österreich in Hinblick auf Chancen für die Linke zeigt gravierende Unterschiede. Ein Unterschied liegt im politischen System: In Deutschland hatte eine Rechtspartei wie die hiesige FPÖ nie eine Chance, weil dies die jahrzehntelange Arbeitsteilung – die CDU/CSU verhindert eine Rechtspartei, die SPD verhindert eine Linkspartei – dies verunmöglichte. In Österreich wurde hingegen die politische Flankensicherung nur gegen links betrieben, während man nach rechts immer offen war, wie das Buhlen um ehemalige Nazis schon Ende der 40er Jahre bewies.

Aktuelle Faktoren sind, dass mit der PDS seit 1991 eine starke Regionalpartei mit Parlamentsvertretung und starker Präsenz im Osten vorhanden war und dieses Gewicht auch durch Regierungsbeteiligungen nur partiell geschmälert wurde. Wesentlich war das „Ende der privilegierten Beziehungen zwischen SPD und Gewerkschaften“ (Frank Deppe) veranlasst durch Hartz IV und Agenda 2010 in der Ära Schröder. Dazu kommt die Wirkung medienerfahrener Persönlichkeiten wie Gregor Gysi und vor allem des ehemaligen SPD-Chefs Oskar Lafontaine, dessen Einstieg in die LINKE für die SPD bis heute für ein anhaltendes Trauma sorgte die mit dazu beitrugen die 2005 entstandene einmalige Situation auch zu nützen. Alle diese Faktoren fehlen in Österreich.

Es gilt freilich auch sich bewusst zu machen, dass die LINKE in Deutschland ein neues Projekt ist. Sie versteht sich ebenso – wie die ebenfalls sehr erfolgreiche niederländische SP – als pluralistische, aber nicht als marxistische Partei, auch nicht als Klassen- oder Weltanschauungspartei und schon gar nicht als ML-Partei. Die LINKE konzentriert sich auf drei Themen, nämlich soziale Gerechtigkeit durch Umverteilung, auf ein Umsteuern für eine andere Politik und auf mehr Demokratie von unten, direkt und partizipativ. Nicht ein großes fernes Projekt, sondern Änderungen hier und jetzt sind angesagt, die Verankerung vor Ort ist entscheidend, um nicht von Medien abhängig zu sein.

Lafontaine meinte zur Positionierung „Die LINKE braucht immer ein eigenständiges Profil. Wenn sie dieses eigenständige Profil nicht hat, dann wird sie nicht überleben“ (Sozialismus 6/08). Und er meinte weiter, die LINKE brauche eine umfassende Deutung der gesellschaftspolitischen Konstellationen und eine realistische Zeitdiagnose für eine umfassende Demokratisierung der Wirtschaft. Es ist daher ein Widersinn, wenn manche zwar die deutsche LINKE als reformistisch kritisieren, gleichzeitig aber das Gefäß Linkspartei mit sektiererischen Inhalten füllen möchten.

Parteigründer unterwegs

Im Gefolge der Plattform Volxabstimmung entstanden mehrere Projekte in dieser Richtung. Dworczak (SOAL) forciert ein „Linksprojekt“, Kohlmaier (Steuerinitiative) eine „Wahlgemeinschaft“. SLP und LSR treten ohnehin seit langem in Permanenz für eine „neue Arbeiterpartei“ ein. Dazu kommen SP-interne Ambitionen, so wollen die trotzkistische Funke-Gruppierung gemeinsam mit der ML-orientierten Stamokap-Gruppe eine neue Linke forcieren. Als Aufguss ist zu erwarten, dass die „Kronenzeitung“ ihre populistischen Projekte weiterspinnt, war es 2004 Hans-Peter Martin könnte es demnächst eine Dinkhauser-Liste oder „Rettet Österreich“ sein.

Bernhard Redl weist zu Recht darauf hin, dass die Voraussetzung für die Entstehung neuer Parteien soziale Bewegungen sind, derzeit aber keine adäquaten Bewegungen vorhanden sind, die eine solche Parteigründung rechtfertigen würden. Eine verfrühte Gründung würde daher dem Projekt wohl mehr schaden als nützen und wäre eine Totgeburt. Die auffallende Lancierung einzelner Bestrebungen durch große Medien bzw. mediale Inszenierungen und ein künstliches Aufblähen deuten daher darauf hin, dass eben diese Entwicklung durchaus im Interesse des Establishments liegt um sie ins Leere laufen zu lassen.

Die aktuelle Situation ist davon gekennzeichnet, dass mehr selbsternannte Anführer als Fußvolk vorhanden sind und die Bestrebungen andere für sich zu rekrutieren unübersehbar sind. Nicht unterschlagen werden darf dabei die feministische Kritik an manchen Macho-Allüren einiger älterer Herren, die wie immer schon wieder ganz genau wissen wollen, wo es lang gehen soll.

Zu hinterfragen sind auch Thesen wie jene, man müsse die Menschen dort abholen wo sie stehen. Das ist zwar grundsätzlich nicht falsch, wenn es mit Bestrebungen zur Aufklärung und Überwindung bedenklicher Vorurteile politisch frustrierter Menschen wie etwa die weit verbreitete Fremdenfeindlichkeit ist. Der Eindruck, dass man ihre Vorurteile mitnehmen will, ist aber oft nicht wirklich zu entkräften. Auch über den Begriff Zivilgesellschaft herrscht Verwirrung, indem diese per se als fortschrittlich betrachtet wird statt sie im Sinne Gramscis als neutrale Definition zu sehen und mit entsprechender Differenzierung zu verbinden.

Wahlbündniserfahrungen

Die KPÖ hat bisher dreimal zugunsten eines Wahlbündnisses auf eine eigene Kandidatur verzichtet. Alle drei Fälle haben gemeinsam, dass die in sie interpretierten Erwartungen nicht erfüllt, die angestrebte Basis für breitere linke Projekte nicht entwickelt wurden:

Bei der Wiener Gemeinderatswahl 1996 gingen die Hoffnungen über die Bewegung Rotes Wien mit dem Spitzenkandidaten Erwin Weissel die Tradition der alten Sozialdemokratie aufzugreifen nicht auf, weil nämlich traditionelle Sozialdemokraten sich als parteitreu erwiesen, während jüngere mit dem „Rotem Wien“ nichts mehr anfangen konnten.

Auch die Kandidatur der LINKE (Opposition für ein solidarisches Europa − Europäische Linke, KPÖ, Unabhängige) bei der Europaparlamentswahl 2004 brachte keinen Durchbruch, sie bestand de facto nur aus KPÖ, SOAL und Einzelpersonen und war vor allem innerhalb der KPÖ sehr umstritten. Die LINKE hat sich mit der Wahl faktisch erledigt, trotzdem geistert der Name weiter durch das Internet.

Schließlich erbrachte auch die Kandidatur von „Innsbruck Links“ gebildet von KPÖ, ATIGF und LINKE bei der Gemeinderatswahl 2006 ein mageres Ergebnis, nämlich nur halb soviel Stimmen als die KPÖ 2003 bzw. 2008 bei der Landtagswahl in Innsbruck ohne Bündnis erreichte.

Keine Bewegung in Sicht

Trotz massiver Krise der SPÖ gibt es keine Anzeichen für eine Bewegung nach links. Bislang gibt es keine Bereitschaft von namhaften Linken in der SPÖ sich außerhalb ihrer Partei zu engagieren. Projekte innerhalb der Partei dienen faktisch nur dem Flankenschutz. Aber eine linke Wahlplattform muss explizit gegen die Politik der SPÖ-Führung positioniert sein, sonst ist und bleibt sie nur ein Scheinmanöver. Offensichtlich wirkt nach wie vor die Keule der „Eisenstädter Erklärung“ von 1969, die formell immer noch in Kraft ist und eine Bewegung nach links blockiert. Dass die KPÖ von 2008 nicht mehr jene der 50er oder 60er Jahre ist, wurde bislang zuwenig wahrgenommen.

Aus ihrer Sicht mag es legitim sein, wenn Splittergruppen versuchen in bester entristischer Manier versuchen via Linkspartei politischen Einfluss zu erhalten. Es ist aber ebenso legitim wenn sich die KPÖ nicht fragwürdigen Projekten anschließt, solange sie dafür keine wirklichen Voraussetzungen sieht. Es ist eine irrige Meinung, eine neue Hülle namens Linkspartei mit alter Politik füllen zu können und eine solche neue Partei oder Wahlgemeinschaft durch bloße Addition diverser linker Gruppen schaffen zu können. Ansonsten sollten wir es bei einer These der interventionistischen Linken in Deutschland belassen, die für gegenseitige Anerkennung und dafür plädiert, dass jeder das machen was er am besten kann, statt sich zu bekämpfen.

Die entscheidende Frage

Als entscheidende Frage dieser Debatte bleibt die Notwendigkeit an der Entwicklung relevanter sozialer Bewegungen zu arbeiten. Die Anlässe dazu sind zur Genüge vorhanden: Lohnpolitik, Gesundheitsreform, Umverteilung, EU-Vertrag… Untrennbar damit verbunden ist auch die Notwendigkeit relevante Teile der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften in solche Bewegungen einzubeziehen, weil damit zwangsläufig auch die höchst notwendigen Differenzierungen verbunden sind. Wenn daraus eine Basis für die Entwicklung einer wirklich relevanten linken Strömung in welcher Form dann auch immer entsteht, soll es recht sein…

Leo Furtlehner

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