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Kontroversen um eine „Umgehung“ quer durch Linz

  • Mittwoch, 2. Mai 2007 @ 16:52
Verkehr Wenn es um den Verkehr geht, hat Baulandesrat Franz Hiesl (ÖVP) seine bewährten Rezepte: Er macht sich angesichts des Wachstums des Verkehrs zwar „große Sorgen“, meint in Hinblick auf das Verkehrspaket der Regierung aber „wir haben uns ausgesprochen“ und „damit können wir leben“. Solchen nichts sagenden und damit alles verschleiernden Jargon heimischer Politiker muss man sich auf der Zunge zergehen lassen…

Vor straßenbaukritischem Publikum meint Hiesl sogar launisch „ich muss aber nicht recht haben“ und kreiert sogar neue Wortschöpfungen: Mehr „Ortsumgehungen“ seien notwendig, dass diese eigentlich „Umfahrungen“ sind und erfahrungsgemäß weiteren Verkehr anziehen wie ein Magnet ist hingegen für den begnadeten Baustellen- und Straßeneröffner – mit Bagger, Spaten oder einfaches Bandldurchschneiden – kein Thema.

Daher forciert der oberste Betonierer des Landes auch eisern sein derzeitiges Lieblingsprojekt, den Linzer Westring, im Politjargon als A26 verniedlicht. Auch wenn der Westring quer durch das Linzer Stadtgebiet führt, für Hiesl ist es eine „Umgehung“ und damit ein „erstklassiges Entlastungsprojekt“. In seiner Euphorie nennt der Baulandesrat Zahlen über die Entlastung der Linzer Innenstadt, die eigentlich alle verkehrs- und staugeplagten BürgerInnen entzücken müssten.

Der Pferdefuß dabei: Die im Verkehrspaket der Regierung enthaltene erste Etappe des Westrings soll den Einzugsverkehr aus dem westlichen Mühlviertel – das sind 13 Prozent des täglichen Einzugsverkehrs nach Linz – entschärfen. Nun argumentieren aber die Verfechter des Projekts einer Donaubrücke mit anschließendem Tunnel zum Bahnhof und Anschluss an die A7 freilich so, als würde dieser Verkehr an Linz vorbeifahren, was mitnichten der Fall ist.

Auch bleiben die Autolawinen nicht im Tunnel oder gar einer heimlich vorgesehenen riesigen Garage im Berg, sondern sie kommen halt an anderer Stelle wieder heraus. So wird etwa am schon jetzt stark belasteten Europaplatz mit einer Verkehrszunahme um 37 Prozent gerechnet. Und wie das Beispiel der – von Raiffeisen per Public Privat Partnership finanzierten – Umfahrung Ebelsberg mittlerweile deutlich zeigt, ist die Entlastungswirkung solcher „Umgehungen“ begrenzt. Heute ist nicht nur die Umfahrung voll, sondern auch der angeblich entlastete Ortskern von Ebelsberg.

Richtig rund geht es mit dem Westring freilich erst, wenn auch der Nordteil – die Verbindung von der Donaubrücke über einem Tunnel zur A7 auf der Urfahrer Seite realisiert wird. Denn die A26 ist, wie die Grünen-Gemeinderätin Gerda Lenger in die Diskussion einbringt, als Teilstrecke der Transeuropäischen Netze (TEN) konzipiert und damit Teil der Transitautobahn auf der Achse Berlin-Prag-Linz-Venedig. Um diese so richtig flüssig zu machen, wird vom derzeitigen Ende der A7 in Unterweitersdorf zunächst bis Freistadt, später aber bis zur Grenze mit Tschechien die Mühlviertler Schnellstraße S10 konzipiert. In Hinblick auf die auch im Raum Linz ständig wachsende Transitlawine hat demnach der Westring eine Funktion ähnlich dem Bypass für einen Herzkranken.

Über die vorerst nur auf den südlichen Teil beschränkte Realisierung tröstet sich Hiesl damit hinweg, dass das eigentlich schon ursprünglich so geplant war. Man könnte es freilich auch als gezielte Salamitaktik interpretieren, um den Widerstand auseinanderzudividieren, weil ja die Urfahraner vorerst nicht betroffen sind. Ansonsten lässt Hiesl auch seine Beziehungen spielen, um KritikerInnen mundtot zu machen: Als ihm eine Linzer Lehrerin 2006 einen deftigen Brief in der Causa Westring schrieb, reagierte er nicht gelassen etwa mit Schweigen und auch nicht mit Klage wegen Beleidigung – nein er ließ seinen Draht zu Landesschulratspräsident Enzenhofer spielen, der daraufhin die widerspenstige Lehrerin zu sich zitierte und ihr wegen des einer Beamtin unwürdigem Verhaltens einen Eintrag in den Personalakt verpasste.

Mit geschätzten Kosten von 625 Millionen Euro – Skeptiker rechnen jedoch mit Verweis auf einschlägige Kostenexplosionen bei Straßenbauprojekten mit einer Milliarde – wird der Westring mit rund 60 Millionen Euro pro Kilometer gerechnet das vorerst teuerste Autobahnprojekt Österreichs, begründet Lenger unter anderem die Ablehnung des Projekts. Im Vergleich dazu ist die ebenfalls mit zahlreichen Tunnels gespickte S10 mit 25 Millionen pro Kilometer geradezu billig. Die 190 Millionen teure City-S-Bahn in Linz wurde vorsorglich erst gar nicht in das Verkehrspaket der Regierung aufgenommen.

Hiesl will Straßen für die Pendler bauen und meint, es sei schließlich legitim dass Menschen aus Liebenau oder Schwarzenberg tagaus, tagein nach Linz zur Arbeit pendeln. Dass vielleicht umgekehrt in solchen strukturschwachen Regionen wie dem Mühlviertel durch eine gezielte Strukturpolitik Arbeitsmöglichkeiten geschaffen werden könnten, kommt ihm vorsorglich gar nicht in den Sinn. Die vielen unbezahlten und verlorenen Stunden des Pendelns sind für ihn als Dienstwagenfahrer ganz normal, er tröstet sich damit, dass es gelungen sei den Treibstoffverbrauch und die Unfallopfer in den letzten Jahrzehnten deutlich zu reduzieren. Schicksal ist für Hiesl auch die Verlagerung der Lagerhaltung auf die Straße durch die Just in Time-Produktion.

Die Prognosen über die Verkehrsentwicklung sind beunruhigend: 2001 kamen auf tausend Einwohner 540 PKWs, 2011 werden es 590 sein und 2021 gar 680. Die reale Belastung potenziert sich allerdings, weil gleichzeitig die Nutzung der Fahrzeuge in einer immer mobileren und deregulierteren Gesellschaft zunimmt, von 2,87 Fahrten pro Tag 2006 auf 3,1 Fahrten 2011, was in Summe allein in Oberösterreich eine Steigerung der Fahrten von 2,15 auf 2,76 Millionen pro Tag ergibt.

Minister Werner Faymann (SPÖ) spielt in dem Konzert den Abgeklärten und Sachlichen. Nicht alles sei machbar, was die Länder wünschen, interpretiert er das Verkehrspaket der Regierung. Bis 2012 seien jetzt die zugesagten Projekte gedeckt, jetzt gelte es zu handeln, tönt er bei einer am 2. Mai 2007 stattgefundenen Veranstaltung der „Krone“ zu welcher ihm eine besondere Affinität schon aus seiner Zeit als Wiener Stadtrat nachgesagt wird.

Seine „harte“ Haltung demonstriert Faymann mit der Feststellung, zum Unwillen seiner Wiener Parteifreunde ein Autobahnprojekt verhindert zu haben, das auf den Kilometer gerechnet 500 Millionen Euro gekostet hätte. Freilich legt er den Westring-Fans die Schiene mit der Aussage, dass „nicht jede Straße, nicht jede Garage mehr Verkehr erzeugt“.

Faymann räumt ein, dass mit der Kostenwahrheit etwas nicht stimmt. Etwa am Beispiel der EU-Wegekostenrichtlinie, bei deren Anwendung die Fahrten billiger werden je mehr LKW auf den Straßen unterwegs sind und Österreich mit Sanktionen rechnen muss, weil die hiesige LKW-Maut um vier Cent über der Richtlinie liegt. Wie ungleichgewichtig die Verkehrspolitik ist, macht auch Faymanns Hinweis deutlich, dass die Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen im Schienenverkehr umfassend, im Straßenverkehr hingegen mehr als nur lückenhaft ist.

70 Prozent des Schienennetzes der ÖBB stammen noch aus der Zeit der Monarchie. Der Rückstand des Bahnausbaus ist enorm und kann nicht bloß auf sieben Jahre schwarzblaue Regierung abgeschoben werden. Freilich zielen die Projekte nicht darauf, den Bahnverkehr wirklich als Alternative zu entwickeln. Während die ÖBB enorme Summen in die Hauptstrecken und zentrale Bahnhöfe pumpt, wird die Bahn in der Fläche durch Einschränkung oder Stilllegung von Regionalbahnen ausgedünnt.

Faymanns Hinweis, dass der Bund seinen Zweidrittelanteil an der Erhöhung der Mineralölsteuer in nicht näher definierte Maßnahmen für den Klimaschutz, die Länder und Gemeinden ihren Drittelanteil aber für den Regionalverkehr verwenden sollen, setzt die mit der Ausgliederung der Bahn aus dem Bundesbudget begonnene Linie des Bundes deutlich, aus der Finanzierung des Regionalverkehrs systematisch auszusteigen und den „Schwarzen Peter“ den Ländern und Gemeinden zuzuschieben. Deutlich wird das am Verkehrspaket bis 2012 für Oberösterreich, das mit Ausbau der Westautobahn A1 und der Innkreisautobahn A8, dem Westring A26 und der Mühlviertler Schnellstraße S10 eindeutig der Straße Vorrang einräumt. Für die Schiene bleibt nur der Ausbau der Summerauerbahn, während Pyhrnbahn und City-S-Bahn auf der Strecke bleiben.

Nicht angesprochen in dieser Debatte bleiben der Anspruch auf umfassende Mobilität wie sie etwa auf EU-Ebene durch die vier Grundfreiheiten als Basis für Binnenmarkt und Wettbewerb dogmatisch verankert sind und die notwendige Kostenwahrheit in einem unter kapitalistischen Bedingungen von der Allianz von Autoindustrie und Ölkonzernen diktierten Verkehr. Das sind freilich zentrale Fragen der Verkehrspolitik überhaupt wie sie etwa von der KPÖ gestellt werden.

Leo Furtlehner

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