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Gemeindefinanzen in der Krise: Wendig und windig…

  • Mittwoch, 28. Februar 2007 @ 13:15
Kommunal Wenn es um eilfertige Wahlversprechen oder die Realisierung von „Highlights“ des Koalitionsabkommen geht, ist der Regierung fremdes Geld gar nicht so fremd. Egal ob BOMS (Bedarfsorientierte Mindestsicherung), Pflegemodell für private Haushalte, Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen oder andere Errungenschaften – die Gemeinden sollen kräftig mitzahlen.

So kündigt Sozialminister Buchinger etwa treuherzig zur Finanzierung der Mindestsicherung – statt Hartz IV auf deutsch dann wohl Buchinger I auf österreichisch – an „Wir werden nur dann erfolgreich sein, wenn Bund, Länder, Gemeinden und Sozialpartner zusammenarbeiten“.

Gemeinden mit dem Rücken zur Wand

Kein Wunder, dass den Gemeinden und ihren Interessenvertretungen ob solcher Begehrlichkeit die Grausbirn aufsteigt. So stellt etwa der Städtebund für seine 237 Mitgliedsgemeinden fest, dass die Stadtbudgets unter den steigenden Sozial- und Gesundheitsausgaben „ächzen“. Und Helmut Mödlhammer (ÖVP), Präsident des 2.346 Gemeinden repräsentierenden Gemeindebundes, meint sarkastisch, die „Gemeinden sind nicht die Lastesel der Nation“. Auch der oö Landeshauptmann Pühringer stellte zur Begehrlichkeit des Bundes klar „Man kann kein Programm erarbeiten, das zu Lasten Dritter geht.“

Auch 2006 wurde das kommunale Maastricht-Defizit eingehalten. Als Kehrseite sind die Bruttoinvestitionen der Städte und Gemeinden mit 1,96 Milliarden Euro auf einen historischen Tiefststand von 0,8 Prozent des BIP gesunken und Österreich mit diesem Wert auf dem vorletzten Platz der 27 EU-Länder gelandet. Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger meint, dass alles was die Gemeinden konjunkturbedingt gewinnen durch die Dynamik von Sozial- und Gesundheitsausgaben sofort wieder dahinschmilzt. Aus den Gemeindebudgets ist unschwer zu ersehen, wie die via Krankenanstaltenfinanzierung und Sozialhilfeverbänden abgesaugten Gelder von Jahr zu Jahr wachsen.

Trotzdem Musterknaben bei Maastricht-Budgetierung

Apropos Maastricht-Defizit: Auch dabei macht es sich der Bund recht einfach. Für 2006 genehmigt sich der Bund ein Defizit von 1,51 Prozent, den Ländern und Gemeinden wird aber ein Überschuss von 0,4 Prozent verordnet. Und der von Gusenbauer und Molterer für 2010 angekündigte Budgetüberschuss schaut konkret so aus, dass der Bund dann zwar nur mehr 0,15 Prozent Defizit aufweist, faktisch aber Länder und Gemeinden mit einem plus von 0,40 Prozent für den Überschuss sorgen müssen.

Trotzdem resümiert Mödlhammer stolz, dass sich bei der Erfüllung der Maastricht-Kriterien die „Kommunen als die stabilste und verlässlichste Gebietskörperschaft erwiesen“ haben. Und er verweist auf einen Überschuss von 213 Millionen Euro (ohne Wien), im Schnitt 33 Euro pro EinwohnerIn. Um gleichzeitig einzuräumen, dass die „Spielräume für Investitionen in den Gemeinden immer noch sehr, sehr gering sind“.

Hat die SPÖ in den letzten sieben Jahren immer wieder die restriktive Budgetpolitik des damaligen Finanzministers Grasser kritisiert, so gaben sich sozialdemokratische Bürgermeister als Musterknaben in punkte Maastricht-Budgetierung. Gerade die (meist sozialdemokratisch regierten) Städte zwischen 20.000 und 50.000 EinwohnerInnen verweisen auf einen positiven Finanzierungssaldo von 52 Euro pro Kopf als Ergebnis einer „permanenten Verwaltungsreform“, sprich massiven Druck auf das Personal, strikte Tarif- und Gebührenpolitik und Ausgliederungen aus dem Budget auf Teufel komm raus…

Gemeinden in der Zinsensschere

Und weil auch die Zinsbelastung für die wachsende Verschuldung der Gemeinden steigt geraten die Kommunen gleich von mehreren Seiten in die Schere. Der EURIBOR-Dreimonatszinssatz ist binnen Jahresfrist bis Ende 2006 von 2,4 auf 3,7 Prozent gestiegen. Dabei bedeutet ein Zinsschritt von 0,1 Prozent gleich einen Mehraufwand an Zinsen für die Gemeinden (ohne Wien) von 5,5 Millionen Euro jährlich.

Ein Problem ist auch die wachsende Abhängigkeit der Gemeinden von den Ertragsanteilen, aus denen bereits 64 Prozent der Gemeindeeinnahmen stammen. Gleichzeitig ist der Anteil der Gemeindeabgaben von 1990 bis 2006 von 44 auf 36 Prozent gesunken. Dabei ist noch gar nicht die Rede von der ohnehin völlig ungerechten Verteilung der Ertragsanteile: Aus dem Topf der gemeinschaftlichen Bundesabgaben behält sich der Bund 73,223 Prozent vor und die Länder erhalten 15,196 Prozent. Für die Gemeinden (ohne Wien) bleiben 11,581 Prozent, obwohl sie 54 Prozent der öffentlichen Investitionen tätigen.

Durch die Finger schauen die Gemeinden auch, wenn es zur Abschaffung von Steuern kommen sollte, wie dies immer wieder andiskutiert wird. So würde allein die von Ex-Finanzminister Grasser angeschnittene Abschaffung der Werbesteuer den Gemeinden 80 Millionen Euro kosten, die durch die Medien geisternde Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer weitere 20 Millionen Euro.

Windige Finanzierungsideen

Kein Wunder, wenn die Finanzreferenten der Gemeinden in solch neoliberalen Zeiten auf ganz krause Ideen kommen, das kommunale Leben zu finanzieren. Vor einigen Jahren war das Patentrezept dafür Cross Border Leasing (CBL). Dabei verkauften oder verleasten (meist für 99 Jahre) nicht nur Unternehmen sondern auch manche Gemeinden wichtige Einrichtungen an eine US-Bank und leasten diese wieder zurück, wobei sie den Profit aus einem dabei genutzten Steuervorteil teilten. Durch eine Änderung der US-Steuergesetzgebung wurde diese vielkritisierte Finanzierungsform allerdings vor einigen Jahren brüsk beendet und diese fragwürdige Geldquelle versiegte abrupt.

Nicht neu ist das Engagement in Fremdwährungskrediten. Nicht nur hunderttausende österreichische Häuslbauer, sondern auch manche Gemeinden sitzen bei der Spekulation auf Schweizer Franken oder japanische Yen mit ausgefuchsten Börsenprofis in einem Boot. Die Höhe der Fremdwährungskredite der Kommunen wird auf rund zehn Prozent der Verschuldung geschätzt, mit einem klaren Gefälle von West nach Ost. Verpönt sind solche Fremdwährungskredite in der Steiermark, in Graz untersagt sogar das Stadtstatut mit Fremdwährungen zu operieren.

Die Carry Trades, bei denen gevifte Investoren Geld in einer niedrig verzinsten Währung aufnehmen und dann gegen eine Währung mit höherer Verzinsung tauschen werden immer mehr zum Risiko und die Finanzwelt fürchtet einen neuen Crash. Gab es vor einem Jahr noch 135 Yen für einen Euro, so zuletzt 160, analog 1,56 Franken pro Euro und zuletzt 1,64. Zuletzt zeigte sich freilich ein Kurswechsel und Experten raten, bei einem Kurs von 1,54 Franken für einen Euro automatisch die Reißleine zu ziehen und aus Fremdwährungskrediten auszusteigen.

Vorsichtige Finanzreferenten haben das schon vor längerer Zeit getan. Die Stadt Linz nahm Mitte der 90er Jahre im großen Stil Schweizer Anleihen auf, aber bereits beim Voranschlag 1999 wies der damalige Finanzdirektor und nunmehrige SPÖ-Landesrat Hermann Kepplinger darauf hin, dass die Anleihen in Schweizer Franken eine „nunmehr ohne erkennbaren Vorteil erhebliche Steuerbelastung“ zur Folge hatte, weil die Bildung von Rücklagen notwendig geworden sei, die wiederum durch die Erhöhung der Kapitalertragssteuer höher belastet wurden. 2004 wurden diese Anleihen zugunsten normaler Darlehen umgeschichtet.

Denn sie wissen nicht, was sie tun…

Immer stärker wird ein „proaktives Schuldenmanagement“ zum Zauberwort für Gemeindefinanzreferenten. Federführend dabei ist die Kommunalkredit Austria, die aber vorsichtshalber meint „man dürfe sich nicht gutgläubig aggressiven Kreditberatern überlassen“. Der steirische Gemeindebund-Sekretär und Finanzexperte Dietmar Pilz betont, der Gemeinderat müsse „unbedingt dazu stehen“.

In Deutschland, wo der Schuldenstand der 12.630 Kommunen von 1991 bis 2005 von 70 auf 115,6 Milliarden Euro fast auf das doppelte gestiegen ist, werden solche Swap-Geschäfte als „James-Dean-Geschäfte“ bezeichnet, weil die Finanzreferenten und BürgermeisterInnen nach dem Motto „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ handeln, berichtete der „Spiegel“ schon 2006.

Auf die Nase gefallen ist mit solchen „Schuldenmanagement“ beispielsweise die Gemeinde Zurndorf (Burgenland). Der Einsatz von 500.000 Euro als Optimierungsinstrument landete plötzlich in einem Minus von 40.000 Euro nachdem es „eigentlich lange Zeit gut gegangen“ war, wie Vizebürgermeister Harald Ziniel (SPÖ) betonte.

Negativbeispiel im „Freistaat“ Kärnten

Im großen Stil wurde solches Risikomanagement in Form so genannter Swaps vom Land Kärnten genutzt, wobei pikanterweise ausgerechnet der für das Desaster der Hypo Alpe-Adria – sie verzockte dabei 328 Millionen Euro – verantwortliche Treasurer der Berater der Landesregierung war. Allein 2005 wurden von BZÖ und SPÖ drei neue solcher Swaps – als deren Sicherstellung bestehende Landesdarlehen und Anleiheverbindlichkeiten dienen – über 70 Millionen Euro beschlossen und erreichte damit ein Volumen von insgesamt 132 Millionen.

LH Jörg Haider versuchte als Rechtfertigung dafür den Finanzminister und die Finanzmarktaufsicht heranzuziehen und behauptete diese würden das Land zu solchen Geschäften verpflichten. FMA-Sprecher Klaus Grubelnik stellte jedoch klar „Wir sind nur für die Bankenaufsicht zuständig, nicht für Länderhaushalte.“ Und meinte zum Risiko lapidar: „Man kann damit sehr sicher fahren oder an einem Tag Haus und Hof verlieren.“

Schlüsselfrage Umverteilung

So wie für die wachsende Schere zwischen immer größeren Profiten und Reichtum auf der einen und immer mehr Menschen die in die Armut getrieben werden erweist sich auch für die Gebietskörperschaften eine grundlegende steuerpolitische Umverteilung als immer dringlicher, sollen sie nicht ins finanzielle Desaster getrieben werden. Das gilt nach dem Motto „Den letzten beißen die Hunde“ insbesondere für die Gemeinden. Während sich nämlich der Bund großzügig an den Steuergeldern bedient und enorme Summen für Rüstung oder die Förderung des Kapitals verprasst, werden unten die Daumenschrauben angesetzt.

Die Situation erkannt haben zwar auch die GemeindepolitikerInnen der Koalitionsparteien, doch ihren regelmäßigen Klagen über die Finanzmisere der Kommunen folgen keine Konsequenzen, wenn sie aus Parteiräson der neoliberalen Regierungspolitik die Mauer machen. Zur Gretchenfrage ob ihr Herz wirklich den Gemeinden gehört, wird das insbesondere für die rund zwanzig BürgermeisterInnen im Hohen Haus.

Leo Furtlehner

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