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Nach der Nationalratswahl

  • Samstag, 7. Oktober 2006 @ 11:32
Wahlen Stellungnahme der KPÖ zum Ergebnis der Nationalratswahl 2006

Dass die SPÖ im Ergebnis der Nationalratswahl vom 1. Oktober 2006 trotz deutlicher Stimmenverluste zur stärksten Partei wurde und damit aller Wahrscheinlichkeit nach den künftigen Bundeskanzler stellen wird, ist nicht ihr eigenes Verdienst, sondern den weit größeren Verlusten der ÖVP und der gesunkenen Wahlbeteiligung geschuldet.

Der Rückgang der Wahlbeteiligung um rund zehn Prozent ist nicht nur Folge einer geringeren Mobilisierungsfähigkeit der Großparteien, sondern vor allem auch Ergebnis einer als Demobilisierung bezeichneten gezielten WählerInnenvertreibung durch eine politischen Schlammschlacht, die viele WählerInnen bewog zu Hause zu bleiben. Durch die aggressive verbale Abgrenzung voneinander sollte vor allem die inhaltliche Nähe der Parteien überdeckt werden.

Die Abwahl der Regierung Schüssel und damit das Ende von sechs Jahren schwarzblau/oranger Regierung sind zweifellos positiv zu werten. Die ÖVP verlor den Großteil ihrer Gewinne von 2002, weil sie gestützt auf ihre als Erfolgsbilanz dargestellte unsoziale Politik und im Vertrauen auf den Kanzlerbonus allzu siegessicher den Prognosen der Meinungsforscher vertraute. Der von ihr gegen die SPÖ in Stellung gebrachte BAWAG-Skandal war jedoch letztlich nicht ausreichend um ihre Führungsposition zu behaupten, sondern führte eher zu einem Schulterschluss-Effekt bei SPÖ-Anhängern.

Die Grünen konnten zwar Gewinne verzeichnen und haben teilweise in urbanen Regionen die ÖVP als führende Partei verdrängt, es gelang ihnen drittstärkste Partei zu werden und sie stellen damit sowohl die dritte Parlamentspräsidentin als auch einen Volksanwalt. Durch die Mehrheitsverhältnisse im Parlament sind die Grünen – die sich sowohl eine schwarzgrüne als auch eine rotgrüne Koalitionsoption offen hielten – als Koalitionspartner jedoch obsolet geworden.

In einem bislang nicht gekannten Wettbewerb der Verhetzung und Fremdenfeindlichkeit, die teilweise bereits eine Ku-Klux-Klan-artige Pogromstimmung erkennen ließ, gelang es FPÖ und BZÖ das rechtsextreme WählerInnenpotential von zehn auf 15 Prozent auszuweiten. Dabei konnte sich die FPÖ wieder konsolidieren und ihre Führungsrolle Rechtsaußen behaupten, weil offensichtlich rassistisch orientierte WählerInnen lieber zum Schmied als zum Schmiedl gehen. Das BZÖ konnte nur durch die 25 Prozent in Kärnten bundesweit über die Hürde von vier Prozent kommen.

Dies bedeutet, dass es nicht nur eine parlamentarische Plattform für eine ständige gegenseitige Lizitationspolitik geben wird, wer von den beiden Rechtsparteien am meisten fremdenfeindlich ist, sondern insgesamt auch mehr Druck auf die anderen Parteien zur zumindest teilweisen Übernahme von Positionen von FPÖ bzw. BZÖ.

Das Scheitern von Hans-Peter Martin zeigte hingegen, dass die Themen Privilegien und Bürokratie nicht ausreichend sind um eine dritte populistische Partei ins Parlament zu bringen, auch wenn diese eine Abgrenzung vom Rassismus vornimmt. Maßgeblich für das Scheitern ist auch, dass das mediale Interesse für Martin nach anfänglicher Unterstützung durch die „Kronenzeitung“ im Wahlkampf weitgehend erlahmte.

In der Schlussphase des Wahlkampfes bemühten sich SPÖ und Grüne inhaltsleer noch um Frauenstimmen. Indirekte Unterstützung erhielten sie dabei von Schüssel höchstpersönlich mit seinem „Emanzen“-Ausspruch. Obwohl Sager wie „Mehr Kinder statt Inder“, die Forderung nach einer Gebärprämie und nach Verbot der Abtreibung schon zu Beginn des Wahlkampfes den Zusammenhang von Sexismus und Rassismus in seiner tiefsten Ausprägung verdeutlichten, gab es keine Erwiderung in den diversen – sieht man von der Moderatorin ab – ausschließlichen TV-Männerrunden. Dennoch wirkte die einfache Botschaft, mit uns gibt es wieder Frauenpolitik. Die verwaschene inhaltliche Füllung kritisierten auch die Initiatorinnen des Frauenvolksbegehrens, ihre Wahlempfehlung schloss daher die KPÖ prominent ein, die sich als einzige klar hinter die Forderung von 645.000 UnterzeichnerInnen stellte.

Die KPÖ konnte als linke Alternative ihr Wahlergebnis von 0,56 auf 1,01 Prozent steigern. Sie erreichte nicht nur ihr Wahlziel, sondern erzielte auch das beste Ergebnis seit 1975. In Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich und Tirol erreichte die KPÖ mehr Stimmen als bei jeweils letzten Landtagswahl, in Wien wurde das Ergebnis von 2005 nahezu erreicht. Seit ihrem wahlpolitischen Tiefpunkt im Jahre 1994 konnte die KPÖ ihre Stimmen bei Nationalratswahlen mehr als vervierfachen.

Dieser Wahlerfolg war mit einer gegenüber früheren Wahlen weit stärkeren Präsenz im ORF verbunden, in deren Schlepptau sich auch die Präsenz in den Printmedien verstärkte. Allerdings schlug sich die günstige Stimmung für die KPÖ vor der Wahl nicht voll im Ergebnis nieder, weil offenbar viele WählerInnen letztlich doch wieder dem Argument der verlorenen Stimme erlegen sind und SPÖ oder Grüne gewählt haben.

In diesem Zusammenhang ist neuerlich an das undemokratische Wahlrecht mit der Vier-Prozent-Klausel und der Grundmandatshürde zu erinnern: Wäre jede Stimme gleichviel wert, hätte die KPÖ bereits 2002 und erst recht 2006 eine Vertretung im Nationalrat erreicht. Die jetzige Konstellation des Nationalrates widerlegt auch das Argument, die Hürden für einen Einzug in das Parlament seinen notwendig um eine Zersplitterung zu verhindern und die Regierungsbildung zu erleichtern.

Der KPÖ gelang es im Wahlkampf weit über die Partei hinaus viele Menschen zu mobilisieren und mit ihren KandidatInnen neue SympathieträgerInnen in der Öffentlichkeit zu schaffen. Ohne Personal und mit geringem Mitteleinsatz gelang es, ein Ergebnis wie zuletzt in den 70er Jahren zu erreichen. Durch den Rückgang der Stammwählerpotentiale bedeutet dies die Gewinnung vieler tausender neuer WählerInnen. Das Ergebnis bedeutet auch eine Bestätigung der Orientierung des 33. Parteitages und damit einen Beitrag zur Konsolidierung der Partei.

Das Ergebnis der Wahl macht mangels anderer Optionen eine Neuauflage der großen Koalition von SPÖ und ÖVP höchstwahrscheinlich, deren Stimmenzahl zusammen allerdings gerade die Hälfte der Wahlberechtigten repräsentiert. Dabei ist mit langwierigen Koalitionsverhandlungen zu rechnen, weil einerseits die ÖVP bis hin zur Oppositionsansage und der Drohung einer Rechtskoalition mit FPÖ und BZÖ oder mit Neuwahlen den Preis möglichst hoch treiben, andererseits die SPÖ alle Varianten von einer Minderheitsregierung bis hin zu wechselnden Mehrheiten mit Grünen, FPÖ oder BZÖ als Druckmittel ins Treffen führen wird.

Die hohen Erwartungen an den künftigen Kanzler Gusenbauer in Hinblick auf Ankündigungen und Versprechungen im Wahlkampf („Den Wohlstand gerecht verteilen“) stehen in einem krassen Gegensatz zur Realität sozialdemokratischer Politik in Österreich und international. Von einer völlig im neoliberalen EU-Kontext (Stabilitätspakt, Maastricht-Kriterien, Liberalisierung…), befangenen SPÖ ist keine Politik mit sozialen Prioritäten zu erwarten. Die Praxis wird rasch zeigen, was von dem angekündigten „Kurswechsel“ übrig bleibt. Signale wie ein eigenständiges Frauen- und Kulturministerium sind dafür ebenso zuwenig wie die längst fällige Abschaffung der Studiengebühren.

In diesem Zusammenhang ist an die Praxis der SPÖ in ihrer Regierungsvergangenheit (1986-2000) ebenso zu erinnern wie an die Praxis dort, wo die SPÖ auch in den letzten Jahren regierte und im Kern keine andere Politik machte als die ÖVP im Bund. Zu erinnern ist weiters an die Forderungen und Aussagen der Kapitalvertretungen WKÖ und VÖI, die nicht nur eine große Koalition bevorzugen, sondern auch bereits unmissverständlich ihre Wünsche für eine weitere Entlastung von Kapital und Vermögen auf Kosten der Lohnabhängigen sowie weitere Privatisierung von öffentlichem Eigentum deponiert haben.

Die Gewerkschaften wurden von Gusenbauer im Gefolge des BAWAG-Skandals auf Distanz gebracht. Jetzt geht es darauf zu dringen, dass sich der ÖGB nicht wie jahrzehntelang üblich wieder unter die Parteiräson begibt. Für die Gewerkschaften wäre es kontraproduktiv, wenn sie wie von manchen verlangt „automatisch“ wieder den Sozialminister stellen würden und als Transmissionsriemen eine neoliberale Regierungspolitik auf Kosten der Lohnabhängigen, Prekarisierten und Erwerbslosen umsetzen.

Vielmehr kommt es darauf an, dass der ÖGB in sichtbarer Distanz zur Regierung bleibt und sich ausschließlich den Interessen seiner Mitglieder verpflichtet und auch mit Kampfmaßnahmen deren Interessen wahrnimmt. Das setzt freilich auch voraus, dass der ÖGB sich an Haupt und Gliedern erneuert und nicht durch eine Pseudoreform selbst obsolet macht.

Die wachsende soziale Ungerechtigkeit, die immer weiter auseinander klaffende Schere zwischen Arm und Reich ist eine direkte Folge der kapitalistischen Produktionsweise. Wirtschaftsliberale und konservative Parteien begrüßen diese Profitmöglichkeiten für Konzerne und wollen sie weiter ausbauen. Aber auch sozialdemokratische und grüne Parteien haben dieser Marktlogik nichts entgegen zu setzen. Die einen verlangen eine "neue Fairness" und auch die Grünen ordnen, wie am Beispiel des migrantInnenfeindlichen und von WKO und VÖI beklatschten Punktesystems zu sehen ist, ihre Politik immer mehr den Interessen der Wirtschaft unter. Wie am Beispiel Rot-Grün in Deutschland zu sehen war haben Sozialdemokratie und Grüne keine Gegenkonzepte zur kapitalistischen Logik.

Im Gegensatz dazu zeigt die KPÖ die fundamentalen Widersprüche und die systemimmanenten Ungerechtigkeiten auf und entwickelt emanzipatorische Alternativen zum patriarchalen Kapitalismus unter dem Motto „Eine andere Welt ist möglich!“

Die KPÖ warnt vor den Gefahren nationalistischer und rassistischer Ansätze. Rechte Populisten schöpfen ihre Zustimmung aus den zunehmenden sozialen Problemen, ihre rassistischen und nationalistischen Ansätze sind ein Auswuchs aus dem System des neoliberalen Kapitalismus. Nicht umsonst stecken hinter den Straches und Westenthalers die Gelder aus der Industrie.

Die KPÖ wird die künftige Regierung und die Parlamentsparteien mit dem Motto „Es ist genug für alle da“ konfrontieren und mehr soziale Gerechtigkeit durch ganz konkrete Maßnahmen zur Umverteilung verbunden mit grundsätzlicher Systemkritik am neoliberalen Kapitalismus einfordern. Eine solche Politik mit dem Ziel gleicher Rechte für alle ist auch eine klare Gegenposition gegen die Politik der Verhetzung und Fremdenfeindlichkeit von FPÖ und BZÖ und damit eine klare Absage an die Haltung der Großparteien, welche kein Jota von ihrer neoliberalen Politik abrücken wollen und damit sozialer Demagogie von Strache & Westenthaler Tür und Tor öffnen.

Als wesentlich sieht die KPÖ aber auch die Entwicklung breiter außerparlamentarischer Bewegungen gegen Sozialabbau, Sexismus und Rassismus, gegen die neoliberale Politik der künftigen Regierung. Es geht dabei darum, auf der Grundlage radikaler sozialer Alternativen ein gemeinsames Projekt aller gesellschaftskritischen Kräfte für eine Offensive gegen den neoliberalen Kapitalismus zu entwickeln.

Nach allen bisherigen Erfahrungen mit der Politik der Nationalratsparteien sind weder vom Parlament noch von einer künftigen Regierung substantielle Änderungen zu erwarten. Die Einschätzung der Parlamentsparteien hat sich nicht geändert, die Alternativen der KPÖ dazu sind nach der Wahl so aktuell wie vor der Wahl.

KPÖ-Bundesvorstand 7. Oktober 2006

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