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Feindbild Bettler

  • Freitag, 13. April 2007 @ 13:00
Kommunal Die Kleinen (nämlich die Bettler) fängt man, die Großen (etwa Konzerne, die sich zunehmend der Steuerpflicht entziehen) lässt man laufen – ganz nach diesem Motto läuft bundesweit eine neue Offensive für ein Bettelverbot. In Kärnten boxten BZÖ, FPÖ im trauten Einvernehmen mit der ÖVP eine Verordnung im Landtag durch, derzufolge „aggressives und organisiertes Betteln“ im ganzen Bundesland verboten wird. Das Haider-Land ist freilich dabei kein Vorreiter, in Salzburg, Tirol, der Steiermark und Wien existieren Gesetze, die das Betteln unter Strafe stellen, bereits länger.

Wenig überraschend, dass dies die FPÖ als die „Law-and-Order“-Partei schlechthin zum Anlass für einen Vorstoß auch in Oberösterreich nimmt. Offenbar als Ablenkung von der heillosen Verstrickung der durch Strache-Wehrsportfotos mit Nazis geschädigten FPÖ und ihrer Jugendorganisation RFJ mit dem organisierten Neonazismus Marke BFJ und anderer Gruppen fordert Landesobmann Lutz Weinzinger, seines Zeichens ein schlagender Burschenschafter, ein „konsequenteres Vorgehen von Polizei und Gemeinden gegen organisierte Bettlerbanden“ und kritisiert, dass „vermehrt Bettler in den Ballungsgebieten ihr Unwesen treiben“ würden. Fast wortgleich wetteifert BZÖ-Abgeordnete und Ex-Sozialministerin Ursula Haubner mit der blauen Konkurrenz.

Laut Sicherheitsbehörden ist die Zahl der Profi-Bettler allerdings durch „gezielte Maßnahmen“ unter Bezugnahme auf das Bettelverbot nach dem oberösterreichischen Sammlungsgesetz deutlich zurückgegangen. Allein in Linz wurden in den letzten drei Jahren 500 Strafverfahren gegen Profi-Bettler durchgeführt. Ähnlich wie SPÖ-Chef Erich Haider jeden Sicherheitsbericht anzweifelt und von einem „gefühlten Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung“ spricht will offenbar auch Weinzinger die Angst vor Bettlern entgegen jeder Faktenlage gezielt herbeireden um so nach AusländerInnen, „SozialschmarotzerInnen“, „FäkalkünstlerInnen“ etc. ein weiteres Feindbild für sein Stammtisch-Klientel aufzubauen.

Vorbild Fürstenfeld

Weil nicht sein kann was nicht sein darf, nach diesem Motto agieren österreichische Gemeinden wenn es darum dem Mainstream zuwiderlaufende Themen gezielt aus der Öffentlichkeit auszublenden. Ein Beispiel dafür ist ein Bettelverbot, das der Gemeinderat in Baden (NÖ) mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ und Bürgerliste beschloss und Strafen bis zu 218 Euro bei Zuwiderhandeln vorsehen. SPÖ und Grüne stimmten dagegen, wobei eine Vertreterin der Grünen kritisch anmerkte, dass damit „auch Musizieren in der Öffentlichkeit stark eingeschränkt“ wird. Solche Bettelverbote gibt es in Niederösterreich auch in Stadtteilen der SPÖ-regierten Stadt Wiener Neustadt, gefordert wird ein solches in Ybbs und Sankt Pölten.

Vorbild für Baden war die steirische Kleinstadt Fürstenfeld, wo schon im Frühjahr 2006 mit einer ortspolizeilichen Verordnung ein solches Bettelverbot verhängt wurde. Wie allerdings jetzt der Verfassungsrechtler und Ex-LIF-Abgeordnete Christian Brünner kritisiert, dürfte dieses verfassungswidrig sein und sogar SPÖ-Landeshauptmann Voves ist für eine neuerliche Prüfung. Laut Brünner müsse nämlich ein gravierender Missstand vorliegen, der das örtliche Gemeinschaftsleben stört: „Da genügt es nicht, dass ein paar Fürstenfelder sagen, Bettler stören mich.“ Verboten ist Betteln durch ein steirisches Landesgesetz ohnehin schon. Allerdings werde dabei nur aggressives Betteln, und nicht stilles, unaufdringliches Erbitten von Spenden untersagt.

Zustimmung erhält Brünner vom Leiter des steirischen Verfassungsdienstes Alfred Temmel. Dieser will aber vorerst klären, ob sich „nur einige Fürstenfelder gestört fühlen oder ob nicht tatsächlich ein größeres Übel vorliegt“. Wenn nicht, kann das Bettelverbot durch einen Bescheid der steirischen Landesregierung - etwa nach Einholung eines Guthabens - aufgehoben werden. In der Stadt Fürstenfeld wird das Verbot zum jetzigen Zeitpunkt zwar exekutiert, die Gemeinde wurde allerdings angehalten, die Strafhöhen für Bettelei zu mindern.

In Graz abgeschmettert

Auch in Graz war ein Bettelverbot neuerlich aktuelles Thema, gepusht vom BZÖ, das sich neben dem Abschieben von MigrantInnen, lebenslang für Kinderschänder damit eines weiteren Stammtischthemas bemächtigt. Trotz angeblich 8.000 BZÖ-Unterschriften und wohlwollender Unterstützung durch ÖVP und FPÖ im Gemeinderat und deren Forderung nach Anpassung des steirischen Landessicherheitsgesetzes an jenes von Tirol und Salzburg, gab es dort keine Mehrheit: SPÖ, KPÖ und Grüne lehnten ab. Von Seiten der SPÖ – die keinen Grund für populistische „Schnellschüsse“ und auch keinen dringlichen Handlungsbedarf sah – war argumentiert worden, dass „aggressives bzw. aufdringliches Betteln“ seit dem Inkrafttreten des Landessicherheitsgesetzes 2005 verboten sei.

Die Volkspartei begründete ihren Vorstoß unter anderem auch damit, dass die Maßnahme „zum Schutze der nicht immer freiwillig bettelnden Kinder, Frauen und Männer“ gedacht sei. Zum anderen sei es ein Anliegen, den Betroffenen - durchwegs Roma aus der Slowakei - in ihrer Heimat „strukturell und nachhaltig helfend zur Seite zu stehen“. Mit der Einrichtung eines Fonds sollten genau definierte Projekte in der Ostslowakei unterstützt werden. Anders sieht das Thema der Grazer Armenpfarrer Wolfgang Pucher, der meint: „Es kann nicht wahr sein, dass wir bei uns nicht Platz haben für einige Menschen, die nichts anderes tun, als uns ihre Armut vor Augen zu führen und um Mitgefühl und Hilfe zu bitten“.

Heile Welt des Konsums

Der Hintergrund für derartige Bettelverbote sind medial verstärkte Beschwerden der BürgerInnen, wobei vor allem die Interessen des Handels und Tourismus maßgeblich sind, die sich durch Bettler im öffentlichen Raum geschädigt sehen. Als Aufhänger dienen dabei in der Regel „organisierte Bettlerbanden“. Der Kapitalismus produziert zwar tagtäglich Armut und das in immer größerem Umfang, zutage treten sollte diese nach Möglichkeit allerdings nicht, stört sie doch das bild einer „heilen Welt“ der Konsumgesellschaft. Schließlich könnte für die p.t. KonsumentInnenschaft angesichts öffentlicher Armut in Form von Bettlern eine unerwünschte Kaufhemmung eintreten.

Das demonstrierte auch Ursula Stenzel, vom Europaparlament in den 1. Wiener Gemeindebezirk gewechselte Bezirksvorsteherin. Sie will rund um den Stephansdom eine so genannte „Respektzone“ einrichten. Ein besonderer Dorn im Auge sind ihr dabei ausgerechnet die Veranstaltungen der Caritas. Im ÖVP-Jargon heißt dies dann „Der 'mediale Missbrauch' der Armut durch die Caritas Wien ist heute wieder einmal mehr als offensichtlich geworden“. Mit 9.040 Euro Politgage im Monat hat man wie im Falle Stenzel freilich keinen Begriff davon, was Armut bedeutet.

Konflikt in Linz schon 2004

In Linz formierte sich im Frühsommer 2004 eine unheilige Allianz von FP-GemeinderätInnen, JournalistInnen und Kaufleuten gegen in der Linzer Landstraße bettelnde Menschen um im Sinne bester Law-and-Order-Politik ein Exempel zu statuieren, wie in Hinkunft gegen Randgruppen, die nicht ins Bild der sauberen Stadt passen, vorgegangen werden soll.

Hemmungslos wurden das Gerücht über eine in Linz tätige Bettlermafia lanciert um eine seit Jahren geduldete und keiner Passantin entgangene Tatsache - nämlich demütig bettelnde Menschen am Wegesrand der Linzer Einkaufmeile - zu kriminalisieren. Kein Klischee war zu billig um Ressentiment gegen Menschen, die ihr Leben von Almosen fristen müssen, zu schüren.

Da war von mafiösen Banden, slowakischen Bettlerhorden, organisierten Verbrechen, Bettelbetrug, Bettlerbuden, Seuchengefahr und manch anderen Ungeheuerlichkeiten die Rede. Ungeachtet der Tatsache, dass es keine seriösen Statistiken über Herkunft und Motivation der Linzer BettlerInnen gibt.

Aber die Hetze war erfolgreich. Noch bevor die Freiheitlichen ihren Antrag „Bettler-Unwesen in der Linzer Innenstadt ein Ende setzten!“ im Linzer Gemeinderat am 1.Juli 2004 zur Abstimmung brachten, war auch schon eine Lösung gefunden. Magistratsbürokratie und Linzer Polizei traten willfährig zur „Aktion scharf“ an. Betteln sei laut dem oberösterreichischen Sammlungsgesetz zwar nicht verboten, aber vom Magistrat bewilligungspflichtig, wieherte der Amtsschimmel.

Unerwünschte BettlerInnen können damit kriminalisiert und von der Polizei mit Geldstrafen bis Festnahme „amtsbehandelt“ werden. Im Vorfeld der „Aktion scharf“ gab der Obmann der Linzer Wirtschaftskammer – der Landstraßenbäcker Heinz Hofmann – die gewünschte Stoßrichtung in einer Aussendung bekannt: „Im Wettbewerb mit den Einkaufszentren in Linz-Land, die das Problem des organisierten Bettelns noch nicht in diesem Ausmaß haben, müssen für die Linzer Landstraße und deren Nebenstraßen rasche Gegenmaßnahmen gesetzt werden.“

Was auch prompt geschah. Eine stattliche „Horde“ von 23 Menschen kamen Ende Juni in den zweifelhaften Genuss der Säuberungsaktion der Linzer Polizei. Der Applaus folgte auf den Fuß. „Das Bettlerwesen war schon geschäftsschädigend“ konstatierte erleichtert Citybund-Obmann Leo Schiefer und konnte für „bettlergeplagte“ Geschäftsleute eine eigene Polizeihotline bekannt geben. Schöne neue Shoppingwelt!

Leo Furtlehner

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