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Liberalisierung und Privatisierung kommunaler Dienste

  • Freitag, 1. Juli 2005 @ 21:00
Kommunal „Eine Privatisierung öffentlicher Leistungen ... hat negative Folgen für die Arbeitnehmer und für die Konsumenten“, stellte Wiens AK-Präsident Herbert Tumpel fest. Differenzierter sieht es hingegen der Wiener Finanzstadtrat Sepp Rieder bei einer gemeinsamen Pressekonferenz: „Es geht nicht darum, reflexartig alle Liberalisierungstendenzen bei öffentlichen Leistungen zu verdammen.“

Der feine Unterschied zwischen den beiden SPÖ-Spitzenmännern hat seinen Grund. Schon beim 52. Städtetag im Mai 2002 in Graz hatte Rieder betont, dass sich die Stadtwerke mit dem klassischen Versorgungs- und Entsorgungsleistungen „auf den Wettbewerb mit privaten Anbietern einstellen“ müssen, aber noch eingeschränkt „Privatisierung ist kein Patentrezept“ weil sie oft auf Kosten der Versorgungssicherheit und der Qualität der Leistungen geht.

Während in Linz die SPÖ im Wahlkampf plakatiert „Kein Ausverkauf von Linzer Eigentum“, handeln Sozialdemokraten durchwegs gegenteilig: Im Bund hat die SPÖ von 1986 bis 2000 den Großteil der Verstaatlichten privatisiert. In Wien hat die SPÖ die Bank Austria verkauft, Spitäler und Wohnungen ausgegliedert und das Kanalnetz über Cross-Border-Verträge an US-Investoren vergeben. In Graz hat die SPÖ dem Verkauf der Stadtwerke zugestimmt. In Wels hat die SPÖ 49 Prozent der städtischen E-Werke verkauft. In Kärnten hat die SPÖ dem Verkauf von 49 Prozent der Kärntner Energieholding zugestimmt. In Oberösterreich hat die SPÖ der Ausgliederung der Landeskrankenhäuser, dem Verkauf der Hypo und der aushaftenden Wohnbaudarlehen und dem Verkauf von 25 Prozent der landeseigenen Energie AG zugestimmt. In Salzburg wollte die SPÖ Cross-Border-Verträge für das Kanalnetz abschließen.

Der Bedeutung einer funktionierenden Grundversorgung durch Unternehmen im Besitz der öffentlichen Hand ist sich auch der ÖVP-dominierte Gemeindebund bewusst. In einem Forderungspapier an die Regierung Schüssel II wurde verlangt, dass durch die „zentrale Stellung der Gemeinden im Zusammenhang mit der Daseinsvorsorge für unsere Bevölkerung gewährleistet“ bleibt.

Während also die BürgermeisterInnen über Parteigrenzen hinweg, verbal die Bedeutung kommunaler Betriebe betonen, handeln sie aus Parteiräson und unter dem Diktat der Sachzwänge gegenteilig. Ein typisches Beispiel sind jene Gemeindeoberhäupter, die gleichzeitig auch im Nationalrat sitzen und dort Gesetzen zustimmen, die diametral gegen die Interessen der Gemeinden gerichtet sind, wie etwa dem Budget und seinen Begleitgesetzen. Wird nämlich der finanzielle Spielraum der Gemeinden eingeengt, dann bleibt diesen neben Tariferhöhung vielfach nur der Verkauf kommunaler Einrichtungen als „Ausweg“.

Zwei Seelen in einer Brust haben sogar Gewerkschafter: Als Vorsitzender der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten tritt Rudolf Hundstorfer im Fachblatt „Kommunal“ „entschieden gegen die Privatisierung kommunaler Dienstleistungen“ auf. Als Wiener Landtagspräsident ist er gleichzeitig mitverantwortlich für die Ausgliederungen von Spitälern, Wohnanlagen etc. aus der Budgethoheit in (vorläufig noch) stadteigene Unternehmen. Dass Ausgliederungen meist die Vorstufe für private Beteiligungen oder die gänzliche Privatisierung sind, ist eine Milchmädchenrechnung.

Gemeindebund-Chef Helmut Mödlhammer verlangte sogar die „verfassungsmäßige Absicherung von Kernkompetenzen“ wie der Grundversorgung verlangte. Freilich eine Fleißaufgabe, ist laut Feststellung des Wiener Verfassungsjuristen Michael Holoubek beim 52. Städtetag ohnehin die „wirtschaftliche Betätigung einschließlich des Betriebes wirtschaftlicher Unternehmen als Teil der Gemeindeselbstverwaltung verfassungsrechtlich gewährleistet“.

Holoubek wies jedoch darauf hin, dass „die ehemaligen kommunale Monopolunternehmen durchaus als öffentlichen Unternehmen bestehen bleiben“ können, aber „unter Wettbewerbsbedingungen agieren“ müssen. Im Klartext bedeutet dies genau jenen schleichenden Wandel, als dessen Ergebnis die ureigenste Funktion der kommunalen Unternehmen durch diverse „Public Service“-Modelle verloren geht und sie letztlich zu ganz gewöhnlichen kapitalistischen Unternehmen werden, deren gesellschaftlicher bzw. sozialer Auftrag immer nebensächlicher wird.

Obwohl sonst zum EU-Standardwortschatz gehörend, kommt im Verfassungsentwurf des EU-Konvents der Begriff „Daseinsvorsorge“ als Synonym für Grundversorgung überhaupt nicht vor. Ist darin von Dienstleistungen die Rede, dann nur im Zusammenhang mit der Freizügigkeit derselben. Nur im Artikel II-36 „Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ heißt es in aller Allgemeinheit: „Die Union anerkennt und achtet den Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, wie er durch die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten im Einklang mit der Verfassung geregelt ist, um den sozialen und territorialen Zusammenhalt der Union zu fördern.“

Der EU-Gipfel von Nizza im Dezember 2000 hat sich für die vollständige Liberalisierung von öffentlichen Dienstleistungen ausgesprochen. Zahlreiche Beispiele in Europa (und darüber hinaus) zeigen mittlerweile jedoch, dass die hochgejubelte Liberalisierung keineswegs jene Versprechungen von sinkenden Tarifen und besserer Qualität zur Folge hat, mit der die Privatisierungslobby winkt.

Die katastrophale Situation der Eisenbahn und der Wasserversorgung in Großbritannien sind ein Beispiel dafür. Dass in Städten wie Grenoble (Frankreich) oder Potsdam (Deutschland) bereits durchgeführte Privatisierungen der Wasserversorgung unter dem Druck er aufgebrachten Bevölkerung wieder rückgängig gemacht wurden, sollte zu denken geben.

Am Beispiel Oberösterreich: Liberalisierung - eine Bilanz
Während heftig über das GATS-Abkommen der Welthandelsorganisation WTO zur Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen debattiert wird, haben im Zuge der Liberalisierungsmaßnahmen der EU bereits umfangreiche Liberalisierungs- und Privatisierungsmaßnahmen stattgefunden. Eine Bilanz für Oberösterreich:

Vom Land wurden 49 Prozent der Hypo und 25 Prozent der landeseigenen Energie AG privatisiert, die aushaftenden Wohnbauförderungsdarlehen an ein Bankenkonsortium und Kuranstalten an private Interessenten verkauft, die Landeskrankenhäuser in die Gespag ausgegliedert und die landeseigenen Immobilien in eine eigene Gesellschaft ausgelagert.
Die mehrheitlich noch landeseigene Energie AG hat Kraftwerke und Stromnetze durch ein rechtlich höchst umstrittenes Cross Border Leasing an US-Investoren verleast, wie das auch bereits die ÖBB mit Bahnhöfen, Schienenanlagen und rollendem Material praktiziert haben.
Die Stadt Linz hat mit der Ausgliederung des AKH aus dem Budget in eine eigene Betriebsgesellschaft einen Schritt in Richtung weiterer Liberalisierung und Privatisierung getan.
Die Stadt Wels hat 49 Prozent der stadteigenen E-Werke Wels verkauft.
Die Zahl von „Public Private Partnership“-Modellen für öffentliche Projekte nimmt zu, Hauptnutznießer dabei ist die Raiffeisen-Landesbank, ein Beispiel dafür ist die Umfahrung Ebelsberg.
Der Bund hat die beiden in Linz ansässigen Bundeswohnungsgesellschaften WAG und EBS mit einem Wohnungsbestand von vielen tausend Wohnungen in Oberösterreich zum Verkauf freigegeben, nachdem die Gemeinnützigkeit für die Bundeswohnungsgesellschaften bereits per 1. April 2001 abgeschafft wurde.
Schwere Einbrüche in die jahrzehntelang bewährte Grundversorgung wurden schon in der rotschwarzen Regierungsära durch die Ausgliederung der ÖBB und Post aus dem Bundesbudget vollzogen, wobei die Post in weiterer Folge in „Gelbe Post“, Telekom, PSK und Postbus aufgesplittet wurde und Telekom bzw. PSK mittlerweile ganz oder teilweise privatisiert wurden.

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