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Freiheitliche vor Gericht

  • Samstag, 14. Oktober 2023 @ 22:00
Antifa
Vortrag von Prof. Hans-Henning Scharsach beim Großen Netzwerk-Treffen des OÖ Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus am 14. Oktober 2023 in Wels

Liebe Freundinnen und Freunde, als ich mich mit Robert auf das Thema meines heutigen Vortrags geeinigt hatte, bat ich ihn um mindestens dreieinhalb Stunden Redezeit.

Leider geht das nicht. Ihr seht ja selbst, was hier los ist. Ich muss mich also darauf beschränken, einige summarische Schlaglichter auf die unglaubliche Zahl und die unglaubliche Vielfalt krimineller Aktivitäten von FPÖ-Politikern zu werfen.

Beginnen wir mit dem Aktuellsten: Den Fall Teichtmeister nützte die FPÖ wieder einmal, um sich in großer Pose als Vertreterin von Recht und Ordnung zu gebärden. Sie forderte härtere Strafen für Sexualdelikte – bis hin zu lebenslänglich.

Ich darf daran erinnern: 2004 wurden auf dem PC des freiheitlichen Fraktionsobmannes in Linz kinder-pornographische Darstellungen gefunden. Die Staatsanwaltschaft legte den Fall nieder, weil alle FPÖ-Mitarbeiter aussagten, dass viele Personen Zugang zu dem PC hatten und sich der Schuldige daher nicht eruieren ließ.

2005 wiederholte sich das: Wieder fand man auf einem Computer der oberösterreichischen Freiheitlichen kinderpornographisches Material. Wieder wurde der Fall von der Staatsanwaltschaft zurückgelegt – aus den gleichen Gründen wie ein Jahr zuvor.

2007 wurde ein burgenländischer Ortsparteichef der FPÖ rechtskräftig verurteilt. Er hatte kinderpornographisches Material aus dem Internet heruntergeladen, gespeichert und Jugendlichen zugänglich gemacht. Von Journalisten aufgedeckt wurde das allerdings erst 2009. Zwei Jahre war der Vorbestrafte in all seinen FPÖ-Funktionen geblieben.

2011 berichtete der ORF Niederösterreich von einem der Kinderpornographie verdächtigen FPÖ-Politiker, der im Verhör zugab, mit einer Mutter über sexuelle Dienstleistungen ihrer minderjährigen Tochter verhandelt zu haben.

2016 wurden auf dem PC eines FPÖ-Betriebsrates der Tiroler Polizei, den die Freiheitlichen zweimal für das Europäische Parlament hatten kandidieren lassen, pornographische Darstellungen Minderjähriger gefunden.

Aber es blieb nicht immer bei fotografischen Darstellungen. Auch hier gibt es einen oberösterreichischen Fall: 2015 wurde ein freiheitlicher Vizebürgermeister aus dem Bezirk Wels-Land zu zwölf Monaten teilbedingt verurteilt, der seine zehnjährige Enkelin missbraucht hatte.

Eine alte Journalistenweisheit sagt: Das Archiv ist der schlimmste Feind unseriöser Politiker. Es lässt sich also auch heute noch lückenlos belegen, wie die kriminellen Aktivitäten von FPÖ-Politikern seit Jahrzehnten die österreichische Demokratie destabilisieren und das politische Klima vergiften.

Die meisten von euch sind zu jung, um sich an den Fall Peter Rosenstingl zu erinnern. Rosenstingl war ein prominenter FPÖ-Parlamentarier. Er bekleidete Mitte der 90er Jahre zahlreiche Führungspositionen und war unter anderem Obmann des Rings Freiheitlicher Wirtschaftstreibender. 1998 setzte er sich mit 50 Millionen Schilling ins Ausland ab. Zwei Jahre danach erhielt er wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs sieben Jahre Haft.

Bernhard Gratzer, Obmann der Niederösterreichischen FPÖ, wurde als Komplize Rosenstingls zu drei Jahren Haft verurteilt.

Danach schickte die FPÖ mit Josef Trenk einen Nachfolger für Rosenstingl ins Parlament, der wegen Automatenbetrugs bereits rechtskräftig verurteilt war.

Viel Zeit ist seither vergangen. Geändert hat sich nichts. Die Korruption ist fester Bestandteil der FPÖ-Politik geblieben. Zurzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft in Graz gegen sieben hohe FPÖ-Funktionäre, die in dringendem Verdacht stehen, Steuer- und Parteigelder in Millionenhöhe veruntreut zu haben.

Dazu zählen der ehemalige Verteidigungsminister und heutige Landesparteichef Mario Kunasek, der ehemalige Grazer Vizebürgermeister und Finanzprüfer der Bundes- und Landes-FPÖ, Mario Eustacchio und der ehemalige Grazer Klubchef Armin Sippel.

Mittlerweile gibt es zwei Selbstanzeigen. Eine vom Ex-Kassier der Freiheitlichen Akademikerverbände, der hohe Eingänge unbestimmter Herkunft ungeprüft verbucht hatte, die andere von Matthias Eder, dem ehemaligen Klubdirektor und Finanzreferent der FPÖ. Dieser hat der Staatsanwaltschaft 700.000 Euro zur Schadensgutmachung überwiesen.

Nebenbei: Als Grazer FPÖ-Funktionäre 2022 den Antrag stellen, die dubiosen Geldflüsse der Partei prüfen zu lassen, wurden sie von Kickl und Kunasek aus der Partei ausgeschlossen. Alexis Pascuttini, einer der Ausgeschlossenen, hat seiner ehemaligen Partei im Interview mit dem Standard ein Enthüllungsbuch angedroht.

Ich habe jetzt einen Skandal aus den 90er Jahren einem der Jetztzeit gegenübergestellt. Was in den 25 Jahren dazwischen passierte, das ist einmalig in der Kriminalgeschichte westlicher Demokratien.

Unter Parteiobmann Jörg Haider ist die FPÖ zu einer kriminellen Vereinigung mutiert. Praktisch die gesamte Parteiführung von damals ist mittlerweile rechtskräftig verurteilt. Wir haben den spektakulären Prozess gegen Karl Heinz Grasser und Walter Meischberger als Fortsetzungskrimi in den Medien miterlebt. Der ehemalige freiheitliche Finanzminister wurde in erster Instanz zu acht Jahren verurteilt. Für Meischberger, der die Geschicke der FPÖ jahrelang als Bundesgeschäftsführer und Generalsekretär gelenkt hatte, war es der zweite Schuldspruch: Immerhin sieben Jahre Haft.

Diese beiden Urteile sind nicht oder noch nicht rechtskräftig. Viele Dutzend Schuldsprüche anderer führenden FPÖ-Politiker aber haben längst Rechtskraft erlangt.

Der einstige Klubobmann und stellvertretende Parteiobmann Peter Westenthaler wurde wegen schweren Betrugs und falscher Zeugenaussagen gleich zweimal verurteilt. Der ehemalige FPÖ-Bundesgeschäftsführer Gernot Rumpold wurde zweimal verurteilt, beide Male wegen Korruptionsdelikten im Zuge illegaler Parteienfinanzierung. Ewald Stadler, Mitglied des Bundesparteivorstandes, wurde wegen schwerer Nötigung und falscher Zeugenaussage schuldig gesprochen.

Und als sich Haider im Jahr 2000 aus Wien verabschiedete, um die schwarz-blaue Koalition zu ermöglichen, trug er die Korruption nach Kärnten, wo diese ab 2005 zu BZÖ-Korruption wurde. Uwe Scheuch, den Haider für das größte politische Talent seiner Partei hielt und ihn daher zum stv. Landeshauptmann und Nachfolger als Kärntner Parteiobmann machte, wurde gleich viermal rechtskräftig verurteilt. Weitere rechtskräftige Urteile gab es gegen Haiders Nachfolger als Landeshauptmann, Gerhard Dörfler, gegen die beiden freiheitlichen Regierungsmitglieder, die Landesräte Harald Dobernig und Günter Willegger und gegen Stefan Petzner. Haiders langjähriger Sekretär Gerold Mikscha setzte sich vor der Prozesslawine ab – nach Paraguay wie Ermittler vermuten.

Aber es sind nicht nur Haiders Parteifreunde, die da verurteilt wurden. Es sind auch Haiders Lobbyisten, Haiders Spender, Haiders Steuerberater, Haiders Werbeberater, Haiders Pressesprecher, Haiders Bankberater und nicht zuletzt Haiders Koalitionspartner.

Im Verfahren gegen den ehemaligen Kärntner ÖVP-Chef Josef Martinz wurde deutlich, dass dieser eigentlich nur Beitragstäter war. Es war Haider, der Kärnten als (ich zitiere aus dem Gerichtsurteil) „politischen Selbstbedienungsladen“ missbraucht hatte.

Ausdrücklich hielt der Richter fest, dass Haider (Zitat) „nur auf Grund seines Ablebens“ nicht „zur Rechenschaft gezogen werden kann“. Weil Martinz als Haiders Stellvertreter mit diesem gemeinsame Sache gemacht hatte, wurde er wegen Untreue zu viereinhalb Jahren verurteilt.

Und dann kam Strache, dessen kriminelle Energie alles bisher Dagewesene in den Schatten stellte. Gemeinsam mit dem Wiener FPÖ-Chef Johann Gudenus versuchte er, Österreichs größtes Printmedium unter Kontrolle der FPÖ zu bringen damit den politischen Wettbewerb zu verfälschen und die Pressefreiheit als Grundlage unserer demokratischen Kultur auszuhebeln. Den Kaufpreis für diesen Anschlag auf Pressefreiheit und Demokratie wollte Strache den Steuerzahlern aufbürden, indem er der vermeintlichen Oligarchentochter staatliche Aufträge für eine von ihr zu gründende Baufirma in Aussicht stellte.

Wäre ihm gelungen, was er in Ibiza einzufädeln versucht hat, der materielle und moralische Schaden für unsere Demokratie hätte alles in den Schatten gestellt, was es in Österreich je gegeben hat.

Bei keiner der unzähligen Straftaten von Politikern der FPÖ, die zum Teil auch Regierungsämter innehatten, handelt es sich um Kavaliersdelikte. Es sind schwere und schwerste Verbrechen: Amtsmissbrauch, Nötigung im Amt, Bestechung und Bestechlichkeit, Untreue, schwerer gewerbsmäßiger Betrug, Spielautomaten-Betrug, Urkunden- und Beweismittelfälschung, Falschaussage, betrügerische Krida, Steuerdelikte usw., usw.…

Gegen Politiker und Aktivisten der zweiten und dritten Reihe kommen weitere Straftatbestände hinzu. Diese reichen von Mord, --- schwerer vorsätzlicher Körperversetzung und illegalem Waffenhandel bis hin zu Friedhofschändung, Denkmalschändung, Aufrufen zur Gewalt gegen Religionsgemeinschaften, Handel mit NS-Devotionalien und alle möglichen unappetitlichen Sexualdelikte.

Aber auch das ist noch nicht alles. Dazu kommt eine lange, lange Reihe von rechtskräftigen Urteilen wegen rassistisch oder neonazistisch motivierter Straftaten, wie Verhetzung, Wiederbetätigung, Holocaust-Leugnung, usw.

Wegen solcher Verbrechen wurden mehrere prominente Parlamentarier der FPÖ verurteilt, zum Beispiel der ehemalige Generalsekretär der FPÖ, Karl-Heinz Klement, John Gudenus, Susanne Winter und Werner Königshofer. Dazu eine lange Liste von freiheitlichen Mandataren auf Landes- und Gemeindeebene.

Aber selbst das ist nur die Spitze eines Eisberges. Das Mauthausen Komitee hat an die 200 sogenannter „Einzelfälle“ rassistischer und rechtsextremer Aktivitäten gesammelt, die typisch sind für die FPÖ und Teile ihrer Wählerschaft.

Liebe Freundinnen und Freunde, eine solche Häufung krimineller Aktivitäten durch Politiker einer einzigen Partei hat es in der politischen Kultur westeuropäischer Demokratien bisher nie und nirgends gegeben.

Ihr müsst nur selbst versuchen, im Internet zu recherchieren. Ihr werdet zu ähnlichen Ergebnissen kommen wie ich. Die Zahl rechtskräftiger Verurteilungen von FPÖ-Politikern ist laut Internet etwa zehnmal so hoch wie die Verurteilungen von Politikern aller anderen im Parlament vertretenen Parteien zusammen.

Und was sagt FPÖ-Chef Herbert Kickl zu dieser unfassbaren Serie an Verbrechen von Spitzenpolitikern seiner Partei? Der Mann, der Volkskanzler werden will, empfindet die zahllosen Verurteilungen von FPÖ-Politikern nicht als Schande für seine Partei, sondern (Zitat) „als Schande für Österreichs Justiz“.

Liebe Freundinnen und Freunde. Es gibt viele Gemeinschaften und Vereine, die ein eigenes Liedgut pflegen und eigene Liederbücher herausgeben. Besungen werden dabei die wichtigsten Ziele einer Gemeinschaft: Christen singen über Gott und Nächstenliebe, Mitglieder des Alpenvereins oder der Wandervögel über die Schönheit der Natur.

In den Liederbüchern der deutschnationalen, schlagenden Burschenschaften, aus denen die FPÖ ihr Führungspersonal rekrutiert, finden sich Texte aus der NS-Zeit oder solche mit deutlichen Anklängen an NS-Parolen.

Im Liederbuch der Burschenschaft, der Udo Landbauer angehört macht man sich beispielsweise zynisch über die Vernichtung von sechs Millionen Juden lustig, mit der Textzeile: „Gebt Gas ihr alten Germanen, wir schaffen die siebente Million“.

Dieser Satz artikuliert zum einen Enttäuschung darüber, dass die Judenvernichtung nicht zu Ende gebracht werden konnte. Dieser Satz, „wir schaffen die siebende Million“ ist aber auch Aufruf zum Massenmord, in gedruckter Form und öffentlich.

Noch schlimmer. Dieser Satz wird einem der historisch bedeutendsten Vertreter des Judentums in den Mund gelegt: Israels Gründervater Ben Gurion. Das ist die typische Täter-Opfer-Schuldumkehr der Nazis. Eine größere Perfidie als Ben Gurion diesen Satz in den Mund zu legen, hätte sich auch ein Goebbels nicht ausdenken können.

Dass Mitglieder einer Burschenschaft, die solche Lieder hat, drucken lassen, nicht vor Gericht, sondern wie Udo Landbauer in einem Regierungsamt landen, das ist für mich der größte Skandal, den ich in 50 Jahren als Journalist und politischer Autor erleben musste. Und für mich als Demokrat ist es die größte Enttäuschung meines politischen Lebens.

Dieser Fall zeigt jedenfalls eines: Die größte Gefahr für unsere Demokratie ist nicht die FPÖ, deren Stimmenreservoir trotz aller Erfolge limitiert ist. Die wirklich zerstörerische Gefahr geht von Politikerinnen und Politikern demokratischer Parteien aus, die sich zu Steigbügelhaltern von Rechtsaußen-Politikern machen und damit den Rechtsextremismus als festen Bestandteil in unserem demokratischen System etablieren.

So, liebe Freundinnen und Freunde. Ich danke euch für euer Interesse und will nur noch diesen einen Satz sagen, der bei allem, was man über die FPÖ schreibt oder spricht, juristisch unverzichtbar ist. Ihr kennt ihn ja. Für alle FPÖler, die noch nicht rechtskräftig verurteilt sind – gilt die Unschuldsvermutung!

Mit der Bitte um Verbreitung!

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