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Friedl Dicker-Brandeis - Bauhaus-Schülerin, Avantgarde-Malerin, Kunstpädagogin

  • Freitag, 4. März 2022 @ 10:24
Biografien
Das Lentos Kunstmuseum in Linz widmet derzeit der Universalkünstlerin Friedl Dicker-Brandeis (1898–1944) eine Einzelausstellung, die man gesehen haben muss. Bis 29. Mai ist noch Zeit dafür. Zu bestaunen gibt es ca. 200 Ausstellungsstücke ihres vielfältigen künstlerischen Schaffens: vom Möbelstück über Zeichnungen bis zu politischen Installationen – eingebettet in die Erzählung ihres Lebenswegs, beginnend in Wien und endend im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz.

Ganz zu Beginn werden die BesucherInnen vom Video mit dem Titel „Damen im Auto“ angezogen. Hilde Kothny und Edith Kramer – hochbetagte Freundinnen von Dicker-Brandeis – erzählen hierin auf der Rückbank eines Autos auf der Fahrt zu einem Treffen mit viel Witz und ohne falsches Pathos über ihre Freundin und Genossin Friedl.

Friederike (Friedl) Dicker wurde am 30. Juli 1898 als Tochter eines Papierwarenhändlers in Wien geboren und verlor früh ihre Mutter. Sie besuchte die Graphische Lehr- und Versuchsanstalt in Wien, studierte an der Kunstgewerbeschule Textil, arbeitete für das Theater und folgte 1919 ihrem Lehrer Johannes Itten nach Weimar, wo sie Bauhaus-Schülerin wurde. Mit ihrem Freund Franz Singer (1896–1954) gründete sie 1926 in Wien ein Architekturbüro. Die von ihr entworfene Einrichtung für den Kindergarten im Wiener Goethehof findet sich auch in der Ausstellung wieder. Dicker war wohl zu diesem Zeitpunkt schon politisch aktiv und trat zu Beginn der 1930er Jahre der Kommunistischen Partei bei. Fotomontagen etwa zum Abtreibungsverbot oder die Mitarbeit bei einem Film über das Marx’sche „Das Kapital“ verweisen auf ihr Engagement für marxistische Bildungsarbeit.

Der Forschungsstand zum Verhältnis von Dicker-Brandeis zur KPÖ weist derzeit noch Lücken auf. Gewiss ist, dass sie im Zuge des Auffliegens einer Passfälscherwerkstatt inhaftiert wurde und 1934 in die Tschechoslowakei floh. In Prag lernte sie Pavel Brandeis kennen und heiratete ihn. Bedrückt vom Vorrücken des Faschismus zogen sich die beiden nach Hronov, ein kleines Dorf, zurück. Im Dezember 1942 wurden das Ehepaar ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Friedl Brandeis begann dort mit den Kindern zu malen und zu zeichnen, um ihnen in der schier ausweglosen Situation zu helfen. Die Kinderzeichnungen, die ihre Rolle als Kunstpädagogin dokumentieren, überdauerten in einem Koffer und sind in der Ausstellung in einem eigenen Raum zu besichtigen. Sowohl Friedl Dicker-Brandeis als auch Pavel Brandeis wurden 1944 ins Konzentrationslager Auschwitz überstellt, wo Friedl Dicker-Brandeis am 9. Oktober 1944 ermordet wurde. Pavel Brandeis überlebte den Holocaust.

Die Ausstellung über Friedl Dicker-Brandeis im Lentos berührt auf vielen Ebenen und ermutigt dazu, selbst auf Spurensuche zu gehen. So verweist etwa das Bild „Fuchs lernt Spanisch“ auf den Spanischen Bürgerkrieg oder das Gemälde „Don Quijote und Lenin“ auf die Sehnsucht nach einer besseren Welt. Zur Ausstellung ist auch ein umfangreicher Katalog erschienen.

Schmutz, Hemma/Reutner-Doneus, Brigitte (Hg.): Friedl Dicker-Brandeis. Bauhaus-Schülerin, Avantgarde-Malerin, Kunstpädagogin. München: Hirmer Verlag 2022, 272 S., 38 Euro

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