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Das Gedächtnis der Stadt

  • Freitag, 4. Juni 2021 @ 11:37
Frauen
KPÖ-Gemeinderätin Gerlinde Grünn über den Umgang der Stadt Linz mit umstrittenen Straßennamen

Regelmäßig sorgen Benennungen von Straßen, Plätzen und Gebäuden für öffentliche Erregung. Jüngst etwa behandelte der Linzer Gemeinderat auf Initiative der Grünen einen Antrag für die Benennung der neuen Donaubrücke nach einer verdienten Frau.

Eifrig machten Linzerinnen und Linzer nach Medienaufrufen Vorschläge für die Neubenennung der ehemaligen Eisenbahnbrücke. Von Politikerinnen, Schriftstellerinnen über Monarchinnen bis zu Künstlerinnen war bei den Vorschlägen alles dabei.

Wie man hört, konnte sich der dafür zuständige Stadtsenat samt Bürgermeister nicht für einen der zahlreichen Vorschläge wie Barbara-Prammer-Brücke, Eugenie-Kain-Brücke oder Valie-Export-Brücke entscheiden. Eine konservative Phalanx sperrte sich ohnedies gegen die Benennung der Brücke nach Personen. Ein ähnliches Schicksal ereilte auch die von der KPÖ und Grünen vorgeschlagen Benennung einer Straße nach der Menschenrechtsaktivistin und gebürtigen Linzerin Ute Bock, die trotz Gemeinderatsbeschluss an den Stimmen der ÖVP und FPÖ im Stadtsenat scheiterte.

Fix scheint jedoch zu sein, dass eine Benennung der Brücke nach den Vornamen der Ehefrauen mächtiger Männer nicht zur Diskussion steht. Denn auch das hat durchaus Tradition in Linz. So wurde etwa im Juni 2000 der Straßentunnel der Umfahrung Ebelsberg nach den Vornamen der Ehefrauen des Bürgermeisters und des Generaldirektors der Raiffeisen-Landesbank-Oberösterreich nämlich Mona-Lisa-Tunnel benannt.

Wie man sieht, sind Benennungen öffentlicher Einrichtungen ein Politikum. Sie erzählen Geschichten, erinnern an wichtige Ereignisse und ehren Persönlichkeiten. Das Gedächtnis einer Stadt manifestiert sich so im öffentlichen Raum, bewahrt, polarisiert und grenzt auch aus. Die Benennung von Straßen, Plätzen und Gebäuden wird so zum Abbild von Herrschaft, Ideologie und Macht und ist damit auch Ort politischer Auseinandersetzungen. Politische Kräfteverhältnisse bestimmen daher auch über die Auswahl der durch Straßenbenennungen zu ehrenden Personen. Minderheiten oder Marginalisierte kommen nur auf Initiative und durch Druck der Zivilgesellschaft in die engere Auswahl.

Besonders die Altlasten von Straßenbenennungen nach Vorläufern oder Parteigängern des Nationalsozialismus und die mangelnde Präsenz von Frauen im öffentlichen Raum bieten hier eine reiches Feld für Diskussion und Polarisierung. Ganz klar kam die Spiegelung von patriarchalen Verhältnissen in der Beantwortung einer KPÖ-Anfrage nach Verteilung von Straßennamen nach Frauen und Männern zum Ausdruck. Nur 47 von insgesamt 1.152 Linzer Verkehrsflächen waren Anfang 2020 nach Frauen, hingegen 510 nach Männern benannt.

Dieses Missverhältnis sorgte für Empörung. Zumal kurz danach der Stadtsenat wieder zwei Straßenbenennungen nach Männern vornahm. Die mangelhafte Sichtbarkeit von verdienstvollen Frauen im Stadtbild ist also nicht nur Folge jahrhunderterlanger patriarchaler Verhältnisse, die Frauen von Ämtern und Macht fernhielt, sondern auch eine gehörige Portion Ignoranz gegenüber den Leistungen von Frauen in Politik und Kunst trotz patriarchaler Ausgrenzung.

Besonders mühsam wird es, wenn Forderungen nach einer Umbenennung eines Straßenzuges gestellt werden. Denn Umbenennungen kosten Geld, erfordern einen ganze Reihe von bürokratischen Maßnahmen und betreffen AnrainerInnen unmittelbar. So ist es etwa der Hartnäckigkeit des Schriftstellers und KPÖ-Gemeinderats Franz Kain zu verdanken, dass 1986 die Langothstraße in Kaisergasse umbenannt wurde. Davor ehrte die Stadt seit 1973 einen Nationalsozialisten, der als Richter am Volksgerichtshof 41 Todesurteile verantwortete und von 1943 bis 1945 Linzer Oberbürgermeister war, mit einer Straßenbenennung.

Aktuell überprüft das Linzer Stadtarchiv, initiiert durch eine Gemeinderatsantrag der Grünen und KPÖ zur Dinghoferstraße, alle Straßennamen auf antisemitische und nationalsozialistische Spuren. Angesichts des Aufwands einer tatsächlichen Umbenennung werden heute eher die Anbringung von erklärenden Zusatztafeln bei belasteten Personen in Betracht gezogen. Pragmatismus und auch die Auffassung einer konfrontierenden nicht tilgenden Vergangenheitsbewältigung sind hier tonangebend.

Der einfachste gangbare Weg zur Hebung der Sichtbarkeit von Frauen im öffentlichen Raum ist die Bevorzugung von Frauen bei anfallenden Benennungen von neuen Verkehrsflächen im Zuge der Stadtentwicklung. Wie es nun, nach einem angenommenen Antrag im Linzer Gemeinderat in den Neubaugebieten des Linzer Südens praktiziert werden soll. Klar ist aber auch, dass damit zwar die Anzahl der nach Frauen benannten Straßen steigen wird, aber die so gewürdigten Frauen verbleiben am Rand in der Peripherie der Stadt, das Zentrum bleibt unberührt und den mächtigen Männern vorbehalten.

Es ist wohl auch kein Zufall, dass sich die nach der Widerstandskämpferin und in den letzten Kriegstagen 1945 ermordeten Kommunistin Gisela Tschofenig-Taurer benannte Straße seit 2006 in Ebelsberg befindet. Auch der Schriftstellerin Henriette Haill wurde trotz breit getragener Initiative „Ein Park für Henriette“ letztendlich vom Linzer Bürgermeister 2012 nur eine Straßenbenennung in Linz-Pichling zugestanden.

Der Schriftsteller Erich Hackl bringt den Prozess des Nichtbeachtens auf den Punkt: „Henriette Haill war in fünffacher Weise dazu bestimmt von der literarischen Öffentlichkeit übersehne zu werden: aufgrund ihrer ärmlichen Herkunft, aufgrund ihrer kommunistischen Gesinnung; aufgrund ihrer Zuwendung zur geographischen wie sozialen Peripherie; aufgrund ihres Geschlechtes; aufgrund ihrer Bescheidenheit.“

Der öffentliche Raum als Gedächtnis der Stadt bleibt also ein Ort der Auseinandersetzung, des Ringens um Sichtbarkeit und gegen das Vergessen und ist jeden Streites würdig.

Dieser Beitrag wurde auf der Website https://www.agathe-doposcheg-schwaben...rasse.net/ veröffentlicht.


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