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Corona: Sozialabbau und Verarmung verhindern

  • Mittwoch, 18. März 2020 @ 20:27
Gesundheit Das Verständnis und die Disziplin der Bevölkerung bei der Befolgung der verordneten Maßnahmen ist in den meisten österreichischen Regionen vorbildlich. Die regierungsamtlichen Maßnahmen verbleiben allerdings im Rahmen einer unmittelbar von der Pandemie herausgeforderten Reaktion und lassen auch ihre nachhaltigen sozialen Folgen außer Acht.


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Einerseits: Noch hat die Ausbreitung des Virus in Österreich die Kapazitäten unseres Gesundheitssystem nicht gesprengt. Andererseits: das Gesundheitspersonal ist in unserem Land schon im Normalbetrieb in den meisten Einrichtungen überlastet und arbeitet an der Grenze des Machbaren. Diese Situation ist unhaltbar, und kann unter dem Druck der Pandemie verhängnisvolle Dimensionen annehmen – für Personal, Patientinnen und Patienten, für Pflegende und Pflegebedürftige.

Die Sparpolitik und die zunehmende Unterwerfung des Gesundheitswesens unter marktwirtschaf¬tliche Kriterien, wie sie von den Regierungen auf EU-Ebene beschlossen wurde, war schon vor der Pandemie ein Ausdruck einer unsozialen gesellschaftlichen Haltung und vielfach inkompetenter Einmischung seitens betriebswirtschaf¬tlicher Zyniker. Sie ist heute untragbar und gefährlich.

Eine sofortige Aufstockung des Personals in den öffentlichen Krankenhäusern, eine sofortige Erhöhung der Entlohnung für das dort beschäftigte Personal ist dringend. Ebenso eine Erhöhung der Bettenanzahl nicht nur durch Nutzung von Zimmerkapazitäten außerhalb des Gesundheitssektors, sondern auch durch die Organisierung dezentraler regionaler, von der öffentlichen Hand in Zusammenarbeit mit den Krankenkassen errichteten Gesundheitszentren; diese müssen nicht nur pandemiefest sein, sondern sollen auch psychosoziale Betreuung in den Regionen sicherstellen und den Druck sowohl auf Krankenhäuser als auch auf niedergelassene Ärztinnen und Ärzte verringern. Neben dem individuellen Schutz des Krankenhausper¬sonals müssen massive zusätzliche Mittel in die Reinigung und Hygiene der Anstalten investiert werden, verbunden mit einer Qualifizierung und Reorganisierung der Reinigungstätig¬keiten nach holländischem Muster sowie wesentlich besserer Entlohnung des Reinigungsper¬sonals.

Öffentliche und private Pflegeeinrichtungen für alte Menschen müssen staatlicherseits vorzugebenden Richtlinien gegen die Ausbreitung von Epedemien entsprechend überprüft und nötigenfalls umorganisiert werden. Mobile Pflegedienste Leistende müssen den derzeitigen Möglichkeiten entsprechend vor Infizierungen geschützt werden, dafür sowie für eine spürbare Erhöhung ihres Lohnniveaus und die Verkürzung der Arbeitszeit im Pflegebereich sind die Mittel lockerzumachen. Nachdem nicht mehr mit den – von der österreichischen Regierung missachteten – zehntausenden personenbetreuenden Frauen aus unseren östlichen Nachbarländern gerechnet werden kann, sind Mittel für zusätzliche Personenbetreuende auf kommunaler und regionaler Ebene durch die öffentliche Hand bereitzustellen, auch für die Betreuung von jenen isoliert Lebenden, die keine Nachbarschaftshilfe erwarten können.

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Wir fordern die umgehende Vorlage eines Konzepts bzw. Maßnahmen zum Schutz der nach wie vor Lohnarbeitenden in Produktionsbe¬trieben, Supermärkten und in allen Bereichen, wo Lohnarbeitende kollektiv arbeiten und kein räumlicher Abstand voneinander eingehalten werden kann. Diese Maßnahmen haben regelmäßige Test bzw. Schnelltests einzubeziehen, sobald die entsprechende Qualität und Ausrüstung dafür zur Verfügung stehen.

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Wir fordern ein monatliches Grundeinkommen für die Dauer der Krise in existenzsichernder Höhe für alle, die jetzt besonders betroffen sind: Für Scheinselbständige und als Einzelunternehmen Tätige. Als Ersatz für durch die Unterbindung von geplanten Veranstaltungen und Events entstandenen existenzbedrohenden Einnahmen-Entgang, für Kunst- und Kulturschaffende, deren Überleben von Veranstaltungen abhängt. Für Alleinerziehende.

Für abhängig Beschäftigte, die von Arbeitslosigkeit gefährdet sind. Für Erwerbslose, die jetzt noch weniger Chancen auf einen Arbeitsplatz haben. Sowie für alle prekär Lebenden, deren Alltag jetzt noch prekärer wird. Es muss verhindert werden, dass große Teile der Bevölkerung verarmen, weil ihnen die Hauptlast der Krise aufgebürdet wird. Klein- und Mittelbetrieben, die jetzt mit existenziellen Problemen kämpfen, muss unbürokratisch finanziell geholfen werden – und hier sowohl den Beschäftigten wie den UnternehmerInnen.

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Bei aller Notwendigkeit die Geschwindigkeit der Krankheits-Ausbreitung abzuschwächen ist beunruhigend wie rasch die Freiheits- und Grundrechte in den europäischen Staaten widerspruchslos eingeschränkt wurden. Österreich war nach Italien gleich das zweite Land das für westliche Demokratien historisch beispiellose Maßnahmen setzte. Um Grenzschließungen, das Verbot aller Versammlungen und die Ausgangsbeschränkun¬gen zu überprüfen, soll auch das Militär herangezogen werden können.

Über die Verordnungen der Regierung hinaus stellt der Telekomanbieter A1 der Regierung ohne Rechtsgrundlage die Bewegungsprofile aller Handynutzer österreichweit zur Verfügung. Die Einschränkungen von wesentlichen Grundrechten müssen mit Bedacht angewendet, sorgsam abgewogen und zielgerichtet sein. Vor allem dürfen sie nur einen temporären Status haben. Die Corona-Krise darf auf keinem Fall dazu genutzt werden, grundlegende Menschenrechte längerfristig weiter einzuschränken.

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Wir fordern von der österreichischen Bundesregierung, dass sie mit der – im Einvernehmen mit Rechtsextremen konstruierten – unhumanen Migrations- und Asylpolitik bricht und sich auf EU-Ebene für die Auflösung der Flüchtlingslager, in denen die Menschen dicht an dicht unter erbärmlichen Bedingungen vegetieren müssen, sowie für sichere Fluchtwege in die Staaten der EU einsetzt. Die Flüchtenden müssen in den Staaten der EU aufgenommen und nötigenfalls medizinisch betreut werden. Das ist nicht nur ein Gebot der Humanität und Solidarität, sondern auch des Selbstschutzes.

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Das alles umzusetzen kostet ein Mehrfaches der in Aussicht gestellten vier Milliarden aus dem Budget. Darum müssen diese Mittel aus einer massiven Besteuerung der großen Vermögen, der großen Erbschaften, der Transaktionen, der Unterbindung von legaler und illegaler Steuerhinterziehung aufgebracht werden. Das Geld für die Finanzierung der Ausgaben zur Bewältigung der Krise ist vorhanden. Ob der dafür nötige politische Wille vorhanden ist, hängt auch vom Druck ab, den die neunzig Prozent der Bevölkerung auszuüben bereit und imstande sind. Die KPÖ wird ihren Beitrag dazu leisten.

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Umwelt-, Klima- und Migrationskrise klopfen seit Jahren an die Tür auch der europäischen Staaten. Jugendliche haben das wahrgenommen, doch das politische Personal, ganze Regierungen stellen sich taub. Die Corona-Krise hat sie zum Handeln gezwungen, weil sie alle Menschen betrifft, nicht nur die Armen im globalen Süden, sondern auch jene an den Schalthebeln der ökonomischen und politischen Macht in den Zentren. Niemand kann heute sagen, wie schnell die Pandemie um sich greift, wann sie wieder abklingt, und ob die Maßnahmen für ihre Eindämmung die allgemeine gesellschaftliche Krise in bisher ungekanntem Ausmaß verstärken werden.

Eine Lehre kann allerdings bereits gezogen werden: die Notwendigkeit einer radikalen, ökosozialen Transformation unserer Produktions- und Lebensweise ist unumgänglich, ebenso der Schutz, die Bewahrung und Erweiterung unseres von den Neoliberalen bereits angegriffenen Sozialsystems. Ein »weiter so« nach der Krise darf es nicht geben.

Bundesausschuss der KPÖ, 17. März 2020

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