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Netzwerk besorgt über rechtsextreme Entwicklungen

  • Samstag, 13. Oktober 2018 @ 22:00
Antifa Mit 240 Teilnehmer_innen war die musikalisch von BettyRossa & Kapelle gestaltete 18. Jahreskonferenz des OÖ Netzwerkes gegen Rassismus und Rechtsextremismus am 13. Oktober 2018 im Bildungshaus Schloss Puchberg bei Wels wieder ein gut besuchter Höhepunkt der Vernetzung der antifaschistischen Szene. Netzwerk-Sprecher Robert Eiter konnte Teilnehmer_innen aus Oberösterreich, aber auch anderen Bundesländern und aus dem benachbarten Bayern begrüßen.

In Grußworten zeigten sich der neue Leiter des Bildungshauses, Helmut Außerwöger, sowie sein Vorgänger Wilhelm Achleitner, erfreut darüber, dass Schloss Puchberg seit nunmehr 18 Jahren Gastgeber des Netzwerktreffens ist und betonten den Kampf gegen rassistische und rechtsextreme Tendenzen.

Nach einem Totengedenken richtete Integrationslandesrat Rudolf Anschober (Grüne) Grußworte an die Konferenz und berichtete über die Kampagne gegen die Abschiebung gut integrierter Lehrlinge, die mittlerweile bundesweit von 900 Unternehmen und 63.000 Personen unterstützt wird. Anschober kündigte eine Klage wegen Verleumdung gegen FPÖ-Klubchef Johann Gudenus an, der einen Lehrling als Terroristen denunziert hatte und dankte dem LVT für die rasche Aufklärung der erhobenen Vorwürfe.

Im Jahresbericht verwies Robert Eiter auf die umfangreichen Aktivitäten des mittlerweile bereit 83 Organisationen umfassenden Netzwerkes, Elisabeth Heinzl (Katholische Jugend) legte einen Finanzbericht vor. Einstimmig beschlossen wurden drei Anträge betreffend den Umgang mit Rechtsextremismus durch die Landesregierung, die Verlegung von Stolpersteinen in Linz und die Unterstützung einer Stellungnahme der Ordensgemeinschaften für eine menschenwürdige Asylpolitik. In einem Statement von Helene Kaltenböck stellten sich die „Omas gegen rechts“ als eines der neuen Netzwerk-Mitglieder vor.

Bei den inhaltlichen Beiträgen berichteten Martin Kranzl-Greinecker und Fritz Käferböck-Stelzer über die Vernetzung von Todesmarschgemeinden, Christa Bauer präsentierte unter dem Titel „So geht Geschichtsvermittlung 2018“ die App des Mauthause-Komitees Österreich, in einer Rede „Über Widerstand“ setzte sich der Autor Hans-Henning Scharsach mit der Regierungspolitik der FPÖ auseinander. Schließlich präsentierte Heidi Benneckenstein ihr Buch „Ein deutsches Mädchen“ über ihren Ausstieg aus der Neonazi-Szene.

Die vom Netzwerk-Treffen beschlossenen Anträge im Wortlaut:

Antrag 1: Oberösterreich hat seit Jahren die meisten rechtsextremen Straftaten: Landesregierung muss endlich darauf reagieren! (Koordinationsrunde)

Oberösterreich weist laut den Verfassungsschutzberichten schon das dritte Jahr hintereinander die meisten rechtsextremen und rassistischen Straftaten (Tathandlungen) unter allen Bundesländern auf (2015: 202, 2016: 242, 2017: 192). Vor 2014 (Oberösterreich: 109 rechtsextreme Straftaten) wurden keine Zahlen nach Bundesländern veröffentlicht. Bei der Einwohnerzahl liegt Oberösterreich nur an dritter Stelle.

Dass die Zahl rechtsextremer Straftaten von 2016 auf 2017 erstmals seit vielen Jahren sowohl bundesweit als auch in Oberösterreich zurückgegangen ist, kann nicht beruhigen. Denn es handelt sich um eine Konsolidierung auf hohem Niveau: 2017 wurden in Österreich mehr als fünfmal (I) so viele rechtsextreme Straftaten verübt wie 2005 (von 209 auf 1.063). In Oberösterreich war die Zahl rechtsextremer Straftaten 2017 um 76 Prozent höher als noch 2014 (von 109 auf 192).

Die rechtsextreme Hasskriminalität beschränkt sich keineswegs auf Propagandadelikte wie die Verbreitung von NS-Ideologie oder Verhetzung. Letztere bereiten vielmehr den Boden für Gewaltverbrechten auf. Bekannte Beispiele solcher Verbrechen in Oberösterreich sind der rassistische Mord des „Breivik aus Traun“ (2009, vom Verfassungsschutz als „unpolitischer Nachbarschaftsstreit“ dargestellt), die Neonazi-Mafia „Objekt 21“ (nach Jahren vergeblicher antifaschistischer Hinweise 2013 endlich verhaftet), die drei großen Schändungen der KZ-Gedenkstätte Mauthausen (2009, 2010 und 2014, alle nicht aufgeklärt) sowie der Brandanschlag auf das FlüchtIingsheim in Altenfelden (2016, nicht aufgeklärt).

Nach dem Brandanschlag in Altenfelden kündigte der damalige Innenminister Wolfgang Sobotka bei einer Pressekonferenz in Linz einen „Nationalen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus“ an. Das Mauthausen Komitee Österreich (MKÖ) sowie das OÖ Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus begrüßten diese Ankündigung und boten ihre Mitarbeit an. Allerdings wurde der 'Nationale Aktionsplan“ trotz Urgenzen nie umgesetzt.

Überhaupt kann von einer konsequenten Bekämpfung rechtsextremer Straftaten keine Rede sein, obwohl der aktuelle Verfassungsschutzbericht (für das Jahr 2017) diese Straftaten ganz richtig als „demokratiegefährdende Tatsache“ bezeichnet. Der laxe Umgang verwundert nicht: Der Verfassungsschutz hat die rechtsextreme Hasskriminalität jahrelang kleingeredet und ist heute weitgehend mit sich selbst (bzw. mit dem Innenministerium) beschäftigt. Die politisch Verantwortlichen schweigen. So würde man von Landeshauptmann Thomas Stelzer eine deutliche Stellungnahme zum traurigen Spitzenplatz Oberösterreichs und die Forderung nach wirksamen Gegenmaßnahmen der Sicherheitsbehörden erwarten.

Eine positive Trendwende ist dagegen während der letzten Jahre bei der Justiz eingetreten: Zwar haben einige Verfahrenseinstellungen für breite Kritik gesorgt, insgesamt wird aber gegen rechtsextreme Delikte wesentlich konsequenter vorgegangen. Dies drückt sich auch in den deutlich gestiegenen Zahlen einschlägiger Anklagen und Verurteilungen aus (in Oberösterreich bei allen vier Landesgerichten). Die Trendwende dürfte mehrere Ursachen haben: öffentliche Debatten zum Thema, die grundlegende Reform des Verhetzungsparagrafen sowie die verpflichtende Schulung für alle Richter und Staatsanwälte (die beiden letzten Punkte konnten das MKO und das OÖ Netzwerk in Verhandlungen mit dem früheren Justizminister Wolfgang Brandstetter erreichen). Zu hoffen ist, dass die insgesamt positive Entwicklung anhält.

Das OÖ Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus, dem 83 politische, gewerkschaftliche, kirchliche, kulturelle und humanitäre Organisationen angehören, fordert:

- Erklärung des Landeshauptmanns und der Landesregierung zur Bekämpfung rechtsextremer Straftaten
- Ausarbeitung einer breiten Palette aufeinander abgestimmter Gegenmaßnahmen
- Einbeziehung aller wesentlichen Institutionen - Sicherheitsbehörden, Justiz, Schulen, Bundesländer und Zivilgesellschaft - in die Mitarbeit
- Wirksame Verfolgung und Aufklärung rechtsextremer und rassistischer Straftaten durch den Verfassungsschutz
- Beobachtung rechtsextremer und rassistischer Strömungen auch unter Migrantinnen (z.B. „Graue Wölfe“)
- Einrichtung regionaler Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus in den Bezirken

Antrag 2: Erinnerung an NS-Opfer durch „Stolpersteine“ auch in der Stadt Linz!

(Österreichisch-Israelische Gesellschaft)

Seit vielen Jahren schon zählen Messingplättchen („Steine der Erinnerung“) mit den Namen von NS-Opfern, die vor jenen Häusern in den Gehsteig eingelassen sind, in denen diese Menschen gewohnt hatten, zum festen Bestandteil der Erinnerungskultur. An den betreffenden Häusern angebrachte Gedenktafeln würden sicher eine würdigere und noch deutlichere Form der Erinnerung darstellen, scheiterten aber allzu oft am Widerstand von Hauseigentümer*innen und Mieter*innen.

Da Gehsteige zum öffentlichen Raum zählen, haben es deshalb aufgeschlossene Gemeindeverwaltungen ermöglicht, auf einfache und unbürokratische Weise „Steine der Erinnerung“ (auch als „Stolpersteine“ bekannt) zu setzen. Damit wird nicht nur verfolgten, vertriebenen, deportierten und ermordeten Menschen gedacht – anonymen Opfern werden auch ihre Namen zurückgegeben. Passant*innen und Bewohner*innen der betreffenden Häuser wird damit die Gelegenheit gegeben, sich mit dem Schicksal jener Kinder, Frauen und Männer auseinanderzusetzen und deren Biografen nachzugehen.

Oberösterreich und Linz haben eine besondere Verantwortung gegenüber ihrer Geschichte. Aus Oberösterreich stammten Hitler, Eichmann, Kaltenbrunner und hier befanden sich auch Mauthausen, das größte Konzentrationslager auf österreichischem Boden, und die Tötungsanstalt Schloss Hartheim. Linz war eine der Lieblingsorte Hitlers und mit größenwahnsinnigen Planungen zur „Führerstadt“ auserwählt. Umso unverständlicher ist es, dass in Linz - im Gegensatz zu einigen anderen oberösterreichischen Gemeinden - noch keine „Steine der Erinnerung“ gesetzt sind. Auch unter den vergleichbaren Großstädten Österreichs und Deutschlands bildet Linz damit eine unrühmliche Ausnahme.

In den OÖ. Nachrichten vom 5. Juli 2018 hat die Botschafterin des Staates Israel in Österreich, Talya Lador-Fresher, ihr Befremden über dieses auffällige Defizit geäußert. Sie hat auch Bürgermeister Klaus Luger darauf angesprochen und von ihm leider kein positives Signal erhalten.

Die Österreichisch-Israelische Gesellschaft (ÖIG) fühlt eine besondere Verpflichtung gegenüber allen Opfern der Shoa. Erinnerung ist unverzichtbar und ist Widerstand gegen das Vergessen, gegen Leugnen und Relativieren des größten Verbrechens der Menschheitsgeschichte.

Die ÖIG befürwortet daher die Anbringung von „Steinen der Erinnerung“ („Stolpersteinen“) in Linz und ersucht die Stadt Linz um Unterstützung dieses Vorhabens.

Das OÖ. Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus unterstützt dieses Anliegen vollinhaltlich.

Antrag 3: Stellungnahme der katholischen Ordensgemeinschaften Österreichs für eine menschenwürdige Asylpolitik (Wilhelm Achleitner)

Das OÖ Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus unterstützt diese Stellungnahme vollinhaltlich

In einer offenen Stellungnahme der Ordensgemeinschaften an die Regierung plädieren die Präsidentin der Vereinigung von Ordensfrauen Sr. Beatrix Mayrhofer und der Vorsitzende der Männerorden Abt em. Christian Haidinger für eine Politik, die der christlichen Verantwortung den Schwächsten gegenüber gerecht wird.

„Mit großer Sorge erleben wir in den letzten Tagen eine rigide Verschärfung im Umgang mit jenen jungen Menschen, die bei uns um Asyl ansuchen. Wir sehen, dass der lntegrationswille, die konkrete Ausbildung junger Menschen, ja nicht einmal mehr die Bedürfnisse unserer Gewerbebetriebe in den Blick genommen werden. Abschiebung erscheint wichtiger als Ausbildung. Gesetzeskonform wird gegen die Bedürfnisse der Menschen, der Gesellschaft, der Wirtschaft entschieden. Gerade weil geltendes Gesetz zur Anwendung gebracht wird, zeigt sich, dass dieses Recht zu schreiendem Unrecht wird, wenn es den Blick auf den Menschen verliert.

Aus unserer christlichen Haltung als Ordensfrauen und Ordensmänner mahnen wir einen gastfreundlichen Blick auf Menschen ein. Wir plädieren mit aller Deutlichkeit: Halten wir unsere Gesellschaft offen für jene Menschen, die vor Krieg, Not und Verfolgung ihr Leben retten und sich erfreulicher Weise hier integrieren wollen. Es darf nicht sein, dass auf Kosten der Schwächsten Politik gemacht, Angst geschürt, einer Verrohung der Sprache Vorschub geleistet wird und so positive Beispiele der Integration in allen Bereichen der Gesellschaft ignoriert werden. Die Anwendung des Gesetzes dem Buchstaben nach untergräbt das Bemühen so vieler Menschen, die unsere Gesellschaft im Geist des Humanismus und aus christlicher Überzeugung tragen. Für uns OrdenschristInnen gilt als eine Grundaussage:

„Fremdes bereichert“. Aus christlich-sozialer Verantwortung plädieren wir für eine Änderung der migrationsfeindlichen Haltung, der Verrohung der Sprache und der herzlosen Auslegung des Gesetzes. Für die Lehrlinge setzen sich derzeit viele Verantwortliche in der Wirtschaft ein, wir erheben unserer Stimme für alle jungen Menschen, die ihre Ausbildung begonnen haben, weil wir überzeugt sind, dass die Menschenwürde unteilbar ist. Wir erinnern in diesen Tagen an die unmissverständlichen Worte Jesu: Was ihr den Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan. Gott setzt bei den Geringsten an und will, dass sie ein gutes Leben führen können. Wir plädieren für eine Politik, die allen Menschen gerecht wird.“




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