Willkommen bei KPÖ Oberösterreich 

Handlungsbedarf beim Justizministerium

  • Mittwoch, 9. März 2016 @ 10:51
Antifa Das Mauthausen Komitee Österreich und das OÖ Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus haben im März 2016 in einem Brief an Justizminister Wolfgang Brandstetter den Umgang der Justiz mit Verfahren zur NS-Wiederbetätigung thematisiert. Nachstehend der Brief im Wortlaut:

Herrn Bundesminister
Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Brandstetter
per E-Mail

Die nächsten Justizskandale in Sachen NS-Wiederbetätigung verhindern!

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Das Verfassungsgesetz vom 8. Mai 1945 über das Verbot der NSDAP, das erste Gesetz der Zweiten Republik, erfüllt auch bestehende völkerrechtliche Verpflichtungen (Artikel 9 des Staatsvertrages von Wien).

Der Verfassungsgerichshof hat festgestellt: „Die kompromisslose Ablehnung des Nationalsozialismus ist ein grundlegendes Merkmal der wiedererstandenen Republik. Ausnahmslos jede Staatstätigkeit hat sich daran zu orientieren.“

Leider werden immer wieder Fälle bekannt, in denen die Strafrechtspflege dieser klaren Vorgabe keineswegs gerecht wird. Manche Staatsanwälte und Richter setzen das Verbotsgesetz faktisch außer Kraft, sodass selbst übelste neonazistische Umtriebe straffrei bleiben. Jene Grazer Staatsanwältin, die die menschenverachtende Hetzpropaganda eines notorischen Rechtsextremisten gegen KZ-Überlebende für „nachvollziehbar“ hielt und deshalb das Strafverfahren einstellte, ist nur das jüngste Beispiel von vielen.

Solche Justizskandale sind eine Verhöhnung der NS-Opfer und schädigen das Ansehen Österreichs. Außerdem werden sie von der braunen Szene, die ohnehin immer dreister und brutaler wird, als Ermunterung zu neuen Attacken verstanden.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wir Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieses Offenen Briefes schätzen Ihre unmissverständliche Haltung gegenüber dem Rechtsextremismus. Diese Haltung war auch bei der gelungenen Reform des Verhetzungsparagraphen spürbar.

Gerade deshalb richten wir an Sie den dringenden Appell, die absehbaren nächsten Justizskandale in Sachen NS-Wiederbetätigung durch folgende Maßnahmen zu verhindern:
+ Die Staatsanwaltschaften müssen dem Bundesministerium für Justiz laufend über sämtliche Verbotsgesetzfälle berichten.
+ Die Staatsanwaltschaften müssen die Öffentlichkeit über sämtliche Verbotsgesetzfälle und ihre Erledigung informieren. Über die jeweilige Erledigung müssen auch Personen, die Anzeige erstattet haben, zeitnah schriftlich informiert werden.
+ Alle Staatsanwälte und Strafrichter werden in der Materie Verbotsgesetz intensiv geschult, und zwar auch unter Vermittlung notwendigen Hintergrundwissens über den historischen Nationalsozialismus sowie über die heutige neonazistische Szene.

Bedenkt man die Bedeutung des Verbotsgesetzes, sind diese Maßnahmen ein mehr als vertretbarer Aufwand, um die konsequente und wirksame Anwendung des Gesetzes sicherzustellen. Nicht vertreten ließe sich, tatenlos auf die nächsten einschlägigen Fehlleistungen zu warten.

Mit freundlichen Grüßen
Wilhelm ACHLEITNER, Leiter des Bildungshauses Schloss Puchberg, Diözese Linz
Irmgard ASCHBAUER, Vorsitzende der Österreichischen Lagergemeinschaft Mauthausen
Wolfgang BANDION, Kulturhistoriker und Delegierter im Internationalen Mauthausen Komitee
Andreas BAUMGARTNER, Generalsekretär des Internationalen Mauthausen Komitees
Gerhard BAUMGARTNER, Leiter des Dokumentationsarchivs des österr. Widerstandes
Alois BIRKLBAUER, Strafrechtswissenschafter
Bert BRANDSTETTER, Präsident der Katholischen Aktion Oberösterreich
Michael BÜNKER, Bischof der Evangelischen Kirche A.B.
Inge DALMA, Präsidiumsmitglied der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft
Mercedes ECHERER, Schauspielerin
Robert EITER, Sprecher des OÖ. Netzwerks gegen Rassismus und Rechtsextremismus
Marko FEINGOLD, Überlebender des KZ Auschwitz
Peter FLORIANSCHÜTZ, Präsidiumsmitglied der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft
Erich FOGLAR, Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes
FRANZOBEL, Schriftsteller
Winfried R. GARSCHA, Historiker und stv. Bundesvorsitzender des KZ-Verbandes
Rudolf GELBARD, Überlebender des KZ Theresienstadt
Roland GIRTLER, Soziologe und Kulturanthropologe
Heimo GRUBER, Präsidiumsmitglied der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft
Harald GRÜNN, Bundesvorsitzender des KZ-Verbandes
Elfriede JELINEK, Literaturnobelpreisträgerin
Michael JOHN, Historiker und Obmann der Österreichischen Lagergemeinschaft Auschwitz
Günter KAINDLSTORFER, Journalist und Schriftsteller
Rudolf KASKE, Präsident der Bundesarbeitskammer und der Arbeiterkammer Wien
Harald KRASSNITZER, Schauspieler
Ludwig LAHER, Schriftsteller
Andreas MAISLINGER, Politikwissenschafter
Willi MERNYI, Vorsitzender des Mauthausen Komitees Österreich
Wolfgang NEUGEBAUER, Historiker
Cornelius OBONYA, Schauspieler
Elisabeth ORTH, Schauspielerin und Präsidentin der Aktion gegen den Antisemitismus
Andreas PEHAM, Autor und Rechtsextremismus-Experte
Anton PELINKA, Politikwissenschafter
Veronika PERNSTEINER, Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs
Alexander POLLAK, Sprecher von SOS Mitmensch
Martin POLLACK, Schriftsteller
Doron RABINOVICI, Schriftsteller
Thomas RAMMERSTORFER, Autor und Rechtsextremismus-Experte
Werner RETZL, Vorsitzender der Welser Initiative gegen Faschismus
Gerhard RUISS, Schriftsteller und Sprecher der IG Autorinnen und Autoren
Uwe SAILER, Träger des Ute-Bock-Preises für Zivilcourage
Käthe SASSO, Überlebende des KZ Ravensbrück
Gerda SCHAFFELHOFER, Präsidentin der Katholischen Aktion Österreich
Hans-Henning SCHARSACH, Autor und Rechtsextremismus-Experte
Manfred SCHEUER, Bischof von Linz
Thomas SCHMIDINGER, Politikwissenschafter
Franz SCHUH, Schriftsteller
Johannes SCHWANTNER, Vorsitzender des Bundes Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer
Susanne SHAKED, Generalsekretärin der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft
Erwin STEINHAUER, Schauspieler
Marlene STREERUWITZ, Schriftstellerin
Hans-Jürgen TEMPLMAYR, Präsidiumsmitglied der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft
Peter WEIDNER, Beiratsmitglied der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft

Themen