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Realpolitisch engagiert für realisierbare Perspektiven

  • Samstag, 18. Oktober 2014 @ 12:00
Partei Referat von KPÖ-Bundessprecher Mirko Messner beim 36. Parteitag der KPÖ am 18.10.2014 in Wien

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Gäste, die Waffen nieder – eine kommunistische Partei bedient sich des Aufrufs einer aristokratischen Pazifistin. Nicht alltäglich, zugegeben. Aber wir haben uns dafür entschieden.

Warum? Berta von Suttner hat ihren mit diesen Worten betitelten Roman 15 Jahre vor der Entfesselung des Ersten Weltkriegs verfasst, und als ihn der selige Franz Josef aus seinem Sommersitz in Bad Ischl losgetreten hat, war sie schon gestorben, einige Wochen davor. Im Herbst 1914 hätte ein Weltfriedenskongress in Wien stattfinden sollen, aber da waren die österreichischen Aggressoren schon in Galizien und auf dem Balkan.

Berta von Suttner war keine Ruferin in der Wüste. An einem anderen Ende des politischen Spektrums ist zur selben Zeit im selben Sinn gedacht und gehandelt worden. Jean Jaurès, der französische Sozialist und Begründer der l´Humanité, hat sich, als der Krieg sich schon abgezeichnet hat, mit aller Kraft für eine Verständigung mit Deutschland eingesetzt. Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen, diesen Satz hat er geprägt, und daraus sein leidenschaftliches pazifistisches Engagement entwickelt. Ein französischer Nationalist hat ihn dafür umgebracht.

Die später von deutschen Nationalisten ermordeten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht haben sich abgerackert, um zu verhindern, dass sich die deutsche Sozialdemokratie in die Kriegspläne der Regierung einbinden lässt. Ohne Erfolg. Die Sozialdemokratie hat der Zeichnung von nationalen Kriegsanleihen zugestimmt und das Proletariat in den Krieg verabschiedet. Die österreichische Sozialdemokratie hat assistiert. Die Arbeiterzeitung schreibt am 28. Juli 1914: »Zeigt, dass es auch in unseren Reihen keine Fahnenflucht gibt! Dass auch die Männer des Klassenkampfes bis zum letzten Atemzug zu ihren Fahnen stehen!«

Diese Anmaßung, die Fahnen der nationalen, gegen- und miteinander kriegführenden herrschenden Klassen und ihrer Soldateska als ihre eigenen auszugeben, sowie das Vorbild der russischen Oktoberrevolution, die mit der Losung Brot und Frieden der Friedenssehnsucht der Massen entsprochen hat, das alles hat linke Sozialdemokraten und andere in Europa letztlich dazu gebracht, der Sozialdemokratie adieu zu sagen und kommunistische Parteien zu gründen. So auch die KPÖ.

Heute, nach der Fortsetzung des Ersten durch den Zweiten Weltkrieg, nach den Rückzugsgefechten der Kolonisatoren aus Afrika, Asien und Lateinamerika, nach der historischen Niederlage des Realsozialismus sind wir global an einem Punkt angelangt, an dem die Gewöhnung an Krieg, Vertreibung und Flucht zur täglichen massenmedial verabreichten Dosis wird. Daran soll unsere Parteitagslosung erinnern; und vor allem daran, dass wir diese Dosis nicht wortlos schlucken wollen.

Es ist ein durchschaubares Spiel, das vor unseren Augen in der Ukraine abläuft. Ein Bürgerkrieg mit internationalen Verschränkungen, die uns allen bekannt sind. Nach der Implosion der Sowjetunion wurde ihren Nachlassverwaltern von westlicher Seite beteuert, die NATO würde nicht bis an die Grenzen Russlands heranrücken. Prompt ist das Gegenteil passiert, sicherheitspolitische Interessen Russlands wurden durch die NATO-Osterweiterungspolitik bewusst ignoriert, die voraussehbare Reaktion auf den Assoziierungsvertrag mit der EU und die Ambitionen der NATO in Kauf genommen.

Die herrschende Politik in der EU ist jetzt dabei, aus einem Partner und gleichzeitig Konkurrenten der USA zu einem Partner zu werden, der diese Rolle zum eigenen Schaden spielt. Mit jedem Schritt, mit dem sie dem Interesse der herrschenden US-Politik und der NATO nachkommt, ist sie dabei, den von ihren Gründern zurecht oder zu Unrecht aufgebauten Nimbus von der EU als Friedensprojekt zu zerstören.

Auch die österreichische Politik, die sich der Sanktionspolitik gegen Russland angeschlossen hat, wird ihren friedenspolitischen Ansprüchen nicht gerecht. Der österreichische Bundeskanzler war zwar Anfang Oktober beim ukrainischen Oligarchen und Präsidenten Poroschenko auf Besuch, und hat auch ein Wort fallen lassen bezüglich Neutralität der Ukraine und so. Worauf er von Poroschenko zurechtgewiesen wurde: Die Ukraine, meinte er, wolle Mitglied der NATO werden und Punkt. Gestern hat Faymann Poroschenko in Mailand wieder getroffen, und auch mit Putin ist er zusammengekommen. Es ist einfach bemerkenswert: Nichts weißt bis heute darauf hin, dass irgendein Repräsentant Österreichs z. B. auf Ebene der EU, im Sinne österreichischer aktiver Neutralitätspolitik, bereit ist, den Druck in Richtung Neutralität der Ukraine zu erhöhen.

Wir meinen, die österreichische Politik muss sich von der Dominanz der deutschen Außenpolitik und des herrschenden Blocks in der EU befreien und eine »österreichische« Lösung für den Status der Ukraine nicht nur als Nebensatz zum Einstreuen haben, sondern ins Zentrum ihrer Außenpolitik rücken: Das bedeutet, sich einzusetzen dafür, dass sich die Ukraine als neutraler Staat zwischen Russland und der NATO einrichtet. Das hieße: politische Neutralität, militärische Bündnisfreiheit, bilaterale wirtschaftliche Abkommen sowohl mit der EU als auch mit Russland, Garantien für die nicht-ukrainischen Bevölkerungsteile bezüglich Autonomie, Sprachpolitik und anderer kultureller Rechte, Entlassung der Rechtsextremen aus Regierungspositionen, Maßnahmen gegen die rechtsextremen Tendenzen in der ukrainischen Gesellschaft und Auflösung ihrer bewaffneten Verbände. So ein »österreichischer« Weg der Lösung der Krise berücksichtigt auch, dass es eine rationale Bearbeitung des Konflikts und eine international haltbare Lösung nur mit und nicht gegen Russland geben kann. Und das heißt auch für Österreich, aus der Sanktionspolitik der EU und der USA auszuscheren.

Denn: Betrachten wir den Knoten der internationalen Widersprüche, wird eines deutlich: die USA und die mit ihnen Verbündeten wollen sich nicht abfinden mit der Aussicht auf eine multipolare Welt, die sich trotz allem herausbildet. Darum geht es bei den Kolonialkriegen im Nahen Osten, darum geht es bei der Hinwendung der US-amerikanischen strategischen Politik zum pazifischen Raum, und darum geht es letztlich im Fall der Ukraine bzw. des Konflikts der USA, der NATO mit Russland.

Genossinnen und Genossen, liebe Gäste, die Anwesenheit der stellvertretenden Vorsitzenden der Europäischen Linkspartei, Maite Mola, ist natürlich nicht zufällig. Die KPÖ hat ihre Beziehungen zur Europäischen Linken vertieft, und auch selbst zur Vertiefung der Beziehung von anderen Parteien zur Europäischen Linken beigetragen. Insgesamt haben wir die Einbeziehung der europäischen Politik in die KPÖ intensiviert, das Verständnis der Notwendigkeit intensiver Kooperation auf europäischer Ebene ist in der KPÖ gewachsen, wobei es in unserer Partei noch immer mangelt am Verständnis, dass die europäische Ebene tagtäglich mehr zur Innenpolitik wird oder noch besser zur Kommunal- und Regionalpolitik.

Eine europäische Integration, ein Zusammenwachsen, und darin herrscht Einvernehmen in der Europäischen Linken, wird es mit der EU in ihrer jetzigen Form und unter der jetzigen politischen Hegemonie allerdings nicht geben. Die Konkurrenz der Standorte, das gegeneinander Ausspielen, das alte Teile und Herrsche, dem Kapitalismus inhärent, behält locker die Oberhand über die Sonntagsreden der Politiker und EU-Beamten, Lobbyisten usw. Zusammengewachsen wird nur unter der Ägide eines fortschrittliches, demokratischen und sozialen Projekts, und das muss erst errungen werden.

Ein wichtiger Schritt im Zustandekommen der Allianz zu den Europawahlen – ich komme im Abschluss noch darauf zu sprechen – war die Einladung der EL an Wandel und PiratenvertreterInnen zum Parteitag der EL nach Madrid. Das hat den Kollegen und der Kollegin die Möglichkeit gegeben, das europapolitische Umfeld der KPÖ direkt kennenzulernen und sich mit den Motiven der Kandidatur von Alexis Tsipras unmittelbar bekanntzumachen. Tsipras Kandidatur war eine Qualitätssprung in der Entfaltung gemeinsamer wahlpolitischer Ziele der EL, verbunden mit der Präsentation einer Persönlichkeit und mit ihr einer pluralen linken Partei, die kommunistische Traditionen ebenso in sich vereint wie trotzkistische, die autonome, feministische, andere linke Ansätze ebenso in sich aufgenommen hat wie vielfältige soziale Bewegungen.

Die Europäische Linkspartei hat bei den EU-Wahlen einen imposanten Wahlerfolg eingefahren. Aber die Krise hat auch viele Fragen in der EL aufgeworfen, Widersprüche sichtbar gemacht zwischen der nördlichen und südlichen Hälfte Europas, zwischen Parteien in Ländern mit Klassenauseinandersetzungen und stärkerer Verankerung der Linken in den Institutionen, zwischen Ost- und Westeuropa, und hat zu vielen Vorschlägen und Ansätzen von Aktionen geführt. Die EL ist dabei weitergekommen, in der Aktions- und Bündnispolitik, im Verständnis von Solidarität, sie hat aber auch erfahren müssen, dass der Weg hin zu einer handlungsfähigen und erfolgreichen europäischen Linken noch weit und steinig ist. Darum fehlt auch der EL nach wie vor so etwas wie ein von sämtlichen EL-Parteien gemeinsam getragenes praktisch-politisches Flaggschiff-Projekt.

Schwierige Zeiten werfen natürlich auch schwierige Fragen für die Linke in Europa auf. Die Europäische Linkspartei ist ja nicht nur eine Partei mit gemeinsamen allgemeinen Zielen, sondern muss sich auch konkret, rasch und unmissverständlich öffentlich zu politischen Ereignissen äußern. Die Liste ist lang: Von der Haltung zur Ukraine, über den Krieg in Syrien, dem Mittleren Osten, Kurdistan, oder die scheinbar harmlosere aber nichts desto trotz strategisch ungemein wichtige Frage der Volksabstimmung in Schottland. In der EL muss um Ergebnisse in diesen eminent wichtigen Diskussionen gerungen werden, nicht weil alle dazu gebracht werden sollen, alles gleich zu sehen, sondern weil wir lernen müssen, unsere gemeinsamen Positionen herauszufinden – unter anderem auch dadurch, dass wir uns widersprechen.

Genossinnen und Genossen, in Graz hat sich die KPÖ als zweitstärkste Partei im Gemeinderat mit ÖVP und SPÖ auf ein Doppelbudget für die Jahre 1915 und 1916 geeinigt; in den Medien wird erstaunt festgestellt, was da alles darin enthalten ist: 500 neue Gemeindewohnungen. Jahreskarte für die GVB um 228 Euro. Kürzung der Parteienförderung. Keine Erhöhung bei Kanal- und Müllgebühren. Keine Erhöhung der Mieten bei städtischen Wohnungen. Keine Streichung von Sozialleistungen. Keine Kürzungen im Frauenbereich. Keine Kürzungen im Kulturbereich, bei Umwelt und Gesundheit. Keine Privatisierungen von städtischem Eigentum. Weniger Werbe- und Repräsentationsausgaben und anderes mehr, das dem Zeitgeist des Sozialabbaus zuwiderläuft.

Die Grazer ÖVP, KPÖ und SPÖ arbeiten auch an einem Forderungspaket an das Land Steiermark: Eine Nahverkehrsabgabe nach dem Vorbild der Wiener U-Bahn-Steuer, eine Umwidmungsabgabe oder eine Wohnungsleerstands- und eine Zweitwohnsitzabgabe sollen darin enthalten sein. »Soziales geht nicht unter«, mit diesen Worten hat die Genossin Elke Kahr die Ergebnisse der Dreiparteien-Vereinbarung zusammengefasst.

Das alles ist ein weiterer Beleg dafür: die KPÖ ist keine fundamentalistische Sekte, sondern eine Partei, die realpolitisch engagiert ist und realisierbare Perspektiven im sozialen und kulturellen Interesse der Bevölkerung entwickelt. Und das gilt nicht nur für die kommunale Ebene. Das gilt für alle Ebenen der Politik, und gilt genauso für die europäische Ebene, wo wir nicht die Strategie verfolgen, den nationalen Schrebergarten in eine feste Burg zu verwandeln, was – nebenbei gesagt – eine schlimme und in mehrfacher Hinsicht gefährliche Illusion ist, sondern uns gemeinsam mit anderen Linksparteien für ein demokratisches und soziales Europa engagieren, gegen den Zeitgeist des systematischen Sozialabbaus.

Der Begriff des systematischen Sozialabbaus reicht allerdings bei weitem nicht aus, den damit gemeinten Zustand zu beschreiben. Was wir heute erleben, sind Umbrüche historischen Ausmaßes. Die neoliberale Zurichtung der europäischen Gesellschaften, die systematische Vernichtung des Wohlfahrtsstaats durch Entgrenzung des Kapitals, durch Privatisierungen, Flexibilisierung usw. – das alles soll noch getoppt werden durch das Transatlantische Handelsabkommen, das zwar unser aller Leben betreffen, aber im Geheimen verhandelt wird. Es geht dabei nicht nur um weitergehende, regelrecht unfassbare Liberalisierungen in der Wasser- und Energieversorgung sowie im Gesundheits-, Bildungs- und Finanzwesen, sondern um die Einklagbarkeit von Profiten durch die Konzerne. So eine Ordnung kann allerdings nicht mit der Bevölkerung, sondern nur autoritär gegen sie erreicht werden. Darum ist die bürgerliche Demokratie, wie wir sie bisher kannten, selbst unterm Hammer.

Es geht letztlich um eine neue Ordnung nach dem Maß der Konzerne, Banken und Generäle, ohne Rücksicht auf Umwelt, Ressourcen und Menschenrechte, und TTIP, TiSA und andere Kürzel sind Stufen auf dem Weg zu ihrer Macht über die Politik. Ihnen gegenüber und zur Seite steht eine Politik der Willigen, die mittels Privatisierung und Flexibilisierung ein Steuerungsinstrument nach dem anderen aus der Hand gibt, die Krisenlasten nach unten abwälzt und in unterschiedlich intensiven Ausmaß als Umverteilungsmaschine der gesellschaftlich geschaffenen Werte von unten nach oben funktioniert.

Österreich ist da keine Ausnahme; keine Ausnahme, was die Privatisierungsstrategien betrifft – die jüngsten Vorgänge z. B. in der ÖIAG sind eine krasse Illustration dafür. Die Telekom wurde einem mexikanischen Oligarchen ausgeliefert, die Post wird seit dem Börsegang zum Zwecke der Dividendenausschüttung auf Kostendes Personals zu Tode saniert, und die OMV ist ebenfalls in Turbulenzen. Und, wie der Vorsitzende des vor kurzem aus Wahlen gestärkt hervorgegangenen GLB auf unserer Website feststellt, bei allen drei Unternehmen fällt auf, dass sie sich vom eigentlichen Versorgungsauftrag im Inland entfernt haben und mit spekulativen Auslandsgeschäften ins Trudeln geraten sind.

Österreich ist auch keine Ausnahme, was den stufenweise Abbau des Sozialstaats betrifft, keine Ausnahme, was die sich immer weiter öffnende Schere zwischen steigender Produktivität und stagnierendem Reallohn betrifft, zwischen Arm und Reich und keine Ausnahme, was die Einengung der Partizipationsmöglichkeiten betrifft. Und je schlimmer spürbar die Krisenlasten für einen immer größeren Teil der Bevölkerung werden, je umso mehr Aktionsraum gibt diese Politik den Rechten und Rechtsextremen auch in unserem Land. Die FPÖ ist am Sprung, stärkste Partei in Österreich zu werden.

Genossinnen und Genossen, wir haben in unserem Leitantrag den Erfahrungen aus dem Europa-Wahlkampf viel Platz eingeräumt. Ich finde, zurecht. Jetzt hat es in den Parteiorganisationen unterschiedliche Akzente in der Einschätzungen des Wahlergebnisses und unserer Wahlallianz mit Piraten, Wandel und Parteilosen gegeben. Aber eines steht außer Debatte: auch, wenn das Wahlziel – ein Mandat im EU-Parlament – nicht erreicht wurde, in der Bundeshauptstadt, um diese Tatsache hervorzuheben, also hier, wo die Intensität des Wahlkampfs besonders hoch war, haben wir ein österreichweit hervorragendes Ergebnis erzielt, mit 4 Prozent das Doppelte vom Bundesdurchschnitt und aller anderen Länder, in einigen Bezirken sogar 5 und 6 Prozent, also bedeutend mehr als die Summe der Teile, sprich mehr als den Stimmenanteilen der an der Allianz beteiligten Parteien bei Nationalratswahlen.

Das hat uns zwar bezüglich erhofftem Mandat auch nicht weitergebracht, aber es geht dabei um etwas anderes, viel Bedeutenderes: es war die erste Allianz-Kandidatur dieser politischen Breite, und es waren vor allem sehr heterogene Kräfte daran beteiligt, also Kräfte unterschiedlicher Herkunft bzw. eine große Zahl von Personen, die sich keiner der drei politischen Gruppierungen in der Allianz zugehörig fühlen. Das hört sich locker an. War es aber nicht und ist es nicht. Da hat es Reibungen gegeben, Suche nach gemeinsamer Sprache, bewusste Orientierung auf solidarischen und gleichberechtigten Umgang miteinander, und gegenseitiges Vertrauen, das auf daraus entstand, dass Widersprüche benannt und besprochen, obwohl nicht immer gelöst wurden.

Die Wahlallianz Europa anders gibt es formal nicht mehr. So war es im Kooperationsvertrag festgelegt. Es gibt das noch nicht zu Ende geführte Projekt des Haftungsboykott-Volksbegehens, und vor allem gibt es den Wunsch und den Willen der Beteiligten, an der Allianz weiterzuarbeiten, auch wenn es bezüglich der bevorstehenden Wien-Wahl keine endgültigen Festlegungen aller Komponenten gibt. Die KPÖ jedenfalls ist der Meinung, dass es ein schwerer Fehler wäre, den Schwung der Europa-Wahl nicht gemeinsam in die Wiener Gemeinderatswahl mitzunehmen, möglichst viele Mandate auf Bezirksebene zu erringen und dadurch die Basis für eine Wahlallianz bei den Nationalratswahlen zu verbreitern.

Die Diskussion darüber läuft jedenfalls unter den Allianzpartnern einschließlich der Parteilosen. Die Genossinnen und Genossen aus den Bundesländern, wo ähnliche Überlegungen angestellt werden – oder auch nicht, wenn dort andere lokale Voraussetzungen gegeben sind – also die Genossinnen und Genossen aus den Bundesländern mögen mir verzeihen, dass ich mich auf Wien konzentriere, aber es ist eben bundespolitisch von hervorragender Bedeutung, was diesbezüglich hier geschieht oder nicht geschieht.

Aber hinter der ganzen Allianzgeschichte steckt noch etwas anderes Bedeutendes, und ich meine, das ist das Bedeutendste daran: Seit der Implosion des Realsozialismus befindet sich die traditionelle politische und gewerkschaftliche Linke, und wir gehören dazu, obwohl wir uns selbst keineswegs so bezeichnen und fühlen, befindet sich also die traditionelle Linke noch immer auf der Suche nach ihrem strategischen Platz in den Gesellschaften. Und gleichzeitig haben sich links und rechts von der traditionellen Linken viele systemkritische, linke, feministische, soziale und kulturelle Bewegungen gebildet, sind neue soziale Schichten in Bewegung gekommen, die den Anmaßungen des Neoliberalismus Widerstand entgegenbringen.

Es ist so etwas wie ein systemkritisches Mosaik entstanden, auch bei uns. Und dennoch: selbst dort, wo das zu Klassenkämpfen und massenhaften Protestbewegungen geführt hat – also nicht bei uns – hat das mit Ausnahme Griechenlands zu keiner relevanten Veränderung in den politischen Kräfteverhältnissen geführt.

Ein Grund dafür ist, dass selbst in großen Protestbewegungen die Einsicht sich erst durchsetzen muss, dass eben dies anzupeilen ist, bei Strafe des Verpuffens der eigenen Kräfte: die Politisierung der Bewegung, die Orientierung auf politische Positionen im Staat und in Gemeinden, die Kooperation mit der traditionellen Linken Und genau das ist ansatzweise in der Allianz Europa anders passiert. In Ansätzen deswegen, weil die Allianz die Breite der Möglichkeiten, der Einbeziehung von Graswurzelbewegungen und anderer Bewegten, bei weitem nicht ausgeschöpft hat, auch aufgrund der mangelnden Zeit gar nicht ausschöpfen konnte.

Wir leben in einer Situation, in der sich der Neoliberalismus einer passiven Zustimmung sicher ist. Die Beherrschten wollen nicht mehr, wie sie sollen – aber sie tun es trotzdem. Warum? Vor allem diese Frage müssen wir uns stellen. Die Antwort liegt auf der Hand. Sie tun es, weil sie keine Alternative sehen, die in der Lage wäre, den Gang der Ereignisse politisch zu beeinflussen. Oder profaner, bescheidener ausgedrückt, auf nationale Wahlkämpfe in unserem Land bezogen: »Eine Stimme für euch ist verloren.« Diese Ansicht trifft alle fortschrittlichen Kandidaturen, die um Mandate raufen. Wir können diese Ansicht Lügen strafen – in möglichst breiter Allianz mit anderen progressiven systemkritischen Kräften, als Gleiche unter Gleichen.

Die KPÖ hat sich im Laufe ihrer Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg viele Etappenziele gesetzt, die dann auch als Losungen gültig waren, bis sie von anderen ersetzt wurden. Über die Volksdemokratie zum Sozialismus, hat es z. B. gleich nach dem Zweiten Weltkrieg geheißen. Oder viel später dann Sozialismus in Österreichs Farben, und anderes mehr. Alles war gut gemeint, vieles illusionär oder schlicht falsch, und als es als solches erkannt wurde, haben wir sehr oft und sehr unbefangen unseren nächsten Irrtum vorbereitet.

Die Losung des dem heutigen vorangegangenen Parteitags – Solidarische Gesellschaft: wofür wir streiten wollen – und das entsprechende Dokument dazu sind nach wie vor gültig. Was bietet sich heute an, um den Moment zu charakterisieren, in dem wir uns hier in Österreich befinden, also in einer scheinbar einzementierten politischen Landschaft mit schiefer Ebene nach rechts?

Ich denke Folgendes: Wir haben geübt und haben erfolgreich einen Keimling gesetzt. Gemeinsam mit anderen; einen Keimling für eine breite, links von Sozialdemokratie und Grünen positionierte konsequente österreichische Linke, die, wenn sie sich selbst ernst und wichtig genug nimmt, sich in die Lage versetzen kann, Mandate im Parlament zu erkämpfen und die österreichische politische Landschaft zu verändern. Wie gesagt, einen Keimling. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ob der sich entwickeln wird, hängt auch von uns ab.

In diesem Sinne: ich wünsche uns einen anregenden Parteitag.


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