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Bundesheer-Debatte: Warum nicht Abschaffung?

  • Sonntag, 20. Februar 2011 @ 08:00
Frieden Die SPÖ ist bekanntlich gerade dabei, einen gravierenden Paradigmenwechsel in ihrer Politik zu vollziehen: War für sie bis vor kurzem die allgemeine Wehrpflicht „in Stein gemeißelt“ (BM Darabos), so setzt sie jetzt in einer 180-Grad-Kehrtwendung auf ein Berufsheer.

Über die Weisungskette „Kronenzeitung“-Häupl-Faymann-Darabos wird diese Haltungsänderung durchgezogen. Nicht mehr Grundsatzentscheidungen in der Partei sind wichtig, sondern Medien-Hypes. Schon längst im neoliberalen Sumpf gelandet ist die heutige SPÖ inhaltsleer und agiert nur nach Stimmungen und auf Wahlchancen bedacht, auch wenn Häupl sein Vorstoß – dem schon ähnliche von Grünen und BZÖ vorausgegangen waren – für die Abschaffung der Wehrpflicht bei der Wiener Wahl 2010 nichts genutzt hat.

Nur bei älteren SozialdemokratInnen und in Restbeständen der Parteilinken wie der SJ jubelt man nicht über den neuesten, nicht zum ersten Mal via „Krone“ ausgekungelten Schachzug, der die Fronten verändert hat, indem jetzt ÖVP und FPÖ, früher eher die Fürsprecher eines Berufsheeres, zu Verteidigern der Wehrpflicht werden lässt.

Berufsheer als Baustein für Euro-Armee

Hinter dem vordergründigen Populismus, den „Zwangsdienst“ Wehrpflicht abzuschaffen verbirgt sich die Orientierung, das Bundesheer zu einem Berufsheer als Baustein der künftigen EU-Armee umzumodeln. Welche Kapriolen dabei geschlagen werden verdeutlicht die Forderung der oö SP-Jugend, deren JG-Landeschef Philip Maralt über die Abschaffung der Wehrpflicht als „Zwangsdienst" jubelt und gleichzeitig ein "soziales Jahr für alle" als neuen Zwangsdienst will und dies gar noch als "kreative Lösung" betrachtet.

Bereits jetzt ist das Bundesheer an den Battle Groups der EU beteiligt, einer Einrichtung die weltweit die Interessen der EU, sprich der in der EU tonangebenden Konzerne, sicherstellen soll. Dass dies ebenso wenig mit der Neutralität vereinbar ist wie ein – zuletzt vom SPÖ-Europaabgeordneten Swoboda vorgeschlagener – Beitritt zur NATO und auch schon die Beteiligung Österreichs an der „Partnerschaft für den Frieden“ eben derselben NATO. Eine Berufsarmee und die Teilnahme an einer EU-Armee würde im Klartext Österreich unsicherer machen.

Regierung sieht Neutralität als leere Hülle

Fakt ist, dass spätestens seit dem EU-Beitritt 1995 die österreichische Neutralität systematisch zersetzt und für die Regierenden schon lange zu einer leeren Hülle verkommen ist. Freilich wird man sich hüten, die Neutralität formell abzuschaffen, gehört sie doch zu den Säulen der österreichischen Identität, auch wenn sie laut BP Fischer „nicht in Stein gemeißelt“ ist, wenngleich der Bundespräsident als verfassungsmäßiger Oberbefehlshaber im Gegensatz zu seiner eigenen Partei nach wie vor zur Wehrpflicht steht.

Und so werden alle ihr zuwiderlaufenden Maßnahmen als neutralitätskonform dargestellt und als solche von der Öffentlichkeit auch geschluckt, wie die Wahlergebnisse bestätigen. Dabei wird von den Meinungsbildnern gerne die 1955 beschlossene immerwährende Neutralität als Produkt des „kalten Krieges“ und des Ost-West-Konflikts als quasi fremdbestimmt interpretiert, nicht aber als selbstbestimmtes wesentliches Element der Unabhängigkeit Österreichs im Zusammenhang mit dem Staatsvertrag.

Häupls „Mitteleuropa“-Variante

Swobodas NATO-Vorstoß gehört wohl ebenso wie die Interpretation der Abschaffung der Wehrpflicht als Demilitarisierung und Häupls Idee einer mitteleuropäischen Militärstruktur zum Rauchvorhang, den die SPÖ zur allgemeinen Verwirrung und um ihre wirklichen Pläne und Ziele zu verbergen, aufgezogen hat. Dass „Mitteleuropa“ dabei eine Chiffre für eine deutsche Vorherrschaft darstellt ist unschwer zu erraten.

Freilich sollten auch alle jene die ihre EU-Kritik auf den Austritt Österreichs aus dieser Union reduzieren bedenken, dass ein solcher Schritt real wohl darauf hinauslaufen würde, das Österreich als Wurmfortsatz eines mächtigen Deutschland endet, das im Rahmen der EU zumindest einigermaßen gezähmt wird. Wie auch anzumerken ist, dass die EU nicht der populistisch gerne dargestellte abstrakte Moloch in Brüssel ist, sondern die Summe der Kapitalinteressen der 27 Mitgliedsländer, also auch jener in Österreich.

Gab es in 70er und Anfang der 80er Jahre zumindest ansatzweise so etwas wie eine aktive Neutralitätspolitik, so kann in den letzten zwei Jahrzehnten nicht mehr davon gesprochen werden. Dabei gäbe es durchaus auch im Rahmen der EU einen Spielraum dafür. Ist die „Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik“ bis dato doch nur fragmentarisch wie zuletzt das trotz „Hoher Repräsentantin“ Lady Ashton keineswegs koordinierte Agieren der EU zu den Entwicklungen in Ägypten gezeigt hat.

Die Interessen der Rüstungskonzerne

Hinter der Orientierung auf ein Berufsheer stehen natürlich auch wirtschaftliche, sprich Profitinteressen. Österreich gibt seit Jahrzehnten vergleichsweise wenig für Rüstung aus. Wie das schwedische Rüstungsforschungsinstitut SIPRI feststellte, ist das mit ein Grund für den wirtschaftlichen Aufschwung Österreichs in den letzten Jahrzehnten auch der geringe Rüstungsaufwand.

Für Rüstungskonzerne ist das hingegen natürlich im höchsten Maße störend, daher sieht man in einer „Anpassung“ der Rüstungskosten auf EU- bzw. NATO-Standard einen Hoffnungsmarkt. Schließlich hatte man nicht einmal im Fall des faktisch bankrotten Griechenland Skrupel die Milliardenhilfen mit der Auflage von Rüstungskäufen in Deutschland und Frankreich zu verbinden.

Erfahrung von 1934 verdrängt

Die Weichenstellung auf ein Berufsheer hat auch einen innenpolitischen Aspekt, nämlich den Einsatz gegen die eigene Bevölkerung. Das wurde nicht nur beim jüngsten Streik spanischer Fluglotsen deutlich, sondern ist auch im Lissabon-Vertrag verankert. Vergessen sind dabei von der SPÖ auch die historischen negativen Erfahrungen mit einem Berufsheer, das 1934 den letzten Versuch der ArbeiterInnenbewegung die Demokratie zu retten blutig niederschlug, aber 1938 beim Einmarsch der deutschen Wehrmacht keinen Schuss abgab.

Bagatellisiert und systematisch herunter gerechnet werden von der SPÖ die Kosten für ein Berufsheer. Man kann aber getrost davon ausgehen, dass anstelle der etwa zwei Milliarden Euro für das Bundesheer künftig vier Milliarden anfallen. Fakt ist und bleibt allerdings, dass Rüstungskosten letztlich immer tote Kosten und eine Verschwendung von Mitteln sind, die bei Bildung, Gesundheit, Sozialem usw. fehlen. Demnach die Debatte über die Wehrpflicht vor allem in Relation zu sozialen Aspekten zu sehen ist.

Das ungeschickte Agieren von BM Darabos gegen seine eigene ursprüngliche Überzeugung mit der Absetzung des der SPÖ angehörenden Generalstabschefs könnte den Minister zum Bauernopfer machen. Anders als im Herbst 2010 gibt es aktuell laut Umfragen keine Mehrheit für die Abschaffung der Wehrpflicht. Nicht zufällig hat der oö SPÖ-Chef Ackerl sich gegen eine zu frühe Volksbefragung ausgesprochen und gemeint, vorher müsste noch gründlich Überzeugungsarbeit geleistet werden.

Warum überhaupt noch ein Bundesheer?

In der Frontstellung Wehrpflicht (ÖVP, FPÖ) kontra Berufsheer (SPÖ, Grüne, BZÖ) wird zudem systematisch ausgeblendet, dass es eine dritte Variante gibt, nämlich die Auflösung des Bundesheeres als Ausdruck eines konsequenten Antimilitarismus. Hatte schon Wilhelm Liebknecht gefordert „Dem Militarismus keinen Mann und keinen Groschen“, so stellt sich auch für Österreich die Frage, ob Neutralität nicht auch unbewaffnet, nämlich aktiv politisch wahrgenommen werden könnte.

Wenn daher Vertreter von sich als friedensbewegt definierenden Gruppen die Forderung nach Abschaffung als Ablenkung bezeichnen ist das daher ziemlich seltsam und erinnert eher an die Haltung des Milizverbandes. Auch ist die Formel „Berufsheer = Krieg“, was im Umkehrschluss dann wohl lauten soll „Wehrpflicht = Frieden“, doch etwas gar simpel, wurden doch in allzu vielen Kriegen nur zu gerne Wehrpflichtige geopfert.

Der Gärtner als Lohnschreiber

Im „Standard“ betätigt sich der „Sicherheitsexperte“ Heinz Gärtner als Lohnschreiber für die SPÖ und versucht mit allen Tricks glaubhaft zu machen, dass die Entwicklung des Bundesheeres zu einem Berufsheer mit der Neutralität vereinbar wäre. Bezeichnend dabei ist, dass ihm das Wörtchen „Berufsheer“ offenbar ein Gräuel ist und er ständig nur von einer „Freiwilligenarmee“ faselt.

Recht hat Gärtner zweifellos, wenn er meint, dass die Sicherheitsstrategie die Basis für die Entscheidung über das Wehrsystem, also ob Wehrpflicht, Berufsheer oder – wie abscheulich – eine nichtmilitärische Option der Neutralität durch Abschaffung des Bundesheeres ist. Zumal es, wie Gärtner einräumt, „keine große konventionelle Bedrohung für Österreich“ gibt. Natürlich ist der Zusammenhang zwischen Berufsheer und Beteiligung an einer Euro-Armee oder einem NATO-Beitritt keineswegs zwingend. Aber die Politik der Regierung zielt dessen ungeachtet voll und ganz auf solche Entwicklungen.

Und das unterscheidet eben die Parlamentsparteien von den VerteidigerInnen der Neutralität, dass sie nämlich schon die bis jetzt vollzogenen Maßnahmen wie „Partnerschaft“, Teilnahme an Battle Groups und EU-Rüstungsagentur, Verfassungsartikel 23f zur Teilnahme an „friedensschaffenden Missionen“ usw. als Verletzung der Neutralität verstehen und sich nicht den allzu freizügigen Interpretationen von Neutralität von Regierung und Parlament unterordnen. Dazu braucht man schließlich kein Experte zu sein sondern lediglich einen gesunden Menschenverstand besitzen.

Karas spricht Klartext

Was wirklich Sache ist erklärt der ÖVP-Europaabgeordnete Othmar Karas – nicht nur Gärtner und der SPÖ, sondern auch seiner eigenen Partei: „Die Neutralität geht in der EU auf“, so bringt er die Sache auf den Punkt und meint, dass die Neutralität „definitiv nicht für das 21. Jahrhundert geeignet“ sei. Warum eigentlich nicht, will oder kann er freilich nicht erklären.

Aber er stellt klar, dass bereits die in den 90er Jahren vollzogene Änderung des Artikels 23 der Bundesverfassung die Neutralität eingeschränkt hat und mahnt die heimische Politik „dass man nicht laufend die Leute anlügen soll“.

Denn auch die Auslegung des Artikel 42, Absatz 1 des Lissabon-Vertrages der EU für eine „gemeinsame Verteidigung“ ist mehr als eindeutig. Dort heißt es, „die nationale Sicherheit bleibt in der alleinigen Verantwortung jedes Mitgliedsstaates“. „Gemeinsame Verteidigung“ ist wohl etwas anderes, nämlich dass auf EU-Ebene militärisch aufgerüstet und Einsatztruppen für die weltweite Wahrnehmung von „Interessen“ aufgebaut werden.

Leo Furtlehner

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