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Die „goldene“ Kreisky-Ära: „Regiert wird rechts!“

  • Donnerstag, 20. Januar 2011 @ 09:03
Österreich Der 100. Geburtstag von Bruno Kreisky am 22. Jänner 2011 ist Anlass für eine ausufernde Nostalgie. Nicht nur in der Sozialdemokratie wird die Kreisky-Ära der 70er Jahre verklärt und nicht wenige sehnen sich danach zurück, angesichts der katastrophalen Performance von Faymann & Pröll nicht verwunderlich.

Verglichen mit den durch die massive Krise verschärfen Entwicklungen von heute und einer Politik, die ihre Kompetenz unter dem Stichwort „Sachzwänge“ längst beim Großkapital abgegeben hat, scheinen die Jahre der Kreisky-Kanzlerschaft von 1970 bis 1983 unschwer als „goldenes Zeitalter“.

Verdrängt wird dabei nicht nur, dass die wirtschaftliche Entwicklung von heute schwerlich mit jener von damals vergleichbar ist, sondern auch, dass die Politik Kreiskys und der Sozialdemokratie – die sich von „Kreisky und sein Team“ immer stärker zu „Kreisky, wer sonst?“ wandelte – keineswegs nur Positives zuwege brachte, sondern manche Weichenstellungen von damals die Politik nachhaltig bis heute bestimmen.

Die ÖVP versucht krampfhaft der Kreisky-Nostalgie entgegenzuhalten, dass eigentlich ihr von 1966 bis 1970 amtierender Kanzler Klaus schon wesentliche Weichenstellungen für die Reformära gestellt hat. In mancherlei Hinsicht mag das sogar stimmen. Denkt man etwa an die Ausgliederung der Verstaatlichten aus der direkten Verantwortung der Politik in die damalige ÖIG, die spätere ÖIAG.

Hingegen war es zweifellos ein wesentliches Plus der Kreisky-Ära einschneidende gesellschaftspolitische Weichenstellungen vollzogen zu haben, die dem SPÖ-Motto „Österreich muss europareif werden“ entsprachen. Ganz einfach auch deswegen, weil der Nachholbedarf zu groß und der Widerspruch zum Aufschwung durch die Wirtschaftswunderjahre der 50er und 60er Jahre einerseits und dem gesellschaftspolitischen Rückstau zu groß geworden war. Man kann Kreisky also durchaus attestieren – gestützt auf seine berühmten 1.400 Experten – als Modernisierer des Austro-Kapitalismus in die Geschichte eingegangen zu sein. Doch die Bilanz ist letztlich in vielerlei Hinsicht widersprüchlich.

Da stehen auf der einen Seite Reformen wie die Verkürzung des Wehrdienstes auf sechs Monate und eine Heeresreform, die Abschaffung der (unter schwarzblau wiedereingeführten und dann wieder aufgehobenen) Studiengebühren und Wissenschaftsministerin Firnbergs Universitätsreform, ein Aufschwung für den österreichischen Film durch eine gezielte Filmförderung, die Aufhebung der Strafbarkeit der Homosexualität, freie Schulfahrt und kostenlose Schulbücher, der Mutter-Kind-Pass plus Heirats- und Geburtenbeihilfen, die Umstellung von der Haushalts- auf die Individualbesteuerung, das Nachtschicht-Schwerarbeitsgesetz oder Justizminister Brodas Familien- und Strafrechtsreform und andere Maßnahmen.

Manches war und ist bis heute zwiespältig: So wurde die jahrzehntelang geforderte Aufhebung des § 144 durch die Fristenlösung realisiert, diese aber bis heute in einem Großteil der Spitäler durch eine konservative Ärzteschaft boykottiert. Halbherzig auch eine ausschließlich aus taktischen Gründen für die FPÖ maßgeschneiderte Wahlrechtsreform. Gegen regionalen Widerstand zog Kreisky die Fusion von Voest und Alpine zu einem global agierenden Industriekonzern durch, die Funktion der Verstaatlichten als billiger Zulieferer für die Privatwirtschaft dem man den Einstieg in zukunftsweisende Finalindustrien verwehrte veränderte sich freilich nicht.

Entgegen der Propaganda von Finanzminister Androsch – jahrelang „Kronprinz“, dann bei Kreisky wegen der Geschäfte seiner Steuerkanzlei Consultatio, auffallender Lebensweise und seiner Achse zum damaligen ÖGB-Präsidenten Benya in Ungnade gefallen – erwies sich die anstelle der Umsatzsteuer eingeführte Mehrwertsteuer für die KonsumentInnen doch als Mehrsteuer.

In der Außenpolitik setzte Kreisky – gestützt auf seine Erfahrung als vormaliger Außenminister von 1959 bis 1966 – wichtige Akzente im Sinne einer aktiven Neutralitätspolitik vor allem in Nahen Osten und konnte Wien als UNO-Standort verankern und war maßgeblich an der Wahl von Waldheim als UNO-Generalsekretär beteiligt. Freilich änderte das letztlich nichts daran, dass Österreich ein unverrückbarer Bestandteil westlicher Politik war und blieb.

Bekannt ist Kreiskys Ausspruch „Mir bereiten ein paar Milliarden Schilling Schulden weniger schlaflose Nächte, als ein paar hunderttausend Arbeitslose“. Gestützt auf Keynes verschrieb sich der Kanzler und sein Finanzminister in der wirtschaftlichen Flaute Mitte der 70er Jahre dem „deficit spending“. Allerdings inkonsequent, weil sie die so gesponserte Wirtschaft nicht zur Kasse bat als es wenige Jahre später mit der Produktion und den Profiten wieder steil aufwärts ging. Die Schonung von Milliardenprofiten und Millionenvermögen ist Kreisky wie Faymann gleichermaßen gemeinsam.

Vielmehr setzte man auf weiteres Schuldenmachen, was schlussendlich zur heute bekannten hohen Staatsverschuldung führte. Zur Relativierung ist anzumerken, dass in der Kreisky-Ära von 1970 bis 1983 Schulden von 30 Milliarden Euro gemacht wurden, unter den bis heute folgenden Regierungen weitere 220 Milliarden.

Auch Maßnahmen wie Frühpensionierungen mit 57 waren vor allem dem Umstand geschuldet, dass man in der Flaute keine Kündigungen wollte um nicht das Zauberwort der Vollbeschäftigung zu entzaubern. Bei der Finanzierung des Sozialstaates zeigten sich auch Differenzen zwischen Kreisky und Finanzminister Androsch: Erklärte der Kanzler dezidiert in dieser Frage immer auf der Seite des Sozialministers zu stehen, sah der damalige Vizekanzler und „Leider-Nein-Millionär“ die Ölkrise und den größten Konjunktureinbruch seit 50 Jahren 1975 schon als Anlass über eine andere Wirtschaftspolitik und die Rolle der Verstaatlichte nachzudenken. Sah er doch ganz nach dem bürgerlichen Klischee Kreisky als „Oberbetriebsrat“ der Voest, Voest-Chef Apfalter als Außenhandelsminister und Betriebsratschef Ruhaltinger als den eigentlichen Generaldirektor.

Ein Meisterstück in politischer Wendigkeit gelang Kreisky mit Zwentendorf: Das Atomkraftwerk war für die SPÖ ein Prestigeprojekt und daher war sich der Kanzler sicher, dass die Mehrheit bei der Volksabstimmung 1978 dafür plädieren würde. Eine große Gegnerschaft und der Opportunismus der ÖVP brachten allerdings eine knappe Nein-Mehrheit. Und Kreisky trat nicht wie erwartet zurück, sondern holte sich 1979 mit der Akzeptanz des Volkswillens den größten SPÖ-Wahlerfolg überhaupt. Die Versäumnisse in der Umweltpolitik wurden damit freilich nur unter den Teppich gekehrt, wie der Hainburg-Konflikt wenige Jahre später deutlich machte.

Eine Prestigeangelegenheit für Kreisky war auch die Frauenpolitik, etwa als er schlagartig vier Frauen als Staatssekretärinnen berief. Am Fakt, dass Frauen bis heute um ein Drittel weniger verdienen als Männer änderte das freilich nichts.

Bei aller Schönfärberei über die Kreisky-Ära darf nicht vergessen werden, dass mit seinem Namen maßgeblich die Öffnung der SPÖ nach rechts verbunden ist. Das begann mit der Bestellung mehrerer Minister mit NSDAP-Vergangenheit, mit dem Deal mit der FPÖ unter Führung des SS-Brigadisten Peter zur Sicherung der Regierungsmehrheit – der unter Kreisky-Nachfolger Sinowatz 1983 die erste Regierungsbeteiligung der FPÖ brachte – und dem unseligen Wiesenthal-Konflikt und dem damit verbundenen antisemitischen Reflex. Kapituliert hat Kreisky schließlich auch vor der deutschnationalen Meute in- und außerhalb der SPÖ in Kärnten, die der Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln mit einem „Ortstafelsturm“ begegnete und die Realisierung der Verpflichtungen aus dem Staatsvertrag von 1955 bis heute nachhaltig verhindert hat.

Gerühmt wird Kreisky für seine „Lösung“ der Habsburg-Frage (die jetzt durch Zulassung von Habsburgern zur Bundespräsidentenwahl endgültig abgeschlossen werden soll) und mit der Aussöhnung mit der Kirche, verbunden mit einer großzügigen Steigerung der Förderung für kirchliche Institutionen.

Und wenn auch in der Öffentlichkeit verdrängt ist es Kreiskys „Verdienst“ mit der „Eisenstädter Erklärung“ von 1969 eine strikte Abgrenzung von der KPÖ vollzogen zu haben. Das wurde ihm freilich durch die von der SPÖ nie gewollte kommunistische Wahlempfehlung von 1966, einer der folgenschwersten Fehlentscheidungen der KPÖ, erleichtert. Jedenfalls gelang es ihm damit, das der Sozialdemokratie immer wieder vorgehaltene Schreckgespenst der „Roten Katze“ endgültig aus dem Weg zu räumen.

Und so konnte der als Medienkanzler gerühmte Politiker mit Fug und Recht erklären: „So lange ich regiere, wird rechts regiert.“ Das sollte man bei aller Anerkennung seiner Verdienste nicht vergessen, auch wenn man ihm jedenfalls zugutehalten kann, dass er im Gegensatz zu seinem aalglatten Nachfolger Faymann zumindest noch Ecken und Kanten hatte.

Leo Furtlehner


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