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BürgerInneninitiative „Linz braucht keine Stadtwache“

  • Dienstag, 2. März 2010 @ 11:45
Demokratie Bei einem Mediengespräch der BürgerInneninitiative „Linz braucht keine Stadtwache“ am 2. März 2010 nahmen Monika Pesendorfer (Sozialpädagogin), Heinz Zauner (Verein ARGE für Obdachlose) und Rainer Zendron (Vizerektor der Kunstuniversität Linz) zur jetzt gestarteten BürgerInneninitiative Stellung.

Zur Unterstützung der BürgerInneninitiative „Linz braucht keine Stadtwache“ hat sich ein Personenkomitee gebildet, dem bisher folgende Personen angehören (Stand vom 2.3.2010):

Bader Friedrich - Buchinger Christian - Diesenreiter Thomas - Ennsfellner Günter - Etzlstorfer Stefan - Fend Franz - Fischer Heike - Frank Christopher - Friedl Edith Dr.Mag. - Fuchs Marion Mag. - Gaigg Vanessa - Grünn Gerlinde Mag. - Haderer Gerhard - Holzknecht Christian - Holzknecht-Holzhacker Doris - Honauer Gerhard MA - Kasper Hans-Peter - Lang Christian - Lüftner Manfred - Mayrhofer Eva Mag. - Oberansmayr Gerald Mag. - Öllinger Ferdinand - Pesendorfer Monika - Pühringer Markus Mag. - Renner Harald - Roth Elisa Mag. - Schacht Axel - Schmida Michael Mag. - Tohumcu Can - Tohumcu Yavuz - Trost Barbara Dr. - Trübswasser Gunther - Tuncel Rojda - Wahl Andreas - Weiß Jörg - Zach Barbara Mag. - Zauner Heinz Mag. - Zendron Rainer Mag. - Zogholy Andre Dr.

BürgerInneninitiative gegründet

Der Linzer Gemeinderat hat am 3. Dezember 2009 mehrheitlich die Errichtung einer Stadtwache beschlossen und den Sicherheits- und Ordnungsausschuss mit der Ausarbeitung der Grundlagen dafür beauftragt. Diese Stadtwache soll ab September 2010 zunächst mit 18, später mit 30 Aufsehern aufgestellt werden.

Die BürgerInneninitiative, welche sich aus Menschen aus den unterschiedlichsten Kontexten und Berufsgruppen zusammensetzt, spricht sich definitiv gegen eine Stadtwache in Linz aus, egal mit welchen Kompetenzen diese ausgestattet ist und egal welchen Namen sie tragen soll.

Die BürgerInneninitiative hat das Mittel der direkten Demokratie, nämlich die „BürgerInneninitiative gemäß § 69 Statut Linz 1992“ gewählt. Es ist jenes Mittel, das die Möglichkeit bietet, eine größtmögliche Öffentlichkeit herzustellen. Die BürgerInneninitiative wird in den nächsten Wochen die erforderlichen 800 Unterschriften, welche zur Einleitung einer amtlichen BürgerInneninitiative erforderlich sind sammeln. Der Bürgermeister ist dann verpflichtet, binnen drei Wochen diese amtlich zu veröffentlichen und für vier Wochen zur Unterzeichnung aufzulegen. Die Unterschriften müssen dann am Magistrat geleistet werden.

Mehr als 55 Prozent der LinzerInnen haben bei den letzten Gemeinderatswahlen letzten Herbst Parteien gewählt, die sich zu diesem Zeitpunkt gegen eine Stadtwache ausgesprochen haben.

Sicherheitsdiskurs ist Selbstläufer

Die geplante Stadtwache ist Resultat eines Sicherheits-Diskurses, der weder neu, noch in seinen Folgen unbekannt ist. Dieser Diskurs wird von jenen PolitikerInnen und InteressenvertreterInnen betrieben, welche die neoliberale Zurichtung der Städte im Sinn haben. Der öffentliche Raum, dessen Bedeutung einem stetigen Wandel unterlegen ist, verliert seine Funktion als Raum der Kommunikation, des Austausches und der Begegnung.

Vielmehr wird der öffentliche Raum zunehmend als riesige Shopping-Mall mit lückenloser Überwachung und Kontrolle verstanden. Hinzu kommt die Bedeutung als Arena des Spektakels und des damit verbundenen Tourismus. Die Zurichtung der Städte als Shopping-Malls ist stets begleitet von einem Sicherheits-Diskurs, der gegen jene gerichtet ist, die ein Hindernis für ein ungehemmtes Einkaufserlebnis sein könnten.

Gegen Jugendliche, die den öffentlichen Raum für ihre Freizeit nutzen, gegen Arme, die den öffentlichen Raum zum Überleben brauchen, gegen MigrantInnen, gegen kritische Initiativen die den öffentlichen Raum für ihre Arbeit brauchen. Der öffentliche Raum ist, wie viele andere Beispiele zeigen, einem Prozess der Privatisierung unterworfen. Es sollen ihn nur jene nutzen dürfen, die in ihm Geschäfte machen.

Der virulente Sicherheitsdiskurs ist ein Werkzeug zur Privatisierung des öffentlichen Raums. Dieser Sicherheitsdiskurs ist einerseits Legitimation all jener, die für die Sicherheit zuständig sind, zum anderen erzeugt er gerade jenes sinkende „subjektive Sicherheitsgefühl“ mit dem wiederum mehr Überwachung, Kontrolle und Repression argumentiert werden. Eine Stadtwache würde daher genau diesen Kreislauf von sinkendem subjektivem Sicherheitsempfinden und wachsender Kontrolle und Überwachung weiter beschleunigen. Ein Garant für ein friedliches Zusammenleben im öffentlichen Raum wäre sie keineswegs. Im Gegenteil.

Exkurs 1: Das Beispiel Graz. Bericht des Sozialpädagogen Joachim Hainzl

„Öffentlicher Raum und jene, die sich darin bewegen, werde immer mehr als potentieller Gefahrenherd angesehen. In Graz kann man beobachten, dass das was heute steiermärkisches Landessicherheitsgesetz ist, beispielsweise, dass nun Verstöße gegen die „Schicklichkeit“ verfolgt und geahndet werden, ist die Erfüllung von FPÖ Forderungen aus den neunziger Jahren. Man kann beobachten, dass die (ehm.) größeren Parteien nun auf die Linie der FPÖ eingeschwenkt sind und diese Positionen nun „Mainstream“ sind.

Die Ordnungswache in Graz ist hauptsächlich als Werbegag eingeführt worden. Sie richtete sich in erster Linie (und so wurde sie auch verkauft) nicht einmal so sehr gegen BettlerInnen, sondern die Hauptzielgruppe waren „bunte“ Menschen am Hauptplatz, die dort Alkohol konsumiert haben. Die Ordnungswache war dabei insofern erfolgreich, weil sie diese Menschen vom Hauptplatz verdrängt hat. Damit hat sie aber das „Problem“ lediglich verlagert. Das „Problem“ wird nur unter dem Teppich gekehrt. Es wird aus dem unmittelbar sichtbaren Bereich der BürgerInnen und TouristInnen herausgebracht.

Zudem sind solche Maßnahmen höchst fragwürdig und verfassungswidrig: Nur das alleinige Halten einer Bierflasche im öffentlichen Raum wird als Anstands- bzw. Schicklichkeitsverletzung angesehen. Weder der Besitz, noch der Konsum von Alkohol muss vorliegen, um mit einem Vorgehen der Ordnungswache konfrontiert zu werden. Das Vorgehen reicht von Ermahnung, Aufnahme der Personalien bis hin zur Bestrafung. Gleichzeitig darf einige Meter weiter, beim Würstelstand oder im Gastgarten ohne Einschränkung Alkohol konsumiert werden. Damit ist klar, es geht hier nicht um Recht, sondern darum, bestimmte unerwünschte Personengruppen aus dem öffentlichen Raum zu vertreiben. Die Ordnungswache ist ein politisches Machtinstrument der Vertreibung, es geht nicht um Sicherheit.“

Stadtwache kostet viel – und schafft Konflikte

Angesichts der Angespannten finanziellen Situation aller Kommunen – Linz ist da keine Ausnahme – wäre es fatal, Geld ausgerechnet in eine Stadtwache zu pumpen. Es ist von rund zwei Millionen Euro die Rede, die Erfahrung mit Projekten dieser Art zeigt jedoch, dass die Kosten weit über budgetierte Höhe hinauswachsen. Diese Mittel fehlen anderenorts, wie beispielsweise in der Gemeinwesenarbeit, in der Stadtteilarbeit. Diese könnten mögliche Konflikte zwischen unterschiedlichen Stadtnutzern wesentlich effizienter lösen als eine Stadtwache.

Stadtwachen schaffen keineswegs „Ruhe und Ordnung“ wie dies von ihren Befürwortern behauptet wird. Im Gegenteil, durch ihre Uniformierung und durch provokantes Auftreten, provozieren sie eher heikle Situationen. Ihre Präsenz bedeutet letztlich eine Militarisierung des öffentlichen Raumes. Es lebt niemand gerne in einer Stadt, in welcher Uniformierte, wie immer sie auch aussehen, das Stadtbild beherrschen.

Exkurs 2: MigrantInnen und (Un)Sicherheit

MigrantInnen, insbesondere AsylwerberInnen, werden in Österreich als Sicherheitsrisiko behandelt; Asylwerber – Kriminalität ist beinahe zu einem Synonym geworden. Das wider besseres Wissen. KriminalsoziologInnen werden nicht müde, jedes Jahr wieder die Verzerrungen in der Kriminalstatistik aufzuzeigen und richtig zu stellen, dass unter Berücksichtigung diverser statistischer Fehler der Anteil von MigrantInnen an den StraftäterInnen sogar unter demjenigen der ÖsterreicherInnen liegt.

MigrantInnen werden weiterhin missbraucht um ein Sicherheitsproblem zu konstruieren mit dem dann rassistische Politik „bekämpft“ werden kann. Wiederum auf Kosten der MigrantInnen, versteht sich. So auch von der FPÖ Linz, die als „Kernprobleme in Linz (…) Überfremdung, Sicherheit, Verschwendung“ diagnostiziert und zu deren Bekämpfung unter anderem die Errichtung einer Stadtwache fordert.

MigrantInnen leben in Unsicherheit

Es gibt durchaus einen Zusammenhang zwischen MigrantInnen und dem Thema Sicherheit, aber der stellt sich genau andersherum dar: Die österreichischen Verhältnisse sind eine Bedrohung für viele MigrantInnen, insbesondere für AsylwerberInnen. Das hat eine vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) in Auftrag gegebene und im Dezember 2009 präsentierte Studie wieder belegt:

„Viele der befragten MigrantInnen leiden erheblich unter Unsicherheit bezüglich ihres Aufenthaltstitels. Als psychisch überaus belastend erweist sich (…) die jahrelange quälende Wartezeit und die erzwungene Untätigkeit, mit der AsylwerberInnen oft konfrontiert sind. Angesichts eines jederzeit widerrufbaren Aufenthaltsrechts wird jegliche Berufs- oder Familienplanung unmöglich. Dieses „Leben auf Zeit“ lässt kein Sicherheitsgefühl zu. Erschwerend wirkt sich auch der mit manchen Aufenthaltstiteln einhergehende fehlende bzw. limitierte Arbeitsmarktzugang aus, der zum Teil alarmierende Armut verursacht. (…)

Besonders bedeutende Faktoren, die das Erleben von Angst und Bedrohung erhöhen, sind Erfahrungen mit Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in den unterschiedlichen Lebensbereichen. Praktisch alle Befragten waren bereits Opfer von Beleidigungen und Beschimpfungen, häufig im öffentlichen Raum oder in der Wohnumgebung. Verbale Verletzungen der Würde stellen somit einen ständig präsenten Belastungsfaktor für MigrantInnen dar. (…) Die Angst vor Fremdenfeindlichkeit führt weiters dazu, dass sich Menschen mit Migrationshintergrund nicht mit gleicher Selbstverständlichkeit an die Polizei oder Behörden wenden wie Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft.“

Unsicherheit im öffentlichen Raum

Gerade der alltägliche Rassismus im öffentlichen Raum stellt also einen besonderen Bedrohungsfaktor für MigrantInnen dar. Für dessen Bekämpfung wird die Stadtwache aber wohl nicht zuständig sein. Wie auch, wenn die Initiatorin der Stadtwache, die FPÖ Linz, MigrantInnen als eine Hauptbedrohung der „Sicherheit“ identifiziert. Wie auch internationale Erfahrungen zeigen, besteht im Gegenteil die Gefahr, dass durch solche Dienste regelrechte No-Go-Areas für unerwünschte Bevölkerungsgruppe entstehen: Donaulände, Schillerpark, Volksgarten: MigrantInnenfreie Zonen?

Die Politik der Unsicherheit

Mit der Durchführung der Vorbereitungsarbeiten für die Stadtwache ist der FPÖ-Stadtrat Wimmer beauftragt worden. Wimmer, dessen politische Aussagen hart an der Grenze zum Neonazismus vorbeischrammen, dessen politische Biographie inhaltliche wie personelle Überschneidungen mit dem organisierten Neonazismus aufweisen. Er führt eine Fraktion im Linzer Gemeinderat an, deren Mitglieder Verbindungen zum österreichischen und deutschen Neonazismus nachgewiesen worden sind.

Wimmer selbst ist vom Bundesheer wegen seiner rechtsextremen Kontakte die Offizierskarriere verweigert worden. Ihm wurden auch wurden enge Kontakte zum völkischen, rechtsextremen Bund freier Jugend (BFJ) nachgewiesen. Sein Fraktionskollege Übelacker war Aktivist der rechtsextremen deutschen „Republikaner“ und des ebenso rechtsextremen Witiko-Bundes, ihm ist sogar ein Eintrag im Handbuch des deutschen Rechtsextremismus gewidmet. Fraktionsmitglied Ortner war führendes Mitglied der verbotenen „Volkstreuen außerparlamentarische Opposition“, welche, nach mehreren verübten Terroranschlägen, unter anderem gegen MigrantInnen in Traunkirchen, von der Polizei zerschlagen wurde.

Wenn Wimmer in der eigenen Fraktion eine Personalpolitik, die Rechtsextremen aus unterschiedlichsten Zusammenhängen Tür und Tor geöffnet hat, betreibt, so kann man hinsichtlich der Personalpolitik bei der geplanten Stadtwache nur das Schlimmste befürchten.

Infos zur BürgerInneninitiative: Web http://www.stadtwachelinz.at/, Mail keine@stadtwachelinz.at. Die Unterschriftenliste gibt es als PDF zum Download unter http://www.stadtwachelinz.at/wp-content/uploads/B%C3%BCrgerinitiative_Liste.pdf

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