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Hoch, aufrecht, schön

  • Samstag, 9. Januar 2010 @ 20:27
Kultur Die Schriftstellerin Eugenie Kain ist viel zu früh verstorben. Von Franz Fend

Die Stimme von Eugenie Kain ist verstummt. Sie war noch nicht Fünfzig, als sie die heimtückische Krankheit, gegen die sie so lange angekämpft hat, hingerafft hat. Wir sind fassungslos, eine große Lücke bleibt.

Wollte man mit Walter Benjamin reden, wonach die Philosophie den Blick auf die Trümmer der Geschichte zu lenken hätte, auf all jenes, was verraten, unterdrückt uns vergessen wurde, so wäre Eugenie Kain eine Philosophin. Nicht, weil Eugenie Kain in den letzten Jahren Philosophie studierte, sonder weil sie in ihrer Literatur ihren, und somit auch unseren Blick genau auf die Verratenen, die Unterdrückten und die Vergessenen lenkte.

Dabei galt nicht ihr Interesse nicht den Haupt- und Staatsaktionen, nicht jenen, die sich in den Geschichtsbüchern nach vorne drängen, sondern den Behinderten, den Verletzten, den Leisen und den Verrückten, wobei verrückt nach Eugenie Kains Lesart nicht jene sind, die gemeinhin so stigmatisiert werden, sondern jene, die, durch welche Mächte auch immer, verrückt worden sind wie auch Behinderte immer vor allem behindert werden. Jenen, die keine Stimmen hatten, jenen, deren Stimme mangels Zuhörerschaft nicht gehört worden sind.

Sie lieh ihre Stimme den Benachteiligten. Sie tat es nicht mit der wohlwollenden, gönnerhaften Geste der Schriftstellerin, die in einer anderen Welt lebt, sie tat es mit Emphase, weil sie das Leben ihrer Figuren nur allzu genau kannte. „Sie bot sich an. Halbherzig. Das, was sie zu bieten hatte, war nicht gefragt. Was gefragt war, konnte sie sich nicht bieten lassen.“, heißt es in der Erzählung „Feuerbrand“.

Wir sehen, ihre Figuren sind immer noch handelnde Subjekte und geben sich nicht einem Schicksal hin, wenn auch der Handlungsspielraum eingeschränkt, oft auf ein Minimum beschränkt ist, und, wenn ihre Taten nicht den Vorstellungen der gesellschaftlichen Mehrheit entsprechen. Wie etwa Desirees, jener Figur, die im Zentrum des Romans „Atemnot“ steht. Eugenie Kain zeichnet die Autorin den letzten Weg Desirees. Von der unerträglichen Rackerei als Küchengehilfin in einem Wirtshaus, wo ihr weitreichender Entschluss reifte bis zu den Wohntürmen am Harterplateau, wo sie ihr junges Leben beendete. „Einmal fliegen, dachte Desiree, einmal im Leben frei sein. Dann stieß sie sich ab und sprang auf das Höllengebirge zu.“

Eugenie Kain entriss deren Geschichten dem Vergessen, „eine Geschichte, von der morgen keiner mehr weiß. Wenn wir sie nicht festhalten.“ beschrieb sie ihr literarisches Credo. Denn in ihren Texten erfahren wir stets nicht nur die Geschichten die es wert waren aufgeschrieben zu werden, wir erfahren immer auch über die Bedingungen unter welchen das Schreiben der Eugenie Kain stattgefunden hat.

„Wir sind auf dem Weg. Der Wind treibt den Staub über den Boden. Steine rollen durch den Sturm. Beim Schreiben werde ich mir fremd. Strich für Strich schwärzt sich das Blatt.“, heißt es in Eugenie Kains Roman „Atemnot“. Wie auch in anderen Texten, stellt sie sich als Autorin selbst in Frage, stellt die Erinnerung in Frage, das eigene Gedächtnis. Dieses konsequente Infrage stellen, das Zweifeln, Frigga Haug hätte es kollektive Erinnerungsarbeit genannt, verweist auf eine Essenz des Schaffens von Eugenie Kain. Es ist Literatur, nicht Sozialarbeit, nicht Pädagogik, nicht Politik, es ist hohe Literatur. Denn alle anderen Mittel, außer den Literarischen wären wohl unzureichend gewesen für das, was Eugenie Kain getan hat.

Die Schriftstellerin überstrahlt alle anderen Facetten des Lebens der Eugenie Kain. Sie verfüge in der Zwischenzeit über mehrere unterschiedliche Biografien, sagte sie kürzlich in einem Fernsehinterview. Doch sind ihre politische Arbeit in der kommunistischen Publizistik, ihre Kulturarbeit in der freien Szene und in verschiedenen literarischen Institutionen, ihre Beiträge in freien Medien wie Radio FRO oder der Linzer Stadtzeitung „Hillinger“ ihre Arbeit als Trainerin in einer Sozialeinrichtung, waren jedoch stets komplementär zu ihrer literarischen Arbeit.

Hier fand sie den Stoff, hier fand sie die Geschichten und hier fand sie auch den Ansatz, die Welt, die sie durchaus veränderungsbedürftig aber auch veränderbar sah, ein klein wenig zu verbessern. Wer mit Eugenie Kain in einem dieser Felder arbeiten durfte (der Verfasser hatte das Glück und die Ehre in mehreren Projekten mit Eugenie Kain zusammenzuarbeiten) der konnte Vielfältiges und Unbezahlbares von ihr lernen. Sie zählte nicht zu den Lauten und Schrillen, egal wo sie sich aufhielt und was sie tat.

Aber sie lehrte uns genau zuzuhören, sie zeigte uns, Widersprüche aufzuspüren und zu benennen und sie führte und vor, dass nicht das Wegsehen sondern das genaue Hinschauen auf die Ungeheuerlichkeiten die unsere Gesellschaft zu bieten hat, die bessere Alternative ist. Und sie lehrte uns zu unterscheiden zwischen der gekünstelten Aufregung über diverse Skandale und der tiefen Empörung über die Zumutungen, die das Leben uns zu bieten hat. Eine dieser Zumutungen ist das frühe Scheiden von Eugenie Kain. Sie wird uns in Erinnerung bleiben, wie ihre Literatur bleiben wird: Hoch, aufrecht, schön.

Unser Mitgefühl gilt Margit, Katharina und Franz Kain.

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