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Das Spiel mit dem Feuer

  • Donnerstag, 28. Mai 2009 @ 12:54
Antifa Auf ihren Wahlplakaten zur EU-Wahl verkündet die FPÖ ihr Veto gegen einen EU-Beitritt der Türkei und Israels. Damit wird die schon lange gepredigte Urangst vor dem Islam (= Türkei) durch die noch viel länger latente Urangst vor den Juden (= Israel) gesteigert. Dass es sich nur ein Mittel zum Zweck der Stimmenmaximierung handelt, wird etwa daran deutlich, dass die FPÖ gleichzeitig einem EU-Beitritt Russlands durchaus positiv gegenüber steht, die verbindende Klammer dürfte dabei wohl das Motto „Abendland in Christenhand“ sein.

Egal ob nun ein Beitritt Israels zur Debatte steht oder nicht, es geht einzig und allein darum, die gerade in Österreich historisch ohnehin massiv vorhandenen antisemitischen Instinkte zu bedienen. Bekanntlich ergänzt die FPÖ das je nach Bedarf auch durch eindeutig antisemitisch konnotierten Losungen gegen „Raffgier und Kapital“ wie bei der Landtagswahl 2009 in Salzburg oder die Metapher von der „US-Ostküste“ als Ursache für die Finanzkrise.

Der dritte Nationalratspräsident Martin Graf setzte dieser widerlichen Kampagne noch eins drauf, indem er Ariel Muzicant, den als scharfen Kritiker rechtsextremer Tendenzen bekannten Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, als „Ziehvater des Linksterrorismus“ bezeichnete. Grafs Ausritt ist nicht der erste seiner Art. Er gehört der laut DÖW rechtsextremen Burschenschaft Olympia an, einige seiner Mitarbeiter bestellten Artikel vom rechtsextremen Aufruf-Versand und er lädt rechtsextreme Referenten zu Veranstaltungen ins Parlament. Gewählt wurde er mit den Stimmen der ÖVP und auch einiger SPÖ-Abgeordneter. Die jetzt geäußerte Empörung der beiden Regierungsparteien ist also völlig fehl am Platz, jene Abgeordneten die ihn trotz aller Warnungen gewählt haben gehören eigentlich entmündigt.

Das unverhohlene Spiel der Strache-FPÖ mit dem Antisemitismus findet freilich auf einem reichlich gedüngten historischen Boden statt. Es sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass Adolf Hitler seinen Antisemitismus, der in gerade Linie von „Mein Kampf“ bis zur organisierten Judenvernichtung durch das NS-Regime führte, wesentlich aus seinen Wiener Erfahrungen und den traditionellen Antisemitismus von Lueger & Co. bezog. Erinnert sei auch daran, dass gerade in Wien die größten antisemitischen Exzesse nach dem „Anschluss“ im März 1938 und auch bei der Pogromnacht im November 1938 stattfanden.

Das Jahr 1945 war aber keineswegs eine Wende, so gab es seitens der Großparteien keine ernsthaften Bestrebungen die zahlreichen jüdische EmigrantInnen zur Rückkehr nach Österreich zu gewinnen. Der als strammer Antikommunist und für die Säuberung der Polizei von KPÖ-Mitgliedern und anderen Linken bekannte Innenminister Oskar Helmer brachte das auf den Punkt, etwa als er zu jüdischen Entschädigungsforderungen meinte: „Ich wäre dafür, dass man die Sache in die Länge zieht“ und regelrechtes Bedauern mit ehemaligen Nazis äußerte: „Ich sehe überall nur jüdische Ausbreitung wie bei der Ärzteschaft, beim Handel vor allem in Wien. Auch den Nazis ist im Jahre 1945 alles weggenommen worden, und wir sehen jetzt Verhältnisse, dass sogar der nationalsozialistische Akademiker auf dem Oberbau arbeiten muss.“ (Protokoll Ministerratssitzung 9. November 1948).

Rund um die Affäre Borodajkewycz registrierten 1965 jüdische Studierende ein „noch nie dagewesenes Ansteigen des Antisemitismus“. Bei einer antifaschistischen Demonstration gegen den rechtsextremen Hochschulprofessor Borodajkewycz wurde 1965 der Kommunist Ernst Kirchweger von einem Neonazi erschlagen, sein Begräbnis war mit 25.000 TeilnehmerInnen eine eindrucksvolle antifaschistische Manifestation. Trotzdem plakatierte die ÖVP im Wahlkampf 1970 ihren Kanzler Josef Klaus als „echten Österreicher“, eine eindeutig antisemitische Anspielung auf den SPÖ-Spitzenkandidaten Bruno Kreisky.

Freilich spielte Kreisky, obwohl selbst ein „jüdischer Agnostiker“, ebenso auf diesem Klavier. Nicht nur dass er sich nach dem Wahlsieg der SPÖ 1970 der Unterstützung der von in SS-Kriegsverbrechen verwickelten Friedrich Peter geführten FPÖ für seine Minderheitsregierung versicherte, sondern auch durch die Aufnahme von gleich vier SPÖ-Ministern mit NS-Vergangenheit in sein erstes Kabinett. Und auch durch die Kampagne gegen Simon Wiesenthal, den Leiter des jüdischen Dokumentationszentrums im Jahre 1975, wobei der damalige SPÖ-Klubobmann und heutige Bundespräsident Heinz Fischer mit der Forderung nach einem Untersuchungsausschuss federführend war. Wiesenthal wurde vorgeworfen durch seine Ermittlungen über Friedrich Peter und die Verwicklung von Österreichern in NS-Verbrechen den Ruf Österreichs zu schädigen und mit „Methoden der Mafia“ zu arbeiten und verstieg sich sogar zur Aussage „Der Mann muss verschwinden“ und die Juden seien „ein mieses Volk“ (Spiegel 1975).

Auch die Koalition der SPÖ mit der – im Vergleich zur heutigen vergleichsweise „liberalen“ – FPÖ von 1983 bis 1986 spülte wieder braunen Ungeist nach oben. So beriefen sich zahlreiche bekannte Neonazis auf ihre persönlichen Beziehungen zum FPÖ-Innenminister Harald Ofner und 1984 erregte der – später zum LIF konvertierte – Verteidigungsminister Friedhelm Frischenschlager mit seinem Handschlag für den freigelassenen NS-Kriegsverbrecher Walter Reder – der als SS-Sturmbannführer in Marzabotto (Italien) für die Ermordung von 1.830 ZivilistInnen verantwortlich war – Aufsehen. Aufnahme fand Reder schließlich beim ÖVP-Abgeordneten Wilhelm Gorton. Schon 1955 hatte SPÖ-Innenminister Helmer dafür gesorgt, dass Reder wieder die 1934 abgelegte österreichische Staatsbürgerschaft erhalten hatte. Anfang der 60er Jahre hatte die damalige rotschwarze Regierung Reder zum Kriegsgefangenen im Sinne der Genfer Konvention erklärt.

Mit einem Anstieg antisemitischer Tendenzen verbunden waren auch die von der Regierung zugelassene Kandidatur des Neofaschisten Norbert Burger bei der Bundespräsidentenwahl 1980, der 140.000 Stimmen erhielt, 1988 wurde seine Nationaldemokratische Partei (NDP) wegen NS-Wiederbetätigung verboten. Auch die Konflikte um die geleugnete Kriegsvergangenheit am Balkan des ÖVP-Bundespräsidentschaftskandidaten Kurt Waldheim 1986 brachten vor allem durch die Kritik aus den USA massive antisemitische Stimmungen in Österreich zum Vorschein, die etwa durch ein Wahlplakat der ÖVP mit dem Slogan „jetzt erst recht“ angeheizt wurden. 1987 titelte der „Spiegel“ dazu: „Österreichs Juden haben wieder Angst.“

Es war sicher kein Zufall, dass nach dem Wahlsieg Waldheims und der Absetzung Norbert Stegers als FPÖ-Chef und Inthronisation Jörg Haiders der mit einer gewaltigen Zunahme der Fremdenfeindlichkeit verbundene Aufstieg der FPÖ zur zweitstärksten Partei 1999 und anschließendem Regierungseintritt begann. Die schwarzblaue Regierung war nach den Feststellungen der Jüdischen Gemeinde in Österreich mit einem Anstieg antisemitischer Übergriffe verbunden.

Gerade weil die Zahl jüdischer MitbürgerInnen in Österreich im Gefolge des Holocaust und der Politik nach 1945 klein ist sind ihre Warnungen umso ernster zu nehmen, sind sie doch ein Indikator für die politische Entwicklung in diesem Land. Der historische Rückblick zeigt, dass die Versuchung mit antisemitischen Gefühlen in der Bevölkerung Politik zu machen für manche allzu groß ist. Das gilt nicht nur für so offensichtliche Attacken wie sie jetzt die FPÖ reitet, das Spiel mit dem antisemitischen Feuer ist offensichtlich verlockend.

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