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Bericht von Vizerektor Rainer Zendron

  • Samstag, 2. Mai 2009 @ 12:51
Demokratie Liebe KollegInnen, liebe Studierende, liebe FreundInnen,
viele von euch werden im Laufe des Wochenendes über Bekannte, die Presse oder das Fernsehen mitbekommen haben, dass ich im Zuge der Maidemonstrationen in Linz von der Polizei inhaftiert wurde und mich ein Prozess wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt erwartet.

Deshalb eine kurze Darstellung aus meiner Sicht: ich beobachte jetzt seit etwa 45 Jahren die Maidemonstrationen in Linz, weil ich den Forderungen der ArbeiterInnenbewegung um Erweiterung demokratischer wie ökonomischer Rechte und für internationale Solidarität großes Interesse und Sympathie entgegen bringe. Persönlich habe ich nie an einem Maiaufmarsch der SPÖ oder KPÖ teilgenommen, da ich mich - zu meinem Bedauern - mit keinem deren Programme vollinhaltlich identifizieren konnte.

Ich beobachtete auch heuer mit einer Gruppe von FreundInnen die Maidemonstrationen am Hauptplatz. nachdem um 11:30 der KPÖ-Zug den Hauptplatz noch immer nicht erreicht hatte und wir geplant hatten, den Nachmittag in der Solarcity beim 09 Projekt zu verbringen ging ich die Landstraße entlang, um zu schauen, wo deren Demonstrationszug geblieben sei.

Als ich an der Goethekreuzung angekommen war, fuhr mir ein Schreck durch die Glieder, da ich auf der Blumau ein riesiges Polizeiaufgebot sah; ich befürchtete, dass Neofaschisten, die kleine Gruppe der KPÖ? DemonstrantInnen überfallen hätten. (im Internet wie ihr vielleicht wisst - hatten die Rechtsradikalen aufgerufen, anlässlich des Kulturhauptstadtjahres einen gesamtdeutschen Aufmarsch in Linz durchzuführen).

Als ich jedoch bei der Blumau eintraf, musste ich erkennen, dass die Polizei den Abmarsch der Demonstration verhinderte. etwa 30 friedlich sitzende Jugendliche wurden von etwa 50 stehenden Polizisten umringt, die älteren DemonstrationsteilnehmerInnen standen empört und aufgeregt herum. um mich über die Lage zu informieren, fragte ich einen Polizisten, warum die Demonstration nicht stattfinden würde. Er antwortete mir, weil die DemonstrantInnen vermummt seien. Da ich jedoch keineN einzigeN vermummteN DemonstrantIn wahrnehmen konnte, fragte ich nach.

Darauf bekam ich keine weiter Antwort, da ja tatsächlich keine zu sehen waren. Daraufhin fragte ich Eine, der nicht-eingekesselten DemonstrantInnen. sie sagte mir, dass die Polizei von allen jugendlicheren DemonstrantInnen verlangen würde, dass diese, um am Maiumzug teilnehmen zu dürfen, sich zuerst fotografieren lassen und ihren Personaldaten abgeben müssten. Dies widerspricht meiner Auffassung nach gröblichst sowohl den Menschenrechten als auch der österreichischen Verfassung. während ich noch versuchte mir einen Überblick über die Lage zu verschaffen, sah ich, dass die größere Gruppe von PolizistInnen mit massiver Staatsgewalt begann ein Mädchen aus der Reihe der sitzenden, eingekesselten Jugendlichen herauszuzerren.

Ich lief ein paar Schritte hin, um zwischen DemonstrantInnen und Polizei zu vermitteln und unnötige Polizeigewalt zu verhindern. Doch bevor ich dort angekommen war, wurde ich von PolizistInnen zu Boden gestoßen und von weiteren, herbeistürmenden PolizistInnen umringt. Ich war geschockt und rollte mich am Boden liegend zusammen, um Kopf und Körper möglichst vor Schlägen mit den Polizeiknüppeln zu schützen. Die PolizistInnen legten mir am Rücken Handschellen an und trugen mich zum Arrestwagen. Ich wurde ins Polizeihauptquartier gebracht.

Bis zu meiner Freilassung - um etwa 20:00 Uhr - saß ich in einer Einzelzelle. mir wurden Fingerabdrücke, Abdrücke der Handballen und DNA-Proben abgefordert, außerdem wurden Drogentests durchgeführt und Polizeifotos angefertigt. Ich kann keine Gesamteinschätzung der Vorgänge abgeben, da ich etwa 5 Minuten, nachdem ich auf der Blumau eingetroffen war, bereits verhaftet wurde. Außer mir wurden vermutlich 6 weiter Personen festgenommen.

Ich hatte vor meiner Verhaftung keinen Polizisten beschimpft. Kein Polizist hatte mich vor meiner Verhaftung zu irgendetwas aufgefordert oder an mich auch nur ein Wort gerichtet. Ich hatte keinen Polizisten angegriffen. Durch die große Aufregung hatte ich auch keinerlei Schläge seitens der Polizei wahrgenommen. Erst nachdem ich am nächsten tag auf Videos meine Verhaftung gesehen hatte, dass ich offensichtlich mit Gummiknüppeln geschlagen worden war, betrachtete ich meinen Körper im Spiegel und konnte einige blaue flecken sehen.

Ich bin über den Polizeieinsatz gegen den traditionellen, vorerst friedlichen Maiaufmarsch sehr empört. Zugleich bin ich - bei gegebener Lage - jedoch froh, dass ich unter den Verhafteten war, da so der Polizeieinsatz eine große Öffentlichkeit bekommen hat; hätte es nur ein paar arbeitslose Jugendliche getroffen, gäbe es leider vermutlich keine öffentliche Debatte darüber.

Mein Großvater, ein Arbeiter der ÖBB, wurde 1934 auch beim Versuch verhaftet, eine Maidemonstration in Linz durchzuführen. die Zeit bis 1945 bezeichnen wir heute als Faschismus. nach 1945 wurde meines Wissens kein Maiaufmarsch der ArbeiterInnenbewegung in Linz von der Polizei angegriffen oder verhindert. Heute leben wir sicherlich in keinem faschistischen land; zum glück möge es so bleiben. Doch offensichtlich müssen Demonstrationsfreiheit und andere menschenrechte auch aktuell verteidigt werden.

Zu meiner Lage musste ich mir übers Wochenende auch so einiges überlegen: ich bin zufrieden, es geht mir sehr gut und ich fühle mich völlig unschuldig, denn Zivilcourage wird allerorts und von allen Parteien beständig gefordert. Trotzdem bin ich mir sicher, dass das große Medienecho (über welches ich glücklich bin) bei stetiger Nennung meiner Funktion in der Kunstuniversität Linz in Anbetracht der aktuell bedrohlichen finanziellen Lage, für die kommenden Finanzierungsverhandlungen unserer Universität schädlich ist; nicht zuletzt deshalb, weil sich bereits heute Führungspersönlichkeiten der ÖVP sehr deutlich hinter den Polizeieinsatz gestellt haben. mein kommendes Gerichtsverfahren, wird aller Voraussicht nach, im Herbst parallel zu den Leistungsverhandlungen mit Minister Hahn laufen. Deshalb steht meine Entscheidung, die ich allein und ohne Absprache oder gar Druck von irgendeiner Seite beschlossen habe, fest: ich werde mein Amt als Vizerektor mit Beginn des WS zurücklegen und mich karenzieren lassen.

Es freut mich sehr, dass ich bereits im Laufe des Wochenendes von mehr als hundert KollegInnen Solidaritätsanrufe, SMS und Mails bekommen habe, weil es persönlich einfach gut tut, zu wissen, dass sehr viele von euch hinter mir und meinen Aktivitäten stehen.

Liebe Grüsse und vielen Dank für eure Hilfe ;-)))
Rainer

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