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Götterdämmerung am Raiffeisenplatz?

  • Dienstag, 28. April 2009 @ 08:00
Kapital „Wenn der Ludwig mit 65 in Pension gegangen wäre, hätte er sich einiges erspart. Zumindest einige Kratzer an seinem Denkmal“ – diese Aussage eines „Vertrauten“, via Dietmar Mascher im selbsternannten „Landeshauptblatt“ OÖN transportiert, lässt aufhorchen. Solches Aufbegehren gegen den ungekrönten „König Ludwig“ von Oberösterreich (und darüber hinaus) ist angesichts der gewohnten Unterwürfigkeit der wichtigsten Medien im Lande unüblich. Schon überhaupt wenn das ganze der Bibel entlehnt mit der Schlagzeile „Er kann doch nicht übers Wasser gehen“ getitelt ist.


Die Rede ist von Ludwig Scharinger, seines Zeichens seit nunmehr 24 Jahren allmächtiger Generaldirektor der Raiffeisen Landesbank Oberösterreich, einem Mann ohne dessen ausdrücklichen Segen weder im schwarzgrün regierten Land noch im rot regierten Linz noch in anderen Gemeinden etwas Läuft, aktuell etwa beim Bau des neuen Musiktheaters und dem Konjunkturpaket des Landes.

Am Weltspartag war die Raiffeisen-Welt noch heil

Noch zum Weltspartag 2008 – begangen mit einem „bescheidenen“ Empfang für 2.000 Gäste – verkündete der Raiffeisen-Boss ungeachtet der aufkeimenden Krise selbstsicher „Uns geht´s guat“. Die Turbulenzen auf den Weltfinanzmärkten schienen die Raiffeisen Landesbank Oberösterreich mit 100 Raiffeisenbanken und 451 Bankstellen im Herbst 2008 noch in keiner Weise zu erschüttern. Die Zahl ihrer Kunden war 2008 um weitere 40.329 auf 912.045 gestiegen, die Einlagen gegenüber dem Vorjahr um 11,3 Prozent auf 2,37 Milliarden Euro gewachsen und bei den Finanzierungen legte die RLB um 15.3 Prozent auf 2,98 Mrd. Euro zu. Die Bilanzsumme wuchs 2008 um 30 Prozent auf 26,5 Mrd. Euro an, der Profit (EGT) von 175 auf 187 Mio. Euro und für 2009 gingen die Planungen weiter von einem Wachstum um zehn bis 15 Prozent aus.

Heute liest sich das schon deutlich anders: In dem 394 Beteiligungen und 134 Tochtergesellschaften mit insgesamt 65.612 Beschäftigten und 14,8 Mrd. Euro Umsatz – die 43 Millionen Euro zum Konzernbetriebsergebnis von 140 Millionen Euro beisteuerten (Stand 2005) – umfassenden Imperium von Raiffeisen kracht es schon deutlich im Gebälk, da hilft auch die immer stolz gepriesene und zuletzt auf 48,7 Prozent gedrückte Cost-Income-Ratio (CIR) nichts mehr. Finanzspritzen benötigen etwa die Hypo Oberösterreich und Hypo Salzburg. Aktuell ist der Autozulieferer Polytec durch die Krise der Autoindustrie in Bedrängnis, Scharinger bezifferte den Handlungsbedarf mit „unter hundert Millionen“. Das sich (ebenso wie für andere österreichische Großbanken) immer mehr als riskant erweisende Engagement des Mutterkonzerns Raiffeisen Zentralbank (RZB) in Osteuropa erweist sich zunehmend auch für Raiffeisen Oberösterreich als Belastung, weil aus dem 15-Prozent Anteil an der RZB nur mehr magere Dividenden nach Linz fließen.

Zunehmende Beteiligungs-Flops

„Raiffeisen Oberösterreich ist ein starker Partner und wird nicht gleich zittrig, wenn es einmal darum geht, gemeinsam mit den Kunden auch schwierige Phasen durchzustehen“ tönte es per Eigenwerbung im Blatt der Raiffeisen-nahen Wohnungsfreunde. Scharingers Dogma „Krisen gibt es bei uns nicht. Und wenn unsere Kunden betroffen sind, tauchen wir mit ihnen durch“ scheint jedoch mittlerweile obsolet.

In mehreren Fällen hat die Raiffeisen-Tochter Invest AG – die mittlerweile 60 Beteiligungen verwaltet – satte Summen in den Sand gesetzt: Schon 2007 ging die Glasfabrik Inn Crystal in Braunau Pleite, Raiffeisen hatte dort in einer kritischen Phase zwei Millionen investiert. Gemeinsam mit der Hypo Salzburg gilt es die Pleite der Schachl Gebirgsholz in Abtenau zu verkraften, die wegen Schulden von 22 Millionen Euro Konkurs anmelden musste. Zum Konkursrichter musste auch die Mühlviertler Möbelfirma Pabneu.

Die schwer defizitäre „Rundschau“ wurde an die Tiroler Moser Holding (Tiroler Tageszeitung, TT Kompakt, TT.com, Bezirksblätter in Tirol, Salzburg, NÖ, Burgenland und Wien) verkauft und gleichzeitig stieg Raiffeisen bei der Moser Holding mit 14,63 Prozent ein, an die hundert langjährige „Rundschau“-MitarbeiterInnen wurden gekündigt, dafür billiges prekäres Personal neu eingestellt. In Richtung Raiffeisen hatte ORF-Journalist Armin Wolf gemeint „Mehr Medien als Silos“, weil Raiffeisen Niederösterreich unter dem Scharinger-Kontrahenten Christian Konrad an Kurier, Mediaprint, profil, Kronehit, ORS, Sat.1, Epamedia, NÖ Nachrichten und Adworx beteiligt ist und der Mutterkonzern RKZ (an dem die OÖ Landesbank mit 14,94 Prozent, die NÖ Landesbank mit 31,34 Prozent beteiligt ist) via Kredit auch das Fellner-Blatt „Österreich“ finanziert.

Am meisten traf neben dem Haupteigentümer, der zum Neckermann-Konzern gehörenden deutsch-schweizerischen Investorengruppe Gate (51 Prozent) Raiffeisen freilich die Rekordpleite (62 Millionen Euro Forderungen) der erst 2006 gegründeten Biodiesel GmbH in Enns im April 2008, an der die Invest AG 49 Prozent gehalten hat. Eine Übernahme durch Raiffeisen scheiterte, weil Scharinger mit dem Kaufpreis von 28,5 Millionen Euro eigene Forderungen begleichen wollte und damit die anderen Gläubiger leer ausgegangen wären und obwohl sogar Grün-Landesrat Anschober schon grünes Licht für den Import von Raps aus Rumänien für die Anlage gegeben hatte und Raiffeisen versucht hatte das Hoffnungsgebiet Krasnodar in Südrussland nutzbar zu machen.

Eine umstrittene Rettungsaktion

Großen Unmut löste eine parteipolitisch motivierte Rettungsaktion für das OÖ Heimatwerk aus. Nachdem eine vom ÖVP-Bundesrat und Immobilienhai Georg Spiegelfeld gestartete Rettungsaktion für die marode 1940 gegründete Vorzeigegenossenschaft 2006 gescheitert war wurde nach Scharinger als Retter gerufen. Die „kulanterweise mit Unterstützung der Landesregierung und der RLB OÖ“ überbrückten finanziellen Engpässe des Heimatwerkes wurden von der Konkurrenz wie Trachten Thalbauer, Trachten Holzinger oder Gexi Tostmann („Uns steckt niemand 200.000 Euro zu“) scharf kritisiert. Schließlich übernahm das Land 25 Prozent, die Raiffeisen-Tochter IHC 75 Prozent des Heimatwerkes, das freilich nur mehr eine Hülle ist, nachdem der wirtschaftliche Teil an die IHC-Tochter Trachten und Handels GmbH übertragen wurden.

Auch der 2003 erfolgte Einstieg bei der voestalpine mit 15,6 Prozent, parteiübergreifend von schwarz wie rot als „österreichischer Kernaktionär“ gegen einen Ausverkauf bejubelt der „Betriebe nicht mit einem Federstrich zusperrt“ (Scharinger), hat angesichts einer von 65 auf fast zehn Euro pro Aktie gesunkenen Börsenkurses seinen Glanz verloren. Der „Kernaktionär“ verhinderte freilich nicht, dass heute bereits die Mehrheit der voestalpine-Aktien im Besitz ausländischer Fonds steht.

Troubles mit Androsch

Troubles mit seinem Partner, dem SPÖ-Industriellen Hannes Androsch hatte Scharinger in den letzten Jahren im Falle des Flugzeugkomponentenwerks FACC in Ried. Während Androsch ein viertes Werk in der Steiermark ansiedeln wollte, setzte Scharinger auf das Innviertel. Einvernehmlich wurde dann von den Partnern Salinen AG (47,5 Prozent), Fischer (47,5 Prozent) und Stephan (fünf Prozent) eine Kapitalaufstockung von zehn auf 30 Millionen Euro vorgenommen.

2008 wurde die Situation der FACC neuerlich prekär, hunderte der 1.300 Arbeitsplätze waren gefährdet, weil sich Aufträge von Boeing und Airbus verzögerten. Ähnlich wie im Salzkammergut erwiesen sich auch im Innviertel die großspurigen Versprechungen von Androsch und Scharinger als Schall und Rauch. Diese hatten 1997 die staatliche Salinen AG übernommen, die mit 47,5 Prozent Haupteigentümer der FACC und Androsch deren Aufsichtsratsvorsitzender ist. Der bisherige Miteigentümer Fischer stieg offensichtlich in Erwartung zunehmender Probleme aus, seine Anteile von 47,5 Prozent hält eine Gesellschaft um den Linzer Rechtsanwalt Horst Koch.

Die Bestrebungen Goodrich (einen der Hauptlieferanten von Boeing) und EADS (Mutterkonzern von Airbus) als Teilhaber zu gewinnen waren bisher erfolglos. Neuerlich hat der chinesische Konzern AVIC1 Interesse an einer Übernahme angemeldet, ein erster Anlauf war im Jänner 2008 gescheitert. China hat enormes Interesse am Know-How des Innviertler Unternehmens. Die Salinen AG musste eine Geldspritze von zehn Millionen Euro vornehmen um das Unternehmen zu beruhigen.

FACC ist auch in die Kompensationsgeschäfte beim Eurofighter-Kauf mit dem EU-Rüstungsmulti EADS involviert: „Da eine klare Trennung zwischen ziviler und militärischer Luftfahrt nicht möglich ist, besteht Aufklärungsbedarf, ob mit den von der Landesregierung plakatierten Förderungen für FACC auch militärische Forschungen finanziert werden“, fragt Furtlehner. Androsch war gemeinsam mit Stronach laut einem Strategiepapier der ehemaligen Vizekanzlerin Riess-Passer an der Einfädelung des Eurofighter-Geschäfts beteiligt.

PPP: Auf Nummer Sicher

Ein vergleichsweise sicheres Standbein ist die wachsende Zahl von PPP-Projekten. In Anlehnung an die berühmte Einstein-Formel wirbt Raiffeisen in den Wirtschaftsblättern mit der Losung „E = P+P+P“, was für „Mehr Erfolg durch Private-Public-Partnership“ steht. Bei dieser Kombination von öffentlicher und privater Finanzierung steht die Bank immer auf der sicheren Seite, weil der andere Partner, nämlich die öffentliche Hand letztlich immer gerade stehen muss. Laut OÖN gilt nämlich Scharinger „als Meister darin, Risiko auf andere zu verteilen und dennoch den Eindruck zu erwecken, als gehöre alles ihm.“

In der Liste der 417 erfolgreichen PPP-Modelle mit einem Volumen von 2,55 Mrd. Euro Investitionen werden unter anderem die Umfahrung Ebelsberg, die Therme Geinberg, das Landesdienstleistungszentrum (LDZ) in Linz, das UKH und der Softwarepark Hagenberg angeführt. Zumindest für die Umfahrung Ebelsberg und das LDZ hat der Rechnungshof bei Überprüfungen festgestellt, dass eine normale Darlehensfinanzierung für die Stadt bzw. das Land letztlich günstiger gewesen wäre.

Angeschmiert war im Fall des LDZ einmal mehr die SPÖ, die in der Landesregierung dieser Finanzierungsform – Baukosten 130 Millionen Euro, das Land zahlt zwanzig Jahre lang eine Jahresmiete von sechs Millionen Euro – zugestimmt hatte, während SP-Landesrat Ackerl nachträglich den zuständigen Baureferenten LHStv. Hiesl als Alleinverantwortlichen festzumachen versuchte als dieser die Kollektivverantwortung geltend machte. SP-Klubchef Karl Frais wetterte via Presseaussendung energisch gegen das „Kosakennetzwerk“ von ÖVP und Raiffeisen wegen deren Angriffe auf den Landesrechnungshof, der seinerseits den LDZ-Deal in Grund und Boden kritisiert hatte. Für Scharinger war die Sache hingegen recht einfach: Er warf dem Rechnungshof vor, sich nicht auszukennen und meinte „Wir werden gerne Nachhilfe geben.“

Impulse für Linz?

In weiser Voraussicht hatte sich Raiffeisen auch das Areal des ehemaligen Unfallkrankenhauses – der Neubau wurde ebenfalls als PPP-Projekt mit der AUVA errichtet – auf dem Blumauerplatz gesichert. Dort wird bekanntlich das Musiktheater errichtet und das Land muss das Areal um tausend Euro pro Quadratmeter erwerben. Damit nicht genug wurde dafür gesorgt, dass die Planung des britischen Stararchitekten Terry Pawson für das Musiktheater medial zerrissen wurde, was nicht nur dazu führte, dass statt einer Metall- nun eine Steinfassade vorgesehen ist, sondern auch dass Scharingers Haus- und Hofplaner Wolfgang Kaufmann mit der Baudurchführung beauftragt werden sollte. Praktischerweise hat der „Mann mit dem Schlapphut“ seine Villa im noblen Sankt Magdalena gleich neben den Wohnstätten seiner CV-Kartellbrüder Scharinger und Kukacka errichtet. Doch nicht Kaufmann, sondern die Grazer ArchitekturConsult kam zum Zug.

Auf „Masse statt Klasse“ (OÖN) setzte Raiffeisen mit dem Segen der Stadtplaner auch bei einem 28 Meter hohen Neubau am Arenaplatz. Dass die „Betonkiste“ anstandslos den Gestaltungsbeirat passieren konnte, führten die „OÖN“ auf den dominanten Einfluss Scharingers zurück um resignierend festzustellen „an der Dametzstraße ist es schon egal, was man dort hinbaut, denn dieser Straßenzug ist sowieso vom Autoverkehr ruiniert“. Ähnlich hässlich ist der neue Bahnhofstower, auf dem freilich unübersehbar der Slogan „Impulse für Linz“ versehen mit dem Raiffeisen-Logo prangt. Scharingers Netzwerk sorgte aber für die Auslastung des Hochhauses, Pensionsversicherungsanstalt und Finanzamt mussten in das neue Domizil übersiedeln.

Energie AG: Plan B tritt in Kraft

Über die Weihnachtsfeiertage 2007 ging die schwarzgrüne Landesregierung in sich und verkündete Anfang 2008 die Absage des geplanten Börseganges der landeseigenen Energie AG, später angesichts der Turbulenzen auf dem Kapitalmarkt von LH Pühringer und seinem Adlatus Landerat Anschober als weise Entscheidung interpretiert. Der Hintergrund war freilich, dass über 90.000 Menschen für eine von der SPÖ initiierte Volksbefragung unterschrieben hatten und die Landespolitik damit ein Legimitationsproblem bekommen hatte.

Pühringer verkündete nun „Plan B“, nämlich den 49-Prozent-Einstieg privater Investoren bei der EAG. Und wie konnte es anders sein, als dass Raiffeisen mit 13,5 Prozent größter Einzelaktionär wurde. Sogar die OÖN warfen die Frage auf, ob diese Beteiligung nicht ein „gefährliches Klumpenrisiko“ darstellt.

Bei Privatisierung immer dabei

Für Scharinger ist eines klar: „Bei der Privatisierung war ich immer dabei“, wie der den OÖN anvertraute. Lang ist die Liste ehemaliger staatlicher Unternehmen, wo heute Raiffeisen maßgeblich beteiligt ist: voestalpine, Salinen AG und Dachstein AG (gemeinsam mit Ex-SPÖ-Finanzminister Hannes Androsch), VA Intertrading, Hypo OÖ und Salzburg, OÖ Versicherung, die Wohnungsgesellschaften WAG und EBS und eben die Energie AG.

Gescheitert ist Scharinger mit seinem patriotisch gefärbten Plan nach dem Beispiel der voestalpine mit einem OÖ-Konsortium von Raiffeisen, Oberbank, KTM und UIAG die Lenzing AG zu übernehmen, nachdem die italienische Großbank Uni Credit diese Industriebeteiligung nach der Übernahme der Bank Austria-Creditanstalt abstoßen wollte. Mittlerweile hat sich aber die ehemalige BA/CA-Stiftung als Eigentümer der Lenzing AG verselbständigt. Freilich spielte Scharinger hier mit gezinkten Karten, sein Vertrauensmann der Rechtsanwalt Gerhard Wildmoser saß nämlich im Aufsichtsrat des britischen Konzerns CVC, der ebenfalls Lenzing schlucken wollte, was jedoch an kartellrechtlichen Bestimmungen scheiterte.

Scharinger, der Kümmerer

Der allmächtige Raiffeisen-GD – von dem Soziologen Harald Katzmair als „bestvernetzter Manager“ Österreichs weil Inhaber der meisten Aufsichtsratsmandate bewertet – kümmert sich um alles: Zur Verschuldung der Jugend erklärt er Seite an Seite mit SPÖ-Soziallandesrat Josef Ackerl und Schuldnerberatungs-Chef Thomas Berghuber philosophisch „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ und preist Raiffeisen für den rechtzeitig zu erlernenden Umgang mit Geld. Die „Wertschöpfung für den süddeutschen Mittelstand“ ist ihm ebenso ein Anliegen, daher wird das Engagement in Süddeutschland verstärkt. Gleichzeitig wird jede zweite Unternehmensförderung in Oberösterreich via Raiffeisen abgewickelt, 2007 waren dies 2.538 Anträge mit einem Fördernutzen von 37,2 Millionen Euro und einem Investitionsvolumen von 558 Millionen Euro.

Unbekümmert um das schon unübersehbare Fiasko am Finanzmarkt startete Raiffeisen gemeinsam mit den OÖN im Herbst 2008 bereits zum siebten Mal ein „Börsespiel“. Scharingers Credo dazu: „Beim Spiel kann man ruhig ein bisschen aggressiver an die Sache herangehen und sich mehr trauen“ (2006) und „Risikoloser Probegalopp für die Börse“ (2007). Ausgerechnet in einer Zeit, wo fast jeden Tag eine Bank zusammenkracht, die Börsenkurse in den Keller rasseln und das Scheitern des neoliberalen Finanzmarkt-Kapitalismus auch für den Dümmsten unübersehbar ist für die Spekulation mit Aktien und anderen Börseprodukten zu werben ist geradezu abenteuerlich.

Gemeingefährlich bis kriminell wird es freilich, wenn dazu auch heuer wieder Schüler und Schulklassen eingeladen werden, bei diesem Spiel mitzumachen und dazu mit jugendgerechte Preisen wie LCD-TV, iPods oder Konzertbesuche gelockt wird. Da kann man betonen, dass dieses „Spiel“ natürlich „ohne finanzielles Risiko“, also auf dem Trockendock, erfolgt. Denn der Hintergedanke ist nicht so platonisch: Die Bank und ihr neoliberales Sprachrohr wollen letztendlich die TeilnehmerInnen auf den Finanzmarkt locken. Die Zurichtung neoliberal angepasster finanzmarktkonformer Investoren und Konsumenten ist schließlich das Ziel solcher „Spiele“.

Uni, Kunst & Kirche

Mit dem „Ludwig-Scharinger-Preis“ kümmert sich der Raiffeisen-Boss um den akademischen nachwuchs. Überhaupt betrachtet man die Linzer Johannes-Kepler-Universität quasi als Raiffeisen-Territorium. Die Universität präsentiert sich schon nach außen hin unübersehbar durch die Dominanz der Raiffeisen-Landesbank wie auch ein „Raiffeisen-Hörsaal“ beweist. Die Linzer Bankenwelt sieht die Uni als Reservoir für maßgeschneidertes Personal und übt über das Bankeninstitut maßgeblichen Einfluss aus. Raiffeisen-Generaldirektor Ludwig Scharinger amtierte schon 2003-2008 als Vorsitzender des Linzer Universitätsrates und wurde jetzt neuerlich in dieser Funktion gewählt, er sieht sich auch faktisch als „Hausherr“ wenn er regelmäßig „seine“ Universität inspiziert.

Auch der Kunst will Raiffeisen den Rücken stärken und hat in 25 Jahren mit fast einer Million Euro über den eigenen natürlich von Scharinger präsidierten Museums-Förderverein Kunstwerke angekauft. Kunstsponsoring misst die Bank einen „generell hohen Stellenwert“ zu, da „die öffentliche Hand zum Teil nicht mehr in der Lage ist, bedeute Kunstwerke aus den ordentlichen Budgets zu erwerben“. Im Klartext, würden die Riesenprofite der Banken und Konzerne entsprechend besteuert, müssten öffentliche Museen nicht bei diesen um Sponsoring betteln.

Sogar um die Finanzen der Kirche ist Raiffeisen bemüht: Weil immer wider Opferstöcke geplündert werden und sogar schon Videoüberwachung überlegt wurde, kann man im Neuen Dom schon seit einiger Zeit mit Bankomat oder Kreditkarte elektronisch spenden – der Automat dazu wurde von Raiffeisen zur Verfügung gestellt. Voller Demut war Ludwig Scharinger gemeinsam mit LH Pühringer und garniert von einem Goldhauben-Geschwader dann auch bei einer „Ratzfatz zum Petersplatz“-Delegation oberösterreichischer und bayrischer Promis im September 2006 im Vatikan mit dabei.

Wunderbare Raiffeisen-Welt

Der ursprüngliche 300 Kilometer-Radius von Linz aus gemessen – per Auto als Tagesreise zu erreichen – ist mittlerweile längst zu einer offiziellen 500 Kilometer-Zone geworden und immer stärker erfolgen Raiffeisen-Investments weit darüber hinaus. Heute gehören dazu eine Kooperation mit der größten Bank Chinas ICBC mit 21.000 Filialen, ein kontinuierliches Wachstum des Raiffeisen-Netzes in Süddeutschland wo fünf Filialen 6.662 Kunden, davon 4.459 Firmen betreut werden, Sektor-Partner in 16 Länder Osteuropas (mit 45.000 MitarbeiterInnen, 9,2 Millionen Kunden, 35 Milliarden Euro Bilanzsumme und 2.400 Bankstellen) und Filialen in Tschechien. „Starke Antennen“ hat der Konzern auch nach Südrussland durch die Beteiligung an der Krayinvestbank, der Center-Invest Bank und der Impexbank und die Absicht „Österreichs Unternehmen zu Gewinnern“ in der Olympiaregion Sotschi zu machen. Mit an Bord sind der Baukonzern Alpine Mayreder, der Medizinausrüster Vamed und der Betonfabrikant Asamer.

Berühmt sind Scharingers Mega-Empfänge. Mit zuletzt 2.600 Gästen ist Raiffeisen Spitzenreiter bei den traditionellen Neujahrsempfängen im Jänner und OÖN, Rundschau und „Krone“ bringen seitenweise bezahlte und freiwillige Berichte über den Promi-Auftrieb, wo Scharinger nach stundenlangem Händeschütteln das Publikum mit seiner Sicht der Welt beglückt. Etwa mit Sagern wie „Drei Dinge darf ein Banker nicht sein: eitel, maßlos und gierig!“, wie er 2008 dem „Neuen Volksblatt“ anvertraute. LH Pühringer brachte schon vor Jahren die Bedeutung solcher Events auf den Punkt: „Leisten Sie sich das einmal: Vom Scharinger eingeladen – und nicht kommen.“ Dabei wildert er zum Unwillen anderer Raiffeisen-Banken auch in fremden Revieren, etwa mit der Eröffnung einer Dependance in Wien, die im Juli 2008 mit einem Empfang für 1.700 Gäste gefeiert wurde und Scharinger stolz verkünden konnte, in Wien bereits 9.553 Kunden zu betreuen.

Es gibt kein Thema, wo Scharinger nicht kompetent wäre, wie ein Foto im Gratisblatt „Tips“ beweist, wo „Luigi Moneti“ als einziger Mann im Kreis von ÖVP-Frauen zum Thema „Gewalt in den Medien“ philosophiert. Eine diesbezügliche Kampagne des ÖVP-Bauernbundes wurde wie könnte es anders sein natürlich von Raiffeisen gesponsert. Einen besonderen Umgang mit Frauen pflegt der Geldkonzern auch bei der Eigenwerbung. Für die diversen Plakat- und Anzeigensujets werden nämlich nicht professionelle Models engagiert, sondern im eigenen Unternehmen gefahndet. Attraktive Mitarbeiterinnen werden ausgewählt, sich für die Werbung zur Verfügung zu stellen, wohl kaum eine der „Auserwählten“ wird es wagen dem Willen des allmächtigen Chefs nicht Rechnung zu tragen.

Zum Abschuss freigegeben?

Bemerkenswert an der OÖN-Ansage sind vor allem Personalspekulationen: Etwa dass Raiffeisen-Aufsichtsratsvorsitzender Jakob Auer (Bürgermeister von Fischlham und Nationalratsabgeordneter) zunehmend wichtiger wird und Scharinger eine Vertragsverlängerung nur bis März 2012 und nicht wie gewünscht für fünf Jahre gewährte und dies sicherheitshalber auch gleich öffentlich machte. Und dass sich Scharinger sogar schon 2011 zurückziehen könnte.

Der eine Scharinger-Kronprinz Georg Starzer scheint aus dem Rennen für die Nachfolge, der andere Heinrich Schaller hat sich 2006 rechtzeitig an die Wiener Börse abgesetzt, sodass aus dem Vorstand am ehesten Michaela Kepplinger-Mitterlehner, früher Landesdirektorin der BA-CA, Chancen eingeräumt werden. Die Andeutung der OÖN, dass „in den nächsten Monaten etwas bei Raiffeisen explodieren“ könnte lässt freilich vermuten, dass alle Vorstandssessel sich als Schleudersitze erweisen.

Der Einfluss Scharingers wird auch in der ÖVP und bei deren CV-Kartellbrüdern mit Argwohn gesehen. So sehr etwa LH Pühringer Scharingers Qualitäten schätzt, hält sich „die Freude mit dem leicht feudalherrschaftlichen Gehabe des Bankenchefs und der großen Nähe zu Dobusch und anderen SP-Politikern in überschaubaren Grenzen“, analysierten etwa die OÖN. Auch die Bauern, über die Raiffeisen-Organisation das historische Rückgrat des Bankenkonzerns haben ein zunehmend ambivalentes Verhältnis zu Scharingers Ein-Mann-Regime, gegen das sich eine Front von Jakob Auer über Agrarlandesrat Josef Stockinger, Landwirtschaftskammer und OÖ Versicherung formiert.

Leo Furtlehner, April 2009

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