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Des Ponts pas des Mures*. Gegen die Festung Europa!

  • Donnerstag, 12. März 2009 @ 15:21
Europa Ceuta und Melilla, zwei europäische Städte auf afrikanischem Boden, spanische Exklaven in Marokko. Hier verlaufen Teile der Mauern und Zäune der EU zur militarisierten Abschottung gegen Flüchtlinge, EinwanderInnen, Menschen aus dem Rest der Welt. Die Zäune in Ceuta und Melilla sind mittlerweile sechs Meter hoch, mit Stacheldraht bewehrt, mit Richtmikrofonen, Wärmekameras und automatisierten Tränengasanlagen bestückt.

Würde die Genfer Flüchtlingskonvention befolgt, könnten Flüchtlinge schlicht zum spanischen Grenzposten gehen und um Asyl ansuchen. Doch dieses Recht wurde politischen und militärischen Wünschen angepasst. Bis zum spanischen Grenzposten kommt man nur mit Visum, und Visa gibt es keine. Damit rückt der Zaun in den Mittelpunkt. Erst wenn jemand den Zaun überwunden hat, hat er Rechte - auf ein Asylverfahren, auf ein Flüchtlingszentrum, auf Abschiebehaft.

Auf marokkanischem Boden werden vor dem Grenzzaun Stahlseile gespannt, kreuz und quer, bis zu einer Höhe von drei Metern. Das Gewirr der Seile soll zur Grenze hin immer dichter werden, damit sich Flüchtlinge darin verfangen. So soll die Guardia Civil Zeit gewinnen, die neuen Wasserwerfer und Tränengas-Kanonen in Stellung zu bringen. Für Flüchtlinge, die in den Seilen hängen bleiben ist das marokkanische Militär zuständig. (Corinna Milborn, Gestürmte Festung Europa. Einwanderung zwischen Stacheldraht und Ghetto. Das Schwarzbuch)

Ein Recht auf Einwanderungs- oder Asylantrag gilt also de facto erst, wenn jemand mit beiden Füßen auf europäischem Boden steht. Das zu verhindern, rüstet die Europäische Union seit Beginn der 90er Jahre auf: Ein Grenzregime, die EU-Grenzbehörde Frontex, ein europäisches Asylrecht, die Drittstaatenregelung (Dublin II). Während unter Jubel und Fähnchen-schwingend Mauern innerhalb der EU angeblich überwunden werden, werden tödliche Mauern nach Außen fester verschlossen. Kapital soll grenzenlos fließen und wandern, Menschen werden militärisch abgewehrt.

Die Drittstaatenregelung

Kernpunkt der (neuen) EU-Gesetzgebung ist die (zuvor schon in Deutschland und Österreich angewandte) "Drittstaatenregelung". Danach können in allen EU-Staaten Asylbewerber an der Grenze ohne nähere Prüfung ihres Falles abgewiesen werden, wenn sie aus einem sog. sicheren Drittland kommen. Als sichere Drittstaaten gelten vor allem Länder, die die Genfer Flüchtlingskonvention formal anerkennen.

Doch genau diese würde die Verpflichtung beinhalten, in jedem Einzelfall ein Verfahren zur Klärung des Flüchtlingsstatus durchzuführen und wird - laut UNO-Flüchtlingskommissariat - eben durch das neue Asylrecht innerhalb der EU nun außer Kraft gesetzt. Kein Flüchtling, kein Mensch kann mehr legal in die 'Mitte' Europas gelangen! Die europäische Asylrechtseinigung ist ein Konjunkturpaket für Schlepperbanden, Illegalisierung und Kriminalisierung. Menschen können ohne Verstoß gegen das EU-“Asylrecht“ nicht nach EU-Europa gelangen.

Die Drittstaatenregelung verursacht auch eine Vorverlagerung der Abschottung. Der Druck und das Grenzregime werden an Nachbarstaaten weiter gegeben. Aktuell machte zB wiederholt die Situation von Flüchtlingen in der Ukraine, an der EU-Außengrenze, Schlagzeilen.

Grenzregime

Der Begriff Grenzregime beschreibt die Gesamtheit aller institutionellen, administrativen, legislativen und technischen Maßnahmen und Einrichtungen der Grenzsicherung und -kontrolle. Die EU verfügt über ein hoch militarisiertes Gernzregime, Flüchtlinge werden in Lagern und Abschiebezentren auf ihre wirtschaftliche Verwendbarkeit überprüft.

Die Abschiebezentren dienen der EU, MigrantInnen außerhalb ihrer Grenzen zu halten und erlauben ihr einen wirtschaftlichen Abgleich. - Flüchtlinge als ArbeiterInnen-Reservearmee. Die österreichische Regierung forderte in der Diskussion um das EU-Asylrecht sogar eine völlige Novellierung. Ihrem Vorschlag zufolge sollte es von einem Individualrecht in ein politisches Konzept umgewandelt werden, das in erster Linie den Bedürfnissen des Aufnahmelandes Rechnung trägt.

Obwohl in vielen europäischen Staaten derzeit die niedrigsten Flüchtlingszahlen seit Jahren verzeichnet werden, ertönt noch immer der Ruf nach schärferen Bestimmungen und stärkeren Einschränkungen für Flüchtlinge. Gleichzeitig schüren EU-Staaten weiter Konflikte in den Herkunfts- und Transitländern, so dass sich an den Ursachen von Flucht und Massenmigration nichts ändert.

Die Militarisierung der Grenzen ist tödlich. Und Todesfälle sind keine vereinzelten Vorkommnisse. „Sie ereignen sich im Zusammenhang mit der Ausführung von Beschlüssen, die auf höchster politischer Ebene getroffen wurden: dem Vertrag von Schengen, dem Dubliner Übereinkommen und den Grenzkontrollprogrammen der EU. Sie sind Begleiterscheinung einer Politik, die diejenigen, welche aus ihren Heimatländern fliehen, nicht mehr als Menschen ansieht, sondern nur noch als Zahlen behandelt oder gar als Naturkatastrophe – als „Flut“ – wahrnimmt.“ (www.keine-festung-europa.eu).

UNITED, ein europäisches Netzwerk gegen Rassismus und Nationalismus in Amsterdam, beobachtet seit 1993 soweit möglich europäische Grenzen und dokumentierte seither eine Todesliste von über 11.000 Menschen - Flüchtlinge, AsylwerberInnen, MigrantInnen, auf dem Weg in die EU, während ihrer Verfahren, bei Abschiebungen. Die Politik der Festung Europa legitimiert die Missachtung der Genfer Konvention und der UN-Menschenrechte.

Wie die Drittstaatenregelung zeigte, expandiert das EU-Grenzregime über seine Grenzen hinaus. Die Herkunfts- und Transitländer - vor allem in Nordafrika und Osteuropa - werden militärisch aufgerüstet und durch wirtschaftlichen und diplomatischen Druck dazu gebracht, das Migrationsproblem auf ihren Territorien zu halten. Als weiteres Beispiel, neben Marokko und der Ukraine, muss hier Libyen angeführt werden.

Der Umgang Libyens mit MigrantInnen, die an der Küste auf dem Weg nach Europa aufgegriffen werden, ist skandalös und inakzeptabel. Der italienischen Journalisten Gabriele Del Grande beschreibt, wie die Flüchtlinge, die auf der lebensgefährlichen Seereise nach Lampedusa ergriffen wurden, zu Hunderten in Container gezwängt und in Lager mitten in der Wüste verbracht werden. Dort herrschen menschenunwürdige Internierungsbedingungen.

Der Journalist berichtet von Misshandlungen, Vergewaltigungen und Menschenhandel durch die Repressionsbehörden. (Einen Ausschnitt aus einer seiner Reportagen dokumentiert www.german-foreign-policy.com) - Zu einer abweichenden Beurteilung der Lage in Libyen kommen nur europäische Behörden. So hieß es 2004 in einem Bericht der Europäischen Kommission, die Situation der Inhaftierten in den libyschen Lagern sei 'schwierig', aber mit Blick auf den 'allgemeinen Rahmen' letztlich 'annehmbar'!

Wenn auch die Zusammenarbeit mit Libyen kompliziert verläuft, die EU – in diesem Fall v.a. Italien und Deutschland – kennt Mittel und Wege, eine Zusammenarbeit unkompliziert zu machen. Z.B. mittels einem italienisch-libyschen Freundschaftspakt. So ein Abkommen bringt dann nicht nur die europäische Flüchtlingsabwehr voran, sondern sichert auch die Erdgaslieferungen Libyens in die EU über Jahre. Der Pakt, resümiert Ministerpräsident Silvio Berlusconi, bringt „weniger illegale Einwanderer und mehr Erdgas“.

Frontex

Mit der Abwehr von Flüchtlingen, wie vor den Küsten Libyens, ist die EU-Grenzbehörde Frontex befasst. Frontex, per EU-Verordnung vom 26. Oktober 2004 gegründet und mit einem rasant wachsenden Jahresetat ausgestattet**, führt seit 2006 jedes Jahr Operationen unter anderem vor Malta und Lampedusa durch ('Nautilus'). Frontex sichert die Festung Europa. Ein wichtiger Bestandteil ist die Erforschung von Migrationsrouten, immer mit dem Ziel einer effektiven Zerschlagung dieser, wie etwa der Migrationsroute von Westafrika auf die Kanarischen Inseln.

Dabei wird keineswegs eine für die Migration undurchlässige Seeblockade der Kanarischen Inseln geschaffen, vielmehr unterbinden die Schiffe, Flugzeuge und Hubschrauber der Frontexmission schon das Ablegen der kleinen Cayucos an der senegalesischen, mauretanischen und kapverdischen Küste, also mindestens 2000 Kilometer südlich des Territoriums der europäischen Union. (www.no-racism.net)

Frontex organisiert bilaterale Massenabschiebungen, wie etwa zuletzt im November 2008 von Wien aus, wo ein für eine halbe Million gecharterter Airbus 70 MigrantInnen, von 140 Polizisten bewacht, in verschiedene westafrikanische Hauptstädte brachte. Diese 'Operation' konnte verdeckt gelingen, die Politik war dafür voll des Lobes. Charterabschiebungen, meist von Protesten begleitet, werden übrigens europaweit von vielen Organisationen und auch PolitikerInnen stark kritisiert. Nicht aber von Österreich. Hier findet sich, im Gegenteil, eine geplante Ausweitung von Charterabschiebungen („Außerlandesbringung“) im aktuellen Regierungsprogramm.

Frontex beteiligt sich weiters an der Forschung zur Technologisierung und Biometrisierung der europäischen Grenze und schlägt vor, die Grenzkontrolle komplett und für alle Ein- und Ausreisenden durch Biometrie vorzunehmen und die Grenze durch ein enges Netz von Satelliten, Drohnen, Radarstationen und mobilen Überwachungsposten in Echtzeit zu überwachen. Nach den Vorstellungen von Frontex soll diese Überwachung schon dort greifen, wo Migration ihren Ausgangspunkt nimmt. Für die EU selber ist wiederum ein vollbiometrisches Visaregister vorgesehen, was das Aufspüren undokumentierter MigrantInnen erleichtern soll. (Frontexwatch, 2009)

So richtet sich die Strategie der EU-Kommission mittels Frontex nicht allein gegen Außen. Wie schon im Schengener Abkommen verlagert sich Militarisierung und Repression auch nach Innen. Menschen werden differenziert nach unterschiedlichem Rechtsstatus.

Wer darf in Europa leben? Wer ist Teil von Europa?

Diese Abschottung ist ein Teil der Konstitution Europas, die uns alle betrifft. Ein Europa, das ausschließt und nicht einschließt. Ein Europa der Mauern, der Waffen, ein todbringendes Europa. Eine EU, die sich nicht an sozialen oder Menschenrechtsfragen orientiert, eine EU, die nicht gegen globale Ausbeutungsverhältnisse agiert, sondern diese verschärft. Eine EU-Politik, zu der wir grundlegend in Opposition stehen.

Von EU-Staaten mit-geschürte Konflikte und Kriege und die wirtschaftlichen Folgen von Kolonialgeschichte und EU-Kapitalismus sind die Hauptursachen für Flucht und Migration. Doch jegliche legale Einwanderungsmöglichkeiten nach Europa werden unterbunden, die Direktiven der EU-Politik bedeuten Illegalisierung, Kriminalisierung und militärische Aufrüstung nach Innen und Außen. Diejenigen, die es letztlich bis in die 'Festung Europa' schaffen, müssen feststellen, dass sie keineswegs in Sicherheit sind.

Deshalb fordern wir ein uneingeschränktes Bleiberecht und gemeinsam mit anderen linken Parteien und Bewegungen Europas die Prinzipien der ResidenzbürgerInnenschaft und EinwohnerInnenrechte. - Rechte sind untelibar, gleiche soziale und politische Rechte für alle. Die demokratische Verfasstheit einer Gesellschaft zeigt sich besonders an ihrem Umgang mit Migrantinnen und Migranten. Die EU schottet sich gegen Migrantinnen und Migranten sowie gegenüber Flüchtlingen ab.

Die europäische Asyl- und Migrationspolitik wird durch Repressionen gegenüber Flüchtlingen und durch die Verwertungsinteressen des Kapitals bestimmt. Jahr für Jahr sterben Tausende Menschen auf der Suche nach Schutz vor Verfolgung, Armut, Naturkatastrophen und Kriegen an den hoch aufgerüsteten und streng bewachten Außengrenzen der EU. Deshalb fordert wir die Abschaffung der Grenzschutzagentur FRONTEX. Statt kostspieliger Grenzkontroll-, Überwachungs- und Datenerfassungssysteme zur Abwehr "illegaler" Migration fordern wir eine offene, menschenrechtskonforme Einwanderungs- und Asylpolitik.

Offene Grenzen für Menschen statt freier Fluss für Kapital. Sowie eine andere Wirtschafts- und Handelspolitik zur Bekämpfung von Armut, Hunger und Unterentwicklung als Ursachen von Flucht. Wir lehnen die gegenwärtige gemeinschaftliche EU-Asyl und -Migrationspolitik ab und verurteilen die gängige Praxis in der EU, Asylsuchende zur Durchsetzung eines ungerechten Zuständigkeitsprinzips gegen ihren Willen zwischen einzelne Mitgliedstaaten hin und her zu schieben (Dublin II – Verordnung). Schubgefängnisse und Sammellager müssen geschlossen werden. Die Freiheitsrechte von Asylsuchenden werden dadurch missachtet.

In der Europäischen Union leben etwa 8 Millionen Menschen "ohne Papiere". Wir fordern ihre Legalisierung verbunden mit Arbeitserlaubnis, denn kein Mensch ist illegal. Für uns ist die gerade beschlossene EU-Abschieberichtlinie der falsche Weg. Sie hat zu Recht internationale Proteste ausgelöst und muss wieder aufgehoben werden. Abschiebegefängnisse sind zu schließen. Die EU darf keine Festung sein.

Fußnoten:
* franz.: Brücken, keine Mauern! Brücken statt Mauern!
** Frontex verfügte im Jahr 2005 über sechs Millionen Euro, 2006 über 19 Millionen Euro, 2007 über 35 Millionen Euro und 2008 über 70 Millionen Euro. (www.no-racism.net)

Infos_
http://www.unitedagainstracism.org/pdfs/actual_listofdeath.pdf
www.no-racism.net (eigene Rubrik mit Dokumentation Festung Europa)
http://www.german-foreign-policy.com/de/extra/festung_europa/berichte.php
www.keine-festung-europa.eu

Siehe auch Resolution des 34. Parteitages 2007 http://ooe.kpoe.at/news/article.php/20071121090435550

Beschlossen vom KPÖ-Bundesausschuss am 12.3.2009

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