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Ihr Mut ist uns Verpflichtung

  • Freitag, 13. Februar 2009 @ 19:47
Geschichte Von Leo Furtlehner

Der 75. Jahrestag des Beginns der Februarkämpfe der österreichischen ArbeiterInnenbewegung zur Verteidigung der Demokratie am 12. Februar 1934 ist kein ein beliebiger Jahrestag, wie man auch daran erkennt, dass in den Medien schon seit Wochen immer wieder auf diese Zäsur in der österreichischen Geschichte eingegangen wird. Der Tenor dabei zielt freilich darauf, Opfer und Täter gleichstellen, die Schuld möglichst gleichmäßig verteilen oder „politische Gräben zuzuschütten“ wie Bundespräsident Fischer meint.

Die Fakten sind freilich recht eindeutig, wie sie etwa der Historiker Walter Schuster, Leiter des Linzer Stadtarchivs, aufzählt: Ausschaltung des Parlaments, Verbot von Wahlen, Versammlungen und Maiaufmärschen, Ausschaltung des Verfassungsgerichtshofes, Verbot von Schutzbund und KPÖ, Heranziehung der Heimwehr als Hilfspolizei, Abschaffung der Arbeiterkammer. Und das Ziel war ebenfalls eindeutig, nämlich die Ausschaltung der ArbeiterInnenbewegung und ihrer Organisationen.

Dabei war der Februar 1934 nur der Endpunkt. Die Entwicklung dazu begann schon lange vorher. Etwa 1927 mit dem Schandurteil über die Mörder von Schattendorf, 1930 mit dem „Korneuburger Eid“ der Heimwehren und 1933 mit der Ausschaltung der Demokratie. Was am 12. Februar 1934 und in den Tagen danach geschah war nur der verzweifelte Versuch die Demokratie zu retten, ein Versuch, der vor allem mit dem Namen des Schutzbundführers und sozialdemokratischen Landesparteisekretärs Richard Bernaschek verbunden ist.

Der Versuch die Hausdurchsuchung im Hotel „Schiff“ gegen die geballte Staatsmacht von Bundesheer, Polizei und austrofaschistischer Heimwehr zu verhindern war freilich chancenlos, wie alle historischen Forschungen deutlich machen. Zu tief waren zu diesem Zeitpunkt bereits die mit der Weltwirtschaftskrise von 1929 verschärfte Demoralisierung der ArbeiterInnenklasse und die Zermürbung der ArbeiterInnenbewegung. Zu groß war der jahrelang aufgebaute Widerspruch zwischen radikaler Phraseologie der sozialdemokratischen Parteiführung wie sie etwa im „Linzer Programm“ von 1926 zum Ausdruck kam und ihrer pragmatischen Anpassung an die kapitalistische Realität und Beschränkung auf eine rein parlamentarische Orientierung.

Daher ist es auch kein Wunder, dass am 12. Februar nur eine Minderheit des sozialdemokratischen Schutzbundes zum Einsatz kam, dass es zu keinem Generalstreik kam und dass der Aufstand binnen weniger Tage zusammenbrach. Die Hoffnung, dass sich in ganz Österreich die ArbeiterInnenbewegung erhob, erfüllte sich nicht. Zwar gab es punktuelle tagelange Kämpfe in Steyr, im Kohlenrevier, in der Obersteiermark und in Wien, letztlich aber ging dieser Kampf verloren. Viele der daran beteiligten verloren ihr Leben, viele wurden in Gefängnisse geworfen, viele mussten emigrieren.

Der 12. Februar 1934 war aber nicht nur eine Zäsur in der österreichischen Geschichte, sondern auch ein internationales Signal. Anders als in Italien oder Frankreich gab es zumindest den Versuch dem Vormarsch des Faschismus Widerstand entgegenzusetzen, was Fortsetzung mit der Orientierung auf die antifaschistische Volksfront beim 7. Weltkongress der Komintern und dann in Frankreich und Spanien fand.

Die KPÖ war damals wie heute eine Minderheit, weil der Schutzbund keine Beteiligung der KPÖ wollte konnten sich nur wenige Kommunisten aktiv an den Februarkämpfen beteiligen. Die KPÖ kann aber für sich beanspruchen, in den Monaten vor dem Februar 1934 gerade hier in Linz maßgeblich zur Entwicklung einer offensiven Stimmung gegen die wachsende faschistische Übermacht beigetragen zu haben. Signifikant dafür ist die Aussage von Otto Bauer „Der junge Genosse hat zu 99 Prozent recht“ zum Auftreten von Franz Haider, dem späteren Landesobmann der KPÖ, der kurz vorher im September 1933 zur KPÖ gekommen war bei einer Versammlung im Spätherbst 1933 in der Dorfhalle. Der Vorschlag der KPÖ, die Zentrale des Schutzbundes aus dem gefährdeten Hotel „Schiff“ zu verlegen wurde nicht aufgegriffen – ein fataler Fehler wie sich dann am 12. Februar 1934 zeigte.

Die KPÖ war allerdings zu schwach um dem Kampf eine andere Wendung zu geben. Dass die Haltung der KPÖ im Februar 1934 richtig war, bestätigte sich darin, dass sie nach dem Februarkampf in der Illegalität einen Massenzustrom von 12.000 SozialdemokratInnen erlebte und damit führend im antifaschistischen Widerstandskampf werden konnte. Möglich war das vor allem auch, weil sich die KPÖ schon im Februar 1934 und der Zeit vorher von der für die ArbeiterInnenbewegung so unglückseligen Sozialfaschismusthese abgewendet hatte.

Der Februar 1934 war ein Wendepunkt der österreichischen Geschichte. Der Austrofaschismus konnte nach dem Februar 1934 sein Regime vollends errichten. Dass es auf Sand gebaut war und 1938 dem wesentlich vitaleren braunen Faschismus weichen musste, war dem Dollfuss-Regime freilich nicht bewusst. Weil der Austrofaschismus von Dollfuss und seinem Nachfolger Schuschnigg Österreich als „deutschen Staat“ verstand war aber auch der Weg zum braunen Faschismus vorgezeichnet, der von 1938 bis 1945 Österreich nach der Annexion durch Hitlerdeutschland seiner Terrorherrschaft unterwarf.

Es ist daher eine Schande ersten Ranges, dass die regierende ÖVP auch heute noch das Bild des Arbeitermörders Dollfuß in ihrem Parlamentsklub hängen hat und Dollfuss immer wieder als „Patriot“ dargestellt wird, weil er 1934 beim Naziputsch ermordet wurde. Bezeichnend dafür ist auch, dass eine Gedenktafel für Dollfuss beim Eingang des Linzer Domes nach Freilegung 2005 nicht etwa entfernt, sondern nur mit einem verharmlosenden Zusatztext versehen wurde.

Wenn wir unsere Gedenkkundgebung zum 75. Jahrestag der Februarkämpfe hier beim Denkmal für den sozialdemokratischen Brauereiarbeiter Anton Bulgari, der 1934 am Polygonplatz, dem heutigen Bulgariplatz gekämpft und nach Gefangennahme standrechtlich ermordet wurde, durchführen, so ehren wir mit ihm – unabhängig ob sozialdemokratisch, kommunistisch oder parteilos – stellvertretend alle jene, die vor 75 Jahren aufgestanden sind: „Ihr Mut ist uns Verpflichtung“ hat die KPÖ ihre Erklärung zum Februarjahrestag betitelt und so wollen wir auch das Vermächtnis der FebruarkämpferInnen bewahren. Als Auftrag gegen alle Tendenzen die Demokratie zu zerstören, autoritäre Lösungen durchzusetzen und faschistische Strömungen zuzulassen aufzutreten.

Die Situation von damals und heute hat eines gemeinsam: Die Weltwirtschaftskrise von 1929 war durch wirtschaftliche Not und soziales Elend der Nährboden für faschistische und autoritäre Lösungen, sie führte den meisten Ländern trotz einer starken Arbeiterbewegung zum Faschismus, zur systematischen Menschenvernichtung, zum Krieg und damit zur größten Katastrophe der Menschheit. Heute befinden wir uns wieder mitten in einer Krise die als größte seit 1945 bewertet wird und deren Auswirkungen noch gar nicht absehbar sind. Und es zeichnet sich wieder ab, dass die Sanierung auf Kosten der Lohnabhängigen erfolgen soll, dass gleichzeitig autoritäre Tendenzen verstärkt werden und rechtsextreme und neofaschistische Kräfte Morgenluft wittern. Und das anders als Anfang der 30er Jahre ohne eine starke ArbeiterInnenbewegung.

Die Schlussfolgerungen aus den Ereignissen des Februar 1934 für die heutige Zeit sind daher die Verteidigung der Demokratie, der Kampf gegen die Kapitaloffensive gegen von der Arbeiterbewegung errungene soziale Rechte, die Wachsamkeit gegenüber rechtsextremen und faschistischen Tendenzen und der Kampf gegen Aufrüstung und Krieg. Eine Gesellschaft, die für eine winzige Minderheit immer größeren Reichtum, für eine wachsende Mehrheit aber tagtäglichen Existenzkampf und Abdriften in die Armutsfalle bedeutet kann nicht das Ende der Geschichte sein wie uns nach dem Scheitern des Realsozialismus Anfang der 90er Jahre zu erklären versucht wurde.

Daher müssen jetzt jene zur Sanierung der Krise herangezogen werden. Die jahrelang von den Entwicklungen profitiert haben die dazu geführt haben. Soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit, eine Umverteilung des enormen Produktivitätswachstums zugunsten der breiten Mehrheit der Bevölkerung und deren Mitsprache bei allen wesentlichen politischen Entscheidungen müssen auf die Tagesordnung. Nur so kann eine Entwicklung verhindert werden, die wie 1934 in einen gesellschaftlichen Abgrund führt.

Wir schließen unsere Februarkundgebung mit einer Rezitation des Gedichts „Februarkämpfer“ von Henriette Haill ab. Die Schriftstellerin und Kommunistin Henriette Haill ist zu Unrecht weitgehend vergessen. Es ist ein Verdienst von Erich Hackl, in dessen Büchern sie wiederholt vorkommt, sowie des deutschen Sängers Wenzel, der eine CD mit Liedern von Henriette Haill herausgebracht hat, des Verlegers Franz Steinmassl und der Autorin Christine Roither, die sie biografisch gewürdigt haben, dass sie nicht in Vergessenheit gerät.

Ansprache von Leo Furtlehner, KPÖ-Landessprecher, bei der Gedenkkundgebung am 13. Februar 2009 bei der Gedenktafel am Bulgariplatz in Linz

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