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BEIGEWUM zur aktuellen Finanzkrise

  • Mittwoch, 29. Oktober 2008 @ 11:04
Kapital 1. Umverteilung

Die aktuelle Krise ist nicht nur ein Versagen des Finanzsektors, sondern auch Ergebnis der zunehmenden Verteilungsschieflage der letzten Jahre. Die Ansammlung gigantischer Vermögen auf der Suche nach lukrativen Veranlagungsmöglichkeiten hat dazu geführt, dass die Finanzinstitute mehr Geld in den Händen hatten als durch lukrative Investitionsprojekte absorbiert wurde, weshalb schließlich auch unsolide Kredite vergeben wurden.


Zum Beispiel Kredite an arme Leute, um Häuser auf Kredit zu kaufen, die sie sich eigentlich gar nicht leisten konnten. Statt unleistbare Kredite wären für diese Leute staatliche Unterstützungsmaßnahmen oder sozialer Wohnbau nötig gewesen, finanziert aus Einkommens- und Vermögenssteuern. Die Weigerung, Teile des Einkommens und Vermögens über den Steuertopf den Armen zugute kommen zu lassen, und stattdessen zu versuchen, mit den Armen (Kredit)Geschäfte zu machen, ist schief gegangen. Nur durch staatliche Umverteilung zu den unteren Einkommensschichten wäre eine Kombination aus hoher privater Konsumnachfrage und nachhaltigem Wirtschaftswachstum möglich gewesen. Mehr Umverteilung kann das Entstehen von Finanzblasen verhindern!

2. Staatshilfen nur gegen Auflagen

Dass einzelne Banken nun verstaatlicht werden müssen, ruft in Erinnerung, dass Banken eine wichtige öffentliche Funktion haben, die durch Renditedruck in Mitleidenschaft geraten kann. Eine Rückkehr zum öffentlichen Eigentum an Banken könnte diese öffentliche Funktion wieder stärken. Falls eine steuerfinanzierte Sanierung der Banken nötig ist, sollte das mit einer Vermögenssteuer und einem Zuschlag von 20 Prozent zur Einkommenssteuer für das oberste Fünftel der EinkommensbezieherInnen finanziert werden.

Das sind jene, die von der Wirtschaftspolitik der letzten zwei Jahrzehnte speziell profitiert haben. Die betroffenen Banken, sofern sie in privater Hand bleiben wollen, sollen den Staat für sein Einspringen entschädigen. Keine Beihilfe ohne Bedingungen! Das Bundesgesetz zur Stärkung des Interbankenmarkts ist problematisch. Detailforderungen zum österreichischen Krisen-Paket:

I. Anteile an Banken, die der Staat zur Krisenhilfe erwirbt, sollen nach Erreichen des Zwecks wieder privatisiert werden. Durch die Krise wurde wieder in Erinnerung gerufen, dass Banken eine wichtige öffentliche Aufgabe erfüllen, und diese Aufgabe durch private Eigentümer, die rein auf Rendite bedacht sind, leicht vernachlässigt wird (übrigens auch durch Banken der öffentlichen Hand, die wachsendem Renditedruck ausgesetzt werden) . Deshalb wäre die Krise eine Gelegenheit, über dauerhafte staatliche Beteiligung die öffentlichen/volkswirtschaftlichen Dienstleistungsaufgaben der Banken nachhaltig zu stärken.

II. Als Gegenleistung für staatliche Rekapitalisierung werden im Gesetz eine Reihe von ?Kann?-Bestimmungen (betr. Kreditgewährung, Mittelverwendung, Gehälter, Eigenmittelausstattung, Dividendenpolitik, Arbeitsplatzerhalt, Zeitvorgaben, Rechenschaft, Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen) genannt. Diese Bedingungen müssen verpflichtend verankert werden. Darüber hinaus:

a. Rechenschaftspflicht gegenüber dem Parlament, nicht bloß gegenüber dem Finanzminister notwendig

b. Unterstützung für KleinkreditnehmerInnen: Banken sollen einen Fonds für die Schuldnerberatung bzw. eine unabhängige Beratungsstelle finanzieren, die bei Schuldenproblemen berät. Der jetzt häufig zu hörende Hinweis von Behörden, Fremdwährungskreditnehmer sollen in ihre Bank gehen, um sich beraten zu lassen, ist eine gefährliche Drohung ?Berater (=Verkäufern) haben Interesse an gebührenintensive Umschuldungen statt kundenfreundlichen Lösungen.

c. Einflussnahme auf die Geschäftspolitik: Verbot bestimmter geschäftlicher Betätigungen und Praxen (z.B. keine Verknüpfung von Kleinkundengeschäften mit komplexen riskanten Finanztransaktionen), keine Orientierung am Shareholder Value.

III. Im Gesetz fehlen Details über die Verteilung der Garantien: Werden sie versteigert, auf Antrag gewährt? Wie wird die Kapitalerhöhung bepreist, welche Kontrollrechte erhält der Staat? Welchen Preis hat der Ausstieg des Staates zu einem späteren Zeitpunkt für die Banken? Es fehlen Kriterien, welche Kreditinstitute als systemrelevant zu gelten haben. Staatliche Kapitalspritzen an Banken könnten etwa als Wandelanleihe begeben werden, die nach einer gewissen Zeit optional in Stammaktien umgewandelt werden.

3. Finanzmarktregulierung demokratisieren

Seit zehn Jahren fährt die EU ein massives Deregulierungsprogramm für den Europäischen Finanzmarkt. Geheimniskrämerei kann man ihr dabei nicht vorwerfen: Jede neue Gesetzesinitiative wird öffentlich zur Konsultation ausgeschrieben. Doch Stellungnahmen kommen fast ausschließlich von den Finanzkonzernen ? sie allein haben die notwenige Expertise und entsprechende Ressourcen. Die EU-Regeln für die Finanzindustrie berücksichtigen deswegen viel zu wenig die möglichen Risiken, die von der Finanzwirtschaft für den Rest der Gesellschaft ausgehen. Es braucht ein Gegengewicht in den Beratungen über EU-Regeln für die Finanzwirtschaft. Die EU soll Expertise finanzieren, die stärker gesamtwirtschaftliche, zivilgesellschaftliche, gewerkschaftliche Interessen einbringt!

4. Finanzinstitute regulieren

Außerbilanzielle Verbuchung riskanter Geschäfte, unregulierte Hedge Funds und Private Equity Funds: Während die Staatenwelt sich über unregulierte Staatsfonds aufregt, haben große Bereiche der Finanzwirtschaft außerhalb bestehender Regulierungen agiert. Das muss ein Ende haben. Steuerliche Absetzbarkeit von hohen Managergehältern als Betriebsausgaben und die steuerliche Begünstigung von Entlohnung über Stock Options sollten abgeschafft werden!

5. Finanzinstrumente regulieren

Ein Feuerwerk von innovativen Finanzprodukten, mit denen angeblich das Risiko besser gemanagt werden könne, bereitete die Finanzindustrie ihrer Kundschaft in den letzten Jahren. Dabei entstanden derart komplizierte Produkte und Transaktionen, dass viele Profis die dahinter liegenden Risiken nicht durchschauten und den Überblick verloren. Somit wurde letztlich das Risiko für das Gesamtsystem vergrößert statt verringert und besser verteilt. Auch ein Jahr nach Ausbrechen der Krise ist noch immer vielfach unklar, welche Risiken wo versteckt sind. Alle Finanzinnovationen sollten deshalb in Zukunft einer Bewilligungspflicht unterliegen und so standardisiert werden, dass sie auf Börsen gehandelt werden und so einer gewissen öffentlichen Beobachtbarkeit unterliegen. Verantwortungsvolle Kreditvergabe ist gesetzlich zu erzwingen, um KreditnehmerInnen nicht Schulden aufzuhalsen, deren Tragweite sie nicht erkennen und die sie übergroßen Risiken aussetzen, wie z.B. Fremdwährungskredite in Österreich und räuberische Subprime Kreditvergabe in USA.

6. Finanzsektor nicht weiter überfordern

Der Finanzsektor hat sich in den letzten Jahren als Risiko-Verwaltungsapparat präsentiert, der seine Sache besser und lukrativer macht als der Staat: Von der Unternehmensführung über die Orchestrierung von Fusionen bis zur privaten Pensionsvorsorge konnte der Finanzsektor immer neue Aufgaben an sich ziehen. Immer mehr Bereiche des Alltags werden mit dem Finanzwesen verknüpft. Da sich der Finanzsektor als Risikoproduzent statt als überlegener Risikoverwalter entpuppt hat, der mit den vielen neuen Aufgaben überfordert ist, sollten ihm diese Überlasten wieder abgenommen werden. Die Altersvorsorge und andere Aufgaben müssen staatliche Verantwortung bleiben!

7. Banker auf die Schulbank

In den letzten Jahren wurde vielfach verkündet, der Bevölkerung fehle es an Wirtschafts- und Finanzbildung. Finanzinstitute präsentierten sich als Schulmeister, die den Leuten das "notwendige Rüstzeug" vermitteln wollten, um richtige Entscheidungen zu treffen ? Entscheidungen, die in immer mehr Lebensbereichen die Auswahl zwischen verschiedenen Finanzprodukten betreffen. Jetzt stellt sich heraus, dass die Finanzprofis jahrelang mit Wertpapieren handelten, die sie zum Teil selber nicht verstanden, und jetzt auf Risiken sitzen, derer sie sich bislang gar nicht bewusst waren. Die Finanzwelt ist ihren eigenen Akteuren zu kompliziert geworden. Das spricht aus der Sicht der KonsumentInnen für die staatliche Standardisierung und Vereinfachung von Produkten um sie vergleichbar zu machen. Für die Finanzakteure leitet sich aus dieser Erfahrung die Notwendigkeit ab, mit der Finanzbildung zunächst bei sich selbst zu beginnen: Krisengeschichte als Pflichtfach für Bankmanager und marktliberale Politiker!

8. Stabilisierung der Realwirtschaft

Die Stabilisierung des Finanzsektors ist der erste Schritt im Krisenmanagement. Jetzt ist zielorientiertes Handeln der Geld-, Fiskal- und Lohnpolitik gefragt, um schnell der drohenden globalen Rezession zu entrinnen. Neben weiteren Zinssenkungen der Zentralbanken sind Konjunkturpakete nötig, welche die Vorziehung von staatlichen Investitionen (bspw. Ausbau der Schulen und des öffentlichen Verkehrs) beinhalten. Weiters sind Steuererleichterungen an die untersten Einkommensschichten mit einer hohen Konsumneigung denkbar. Zusätzlich muss verhindert werden, dass insbesondere die europäischen Staaten – und hier allen voran Österreich und Deutschland – versuchen, die Rezession durch Lohnzurückhaltung auf Kosten ihrer Nachbarn zu überwinden. Auf EU-Ebene würde dies zu einem kompletten Wegfall der aggregierten Nachfrage führen, was eine Verschärfung der Rezession zur Folge hätte. Eine koordinierte europäische Lohnpolitik, die zur Stabilisierung der Nachfrage beiträgt, ist notwendig!

Infos: www.beigewum.at

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