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Rassismus im Wahlkampf und danach

  • Samstag, 11. Oktober 2008 @ 14:23
Antifa Zum Ausgang der Nationalratswahl 2008

Massive Verluste für die bisherigen Großparteien SPÖ und ÖVP, die beide auf einen historischen Tiefstand gefallen sind und große Gewinne für die rechtspopulistischen Parteien FPÖ und BZÖ – das ist das Ergebnis der NR-Wahl 2008. Die auf Regierungsbeteiligung schielenden Grünen stagnieren, die Pläne des Liberalen Forums, Königsmacher einer neuen Regierungskoalition zu werden, sind ebenso gescheitert wie ein Parlamentseinzug des Tirolers Dinkhauser. Über 1,5 Millionen WählerInnen (das sind mehr Stimmen als die SPÖ erhalten hat) sind überhaupt nicht zur Wahl gegangen, und über 100.000 Stimmen (mehr als das LIF erhalten hat) waren ungültig.

In diesem Ergebnis äußert sich sowohl die allgemeine Legitimationskrise des politischen Systems, als auch die Erschütterung des von SPÖ und ÖVP dominierten traditionellen österreichischen Parteispektrums zugunsten der gedoppelten rechtsextremen Partei. Dass sich die soziale Frustration über den zunehmenden Reichtum auf der einen und die zunehmende Armut auf der anderen Seite nach rechts entlädt, liegt auch daran, dass es ein wesentliches Element der herrschenden Politik ist, nach links abzublocken und sich nach rechts zu öffnen.

Die entwürdigende und durch rassistische Gesetze abgesicherte Haltung österreichischer Ämter und Behörden, die Übernahme rassistischer Forderungen durch die ÖVP im Wahlkampf und der Versuch des SP-Chefs Faymanns, mit dem Brief an die „Kronenzeitung“ rechten Stimmungen nachzugeben, sind ebenso sichtbare Anzeichen dafür wie die Tatsache, dass die öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt ORF dem Rechtsblock FPÖ/BZÖ in den unmittelbaren Politikerkonfrontationen 40 Prozent der Sendezeit zur Verfügung gestellt und damit als wohl effektivste Propagandaplattform für die Rechtsextremen funktioniert hat.

Das devote Verhalten der österreichischen politischen Klasse und der meisten Medien angesichts des Unfalltodes Jörg Haiders, sprich, die nachträgliche Erhöhung des Ziehvaters des österreichischen Rechtsextremismus, kann als Indiz dafür gewertet werden, dass sich auch nach den Wahlen nicht nur nichts daran ändern wird, sondern dass die Salonfähigkeit des Rechtsextremismus auch auf höchster Ebene schamlos manifestiert wird – wie sich am Beispiel des künftigen, mit der rechtsextremen und neofaschistischen Szene verfilzten dritten Nationalratspräsidenten Graf zeigt.

Auch wenn eine Dreierkoalition nicht ausgeschlossen werden kann und Haiders Unfalltod das Kräfteverhältnis innerhalb der Rechtsaußenparteien verändern wird, ist eine Neuauflage der rotschwarzen Koalition unter Faymann und dem neuen ÖVP-Chef Pröll wahrscheinlich. Wird eine solche Regierung aber nicht mit gravierenden und für die Bevölkerungsmehrheit auch materiell positiv spürbaren Änderungen verbunden, wird sie letztlich eine weitere Stärkung der beiden rechtsextremen Parteien bewirken, die schon in den vergangenen Jahren die rotschwarze Koalition vor sich hergetrieben haben.

Dabei ist die künftige Politik vor allem auch vor dem Hintergrund der internationalen Finanzkrise zu sehen, deren Auswirkungen auf die „Realwirtschaft“ nicht absehbar sind. Dem in den letzten 20 Jahren von den Regierungen verfolgten neoliberale Dogma, alles dem „freien Markt“ zu überlassen, sind die zu erwartenden tiefen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Erschütterungen geschuldet. Weiter von der Politik der bisherigen Regierungsparteien (plus der Grünen) profitieren werden die Rechtsparteien auch in der Europapolitik, wenn nicht an die Stelle der stupiden Propaganda, die EU-Mitgliedschaft hätte „allen“ nur Vorteile gebracht, abgegangen wird.

Der enorme Stimmenzuwachs der Rechten in Österreich ist also ein Mix aus wachsender sozialer Verunsicherung, nationalistisch geprägter EU-Frustration und Rassismus. Österreich ist dabei kein Sonderfall, wie das europaweite Erstarken der Rechtsaußenparteien beweist. Der Habitus „cool, locker und frech“ kann insbesondere bei der weitgehend entpolitisierten, von wachsender Verunsicherung, Perspektivlosigkeit und Ohnmacht besonders betroffenen jüngeren Generation punkten. Aus Protest gegen die Demontage der sozialen Sicherheit die Rechten zu wählen ist letztlich ein Ergebnis der Politik der bisherigen Großparteien und eines von ihnen über Jahrzehnte gepflegten autoritären und paternalistischen Politikverständnisses. Dessen Kehrseite ist eine enorme Entpolitisierung und Reduzierung von Politik auf Show und Events. Ein Aspekt dieser Entpolitisierung ist auch das rasche Vergessen, wie sich bei der Verdrängung der Regierungsverantwortung der SPÖ und später von FPÖ/BZÖ beim Übergang dieser Parteien in die Opposition zeigte.

Laut Analysen war für 40 Prozent der WählerInnen bei den österreichischen Nationalratswahlen das Thema Migration ein wichtiges Wahlmotiv. Nicht zum ersten Mal wurde von FPÖ/BZÖ das „Ausländerthema“ gezielt in den Mittelpunkt der Wahlauseinandersetzung gestellt und zur Verhetzung genutzt, indem so gut wie die Antwort auf jede Frage nach der Schuld an der gesellschaftlichen Misere in einer sehr an die 30er Jahre erinnernden Weise („Die Juden sind schuld“) auf „die Ausländer“ reduziert wurde. Die umso eingängiger, als das Thema freilich auch von den Regierungsparteien, etwa in der Asyl- und Sicherheitspolitik, bedient wird.

Die Kontinuität rassistisch geprägter Regierungspolitik von Löschnak und Matzka bis Prokop und Platter hat das politische Klima durch systematische Verletzungen der Menschenrechte, Zerreißung von Familien, Deportationen und psychische Folter zerstört und den Rassismus salonfähig gemacht. Offene Fremdenfeindlichkeit und aggressiver Rassismus sind nicht nur schon lange in der gesellschaftlichen Mitte angekommen, sie gehen davon aus und werden zunehmend hegemonial. Verständliche Antworten und Argumente zu diesem Thema zu finden, eine alternative gesellschaftliche Praxis durchzusetzen, die der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte entspricht, wird daher eine der wesentlichen Herausforderungen für linke und fortschrittliche Politik sein.

KPÖ-Bundesvorstand 11. Oktober 2008

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