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Alberto Korda, oder: Das unvergängliche Bild

  • Samstag, 14. Juni 2008 @ 08:00
Global Das Bild, das die Menschheit von Che Guevara heute und seit seiner Ermordung 1967 im bolivianischen Bergdorf Higuera hat, ist das Foto des Kubaners Alberto Korda. Von Eberhard Panitz.

Es gehört zu den weltweit am häufigsten reproduzierten Fotografien – es wurde zum Plakat, zum Poster und zum Abbild auf T-Shirts rebellischer junger Leute aller Kontinente dieser Erde. Nicht nur im Protest gegen den mörderischen Vietnamkrieg wurde es zum Zeichen, zum Fanal des Widerstands. Alberto Korda, 1928 in Havanna geboren, wo er heute noch lebt, hat lapidar darüber berichtet, wie dieses Foto entstand:

„Am 5. März 1960, am Tag, nachdem der belgische Frachter ,La Coubre' im Hafen von Havanna explodiert und siebzig Menschen getötet und hundert verletzt worden waren, gab es an der Ecke 12. und 23. Straße eine improvisierte Zeremonie. Fidel Castro hatte den Vorsitz und hielt eine Rede zu Ehren der Opfer des Sabotageaktes. Die Straße war voller Menschen und Blumen regneten auf die vorbeigetragenen Särge herab. Ich arbeitete als Pressefotograf für die Zeitung ,Revolucion´ befand mich ein wenig unterhalb der Tribüne und hatte eine 9-mm-Leica bei mir.

Ich benutzte ein kleines Teleobjektiv und nahm alle Leute in der ersten Reihe, auf: Fidel, Jean Paul Sartre und Simone de Beauvoir. Che war nicht zu sehen, er stand hinter dem Podium. Aber als da für einen Moment in der ersten Reihe eine Lücke entstand, tauchte im Hintergrund seine Gestalt auf. Er geriet ganz unvermittelt in meinen Sucher, und ich machte ein horizontales Foto. Ich begriff sofort, dass dieses Bild mit dem hellen Himmel hinter ihm fast ein Porträt war. Ich brachte die Kamera in die vertikale Lage und machte ein zweites Foto. Das alles dauerte nicht einmal 10 oder IS Sekunden. Che verschwand und kam nicht mehr zum Vorschein. Es war reiner Zufall.“

Der brasilianische Schriftsteller Jorge Amado hat über dieses Bild gesagt: „Das Bild von Che Guevara bleibt, der Zeit zum Trotz und den so ungeheuren Ereignissen, die täglich und unerbittlich eins aufs andere folgen; es bleibt an den Wänden und in den Köpfen vieler junger Menschen: unverändert, schön und romantisch. Ich meine jenes Bild von Che unter der ,Boina' mit dem roten Stern, mit den träumenden Augen, die über die unmittelbare Wirklichkeit hinaussehen, mit dem Bart des Kämpfers, nicht mit dem langen gepflegten Bart eines Mannes, der an die Macht gekommen ist – eine Lederjacke bedeckt die Brust, wo ein ungestümes Herz schlägt.“

Es ist nur eines der Bilder, die wir Korda von Che, Fidel und überhaupt vom revolutionären Kuba verdanken, aber was für eines! Kein Wunder, dass unlängst in einer Magazinsendung des bundesrepublikanischen Fernsehens zu Ches Todestag dieses Foto ins Zentrum der Betrachtung geriet. Man hatte den heute fast siebzigjährigen Korda in Havanna aufgesucht und nach nichts anderem als diesem Bild gefragt. Er schilderte auch, dass der italienische Verleger Feltrinelli im Jahre 1967, als Che in Bolivien war, dieses Foto aus seinem Archiv ausgewählt und mit nach Mailand genommen und nach Ches Ermordung vieltausendfach veröffentlicht und auf Plakaten, Postern, Schriften und Büchern um die Welt geschickt hat – immer nur signiert mit Feltrinellis, nie mit Kordas Namen, des wirklichen Urhebers.

Feltrinellis Witwe, die um eine Erklärung bemüht wurde, wusste nur zu sagen: Kuba habe ja außerhalb der sonst weltweit gültigen Urheberrechtsvereinbarungen gestanden. Alberto Korda hat das nicht in die Anonymität oder ins Vergessen drängen können, seine Bilder sind seine Signatur. Er hat nicht nur Che, sondern auch Fidel Castro und viele andere Mitkämpfer der kubanischen Revolution, der Bodenreform, der Alphabetisierung und der Miliz bei der Abwehr der zahlreichen Aggressionen über die schweren Jahre landauf, landab hinweg mit seiner Leica begleitet und somit eine einmalige Chronik der Ereignisse und vieler denkwürdiger Lebensläufe geschaffen.

Die Schriftstellerin Ruth Werner, die Autorin von „Sonjas Rapport“ und der „Olga-Benario“-Biographie, ist Korda im Februar 1972 an der Küste Kubas als Leiter einer Gruppe von Meeresbiologen und Unterwasserfotografen begegnet. Und das sollte, da hierzulande kaum bekannt, immerhin angemerkt werden – auch das ist Korda: Der erste kubanische! Fotograf, der sich als Taucher ausbilden ließ und später andere anlernte, um für die kubanische Akademie der Wissenschaften die Unterwasserwelt der Insel zu dokumentieren:

„Kapitän Nemo“, nannte ihn Ruth Werner in ihrem Kinderbuch „Ein sommerwarmer Februar“, das sie nach ihrer Kubareise schrieb. Darin erzählt sie von dieser Begegnung: „Und was tat Nemo? Er setzte sich hin, kreuzte die Beine und sagte: ,Heute musste ich daran denken, wie ich mit Fidel Castro tauchen war.' Eine kleine Freude tanzte durch Claudias Traurigkeit. ,Ja´, sagte sie. ,Ja', wiederholt Nemo, ,viele Jahre habe ich ihn als Fotograf begleitet, es war eine großartige Zeit.' Sie fragte: ,Hast du ihm das Tauchen beigebracht?'

Er schüttelte den Kopf: ,Umgekehrt. Du wirst es nicht glauben, aber ich war gar nicht so dafür. Fidel hingegen sagte, wer nicht tauchen kann, kennt nur die Hälfte unseres schönen Landes, er entbehrt eine der größten Freuden des Lebens, du wirst es lernen müssen. Also lernte ich tauchen. Und sobald ich's konnte, gab er mir meine erste Unterwasserkamera. Er fand es wichtiger, dass ich, statt ihn zu fotografieren, die Wunder der Korallenwelt festhielt...'

Wir wissen, Korda fand dennoch zuzeiten anderes wichtiger als die Schönheiten und Wundertier Unterwasserwelt, worüber er wie Fidel – und das ist nicht erdichtet, sondern verbürgt – zuzeiten so ins Schwärmen geraten konnte. Gerade angesichts der beeindruckenden Bilder des Alberto Korda von Che und vielen anderen Menschen auf Kubas Erde ist wohl jedem allzu gegenwärtig, von welchem Meer der Gefährdung und weniger der schönen Wunder dieser Insel der Revolution seit Jahren und Jahrzehnten umgeben ist. Gerade diese Bilder aber sind auch zu einem Zeichen der Hoffnung und des Trotzalledem geworden, dass Kordas, Ches und Fidels Kuba überm Wasser geblieben ist und bleibt.

Quelle: Unsere Zeit, 17. Oktober 1997

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