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Kuba müsste man sein

  • Mittwoch, 23. Januar 2008 @ 12:18
Global Kuba ist das einzige Land der Welt, das die Kriterien einer "nach­haltigen Entwicklung" erfüllt, während Öster­reich mit seinem "öko­logischen Fuß­ab­druck" weit hinterherhinkt - Von Daniel Hausknost

Eine kürzlich in der Fachzeitschrift Ecological Economics (Nr. 64/2008) erschienene Studie ergab, dass es in den vergangenen dreißig Jahren nur ein (zumal nicht westliches) Land geschafft hat, ein zufriedenstellendes Entwicklungsniveau mit einem vertretbaren Umweltbelastungsniveau ("ökologischer Fußabdruck") zu vereinen: Kuba! Grundlage der Studie mit dem Titel "Measuring Sustainable Development – Nation by Nation" war eine Gegenüberstellung von offiziellen Entwicklungsdaten der UNO – auf Basis des Human Development Index (HDI) – und eigenen Berechnungen zum "ökologischen Fußabdruck" des jeweiligen Landes.

Kuba ist demzufolge das einzige Land der Welt, das sich innerhalb des Korridors der "nachhaltigen Entwicklung" befindet. Es vereint einen HDI-Wert von 0,82 (laut UNO ist ein Land ab einem Wert von 0,80 als "hoch entwickelt" einzustufen) mit einem "Fußabdruck" von 0,87 Erdäquivalenten (heißt: Wenn alle Erdenbürger wie die Kubaner lebten, wären dafür 0,87 Planeten ausreichend). Andere Länder sind entweder heillos unterentwickelt oder verbrauchen viel zu viele Ressourcen.

Dass ausgerechnet Kuba auf dem schmalen Grad der nachhaltigen Entwicklung zu balancieren vermag, ist wahrscheinlich mehr ein zufälliges Nebenprodukt der unter Versorgungsengpässen leidenden kommunistischen Wirtschaftsplanung, denn ein Beispiel politischer Zielerreichung. Doch die Tatsache wirft bedeutsame Fragen auf: Welchen normativen Wert kann das „regulative Ideal“ der nachhaltigen Entwicklung für den Norden des Planeten noch haben, wenn das einzige Erfolgsmodell ein maroder karibischer Staat ohne demokratische Grundordnung ist, der diesseits des Äquators als "verarmt" gilt?

Ist nachhaltige Entwicklung nur noch ein Imperativ für arme Länder, während wir im Norden zusehends die Ressourcen des Planeten auffressen und uns selbst aus jeglicher moralischer Pflicht nehmen? Wenn der Begriff der nachhaltigen Entwicklung mehr sein soll als ein politisches Narkotikum für westliche Weltverbesserer, so kann man aus den Ergebnissen dieser Studie hingegen nur einen vernünftigen Schluss ziehen: Die Welt muss Kuba werden!

Wenngleich sich diese Forderung gewiss nicht auf das politische System des autoritären Karibikstaates beziehen kann, so enthält sie dennoch einen ernsthaften Kern: Der Ressourcenverbrauch der Industrienationen muss in weit radikalerem Maße gesenkt werden, als dies die landläufig propagierten Marktmechanismen jemals zu gewährleisten imstande sein werden.

Österreich etwa frönt einem materiellen Lebensstandard, für dessen globale Durchsetzung beinahe drei Planeten notwendig wären! Der Spitzenreiter USA belegt mit seinem Ressourcenverbrauch sogar mehr als fünf Planeten. Insgesamt hat die Menschheit die Biokapazität der Erde bereits um ein Drittel überschritten.

Knebel des Liberalismus

Doch wie soll es jemals gelingen, den ökologischen Fußabdruck eines Landes wie Österreich um zwei Drittel zu verringern, ohne dabei maßgebliche Einbußen an Lebensqualität, sozialer Entwicklung und politischer Stabilität zu erleiden?

Eines scheint klar: Dies wird gewiss nicht durch steuerliche Anreize, Konsumentenbewusstsein und Aufklärungsarbeit allein zu bewerkstelligen sein. Das transformatorische Repertoire liberaler Demokratien ist für die Aufgabe des nachhaltigen Umbaus ganzer Gesellschaftssysteme nicht gerüstet.

Das spricht nicht gegen das Konzept der Demokratie, sondern gegen deren ideologische Knebelung durch den Liberalismus. Obwohl die Verheiratung von Demokratie und Liberalismus in kapitalistischen Industriegesellschaften eine strukturelle Notwendigkeit darstellt, wird diese Verbindung zu oft ideologisch überhöht. Es gibt immerhin auch emanzipierte Formen der Ehe. In diesem Fall wäre das ein Modell, in dem es Sache der politischen Öffentlichkeit ist, grundlegende Entscheidungen über die Rahmenbedingungen des Produktionssystems zu treffen, innerhalb derer dann ein liberaler Markt ungestört florieren kann. Nur eine demokratische Öffentlichkeit kann bestimmen, in welcher Welt sie leben will; der Markt hingegen hat kein Bewusstsein.

Landwirtschaft umstellen

Nehmen wir das Beispiel Landwirtschaft. Kaum ein Sektor trägt so entscheidend zum ökologischen Fußabdruck eines Landes bei wie der Agrarsektor. Es wäre technisch ohne Weiteres möglich, die gesamte landwirtschaftliche Produktion Österreichs, Europas, ja der ganzen Welt auf "biologischen" Standard umzustellen. Dies würde nicht nur den Anteil der Landwirtschaft an den globalen Treibhausgasemissionen auf einen Bruchteil reduzieren (er liegt derzeit bei bis zu 30 Prozent!), sondern auch den gesamten ökologischen Fußabdruck eines Landes drastisch verkleinern.

Um die ganze Welt biologisch (das heißt hauptsächlich ohne den Einsatz von Kunstdünger, Spritzmitteln und Tierfabriken) zu ernähren, müssten lediglich die hoch entwickelten Industrienationen ihren Fleischkonsum um etwa die Hälfte reduzieren.

Warum, so fragt man sich, ist es angesichts der sich zuspitzenden Klima-, Umwelt- und Energiekrisen nicht längst zum erklärten Ziel der offiziellen Politik geworden, das gesamte Landwirtschaftssystem auf biologischen Standard umzustellen? Kaum eine andere Maßnahme wäre besser geeignet, ganze Länder und Regionen dem Ziel einer "nachhaltigen Entwicklung" schlagartig näher zu bringen. Wahrscheinlich könnten sogar ein paar Punkte im Human Development Index dazugewonnen werden – denn Lebenserwartung und -qualität der Menschen würden bestimmt nicht darunter leiden. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.1.2008)

Zur Person: Daniel Hausknost ist Doctoral Fellow an der School of Politics, International Relations and Philosophy, Keele University, in Großbritannien. Zuletzt erschien von ihm "Weg ist das Ziel. Zur Dekonstruktion der Ökologiebewegung" (Wien/Münster: LIT , 2005).

Quelle: Der Standard, 23.1.2008

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