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Flucht ist kein Verbrechen, Menschenrechte sind kein Gnadenakt

  • Sonntag, 9. Dezember 2007 @ 15:00
Österreich Mit dem von ÖVP, BZÖ und SPÖ 2005 gemeinsam beschlossenen Fremdenrechtspaket wurde die ohnehin schon sehr restriktive und von Menschenrechtsorganisationen laufend kritisierte österreichische Asylpolitik weiter verschärft. Auch in diesem Bereich brachte die SPÖ-Regierungsbeteiligung keine Änderungen zum Besseren– im Gegenteil: Im Koalitionsabkommen von SPÖ und ÖVP (Jänner 2007) wurde der „grausliche Status Quo“ bekräftigt.

Angetrieben vom Populismus und Rassismus von FPÖ und BZÖ und verblendet von Stereotypen, die die Großparteien ÖVP und SPÖ selbst geschaffen haben, wird um die Stimmen der „Stammtische“ gebuhlt, wobei christlich-soziale oder demokratische Prinzipien auf der Strecke bleiben. AsylwerberInnen werden nicht selten mit Kriminellen gleichgesetzt – und nicht wenige Medien befördern die Vorurteile.

AsylwerberInnen und ImmigrantInnen sehen sich mit rassistisch motiviertem Hass konfrontiert. ImmigrantInnen müssen zwar in den miesesten Wohnungen leben, die schlechtest bezahlten Arbeitsplätze (oft auch „illegal“) erledigen, aber zugleich werden sie für Entwicklungen verantwortlich gemacht, deren erstes Opfer sie selbst sind.

Angeheizt wurde der rassistische Diskurs höchstoffiziell auch durch die von der vormaligen Ministerin Prokop vorgelegten „Moslem-Integrationsstudie“, die unter den 400.000 muslimischen Menschen in Österreich angeblich 45 Prozent „Integrationsunwillige“ eruierte und damit die religiöse Komponente gezielt in die Fremdenfeindlichkeit einführte. Zielscheibe rassistischer Angriffe sind aber insbesondere auch AsylwerberInnen aus Afrika.

Mittlerweile in die Dutzende geht daher auch die Zahl der brutaler Polizeiübergriffe, die jedoch von Politik und Medien gezielt bagatellisiert werden. „Man darf nicht vergessen, dass es sich um einen verurteilten Drogendealer handelt“, meinte etwa die frühere Innenministerin Prokop zynisch im Fall Bakary J., obwohl Polizisten rechtskräftig wegen Folter verurteilt wurden. Verurteilte Drogendealer, so die Logik der Ex-Ministerin, haben kein Recht, vor Folter geschützt zu sein.

Die Praxis des österreichischen Asylrechts

Vorweg ist klar zu stellen - niemand verlässt ohne triftige Gründe seine Heimat. Menschen flüchten vor politisch oder religiös motivierter Verfolgung, Menschen flüchten vor Hunger und Krieg.

* Durch die Drittlandsklausel wird vielen AsylwerberInnen von vornherein eine Asylgewährung verweigert, da Österreich angeblich von „sicheren“ Staaten umgeben ist.
* Die Glaubhaftmachung einer Verfolgung scheitert vielfach wegen mangelnder gültiger Papiere und an einem bürokratischen Apparat, welcher an Schicksalen von Menschen nicht interessiert ist.
* Die Asylverfahren sind seit 2005 noch komplizierter geworden und dauern nun noch länger. Zusätzliche Formalhürden dienen nicht einem raschen sachgerechten Ergebnis sondern bloßem Zeitgewinn.
* 37 Prozent der Asylverfahren dauern länger als drei Jahre, manche Verfahren sogar länger als zehn Jahre.
* Nach wie vor weigern sich viele Bundesländer strikt die AsylwerberInnen (Stand Mai 2007: 26.029) aliquot zur Bevölkerungszahl aufzunehmen.
* Traumatisierte, gefolterte und andere „klassische“ politische Flüchtlinge hätten - ohne das bis hin zur Selbstaufgabe reichende Eintreten engagierter HelferInnen - überhaupt keine Chance.
* Ein Drittel der Asylwerber kommt in Bundesbetreuung, d.h. sie werden vom Staat in Flüchtlingslagern oder Pensionen untergebracht und versorgt.2/3 der AsylwerberInnen werden von privaten Flüchtlingsorganisationen und NGOs betreut. Diese übernehmen die Unterbringung, Versorgung und Rechtsberatung von Asylwerbern - der Staat entzieht sich seiner Verantwortung.
* Viele Asylsuchende, darunter auch Traumatisierte und Jugendliche, werden in Schubhaft genommen. Mittlerweile ist die Schubhaft in Österreich nicht die Ausnahme, sondern die Norm. * Die Idee einer Zwangsernährung hungerstreikender Schubhäftlinge ist darüber hinaus ein menschenrechtlicher Tabubruch.
* Durch eine perfektionierte Abschiebeberatung geben zahlreiche Flüchtlinge einen Berufungsverzicht ab, darunter auch gefolterte AsylwerberInnen.
* Bescheide werden ohne ordnungsgemäßes Verfahren erlassen.
* 2006 wurden über 4.000 Menschen aus Österreich deportiert.
* 2004 wurden von über 24.000 Anträgen nur rund 5.000 positiv abgeschlossen.

Eine wesentliche Auswirkung des Fremdenrechtspakets ist, dass seit Jahren in Österreich lebende und im örtlichen Umfeld integrierte Familien menschenrechtswidrig auseinander gerissen werden. Von Abschiebungen betroffen sind besonders auch asylwerbende EhepartnerInnen, gegenüber denen ein „Generalverdacht“ erhoben wird, die Ehe nur wegen des Aufenthaltstitels eingegangen zu sein. PartnerInnenschaften werden besonders leicht zerrissen, wenn die PartnerInnen eine Ehe nicht eingehen wollen bzw. dürfen – wie das bei gleichgeschlechtlichen PartnerInnen der Fall ist. Gespräche mit der Initiative „Ehe ohne Grenzen“ verweigert das Innenministerium seit Monaten.

Flüchtlinge kommen nach Österreich auch mit der Hoffnung auf ein besseres Leben, wofür Arbeit, um sein Leben finanzieren zu können, eine wichtige Vorsetzung ist. Ein Fünftel der AsylwerberInnen verfügt über einen Hochschulabschluss, aber arbeiten dürfen Sie höchstens als ErntehelferInnen. Sie müssen mit einem monatlichen Taschengeld von 40 Euro auskommen und sind – anders als etwa in Schweden – gleichzeitig dezidiert vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen.

Dadurch wird ihnen die Möglichkeit genommen, selbst für ihren Lebensunterhalt aufzukommen und ihnen ein menschenwürdiges Leben verunmöglicht. Dies führt bei langwierigen Asylverfahren zu einer gezielten Dequalifizierung und hat durch fehlendes Einkommen oft auch negative Auswirkungen auf die Betroffen und fördert auch die von den Populisten beklagte Kriminalität.

Mittlerweile hat sich ein parteiübergreifendes Engagement in zahlreichen Orten gegen die Zerreißung integrierter AsylwerberInnenfamilien entwickelt und sogar Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung – wenn wohl auch aus anderen Gründen – kritisieren die Auswüchse des Fremdenrechtspakets. Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Karl Korinek, spricht mittlerweile sogar von einer 'Gefährdung des Rechtsstaates' und von 'massiven Fehlern' im Fremdengesetz. Dem steht die harte Haltung von Innenminister Platter und fast der gesamten ÖVP gegenüber. Und auch die SPÖ-Granden sehe keine Notwendigkeit für Änderungen beim Fremdenrecht.

Ein Bleiberecht in Einzelfällen nach einer Bedarfsprüfung – wie von Platter vorgeschlagen - ist jedoch keine Lösung. Notwendig sind allgemeine für alle AsylwerberInnen bundesweit geltende Regelungen. Eine Delegierung der Entscheidungsbefugnis auf die Landeshauptleute ist ganz sicher der falsche Weg.

AsylwerberInnen dürfen nicht länger als Sündenböcke für parteipolitische Profilierung und zur systematischen Verhetzung missbraucht werden. Zu lange schon lassen sich die beiden Großparteien treiben und passen sich ebenso wie teilweise sogar die Grünen den Vorgaben der rechtspopulistischen Parteien an. Diese Spirale muss endlich durchbrochen werden.

Eine verantwortungsvolle Asylpolitik muss auf eine langfristige und vorausschauende Gestaltung des Zusammenlebens zielen. Im Interesse von AsylwerberInnen, ZuwanderInnen und hier Geborener. Eine verantwortungsvolle Fremdenrechtspolitik muss Andersdenkende von vernünftigen Maßnahmen überzeugen und ist mit symbolischer Klientelbefriedigung unvereinbar.

Die wichtigsten Punkte dabei sind
* der Abschluss von Asylverfahren nach maximal einem Jahr mit anschließendem Bleiberecht,
* die Abschaffung der Schubhaft,
* freier Zugang für AsylwerberInnen zum Arbeitsmarkt und Legalisierung illegalisierter Flüchtlinge
* die Aufhebung des Fremdengesetzpakets von 2005
* Der vor wenigen Tagen von der Regierung durchgeboxte Asylgerichtshof, der mit 1. Juli 2008 seine Arbeit aufnehmen soll, wird von uns ebenfalls abgelehnt, da AsylwerberInnen in Hinkunft die Möglichkeit sich an den Verwaltungsgerichtshof zu wenden verwehrt wäre und damit ein rechtsstaatlicher Mindeststandard für AsylwerberInnen abgeschafft wird.

Die Trennung in „böse“ Wirtschaftsflüchtlinge und „gute“ politische Flüchtlinge ist insofern absurd, weil Europa über Jahrhunderte Strukturen in Afrika und Asien zerstört hat, weil westeuropäische und US-amerikanische Konzerne und die herrschende neoliberale Weltwirtschaftsordnung auch heute noch für die Ausbeutung der Staaten des Trikonts (teilweise kosmetisch behübscht durch Marionettenregierungen vor Ort) hauptverantwortlich sind. Nicht der reiche Norden finanziert den armen Süden, sondern umgekehrt: Summiert man alle Kreditflüsse (Neukredite minus Rückzahlungen plus Zinsendienst), fließt unterm Strich Geld von Süd nach Nord – und dies seit 18 Jahren, wie selbst die Weltbank in ihrem Bericht aus dem Jahr 2000 eingesehen musste. 1999 erreichte der Nettokapitaltransfer von Süd nach Nord übrigens einen absoluten Rekord: 114,6 Milliarden US-Dollar flossen in den reichen Norden.

Gleiche Rechte für alle in Österreich lebenden Menschen

Asylpolitik und Immigrationspolitik sind zweierlei – doch entgegen allen populistischen Behauptungen ist Österreich sehr wohl ein Einwanderungsland. Mit 13 Prozent liegt der Anteil der im Ausland geborenen Bevölkerung genauso hoch wie in den USA, die als klassisches Einwanderungsland gelten. Nur in Luxemburg, Australien, der Schweiz, Neuseeland und Kanada liegt dieser Anteil höher als in Österreich.

Es ist absurd und pervers, dass Menschen, die seit Jahrzehnten in Österreich leben bzw. die in Österreich geboren wurden, per Gesetz zu „Bürgern zweiter Klasse“ degradiert werden. D.h.: Es ist an der Zeit, dass die Errungenschaften der französischen Revolution endlich zur gelebten Praxis werden. D.h.: alle in Österreich lebenden Mensche müssen, unabhängig von der Staatsbürgerschaft, über die gleichen sozialen und politischen Rechte verfügen können.

Beschlossen vom 34. Parteitag der KPÖ am 9. Dezember 2007 in Wien

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