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ORF-Debatte über EU-Vertrag auf Stammtischniveau

  • Montag, 12. November 2007 @ 09:31
Europa Der ORF lässt „Im Zentrum“ am 11. November 2007 über den EU-Vertrag von Lissabon bzw. ein pro und kontra zu einer Volksabstimmung darüber diskutieren. Der erste Eindruck ist bezeichnend: Eine reine Männerrunde diskutiert im besten Stammtisch-Stil zeitweise so lautstark und unkultiviert, dass das p.t. Publikum über weite Strecken einfach wegdiskutiert wird. Warum kann sich der ORF nicht dazu durchringen, den eingeladenen Parteien vorzuschreiben, Frauen zu nominieren oder eine Anwesenheit bleiben zu lassen.

Apropos Einladungspolitik: Moderator Elmar Oberhauser versucht wortreich zu begründen, warum der EU-Abgeordnete Hans-Peter Martin nicht eingeladen wurde. Nämlich weil man nur die Vertreter der Regierungs- und Parlamentsparteien in Österreich dabei haben wollte. Mit dieser mehr als fadenscheinigen Begründung wurde auch „elegant“ verhindert, VertreterInnen von EU-kritischen Gruppen einzuladen – mit dem Ergebnis, dass EU-Kritik Marke ORF auf die Rechtsrabauken Jörg Haider (BZÖ) und Andreas Mölzer (FPÖ) reduziert wird und EU-Kritik generell ins rechte Eck gestellt wird, wie etwa die von 21 zivilgesellschaftlichen Gruppen getragene Plattform Volxabstimmung EU-Vertrag völlig zu Recht kritisierte.

SPÖ-Klubchef Josef Cap, für den der Vertrag „nicht anderes als die Verfassung mit einigen Abstrichen“ ist, bestreitet einen Eingriff in das „Gesamtkunstwerk“ österreichische Verfassung, ergo dessen sei eine Volksabstimmung nicht notwendig. Es sei Konsens der Regierungen der 27 EU-Länder, kein Referendum durchzuführen, in Österreich sieht er keinen Weg zu einer Volksabstimmung. Gleichzeitig erwärmt sich Cap für eine EU-weite Volksabstimmung – ein Instrument, das es freilich noch gar nicht gibt. Den Widerspruch, warum es gut wäre, das Volk EU-weit zu befragen, in Österreich aber nicht, kann er nicht wirklich aufklären.

Für Cap handelt es sich um keine Entscheidung die Österreich trifft und meint gar „ich weiß, dass man diesen Vertrag nicht lesen kann“. Der Zorn der Menschen über die EU resultiert für den SPÖ-Klubchef aus deren Handlungsunfähigkeit. Aber ist es nicht vielmehr oft zuviel Handlungsfähigkeit, denkt man an Sozialabbau, Arbeitslosigkeit, zunehmende Armut usw. als Folge neoliberaler EU-Politik? Caps Schwärmerei über die Sozialcharta lässt weismachen, dass er selbst glaubt, allein damit würden soziale Ansprüche realisiert. Einmal mehr wiederholt Cap seine Formel „Gemeinsam sind wir stark“ als Argument für den EU-Vertrag. Wofür die EU stark sein und schneller entscheiden soll, sagt er wohlweislich nicht. Es macht sicht wohl nicht so gut, als mit den USA auf Augenhöhe agierende Supermacht zu erscheinen, die weltweite Interventionsfähigkeit beansprucht und eben das ist unter anderem auch im Vertrag vorgesehen.

Der ÖVP-Vertreter Erhard Busek räumt immerhin ein, dass das Parlament jederzeit eine Volksabstimmung beschließen kann, lehnt aber gleichzeitig ein Referendum vehement ab und bestreitet, dass laut Umfragen 70 Prozent der ÖsterreicherInnen ein solches wollen. Er weist aber richtigerweise darauf hin, dass die österreichische Politik schizophren ist, wenn sie in Brüssel zustimmt und in Wien auf die EU schimpft. Das Nein in Frankreich und den Niederlanden 2005 sieht Busek mit einer Absage an die etablierte Politik und nicht an die Verfassung begründet. Dass die neoliberale Politik mit all ihren Auswirkungen und die damit verbundene zunehmende Verunsicherung von immer mehr Menschen letztlich mit den in der gescheiterten Verfassung wie in deren Neuauflage als Vertrag verankerten Werten verbunden sein könnte, geht ihm wohl nicht in den Sinn.

„Das ist die Stunde der Demagogen“ meint der grüne „Europäer“ Johannes Voggenhuber in Richtung Haider und Mölzer, erweist sich mit seiner blauäugigen Argumentation und hartnäckigen Ignorieren wohlbekannter Fakten aber selber als solcher. Seine Aussage, mit dem Vertrag werde der Beitritt von 1995 auf zusätzliche Bereiche ausgedehnt konterkariert die Hartnäckigkeit eine Volksabstimmung zu verweigern.

Voggenhuber hält Haider vor, dass der Euro nicht ein „butterweiches Spielgeld“ sondern eine der „härtesten Währungen“ geworden ist. Wer den Preis durch einen Teuerungsschub sondergleichen zu zahlen hat, berührt ihn hingegen ebenso wenig wie der Umstand, dass von EU-Beitritt und Erweiterung keineswegs „wir alle“ profitiert haben, sondern durch eine wachsende Umverteilung nur eine kleine Minderheit. Voggenhuber fordert, Regierung und Medien sollten mehr über den EU-Vertrag informieren. Dass gerade eine Volksabstimmung der Anlass für eine verstärkte inhaltliche Auseinandersetzung darüber wäre, will ihm hingegen nicht in den Sinn kommen.

Ausgerechnet der für sein gestörtes Verhältnis zur österreichischen Verfassung bekannte Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider meint treuherzig „Österreichische Politiker haben in erster Linie die Verfassung einzuhalten“. Eifrig assistiert vom FPÖ-Rechtsaußen Andreas Mölzer rechnet er Cap, Busek und Voggenhuber genüsslich vor, dass die Politikfelder mit Mehrheitsentscheidungen auf 187 ausgedehnt werden und die Regierung die vereinbarte Konsultation mit Ländern und Gemeinden in Hinblick auf den EU-Vertrag nicht praktiziert.

Haider macht aber letztlich auch deutlich, dass hinter seiner „Kritik“ nur pure Fremdenfeindlichkeit steckt, indem er die EU als von Österreich abgehobenen Fremdkörper darstellt, ganz so als wären nicht sämtliche Entscheidungen auf EU-Ebene mit österreichischer Zustimmung – in den Jahren 2000 bis 2006 sogar explizit durch Vertreter seiner eigenen Partei – getroffen worden. Haider wird daher zu Recht von Cap auf seine Doppelbödigkeit angesprochen, weil die Abgeordneten des BZÖ 2005 im Parlament der EU-Verfassung zugestimmt hatten und Haider damals auch nicht auf die Idee gekommen war, in Kärnten darüber eine Volksbefragung durchzuführen, sondern die Koalitionstreue zur ÖVP Vorrang hatte.

Als Resümee der teilweise wüsten Debatte bleibt die Grundfrage, welche Politik eigentlich hinter dem EU-Vertrag von Lissabon steht. Der Charakter der neoliberalen Politik der EU und ihrer Mitgliedsländer – diese und weniger den abstrakten Vertrag spüren die Menschen praktisch – wird in der Debatte sorgsam ausgeklammert. Warum bei den regelmäßigen Eurobarometer-Umfragen eine hohe Ablehnung der EU, insbesondere auch in Österreich, zum Ausdruck kommt, scheint den Herren von SPÖ, ÖVP und Grünen in der ORF-Runde egal zu sein.

Mit ihrer sturen Ablehnung einer Volksabstimmung ermöglicht es das rot-schwarz-grüne Dreigespann den Populisten von FPÖ und BZÖ gleichermaßen, sich als Demokraten aufzuspielen. Indem EU-Kritik den Rechtsparteien zugeteilt wird, die sich aber die Regierungsparteien ungeachtet aller fremdenfeindlichen Widerlichkeiten und Verfilzungen zum Rechtsextremismus weiterhin als Partner für künftige Koalitionen offen halten wollen, wird ein Spiel mit verteilten Rollen deutlich. Fortschrittliche oder gar linke Kritik an der EU bleibt hingegen sorgsam ausgeklammert.

Leo Furtlehner

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