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Partei der Europäischen Linken: Alternativen Entwickeln

  • Sonntag, 25. November 2007 @ 19:55
Europa Politische Thesen des 2. Kongresses der Europäischen Linken, 23.-25. November 2007 in Prag, durch die EL ExB Arbeitsgruppe “Politische Thesen” bearbeitete Fassung, Brüssel, 12. November 2007

Der 2. Kongress der Partei der Europäischen Linken findet zu einem Zeitpunkt statt, da die Bürger Europas in ihrem sozialen, wirtschaftlichen und politischen Leben vor einer entscheidenden Herausforderung stehen – für die Zukunft der Europäischen Union, des Kontinents und der Welt neue, konkrete Antworten zu geben. In unseren Ländern und in der Europäischen Union sind wir Tag für Tag mit einer Politik konfrontiert, die keinen überzeugenden alternativen Ausweg aus der Sackgasse zu weisen vermag, in die der Neoliberalismus die Menschheit geführt hat.

Jeder Mensch möchte in Würde leben und über sein/ihr Schicksal selbst bestimmen. Die herrschende Politik verweigert jedoch den Bürgern Europas das Recht, über die Zukunft des Kontinents zu entscheiden. Eine Kursänderung der Politik ist unser strategisches Ziel. Die Europawahlen von 2009 bieten der Europäischen Linken eine wichtige Gelegenheit, die Auseinandersetzung über europäische Themen zu politisieren und diese Kursänderung in Europa einzuleiten.

I. Die Partei der Europäischen Linken: Eine andere Politik für eine andere Gesellschaft

A. Wo wir stehen

Der Widerspruch zwischen Kapitalismus und Emanzipation des Menschen, Aufrüstung und Krieg, Klimawandel und Umweltkatastrophen sowie die Privatisierung aller Lebensbereiche haben erneut zu der Frage geführt: „Sozialismus oder Barbarei“?

Die Strategie des Krieges im Namen von Prävention, Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen und Kampf gegen den Terrorismus war ein Fehlschlag und hat eine Krise ausgelöst. Aber Europa und seine Regierungen sind nicht in der Lage, mit dieser Logik zu brechen. Neue Strategien und ein Kräfteverhältnis, das zur politischen Regelung internationaler Streitfragen führt, sind noch nicht in Sicht, wie das tragische Szenario im Nahen Osten, besonders in Palästina, zeigt. Solche Unfähigkeit kann die Situation nur weiter eskalieren und die Spirale von Krieg und Terrorismus weiter drehen. Diese Logik führt zu Wettrüsten und der Militarisierung der europäischen Politik unter der Hegemonie der USA.

Zugleich dominiert inmitten von Chaos und turbulentem Übergang eine neue Form von „neoliberalem Organizismus“, der die Politik unterminiert. Die fundamentalistische Basis dieses neuen Kapitalismus ist die Vorstellung, das Unternehmen biete ein Paradigma, ein Modell für alles – nicht nur für die Organisation der Produktion, als wirtschaftliches Akteur, sondern für die Organisation von Wirtschaft und Gesellschaft als Ganzes. Mit der Behauptung, das Paradigma sei „neutral“, soll die Politik ersetzt oder den Zielen der Wirtschaft untergeordnet werden. Sie wäre dann zur Sinnlosigkeit verurteilt.

Es wird immer deutlicher, dass die Versuche zum Abbau des öffentlichen Sektors, dass die brutalen Angriffe gegen die Gewerkschaften, die wir gegenwärtig in Westeuropa erleben, der Vorstellung dienen, alle Sektoren, die nicht mehr als „produktiv“ angesehen werden oder die direkte Machtausübung dieser neuen politischen Akteure stören könnten, ein für allemal zu beseitigen. Die wirtschaftlichen Fragen sollen also der Großbourgeoisie, den Banken und Finanzinstitutionen überlassen werden, während sich die Politik um die Armen und Ausgegrenzten kümmert, das heißt um Probleme, die die Wirtschaft ihr übrig lässt.

Die von Maastricht ausgehenden neoliberalen Weichenstellungen haben eine Erosion der materiellen Lebensbedingungen weiter Teile der Bevölkerung verursacht und zu einer Krise der Ablehnung der europäischen Integration geführt. Diese Krise ist darauf zurückzuführen, dass es dem patriarchalen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Modell an Nachhaltigkeit fehlt, weshalb es unerträgliche Ungleichheit, Umweltkatastrophen sowie prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen hervorbringt. Damit können die politischen Probleme nicht gelöst werden, die dem Versagen des sozialen und politischen Zusammenhalts auf dem alten Kontinent zugrunde liegen. Die alten politischen Mächte können diese Probleme nicht lösen, weil sie an der Politik von Maastricht festhalten, wodurch ein politisches Vakuum entsteht.

Dieses Vakuum und fehlende Aussichten auf Veränderung können zum Erfolg neopopulistischer Projekte führen, die auf einer Mischung von fremdenfeindlichen, rassistischen Elementen und neoliberalen Prinzipien beruhen. Deren Verfechter benutzen Angst und Unsicherheit als Hebel für einen reaktionären Massenpopulismus, für chauvinistische Tendenzen, die eine tödliche Bedrohung für Bürgerrechte, demokratische Gleichheit, die Verteidigung sozialer Errungenschaften, ja des Sozialstaates selbst darstellen.

Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, müssen wir gemeinsam mit dem Volk soziale und kulturelle Aktionen entfalten, den Kampf um soziale Transformation unter den gegenwärtigen Bedingungen führen, um so dem politischem Handeln wieder einen Sinn zu geben. Die Voraussetzung für mehr Akzeptanz der EU bei ihren Bürgern sind mehr Gelegenheiten für Teilhabe. Die Europäische Linke setzt sich für die Demokratisierung der Europäischen Union und ihrer Institutionen ein.

Wie unterschiedlich die Bedingungen in den einzelnen Ländern auch sein mögen, so ist die Krise, die die gesamte Gesellschaft erfasst hat, eine Krise des sozialen Zusammenhalts, wie Europa ihn bisher kannte. Sie löst Konflikte, Spaltungen und Spannungen aus. Sie spitzt den Klassenkampf zu. Gemessen an traditionellen politischen Kategorien, ob nun rechter oder linker Natur, nehmen diese Konflikte neue Formen an, weisen andere Eigenschaften auf. In diesem Rahmen gehen in der Geografie der europäischen Linken tiefgreifende Veränderungen vor sich, die paradoxe Wirkungen hervorbringen. Erstens nimmt unter der politischen Kräften die nationale Politik wieder an Bedeutung zu. Der europäische Integrationsprozess verlangsamt sich und wird widersprüchlicher. Das Eingreifen des Staates in die Wirtschaft, das Ziel allgemeinen Wohlstandes und des Erreichens sozialer Kompromisse durch das Handeln der Gewerkschaften werden in Frage gestellt. Statt dessen beherrscht die Ideologie der kapitalistischen Globalisierung und des offenen Marktes mit freiem Wettbewerb das politische Denken. Es ist bedauerlich, dass einige linke und sozialdemokratische Parteien im Namen eines „linken Liberalismus“ dieser Linie folgen.

Die Krise der Politik ist eine der gefährlichsten und am wenigsten untersuchten Auswirkungen des neoliberalen Modells, das unserem Kontinent nun schon seit zwanzig Jahren aufgezwungen wird. Die Krise des Verhältnisses zwischen Politik, Institutionen und Gesellschaft hat ein Vakuum geschaffen, das wegen des Fehlens einer Perspektive den Eindruck erweckt, die Politik sei nicht in der Lage, sich den großen Fragen unserer Zeit zu stellen.

Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, ausgehend von diesen Realitäten eine neue Perspektive zu weisen.

Diese Aufgabe muss unser Kongress bewältigen. Er muss die EL angesichts dieser Herausforderungen weiter profilieren.

Die Partei der Europäischen Linken ist von politischen Parteien gegründet worden, die soziale und demokratische Transformation sowie Alternativen zur neoliberalen Politik durch aktives Engagement in den Institutionen und in den verschiedenen alternativen Bewegungen erreichen wollen. Wir möchten zur Entstehung einer neuen politischen Kraft in Europa, zum Aufbau von Bündnissen beitragen, die etwas ändern, so dass reale Alternativen entstehen.

B. Kämpfe, soziale Bewegungen und die Rolle der EL

Die Volkskämpfe, die sozialen und Bürgerbewegungen im globalen Maßstab haben die Forderung auf die Tagesordnung gesetzt: „Eine andere Welt ist möglich!“ Die globale Bewegung hat nicht nur die großen internationalen und transnationalen Institutionen herausgefordert, sondern auch die wirtschaftliche Macht. Wenn sie sich auch ungleichmäßig entwickelt, ist diese Bewegung dennoch eine wertvolle Quelle der Erneuerung linker Politik.

Das Nein zum Verfassungsvertrag in Frankreich und den Niederlanden hat sich in allen Ländern der Europäischen Union ausgewirkt und die tiefe Vertrauenskrise gegenüber der neoliberalen Orientierung der europäischen Politik offenbar gemacht. Europa erlebt weiterhin bedeutende Konflikte sozialer, bürgerrechtlicher und kultureller Natur. Die Gewerkschaftsbewegung steht vor neuen Herausforderungen. Der „alte“ Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit wird von neuen Zielen und Widersprüchen zwischen den Geschlechtern, Generationen, Kulturen und ethnischen Gruppen überrollt, vor allem aber von dem Bewusstsein, dass das Verhältnis von Mensch und Umwelt sie alle überlagert.

Aber die meisten dieser Kämpfe fließen nicht von selbst zusammen oder treten in Kontakt mit Formen der politischen Vertretung. Viele Forderungen der neuen Generationen, die das Arbeitsleben, das Leben insgesamt, die von der Gender-Frage beeinflussten zwischenmenschlichen Beziehungen betreffen, führen nicht automatisch zu einer vorherrschenden Kultur, wie Antonio Gramsci sie genannt hat. Alle diese Forderungen werden nur dann zu einem Gesellschaftsprojekt, wenn sie mit einer Kultur der Transformation und einer entsprechenden politischen Struktur zusammenwirken, die in der Lage ist, die Kräfte des Protests und die Verfechter sozialer Veränderungen zusammenzuführen.

Das ist die Aufgabe der EL.

Dieser Forderung können wir nur durch eine tiefgreifende Transformation der politischen Kultur gerecht werden. Das erfordert große Anstrengungen bei der theoretischen und praktischen Erneuerung. Wenn wir dazu nicht in der Lage sind, wird die Arbeit zu einem rein ökonomischen Faktor herabsinken, statt ein Paradigma für Emanzipation, für individuelle und kollektive Freiheit zu sein. Die Krise der Linken und der Demokratie würde sich weiter verschärfen.

Wir sprechen von einer Gesellschaft, in der zahlreiche Bewegungen für Veränderungen wirken, die von Spaltung, Gewalt, besonders gegen Frauen, von Individualismus und „tribalem“ Egoismus zerrissen ist. Angesichts dessen müssen wir im Lager des Kampfes für Veränderungen ein einheitliches soziales und kulturelles System aufbauen, müssen wir einen Prozess der Vereinigung, der Sozialisierung und gemeinsamer Politisierung befördern.

Wir müssen die Transformation der gesamten Gesellschaft als integrierenden Bestandteil einer großen kulturellen Transformation, der Einführung neuer Formen des Zusammenlebens begreifen.

C. Europa und die Institutionen

Die Legitimitätskrise der Politik gefährdet den Prozess der europäischen Integration. Das Vertrauen in die europäischen Institutionen war noch nie so gering wie heute.

Die jüngste Ratspräsidentschaft hat sich erneut selbst Schranken auferlegt, indem sie die EU auf den globalen Wettbewerb in Bereichen wie Arbeitsmarkt, Energiepolitik, Naturressourcen und andere orientierte. In der Berliner Erklärung vom 25. März 2007 und beim EU-Gipfel vom Juni 2007 hat man auf der Logik des Binnenmarktes und dem von Maastricht geschaffenen Rahmen bestanden. Damit wurde der neoliberale Kurs der europäischen Integration bewahrt und mit ihm die politische Orientierung des neuen Vertrages. Wieder sollen die Entscheidungen von einer Regierungskonferenz und vom Europäischen Rat getroffen werden, ohne dass eine demokratische Debatte oder die Abstimmung in einem Referendum zugelassen werden. Das kann die Kluft zwischen den Bürgern Europas und dem europäischen Projekt nur weiter vertiefen.

Statt die schwierigen politischen Probleme zu lösen, die die Krise der EU ausgelöst haben, versuchen die europäischen Regierungen sie zu umgehen. Heute stehen nicht nur die sozialen Errungenschaften der Arbeiter-, Frauen-, Friedens- und Umweltbewegungen auf dem Spiel, wie sie der Sieg über den Nazifaschismus in den Ländern Ost- und Westeuropas hervorgebracht hat, sondern viel mehr das Recht auf Organisation schlechthin.

Wenn man das politische System den Interessen der Finanzmärkte und der kapitalistischen Wirtschaftsmächte unterwirft, die Macht weiter konzentriert und die Politik mehr und mehr personalisiert, stellt man damit die traditionelle Organisation der Zivilgesellschaft in Frage.

Der wachsende Druck auf den Zentralstaat und die Lokalverwaltungen, mehr Sicherheit zu gewährleisten, ist die andere Seite der fortschreitenden Aushöhlung der Demokratie. Wenn die Ausnahme zur Regel, wenn der Ausnahmezustand zum Dauerzustand wird, wenn die Freiräume immer mehr eingeengt werden, dann wird es zur wichtigsten, wenn nicht gar alleinigen Aufgabe der res publica, Repression auszuüben, für „law and order“ zu sorgen.

Die Partei der Europäischen Linken muss in ihrem politischen Handeln einen Qualitätssprung erreichen. Das hängt von ihrer Fähigkeit ab, sich dem angeblich schicksalhaften neoliberalen Gesellschaftskonzept entgegenzustellen, die Überzeugung auszustrahlen, dass die Dinge verändert werden können.

Das macht eine konsequente Auseinandersetzung mit der Ideologie des Neoliberalismus erforderlich. Es geht um Lösungen für die Probleme, die aus den täglichen Erfahrungen der verschiedenen Bewegungen erwachsen. Diese Kämpfe können den Einstieg in eine sozio-ökologische Transformation Europas bewirken. Hier weist die Politik der EL große Schnittmengen mit Positionen der Arbeiterbewegung, der Gewerkschaften, der alterglobalistischen Bewegungen, dem Europäischen Sozialforum, mit Positionen feministischer, ökologischer und sozialer Bewegungen, mit der Welt von Wissenschaft und Kunst auf.

Dieses Projekt erfordert eine engere Vernetzung unserer Parteien auf europäischer Ebene, die Entwicklung neuer Formen von Kommunikation und Kooperation. Es erfordert ein schärferes politisches Profil unserer parlamentarischen und außerparlamentarischen Kämpfe auf europäischer Ebene. Wir haben das Ziel, die große Koalition von Populisten, Konservativen und Sozialdemokraten aufzubrechen, die das Projekt Europa bisher geprägt hat. Wir wollen das Angebot einer linken Alternative ins Gespräch bringen.

Die soziale Verwüstung, die die Reformen auf dem Arbeitsmarkt und das rasche Wachstum dessen bewirkt haben, was wir Prekariat nennen – stellt den Bereich dar, gegen den wir unsere Sozialpolitik entwickeln müssen. Deshalb müssen wir die europäische Politik des Grünbuchs bekämpfen, jenen erneuten Versuch, die Tarifautonomie auszuhebeln und ein individualistisches Beschäftigungsmodell einzuführen. Prekarität ist nicht etwas, mit dem nur junge Menschen und Frauen am Arbeitsplatz konfrontiert sind. Es ist die Beschreibung eines sozialen und kulturellen Zustandes.

Das ist nicht nur ein ökonomisches Problem. Es ist eine Frage, die die Zivilisation als Ganzes betrifft. Es ist eine Krise der menschlichen Existenz, vergleichbar den offenen Fragen des Verhältnisses zwischen den Geschlechtern, den Generationen und Gemeinschaften, zwischen Individuum und Klasse, Individuum und Gesellschaft. Dem Wesen nach handelt es sich um eine echte Zivilisationskrise. Und das enorme Anwachsen der Ungleichheit ist ihr wichtigster Charakterzug.

D. Für einen demokratischen Neuaufbau Europas

Die Partei der Europäischen Linken ist das einzige politische Subjekt auf dem europäischen Kontinent, das eine einheitliche Position zum Europäischen Verfassungsvertrag einnimmt. Ausgangspunkt unserer Gegenposition ist die Kritik am undemokratischen, neoliberalen, patriarchalen und militaristischen Modell der europäischen Integration (das von dem Vertrag institutionalisiert wird).

Wir haben es bisher gesagt und wir sagen es erneut: Nach der Ablehnung durch die Referenda in Frankreich und den Niederlanden ist der Vertrag tot. Alle, die ihn mit alchimistischem Zauber der Institutionen wiederbeleben wollen und dabei die Gründe für seine Ablehnung umgehen, wie es die europäischen Regierungen versuchen, führen Europa in eine neue Sackgasse. Das Projekt eines „modifizierten Vertrages“, das in Wirklichkeit die Substanz des abgelehnten Vertrages wieder aufnimmt, wird die gegenwärtige Zustimmungskrise nicht lösen. Mehr noch, jeder Schachzug, der die Völker von der Ratifizierung des Vertrages auszuschließen versucht, ist nicht nur unannehmbar, sondern auch gefährlich für die Zukunft der Europäischen Union.

Gegenwärtig ist die Gefahr größer denn je, dass das „Hindernis“, dass der ausdrückliche Wille der Völker bisher dargestellt hat, beiseite geräumt werden soll. Deshalb fordern wir eine wirkliche Debatte über den Inhalt des neuen Vertrages mit Beteiligung der Völker, bevor eine Entscheidung gefasst wird, und die Ratifizierung per Referendum in allen Ländern der Europäischen Union.

Mit den vom Europäischen Rat im Juni 2007 beschlossenen Orientierungen ist eine Etappe der Verhandlungen über die Ausarbeitung eines neuen Vertrages eröffnet worden, der bis zur französischen Präsidentschaft von 2008 und den Europawahlen von 2009 ratifiziert werden soll. Für die EL und die Kräfte, die sich für ein anderes Europa einsetzen, steht viel auf dem Spiel.

Die Partei der Europäischen Linken ist gegen diesen Vertragsentwurf, der darauf abzielt, die neoliberalen Grundlagen der gegenwärtig gültigen Verträge und des Europäischen Verfassungsvertrages zu erhalten – das Fundament einer Gesellschaft, die vom „freien, ungehinderten Wettbewerb“ reguliert wird, was in einem Zusatzprotokoll festgehalten werden soll. Wir sehen es als erforderlich an, eine neue Debatte über den weiteren Weg im Sinne einer „Neugründung Europas“ zu führen. Mit der neoliberalen Logik zu brechen und die europäische Integration grundsätzlich neu zu orientieren ist der einzige Weg, um zu dauerhaftem Frieden, zu friedlicher Koexistenz und Zusammenarbeit der Völker und Staaten Europas, zu einer demokratischen, politischen und sozialen Perspektive des europäischen Kontinentes beizutragen. Diese Debatte soll zu einem neuen Gesellschaftsvertrag auf europäischer Ebene führen, der von allen Bürgern und Menschen anerkannt wird, die in Europa leben und leben wollen.

Diese öffentliche europäische Debatte muss gestartet, organisiert und vorangetrieben werden. Das so oft beschriebene und anerkannte Demokratiedefizit, das seit der Gründung der EU besteht, muss überwunden werden. Der Raub der Souveränität, den die europäischen Institutionen in den letzten Jahren begangen haben, ist zu korrigieren. Wir fordern eine reale Beteiligung der Völker an der Ausarbeitung der Politik und am europäischen Projekt. Das ist der einzige Ausweg aus der tiefen Krise, in die die europäische Integration geraten ist. Unter diesen Umständen stellen die Europawahlen von 2009 eine politische Gelegenheit des Eingreifens zusammen mit allen Kräften dar, die sich für eine neue Perspektive Europas engagieren, der EL in erster Linie. Dabei geht es darum, ein neues Konzept von Europa entsprechend den sozialen und politischen Kämpfen der Bürger durchzusetzen. Wir wollen, dass das Europäische Parlament, das einzige Subjekt, das im gegenwärtigen institutionellen Aufbau der Union die Volkssouveränität repräsentiert, und die nationalen Parlamente tatsächlich die Akteure bei den Entscheidungen sind, die die institutionelle und politische Zukunft Europas betreffen.

Die Neugründung der Europäischen Union muss bei ihren Grundlagen beginnen. Ihr Herzstück muss ein neues soziales, ökologisches, feministisches und demokratisches Modell sein, das den Frieden sichert , mit der neoliberalen Politik bricht und die Teilhabe der Völker in allen Etappen seiner Entstehung gewährleistet.

II. Partei der Europäischen Linken: Felder der Veränderung

A. Die kapitalistische Globalisierung und Europa

Wir leben in der Zeit der kapitalistischen Globalisierung, die ihre Mängel, ihre Grenzen und ihr nicht nachhaltiges Wesen demonstriert. Dies ist auch eine Zeit unumkehrbarer neuer Realitäten und potenzieller Effekte des weitweiten Austauschs von Wissen. Die Verschärfung des Widerspruchs zwischen den verheerenden und ungleichen Wirkungen dieses globalisierten, finanzialisierten und militarisierten Kapitalismus einerseits und dem Potenzial menschlicher Emanzipation und nachhaltiger Gesellschaften andererseits macht die Entwicklung einer Perspektive der Transformation noch dringender.

Beträchtliche Macht konzentriert sich mehr und mehr in wenigen Händen – den internationalen Finanzfonds, den transnationalen Konzernen und den supranationalen Organisationen des globalen Kapitalismus – der Welthandelsorganisation, dem Internationalen Währungsfonds, der Weltbank u.a. Sie entziehen sich jeglicher demokratischer Kontrolle. Diese Aushebelung der Demokratie ist möglich, weil die Regierungen der mächtigsten Staaten im Dienste der herrschenden Kräfte des Finanzkapitals Beschlüsse fassen, mit denen sie angeblich das Schicksal der Menschheit gestalten wollen.

Zu diesem Monopol im Bereich des Materiellen gesellt sich das im Bereich des Immateriellen. Wissen wird zu einer Handelsware, die hohen Mehrwert verspricht. Die Instrumente zum Erkennen der Wirklichkeit und zur Produktion notwendiger Güter sind heute in der Hand weniger Menschen. Das Schlüsselelement der aktuellen Phase des Kapitalismus ist die Finanzialisierung, die die sozialen Beziehungen, die Arbeitsgesellschaft und die Rolle des Staates tiefgreifend verändert, die darauf gerichtet ist, mehr und mehr Profit aus der Akkumulation von Kapital in der Produktion nichtmaterieller Güter (Wissen, Information, Kommunikation, Bildung, Unterhaltung, Kultur) zu schlagen.


Es besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied im Wesen nichtmaterieller und materieller Güter. Die Haupteigenschaft immaterieller Güter besteht darin, dass sie von einem „Konsumenten“ und zugleich auch von anderen Personen genutzt werden können.

Ein grundsätzliches Ziel der Linken muss heute sein, das Wesen des Wissens als öffentliches Gut zu bekräftigen und für die Durchsetzung dieses Prinzips zu kämpfen. Und das nicht nur durch effektive Maßnahmen für den freien Zugang zu Wissen, sondern vor allem dadurch, dass die Produktion von Wissen der immer stärkeren Unterordnung unter die Gesetze des Marktes entzogen wird.

Die neoliberale Politik muss das Wesen der Demokratie beschneiden, das heißt die Entscheidungsbefugnisse der Vertretungsorgane der Völker (Parlamente, Räte usw.) abbauen. Der europäische Kapitalismus versucht, auf die Expansion des kapitalistischen Marktes und den globalen Wettbewerb durch Produktionskostensenkung, durch Produktionsverlagerung, Lohnkontrolle, den Abbau von Rechten und die Reduzierung der Eingriffe des Staates in die Wirtschaft, durch das verheerende Agieren der multinationalen Konzerne in den Ländern des Südens zu reagieren. Nach wie vor sind wir Zeugen von Privatisierung, Profitmaximierung und finanzieller Spekulation, von Vermögenskonzentration und wachsender Ungleichheit, ohne dass sich eine gesellschaftliche und politische Kritik erhebt, die diese Prozesse umkehren könnte. Die Kriterien von Maastricht, bis heute die Grundlage der Wirtschaftspolitik, wirken weiterhin als Zwangsjacke für die politischen und sozialen Errungenschaften. Demselben Zweck dienen auch der Stabilitätspakt und die rigiden monetaristischen Kriterien der Europäischen Zentralbank.

Unser sozio-ökonomisch-ökologischesAngebot für Europa basiert auf fünf Grundprinzipien. Dies sind:

1) die Notwendigkeit, Vollbeschäftigung bei gesicherten Arbeitsverhältnissen zu erreichen und prekäre Arbeitsverhältnisse zu beseitigen,
2) der Vorrang staatlichen Eingreifens im Finanzbereich,
3) die Notwendigkeit, das gegenwärtig vorherrschende Umwelt schädigende Wirtschaftsmodell mit seiner Überausbeutung des Menschen und der natürlichen Ressourcen zu überwinden,
4) die Verteidigung des öffentlichen Sektors und öffentlicher Dienstleistungen auf europäischer Ebene,
5) das dringende Erfordernis, allen Menschen Einkommen und Renten zu garantieren die ihnen ein Leben in sozialer Sicherheit und Würde ermöglichen.

Durch die Ausrichtung seiner Innen- und Außenpolitik auf die Ziele eines neuen Modells einer sozial und ökologisch nachhaltigen, friedlichen Entwicklung kann Europa etwas bewirken. Daher tritt die Partei der Europäischen Linken für eine integrierte Strategie von Nachhaltigkeit und Solidarität ein. Aus unserer Sicht sollte diese Strategie eine wirtschaftliche, eine soziokulturelle, eine ökologische und eine institutionelle Dimension haben. Wirtschaftliche Nachhaltigkeit hat zum Ziel die Aufrechterhaltung des bestehenden „Grundkapitals“ der Gesellschaft und des gesellschaftlichen Reichtums, die Garantie wirtschaftlicher Effizienz, ökologisch und sozial nachhaltiger Produktivitätssteigerung und Innovationsfähigkeit, wirtschaftliche Stabilität, die Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe, eine gerechte Handels- und Zahlungsbilanz sowie eine neue Art von Vollbeschäftigung. Beschäftigungspolitik muss über Arbeitsmarktpolitik hinaus garantierte soziale Sicherheit für das gesamte Leben, sozialpolitische Ziele wie Arbeitsqualität, Gleichstellung der Geschlechter und eine gesundheitsfördernde Organisation der Arbeitsumwelt einschließen.

Soziokulturelle Nachhaltigkeit umfasst die Beseitigung von Armut und sozialer Ausgrenzung, die Durchsetzung der Gleichheit der Geschlechter, eine gerechte Verteilung von Vermögen und Einkommen, die Stärkung sozialer Grundrechte und gleichen Zugang zu öffentlichen Gütern, verbesserte soziale Sicherheit, öffentliche Fürsorge und öffentliche Dienstleistungen sowie sozio-ökologische Veränderungen bei den Verbrauchergewohnheiten. In diesem Lichte ist die Orientierung des EU-Vertrages und der Lissabon-Strategie auf „globalen Wettbewerb“ weder wirtschaftlich sinnvoll noch effektiv.

Ökologische Nachhaltigkeit bedeutet Schutz der Biodiversität, eine drastische Reduzierung des Energie- und Materialverbrauchs, der Transportwege, des Bodenverbrauchs, der Umweltverschmutzung durch giftige Substanzen usw.

Die institutionelle Dimension von Nachhaltigkeit umfasst mehr Recht auf Teilhabe und Chancen für die Menschen, Stärkung von Netzwerken und engere Zusammenarbeit der Institutionen.

Diese integrierte Strategie kann in die Praxis umgesetzt werden, wenn es gelingt, verbindliche Ziele auf EU-Ebene, Aktionsprogramme und Maßnahmen sowie einen gemeinsamen Regulierungsrahmen in allen relevanten Politikfeldern wie wissenschaftliche Forschung oder Regionalpolitik auf der Ebene der EU und ihrer Mitgliedstaaten miteinander zu verbinden.

Eine derart tiefgreifende Veränderung der Politik wird ganz sicher nicht erreicht werden, wenn wir uns auf den „guten Willen“ der gegenwärtig herrschenden Eliten in der EU und ihren Mitgliedstaaten verlassen. Dafür ist Mobilisierung von unten nötig – durch Gewerkschaften, soziale Bewegungen und die Linke. Deshalb will die Partei der Europäischen Linken eine breite Debatte über eine solche Alternative und über die Unterstützung von Bewegungen und Bündnisseen für Veränderung initiieren. Wir wollen uns an solchen konkreten thematischen Debatten im Europäischen Sozialforum, in anderen sozialen und demokratischen Initiativen, in den Gewerkschaften oder bei der Ausarbeitung der Charta der Grundsätze für ein anderes Europa beteiligen.

Wir schlagen eine Harmonisierung sozialer und ökologischer Standards auf europäischer Ebene vor, um jegliche Art von Dumping zu bekämpfen und dadurch die globale Wirtschaft zu verteidigen. Die Harmonisierung der Steuern, insbesondere für die verarbeitende Industrie, ist unvermeidlich angesichts des freien Kapitalflusses mit seinen Folgen für Löhne und Arbeitsbedingungen in den Produktionsbereichen. Wir streben eine abgestimmte europäische Steuer- und Finanzpolitik an, setzen uns für eine solide und sozial gerechte Finanzierung der politischen Aufgaben der Mitgliedstaaten ein, um neue Kriterien für ein wirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltiges Entwicklungsmodell einzuführen. Wir schlagen vor, in der neuen Haushaltspolitik mehr öffentliche Investitionen in soziale Infrastruktur und ökologische Rekonversion vorzusehen, ebenso eine koordinierte Geld- und Haushaltspolitik zur Stärkung der Binnenwirtschaft und zur ökologisch verträglichen Wiederbelebung der Binnennachfrage. All das ist möglich und kann zu Vollbeschäftigung mit hochwertigen Arbeitsplätzen und sozialen Rechten führen. Wenn es keine europäische Regelung gibt, dann werden der ökonomische Wettbewerb auf dem Binnenmarkt, die ungezügelten Marktkräfte und die ungleiche Einwicklung von Sozial-, Lohn-, Steuer- und Umweltstandards den Abwärtstrend weiter verstärken.

Um diese Ziele zu erreichen, fordern wir:

eine aktive europäische Industrie- und Forschungspolitik, die vorwiegend an einen europäischen öffentlichen Sektor gebunden wird, um Synergieeffekte mit dem privaten Sektor zu erzielen;

eine Reform des derzeitigen Systems der Wirtschafts- und Währungsunion, in dem die Europäische Zentralbank unter demokratische Kontrolle gestellt wird und den derzeitigen Stabilitäts- und Wachstumspakt ersetzt. Das bedeutet, dass die Rolle der Europäischen Zentralbank nicht nur auf die Kontrolle der Inflation beschränkt ist, sondern ausgehend von dem politischen Ziel der Vollbeschäftigung auch die Erhöhung der Beschäftigungsrate und ökologische Nachhaltigkeit umfasst. Das EZB-Statut muss dafür entsprechend abgeändert werden;

großem Respekt vor der Umwelt bei all diesen Entwicklungen, und das nicht nur im direkten Sinne, sondern auch durch eine vernünftige Gestaltung des Bedarfs und der Nutzung von Energie sowie durch verstärkte Forschung im Bereich der erneuerbaren Energien;

garantierte soziale Absicherung und würdige Lebensbedingungen, was bedeutet, die Menschenrechte für alle zu schützen, die in Europa arbeiten und leben, sowie Solidarität als verbindliches Prinzip der Gesellschaft durchzusetzen;

eine Aufstockung des EU-Budgets, um den künftigen Herausforderungen des sozioökonomischen und ökologischen Umbaus des Wirtschaftsmodells gerecht zu werden sowie parallel dazu eine Reform des EU-Haushaltes, die regionale und soziale Kohäsion garantiert.

Die Partei der Europäischen Linken will das Steuersystem der EU verändern, vom gegenwärtigen System der Mehrwertsteuer, einer nationalen, indirekten und regressiven Steuer, die auf dem individuellen Verbrauch beruht, zu einem europäischen progressiven System, das auf dem individuellen Einkommen beruht und einen Umverteilungseffekt aufweist. Das heißt, vom gegenwärtigen System, das die Besteuerung der Kapitalrenditen minimiert und die Hauptlast den Arbeitskommen auferlegt, zu einem progressiven System, das eine Umverteilung des geschaffenen Reichtums ermöglicht. Wir treten für eine Besteuerung von finanziellen Einkünften und Finanzspekulationen (Tobin-Steuer) ein.

Wir sollten über die Einführung eines umfassenden sozialen Schutzes in der EU nachdenken, der universelle, unveräußerliche Rechte garantiert und ein anderes Zivilisationsmodell begründet.

Angesichts der Hegemonialziele der Großmächte und der internationalen Finanzinstitutionen sowie der Krise des Unilateralismus der USA sollten wir unsere Forderung nach einer Neubewertung der Rolle und der Befugnisse einer reformierten, demokratisierten Organisation der Vereinten Nationen bekräftigen.

Das ist einer der Gründe, weshalb die Partei der Europäischen Linken die gegenwärtige Initiative für ein Wirtschaftliches Partnerschaftsabkommen (EPA) ablehnt, weil hierbei die kommerziellen Beziehungen mit den Ländern Afrikas und des Mittelmeerraumes nach Methoden des Neokolonialismus und der Ungleichheit sowie nach den Direktiven des IWF und der Weltbank gestaltet werden sollen. Die Europäische Nachbarschaftspolitik (PEN) folgt derselben Logik. Sie ist nicht geeignet, Beziehungen gemeinsamer Entwicklung herzustellen, und birgt das Risiko, Ungleichheit und Wachstumsrückstand in gefährlicher Weise zu vergrößern. Wenn wir den Herausforderungen der Entwicklung gerecht werden wollen, dann muss Europa ein neues Modell der Zusammenarbeit realisieren, das frei von den Kriterien des Neoliberalismus ist. Diese Umorientierung wird um so notwendiger angesichts der neuen Aufgaben der EU-Erweiterung.

B. Die Europäische Linke ist gegen den Krieg

Frieden braucht Bewegung und Zusammenarbeit. Die globalisierungskritische Bewegung, soziale Initiativen und Sozialforen, Gewerkschaften und linke Parteien finden im Engagement gegen Krieg und Gewalt, gegen Aufrüstung und Militarisierung mehr und mehr zusammen. Das Nein zum Krieg ist mehrheitsfähig in Europa, das ist eine wichtige Erkenntnis und Ausgangspunkt für die Politik der Europäischen Linken.

Die Zustimmung zu den Kriegen der USA und deren Unterstützung durch Mitgliedstaaten der EU, die Zustimmung zu steigenden Rüstungslasten und zur Stationierung von US-Truppen in Europa verlieren ihren Rückhalt in der Bevölkerung Europas. Dass mehr USA, dass mehr NATO auch mehr Sicherheit bedeutet, glauben immer weniger Menschen. Im Gegenteil: Der sogenannte „Krieg gegen den Terror“ hat ganze Regionen in einen verhängnisvollen Kreislauf der Gewalt gestoßen und die Gefahr terroristischer Anschläge befördert. Neue Kriege werden nicht, wie behauptet, um Menschenrechte, Demokratie und Abrüstung geführt, sondern um den Verlauf von Pipelines, um Märkte, um eine imperiale Neuaufteilung der Welt. Es besteht die reale Gefahr, dass Europa mehr und mehr in solche Kriege hineingezogen wird.

Die Strategie der militärischen Konfliktlösung, die die neokonservative US-Administration seit dem 11. September verfolgt, steckt in einer Sackgasse. Diese Strategie ist nicht nur international gescheitert, sondern verliert auch an Zustimmung im Lande selbst. Der Unilateralismus musste Rückschläge hinnehmen, ist aber noch nicht besiegt. Die wirklichen Probleme sind das Fehlen einer alternativen Politik, die die Bush-Administration zu isolieren vermag, sowie eines politischen Prozesses zur Lösung der Konflikte der Welt, damit der Frieden wieder eine Chance erhält. Es ist nicht zu akzeptieren, dass Europa immer noch nicht in der Lage ist, international als starke Stimme gegen den Krieg zu agieren.

Unsere Alternative zum Krieg sind das Völkerrecht und weitere internationale Wirtschafts- und Handelsregeln. Das ist ein Weg, um Krieg als Werkzeug zur Lösung von Widersprüchen im derzeitigen kapitalistischen Herrschaftsmodell zu überwinden. Es besteht eine wachsende Lücke zwischen dem Willen der Völker einerseits und dem politischen Handeln der Regierungen andererseits. Die Regierungen haben sich als unfähig erwiesen, den Erwartungen gerecht zu werden, wie sie in den Aktionen der Friedensbewegung auf unserem Kontinent und in der Welt formuliert worden sind. Die Lage kann sich weiter verschlechtern.

Wir fordern ein sofortiges Ende der Kriege in Irak und Afghanistan. Wir bestehen darauf, dass die ausländische Besatzung in diesen Ländern sofort beendet wird und alle ausländischen Truppen abgezogen werden. Die Mitgliedstaaten der EU müssen bei der Erfüllung ihrer politischen Verpflichtung vorankommen, dem afghanischen Volk das Recht der Entscheidung über seine Zukunft auf demokratischer Grundlage zurückzugeben und die Zerstörung der Gesellschaft durch Bürgerkriege zu beenden. Wir wenden uns scharf gegen jegliche militärische Lösung des Nuklearstreits mit dem Iran. Wir wollen uns für einen präventiven Frieden einsetzen und die Friedensbewegung für dieses Ziel mobilisieren.

Wir widersetzen uns der Militarisierung der Außen- und Sicherheitspolitik der EU und ihrer Mitgliedstaaten. Wir wollen nicht, dass Europa als Interventionsmacht handelt und dafür immer größere militärische Kapazitäten aufbaut. Zugleich wenden wir uns auch gegen die Fortsetzung einer derartigen Politik durch die Mitgliedstaaten. Europa braucht keine schnelle Eingreiftruppe, die sich entsprechend der europäischen Sicherheitsstrategie von 2003 an Präventivkriegen beteiligt. Im Gegensatz zu dem in Lissabon vorgelegten EU-Vertrag bestehen wir auf einer Reduzierung der Militärausgaben der EU und wenden uns gegen die europäische Rüstungsagentur. Wir setzen uns für eine Alternative zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik ein, die eine Rolle der EU und der europäischen Staaten als integrierter Arm der NATO ausschließt. Dies besonders heute, da die NATO ihr strategisches Konzept einer Neubewertung unterzieht.

Wir sagen dem europäischen Rüstungsindustriekomplex den Kampf an, der eine militärische Kultur hervorbringt und die Industrie- und Einwicklungspolitik auf europäischer und nationaler Ebene prägt. Die Europäische Linke setzt sich konsequent für eine Konversion der Rüstungsindustrie ein. Wir wenden uns weiterhin gegen alle Militärbasen der USA in Europa und gegen Pläne, neue einzurichten. Wir wenden uns gegen jegliche Aufrüstungsschritte, wofür die US-Basis in Vicenza oder die geplante Errichtung von Raketenabwehranlagen in der Tschechischen Republik und in Polen, ebenso die US-Basen in Bulgarien dun Rumänien oder andren europäischen Ländern stehen, die auf bilateraler Grundlage oder durch eine versuchte Vermischung von US- und NATO-Strukturen geschaffen werden.

Die Europäische Linke ist gewillt, mit allen für den Frieden eintretenden politischen Kräften zusammenzuarbeiten, die Abrüstung und Konversion als Hauptfragen auf die gegenwärtige politische Tagesordnung setzen, vor allem atomare Abrüstung. Wir verlangen, dass alle Pläne, weitere Atomwaffen zu entwickeln, und sei es zur politischen Abschreckung oder Erpressung, aufgegeben werden. Es kann nicht hingenommen werden, dass nach wie vor Hunderte amerikanischer Atombomben auf europäischem Territorium lagern!

Diese Aufgabe beschränkt sich nicht nur auf Europa. Wir unterstützen die Initiativen für atomwaffenfreie Zonen im Nahen Osten und im Mittelmeerraum sowie in allen Regionen dieser Welt. Das betrifft auch die anderen Massenvernichtungswaffen. Die Europäische Linke unterstützt die Einhaltung der bestehenden Rüstungskontrollverträge, den Abschluss neuer Vereinbarungen und deren strikte Durchsetzung. Das gilt für nukleare, biologische und chemische, aber auch für konventionelle Waffen. Alle Staaten, die Atomwaffen herstellen, müssen zur Abrüstung gezwungen werden. Ein internationales Abkommen über den Verzicht auf den atomaren Erstschlag und über jegliche Anwendung atomarer Waffen gegen nichtnukleare Staaten ist dringend erforderlich.

Der Kampf um den Frieden bleibt ein entscheidendes Element für jede Alternative zu dem von der neoliberalen Politik beeinflussten Zivilisationsmodell als Reaktion auf die globalen Herausforderungen. Europa und die EU können und müssen eine andere Rolle spielen, um eine Weltordnung zu erreichen, die auf der grundsätzlichen Anerkennung des Völkerrechts und der Charta der Vereinten Nationen beruht, die bei ihrer demokratischen Umgestaltung die Erfahrungen der vergangenen 60 Jahre berücksichtigt. Die Partei der Europäischen Linken steht für eine internationale Politik und eine Weltordnung, die auf dem Vorrang des Völkerrechts gegenüber dem Recht des Stärkeren beruht. Sie wendet sich gegen militärische Gewalt, die das katastrophale Ergebnis von fünf Jahren präventivem und permanentem Krieg der USA ist. In diesem Zusammenhang muss das strategische Verhältnis zur NATO in Frage gestellt und überwunden werden.

Wir wollen ein Europa, das ein Ort des Dialogs der Zivilisationen ist. Diese Rolle sollte nicht durch Rüstungs- oder Machtpolitik bestimmt werden, sondern durch aktives Handeln in der Welt, um Frieden und vollständige Abrüstung voranzubringen.

Die Partei der Europäischen Linken lehnt Gewalt zur Regelung von Konflikten ab. Wir fordern eine GASP, die auf einem Konzept nichtmilitärischer Sicherheit in ihren vielen Facetten beruht. Ebenso notwendig ist ein gesamteuropäisches Sicherheitssystem, das ein neues Verhältnis zwischen der EU und der GUS, einschließlich der Russischen Föderation erfordert.

Die Europäische Union hat eine besondere Verpflichtung, zum Frieden auf dem Kontinent beizutragen. Das muss aktive Schritte zur Überwindung der Folgen der Kriege in Ex-Jugoslawien einschließen, der ersten Kriege in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg, wo europäische Staaten beteiligt waren. Die gegenwärtige Entwicklung um Kosovo hängt mit der verfehlten Politik der Europäischen Union gegenüber Ex-Jugoslawien zusammen. Wir lehnen jegliche einseitigen Verhandlungen über den künftigen Status Kosovos ab.

Die Europäische Linke besteht grundsätzlich darauf, dass „eingefrorene“ Konflikte in Europa nur mit politischen Mitteln auf der Grundlage des Völkerrechts gelöst werden. Wir lehnen willkürliche Veränderungen des Völkerrechts ab, ebenso die Tendenz, dieses als Fallrecht zu gestalten, wie es die USA tun. Wir wollen, dass die Europäische Union ein aktiver Faktor in einem multilateralen System internationaler Beziehungen wird, der die Unabhängigkeit, die Selbstbestimmung und das Recht aller Länder und Völker dieser Welt auf eine eigene sozioökonomische Entwicklung anerkennt. Das muss die Grundlage für die Beziehungen der EU zu den Ländern Lateinamerikas und Afrikas, zu China, Indien und anderen asiatischen Staaten sein. Das gilt auch für künftige Beziehungen zur Türkei, zu den Ländern des Westbalkans und zu anderen Nicht-EU-Ländern Europas.

Die Lage im Nahen Osten und im Mittelmeerraum ist für die Europäische Linke von großer Bedeutung. Der israelisch-palästinensische Konflikt und die anhaltende israelische Besatzung palästinensischer Gebiete machen die Region zu einem permanenter Destabilisierungsfaktor, der den Weltfrieden bedroht. Eine gerechte Lösung dieses Konflikts ist von großer Dringlichkeit für die gesamte internationale Gemeinschaft. Die Voraussetzung für eine wirkliche politische Wende ist die Aufnahme neuer Verhandlungen auf der Grundlage der UN-Resolutionen. Sie muss eine Lösung der Hauptprobleme bringen: Israels Rückzug von den seit 1967 besetzten Territorien, das Schicksal der Flüchtlinge, der Status von Jerusalem und eine Garantie für friedliche Koexistenz zwischen Israel und einem selbstständigen, wirtschaftlich lebensfähigen palästinensischen Staat.

Eine umfassende politische Lösung der Probleme Palästinas und des Nahen Ostens muss alle regionalen Akteure, insbesondere Libanon und Syrien, einschließen. Die Europäische Linke unterstützt alle Anstrengungen, die auf eine Einheit der palästinensischen und israelischen Linken gerichtet sind. In diesem Rahmen muss die Linke dringend einen Dialog eröffnen, um gemeinsame Standpunkte, eine gemeinsame Strategie und ein gemeinsames Engagement zu entwickeln.

Seit langem steht für Europa die Aufgabe, seine Unfähigkeit zu überwinden, in der Region eine aktive Rolle auf der Grundlage des Völkerrechts zu spielen, damit sie eine solide Friedensperspektive erhält. Als Europäische Linke schlagen wir daher vor, eine internationale Beratung durchzuführen, die als wichtige Subjekte die israelische und die palästinensische Linke einbeziehen sollte.

III. Für ein neues soziales, demokratisches und ökologisches Modell

Ein soziales Europa

Das Europa, das wir wollen und für das wir kämpfen, ist ein soziales Europa, ein Europa der Arbeit und der Rechte. Es ist eine Alternative zum Europa der Deregulierung und der Einschränkung von Rechten, des Sozialdumpings auf ausländischen Märkten und der horizontalen Konflikte zwischen Arbeitern und Immigranten, zwischen Ost und West.

Die Partei der Europäischen Linken kämpft für die Beseitigung der Arbeitslosigkeit, für Vollbeschäftigung mit gesicherten Arbeitsverhältnissen, für ein Europa ohne Prekarität. Wir setzen uns für neue europäische Arbeitsstandards mit kürzeren Arbeitszeiten für jedermann ein, so dass Frauen und Männer Arbeit und Familienleben besser miteinander vereinbaren können und eine drastische Reduzierung der Arbeitslosenrate erreicht wird. Man will uns soziale Verhältnisse aufzwingen, die dem Markt vollständig untergeordnet sind, wo es im Namen von Wettbewerbsfähigkeit und Flexibilität keinerlei Rechte gibt. Die Partei der Europäischen Linken, die das Grünbuch der Europäischen Kommission ablehnt, schlägt Gesetze vor, die auf gleichen Rechten für allen, der umfassenden Achtung der Gewerkschaftsrechte und der Tarifautonomie beruhen.

In ganz Europa gibt es ernste Probleme bei den Löhnen. Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst überall, wenn auch in den einzelnen Ländern unterschiedlich. Diejenigen, die den Reichtum schaffen, haben ein Recht auf adäquate Bezahlung, die zumindest mit der wachsenden Produktivität Schritt halten muss.

Für die Linke ist die Lohnfrage nicht nur ein ökonomisches Problem, sondern ein Thema ihrer politischen Strategie. Die enorme Steigerung der Produktivität muss an die Werktätigen weitergegeben werden, besonders an jene, deren Löhne an Kaufkraft eingebüßt haben.

In ganz Europa werden Aufgaben wie Pflege oder Kindererziehung den Frauen überlassen, was den Regierungen die Möglichkeit gibt, sich aus der Verantwortung zu stehlen und die bestehenden öffentlichen Dienstleistungen in Frage zu stellen. Frauen erhalten weniger Lohn als Männer für die gleiche Arbeit, sie sind häufig unterbeschäftigt und arbeiten in Teilzeit. Die Arbeitslosenrate unter Frauen ist höher und der Beschäftigungsgrad viel niedriger. Frauen werden bei den sozialen Sicherungssystemen – bei Renten und anderen Sozialleistungen – quantitativ und qualitativ benachteiligt.

Wir fordern reale Gleichheit von Männern und Frauen bei Beschäftigung, beruflicher Entwicklung und Löhnen. Wir fordern das Recht auf Arbeit, Sicherheit am Arbeitsplatz, wirkliche Weiterbildungsmöglichkeiten für alle und Maßnahmen, die es ermöglichen, Arbeit sowie Privat- und Familienleben in Einklang zu bringen. Zu diesem Zweck muss ein neues Arbeitsgesetz beschlossen werden, das die wöchentliche Arbeitszeit wesentlich verkürzt und Überstunden reduziert, damit die vorhandene Arbeit auf mehr Menschen verteilt werden kann. Eine kürzere Arbeitszeit entspricht auch besser den modernen Rollen der Geschlechter, wonach Männer und Frauen Erwerbstätigkeit und Hausarbeit zu ihrem eigenen Nutzen miteinander teilen wollen und sollen.

Für die Partei der Europäischen Linken haben die Verteidigung der öffentlichen Dienstleistungen und des öffentlichen Sektors Priorität. Wir müssen eine gesellschaftliche Debatte in Gang setzen, um die bereits erfolgte Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen wieder rückgängig zu machen.

B. Ein ökologisches Europa für Frieden und globale Gerechtigkeit

Der globalisierte Kapitalismus verschärft die Krise der Umwelt. Seine Wirtschaft ist auf kurzfristige Aktiengeschäfte an den Börsen orientiert. Das steht in tiefem Widerspruch zu den natürlichen langfristigen Kreisläufen. Die Umwelttechnologien sind hochentwickelt, aber nirgendwo werden Handel und Lebensweise mit Respekt vor der Umwelt gestaltet. Das ist um so ernster, als in den nächsten Jahren die Entscheidung ansteht, ob es noch möglich ist, eine globale Klimakatastrophe zu verhindern. Einschneidende Veränderungen unserer Lebensweise sind unumgänglich.

Um zu verhindern, dass der Klimawandel zu schlimmsten Folgen führt, muss in den nächsten zehn Jahren gehandelt werden. Das gilt vor allem für Europa. In den nächsten Jahren sind massive Investitionen in den europäischen Energiesektohr vorgesehen, die die Einwicklung bis hin zur Mitte des Jahrhunderts prägen werden.

Vom Menschen gemachte Klimaveränderungen gehen bereits vor sich und werden unausweichlich zu steigenden Temperaturen im globalen Maßstab führen. Die künftigen Generationen werden sich darauf einstellen und damit fertig werden müssen. Eine hochwichtige ökologische Frage ist die chemische Verunreinigung der Erde, die sich drastisch auf die Biodiversität auswirkt. Der Einfluss von Pestiziden auf die menschliche Gesundheit ist bereits nachgewiesen. Die Europäische Union hält an einem sozial und ökologisch nicht nachhaltigen Modell der Landwirtschaft fest. Kleinbauern werden dem Profit der Agrar- und Lebensmittelmultis geopfert.

Die gefährlichen Folgen des kapitalistischen Entwicklungsmodells treten im Umweltbereich immer deutlicher hervor. Die neuen Generationen werden mit Klimaveränderungen konfrontiert sein, die aus der direkten Einwirkung des Menschen auf die Biosphäre resultieren. Ein Modell, das ausschließlich auf das schnellste Erreichen von Maximalprofit zu den niedrigsten sozialen und ökologischen Kosten gerichtet ist, kann nur zur Zerstörung unseres Planeten führen. Im Jahre 2020 werden drei Milliarden Frauen und Männer keinen Zugang zu Wasser mehr haben, einer Ressource, die immer knapper wird und die viele zu privatisieren versuchen.

Europa muss bei der Beschlussfassung über ein Post-Kyoto-Dokument, das über die heutigen Ziele hinausgeht, eine zentrale Rolle spielen. Das neue Protokoll setzt eine radikale Alternative zum gegenwärtigen liberalen Entwicklungsmodell voraus. Diese erfordert Gleichheit, angefangen mit dem gleichen Recht jedes Menschen auf Emissionen. Sie erfordert Kooperation und Technologietransfer, wofür Mittel durch eine CO2-Steuer erbracht werden können. Sie verlangt eine neue Rolle für den öffentlichen Sektor, beginnend mit dem Eigentum an den Energienetzen, der Förderung von Energieeinsparungen und alternativen Energiequellen. Sie erfordert den Aufbau einer ökologischen Wirtschaft und Gesellschaft.

Wir brauchen nicht nur eine Politik der Senkung des CO2-Ausstoßes und der Kontrolle seines gegenwärtigen Niveaus, sondern eine Energiepolitik, die bereit ist, radikale Veränderungen beim Energieverbrauch herbeizuführen. Das ist nur möglich durch eine Programmierung der wirtschaftlichen Entwicklung, durch Investitionen in erneuerbare Ressourcen, durch die Verringerung und Vermeidung von Abfall.

Wasser, Energie, Gesundheit, Bildung, Verkehr und Kommunikation – alles, was wir als Gemeinschaftsgüter definieren, Rechte, die von der demokratischen und Arbeiterbewegung erkämpft wurden und heute Eckpfeiler des europäischen Sozialstaates sind –, müssen gemeinschaftlich bleiben und vor Privatisierung geschützt werden. Wir stimmen mit den Beschlüssen der Weltwasserversammlung für Bürger und Abgeordnete (WWACE) überein, die im vergangenen März in Brüssel stattgefunden hat. Wir unterstützen vollständig deren Forderungen.

Die Partei der Europäischen Linken kämpft für ein Europa, das in der Lage ist, die Gemeinschaftsgüter (vor allem Wasser und Energie) vor Vermarktung und Privatisierung zu schützen. Die öffentlichen Dienstleistungen zu verteidigen und zu entwickeln, die Voraussetzungen für eine soziale und demokratische Kontrolle der für das Zusammenleben der Menschen unabdingbaren großen Wirtschaftsbereiche und der Schutz der Umwelt – das sind die wichtigsten Ziele des politischen Handelns der Linken zur Veränderung Europas.

Die Grundmerkmale unserer alternativen Strategie sind eine Wirtschaft des Friedens, der sozialen und demokratischen Rechte sowie der Achtung vor der Umwelt.

C. Ein Europa der Rechte und Freiheiten

Für das Europa, das wir wollen, müssen wir eine wirkliche Strategie erarbeiten, die einer Harmonisierung nach oben, einer Dynamik der Moral Raum gibt, um für den gesellschaftlichen Fortschritt und das Zusammenleben eine völlig neue Perspektive zu eröffnen.

Wir wollen für die Grundrechte eine neue Ära eröffnen.

Die Partei der Europäischen Linken engagiert sich voll für den Schutz der Bürger- und Menschenrechte, der Freiheit der Meinungen und des Protestes, der politischen und gewerkschaftlichen Organisationen für Jedermann und in allen Formen, gegen die Ausnahmegesetze, die nach dem 11. September in fast allen europäischen Ländern eingeführt worden sind.

Die Ausnahmegesetze haben einen Wettlauf nach Systemen ausgelöst, mit denen Menschen überall in Europa beobachtet werden können. Seit Jahren weigern sich die Regierungen der EU-Mitgliedsländer ungeachtet der Forderungen des Europäischen Parlaments, ein Rahmenabkommen über den Datenschutz zu beschließen. Sie streben weiter danach, personelle Daten von jedem Bürger zu sammeln und auszutauschen. Neue technische Möglichkeiten werden in Europa und an Drittstaaten weitergegeben, ohne an die Folgen für den Datenschutz zu denken.

Wir fordern im Gegensatz dazu ein europaweites System des Schutzes kritischer Infrastrukturen, das sich – zum Beispiel bei Naturkatastrophen – an den Bedürfnissen der Bürger orientiert.

Der „Krieg gegen den Terrorismus“ wird benutzt, um massive Einschränkungen der Grundrechte und Freiheiten zu rechtfertigen. Brutale Herrschaftsmethoden werden mit immer weniger Bedenken angewandt. Guantanamo, die Rückkehr der Folter oder – was Europa betrifft – die CIA-Flüge sind dafür eindeutige Beispiele.

Wir fordern die Aufhebung aller Ausnahmegesetze, die nach dem 11. September in den verschiedenen europäischen Ländern eingeführt wurden.

Wir kämpfen gegen die soziale Segregation der MigrantInnen und schlagen ein Programm vor, das auf der Anerkennung der Gleichheit der politischen und sozialen Rechte beruht. Obwohl die Europäische Union gegenwärtig eines der wichtigsten Zielgebiete für einen beträchtlichen Teil der Migrationströme ist, fehlt ihr nach wie vor eine gemeinsame Politik, die gleiche Rechte und Freiheiten garantiert. Im Gegenteil, die gemeinsame Immigrationspolitik der Mitgliedstaaten ist gekennzeichnet durch die Aufhebung der inneren Grenzen einerseits sowie die stärkere Befestigung und gemeinsame Kontrolle der Außengrenzen andererseits.

Alle Entscheidungen und Vereinbarungen zwischen den Regierungen sind auf dieses Ziel gerichtet. Es ist die Ausgrenzungsfunktion, die alle drei Hauptdokumente der Immigrationspolitik der EU charakterisiert – das Schengener-Abkommen und die Vereinbarungen zu seiner Anwendung (Schengen-Acquis), die Dubliner-Konvention zur „Harmonisierung“ der Einschränkung des Asylrechts und die gemeinsamen Bestimmungen für die Visaerteilung. Das läuft darauf hinaus, dass eine ständig wachsende Liste von Staaten erstellt wird, deren Bürger Einreise-Visa der Europäischen Union vorlegen müssen. Die Verstärkung solcher Behörden wie FRONTEX, die Unterstützung von Maßnahmen wie der Behandlung von Abschiebezentren für MigrantInnen und Minderjährige als exterritorial oder die Benutzung von „Vertragsnehmern“ zur Sperrung der Wege nach Europa führen alle zu dem gleichen Ergebnis.

Aus diesem Grunde setzen wir uns für die Abschaffung von FRONTEX und dem System der Asylanten- und Menschenjagd ein, das hinter dieser Agentur steckt. Die EL fordert die Annahme der Genfer Konvention über den Status von Flüchtlingen und wendet sich gegen die Abschiebung von Flüchtlingen nach Drittstaaten, die internationale Flüchtlingskonventionen nicht anerkennen und den Tod von Flüchtlingen in Kauf nehmen (zum Beispiel indem sie sie in der Wüste oder auf hoher See aussetzen).

Ebenso betrachten wir das Recht auf Gesundheit als ein Grundrecht in einem Europa, das demokratisch und hochentwickelt sein will. Der fortschreitende Abbau des öffentlichen Gesundheitswesens zeugt dagegen von einer neoliberalen Politik, die das Recht auf Gesundheit nur jenen zubilligt, die bezahlen können. Es muss aber für Jedermann garantiert werden. Um das zu erreichen, kämpft die Partei der Europäischen Linken dafür, in ganz Europa eine gerechte Finanzierung der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen, den Zugang zu wichtigen Medikamenten, das Recht auf körperliche und geistige Gesundheit durchzusetzen.

Das Recht auf Arbeit muss durch die Aufhebung aller Diskriminierungen – seien es solche aus Gründen der Religion, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, der Meinung oder des Herkunftslandes – garantiert werden.

Jeder Mensch hat das Recht, seinen Beruf frei zu wählen. Die Senkung der Arbeitszeit ist eines unserer Ziele in ganz Europa. Wir setzen uns für Vollbeschäftigung und zeitlich unbefristete Arbeitsverhältnisse ein. Wir kämpfen gegen jede Form der Prekarisierung, um würdige Renten für Jede und Jeden. Jeder und jede Beschäftigte muss vor Entlassung geschützt werden. Willkürliche Entlassungen sind zu bestrafen.

Das Recht auf Tarifverhandlungen, auf Streik und auf freie gewerkschaftliche Organisation muss in Europa wieder garantiert werden.

Die totale Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse, besonders für die junge Generation, das Prinzip der Anerkennung eines individuellen Rechts, das es ermöglichen soll, die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln und so „die Bande der Abhängigkeit als soziales Schicksal abzuwerfen“, drängt die Linke förmlich dazu, eine große Debatte darüber zu eröffnen, wie die Bürger Europas vor dem Zwang zu zweitrangiger, entwürdigender oder miserabel bezahlter Arbeit geschützt werden können. Die ständige Erweiterung der Europäischen Union hat zu einer beschleunigten Ausbreitung dieses Phänomens geführt. In diesem Sinne könnte ein existenzsicherndes Einkommen die richtige Formel für die Gewährleistung einer menschenwürdigen Existenz und zum Schutz der Jugend und der Bedürftigen vor Erpressung durch den Markt sein. Es gibt keine vollwertige Staatsbürgerschaft, wenn die soziale Herkunft eines Mensch die Grenzen seiner künftigen Chancen absteckt.

Die Verteidigung der öffentlichen Dienstleistungen muss im Zentrum unserer Vorschläge für ein neues Europa stehen.

Die öffentlichen Dienstleistungen, so unterschiedlich organisiert sie in den europäischen Ländern auch sein mögen, dürfen nicht den Regeln des Wettbewerbs und dem Streben nach Profit ausgesetzt werden. Sie haben, im Gegenteil, die Befriedigung von Grundbedürfnissen zu gewährleisten. Sie müssen demokratisch und öffentlich verwaltet werden. Das betrifft Gesundheit, Wohnung, Verkehr, moderne Kommunikation und Bildung. Der Vermarktung und Verarmung von Wissen, Ausbildung und Forschung muss Einhalt geboten werden. Ausbildung muss wieder zu einem Grundrecht für alle werden und die kulturelle Entwicklung jedes Menschen begleiten. Die vollständige Unabhängigkeit von Lehre und Forschung für Studenten, Hochschullehrer und Forscher ist zu garantieren. Sie müssen der Logik des schnellen Profits entzogen werden. Für die Forschung sind ausreichend öffentliche Mittel bereitzustellen. Das Europa, das wir wollen, muss die notwendige öffentliche Finanzierung von der Schule bis zur Universität sicherstellen. Forschung ist ein Kernstück der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung aller Länder Europas, sie ist die Zukunft der kommenden Generationen.

Ein neues Konzept der wirtschaftlichen Entwicklung ist notwendig, insbesondere im Bereich der Ausbeutung der Naturressourcen. Ein Wirtschaftsmodell, das die Umwelt mit Respekt behandelt und auf die Entwicklung der Fähigkeiten des Menschen gerichtet ist. In diesem Zusammenhang könnte Europa in der Welt eine führende Rolle beim Übergang von fossilen zu erneuerbaren Energien spielen.

Die natürlichen Ressourcen sind als Gemeinschaftsgut der Menschheit zu betrachten, für die das Recht auf geistiges Eigentum und Patente nicht gelten dürfen. Sie müssen außerhalb von Privatisierung und Markt bleiben und von der öffentlichen Politik mit Beteiligung der Bürger verwaltet werden.

Wasser ist ein solches Gemeinschaftsgut. Der Zugang zu Trinkwasser ist ein Grundrecht jedes Menschen. Er muss von öffentlichen Einrichtungen garantiert werden.

Auch Grund und Boden ist vor den multinationalen Konzernen zu schützen. Staatliche Regeln gegen deren Praktiken sind einzuführen, denn wir wollen umweltschädigende Landwirtschaft verhindern. Der Anbau genmanipulierter Kulturen muss verboten werden. Zugleich fordern wir, dass die EU die von anderen Ländern in der Welt verhängten Moratorien verteidigt.

Unser Europa muss den Grundsatz der Gleichheit der Bürger bei Achtung ihrer Unterschiede und ihrer Vielfalt achten und garantieren. Aus diesem Grunde erkennen wir das Recht auf Gleichheit der Geschlechter in der Partnerschaft und auf eine freie sexuelle Orientierung als Grundwert an. Es soll nicht nur als in der Privatsphäre garantiertes Recht des Einzelnen sondern auch als vom Staat garantierte und akzeptierte Entscheidung anerkannt werden.

Alle öffentlichen Einrichtungen haben die Freiheit der Frau zu gewährleisten und gegen jegliche Form des Patriarchats einzuschreiten. Jede Frau in jedem Land muss in die Lage versetzt werden, über ihren Körper frei zu entscheiden, das Recht auf Abtreibung, auf Schwangerschaftsverhütung und selbstbestimmte Mutterschaft sowie auf künstliche Befruchtung zu genießen.

Ein demokratisches und offenes Europa ist ein Europa, das für den säkularen Charakter seiner öffentlichen Einrichtungen sorgt, das allen Bürgern Würde und Gewissensfreiheit, die Gleichheit der Geschlechter in den öffentlichen Einrichtungen aller Staaten, die Freiheit der individuellen und gemeinschaftlichen Religionsausübung sowie die Freiheit der Organisation und der ungehinderten Äußerung ihrer politischen Meinung garantiert. Die EU anerkennt das Recht auf Selbstbestimmung, auf demokratische Entscheidung, auf Achtung und gleiche Bedingungen für alle Bürger.

In diesen Thesen sind die wichtigsten Charakteristika eines anderen Europas dargelegt. Sie laufen auf eine andere Zivilisation hinaus. Wir kämpfen für den Frieden, für Demokratie, für soziale und politische Rechte. Sie sind keine einzelnen Parameter, sondern Elemente einer alternativen Entwicklung in ihrer Totalität, einer nachhaltigen Entwicklung.

Eine Friedenswirtschaft, soziale und demokratische Rechte, eine umweltgerechte Wirtschaft – dies sind Charakterzüge unserer alternativen Strategie.

Eine tiefgreifende demokratische Neugestaltung der europäischen Institutionen ist unverzichtbarer Bestandteil der Strategie, die wir verfolgen. Auf diesem Gebiet übernehmen die Partei der Europäischen Linken und unser breites Bündnis die historische Verantwortung, das politische Gleichgewicht und die politische Orientierung Europas zu verändern.

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