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Buchtipp: Stalin und wir

  • Montag, 21. Dezember 2009 @ 08:00
Partei Stalin und wir - Stalinismus und die Rehabilitierung österreichischer Opfer, von Walter Baier und Franz Muhri, 208 Seiten, Globus-Verlag, Wien, 2001, Preis 8,70 Euro, Bestellungen: KPÖ-Oberösterreich, Melicharstraße 8, 4020 Linz, Telefon +43 732 652156, Mail ooe@kpoe.at, Web http://ooe.kpoe.at

Mit der Herausgabe der Broschüre „Stalin und wir“ durch den Bundesvorstand der KPÖ haben nun die langjährigen Bemühungen der KPÖ um die Rehabilitierung der Opfer stalinistischer Repressionen einen vorläufigen Abschluss erfahren.

Von den ca.1000 ÖsterreicherInnen, die vor dem Krieg in der Sowjetunion lebten, MitarbeiterInnen der Komintern und Emigranten, insbesondere die Februarkämpfer nach 1934, waren etwa 700 KommunistInnen, Mitglieder der KPÖ. Die Liste der Rehabilitierten, die jetzt in der Broschüre veröffentlicht wurde, enthält die Namen von 245 Männer und Frauen.

Es sind ausschließlich jene Namen, die nach offiziellen Mitteilungen der ehemaligen sowjetischen bzw. heutigen russischen Behörden in der zweiten Hälfte der 30er Jahre und danach verurteilt und nach 1953 rehabilitiert wurden. Neben den Namen gibt es jeweils kurze Angaben zur Person, das Datum der Verhaftung und die offizielle Beschuldigung, deretwegen es zur Verurteilung kam, Todesdaten und Datum der Rehabilitierung. Der größte Teil dieser Menschen waren Kommunisten. Von diesen 245 bisher Rehabilitierten wurden 65 zum Tode verurteilt und hingerichtet.

300 Namen

Neben den aus den offiziellen Mitteilungen ersichtlichen Namen gibt es noch weitere 55 Personen, von denen bekannt ist, dass sie vom Terror erfasst wurden, über deren Schicksal aber bis heute keine offiziellen Informationen von russischer Seite vorliegen. Auch diese Liste wurde veröffentlicht. Rechnet man diese noch hinzu geht, es zumindest um 300 Opfer. Soweit die dürren Zahlen, die vor allem die KPÖ betreffen.

Viele der dahinter stehenden tragischen Schicksale, aber auch die Folgen, die die Verhaftungen, Verurteilungen und Hinrichtungen für die KPÖ und die Überlebenden in und außerhalb der Sowjetunion und auch nach dem Krieg hatten, sind noch nicht oder wenig aufgearbeitet. Immerhin geht es auch um solche führenden Persönlichkeiten wie Franz Koritschoner und weitere 16 ehemals führende Funktionäre und Mitglieder des Zentralkomitees. Hier liegt noch ein weites Feld für die historische Forschung.

„Politische und moralische Pflicht“

Das Verdienst, diese 245 Rehabilitierungen zu erreichen, die entsprechenden Informationen darüber zu erhalten und zusammenzutragen, gebührt überwiegend Franz Muhri, dem ehemaligen langjährigen Vorsitzenden der KPÖ und Vorstandsmitglied der Alfred Klahr Gesellschaft. Muhri, der gemeinsam mit KPÖ-Vorsitzenden Walter Baier, die Broschüre verfasste, bezeichnet diese Aufgabe als „eine grundsätzliche politische und moralische Pflicht“.

Die Broschüre enthält neben den Listen einen Beitrag Walter Baiers zur politischen und ideologischen Auseinandersetzung mit dem Stalinismus und zwei Beiträge Franz Muhris. Ein Beitrag behandelt die Umstände und wechselnden Bedingungen in der Geschichte der Rehabilitierung österreichischer Kommunisten, der andere persönliche Erinnerungen an die Zeit von 1954 -57, als Muhri im Auftrag der KPÖ in Moskau studierte. Dieser Beitrag enthält auch politische Schlussfolgerungen Muhris im Ergebnis der Auseinandersetzung mit den Ursachen des Zusammenbruchs der Sowjetunion und des europäischen Sozialismus.

Drei Phasen der Rehabilitierung

Muhri beschreibt drei Phasen der Rehabilitierungen. Diese Phasen spiegeln nicht nur die jeweiligen Voraussetzungen in der KPdSU sondern auch die Einstellung der KPÖ zur Rehabilitierung der eigenen Stalin-Opfer wider.

1.Vor und nach dem 20.Parteitag der KPdSU. Dazu veröffentlicht Muhri einige Briefe Friedl Fürnbergs aus 1954 bis 1958, der im Namen des ZK der KPÖ Anfragen zu einzelnen Stalin Opfern an das ZK der KPdSU richtete. Die Mehrzahl der Briefe über solche Anfragen, vermutet Muhri, sind aber nicht erhalten bzw. liegen wahrscheinlich im Archiv des ZK der KPdSU, zu dem die KPÖ bislang keinen Zugang erhalten hat. Weder die damals erfolgten Rehabilitierungen noch die Bemühungen diese zu erreichen wurden aber in der Öffentlichkeit dargestellt. Immerhin sprach der damalige KPÖ Vorsitzende Johann Koplenig 1956 im ZK von „vielen hundert Fällen“. Die Formel, die Sache als internen Vorgang zu betrachten, galt im großen und ganzen bis 1986.

2. Die Phase von 1986 bis 1991. Im Grunde, so Muhri, musste von vorne begonnen werden. Das betraf die Interventionen bei der KPdSU und die Recherchen in Moskauer Archiven, deren Ergebnisse in einer ersten, unvollständigen Broschüre 1990 veröffentlicht wurden.

3.Die Phase seit 1991. Hier kam bei der Informationsbeschaffung erschwerend hinzu, dass die Archive ständig neuen Verantwortlichen unterstellt wurden und sich die mafiosen Strukturen auch in den Archivverwaltungen bemerkbar machten.

Die KPÖ hat im Zusammenhang mit den Behinderungen beim Zugang zu den Archiven gegenüber den russischen Behörden den Rechtstandpunkt vertreten, dass die Materialien des ehemaligen Kominternarchivs Eigentum der ehemaligen Mitgliedsparteien sind und nicht der Russischen Föderation, die dieses Archiv heute als Nationaleigentum betrachtet.

Ein Resümee

Als Resümee seiner langjährigen Bemühungen um die Rehabilitierung der österreichischen Stalin-Opfer, die nur einen kleinen Ausschnitt aus der großen Zahl der vom Terror erfassten und ihm zum Opfer gefallenen Menschen und Kommunisten darstellen, schreibt Muhri: „Diese Verbrechen - denn um solche handelt es sich - können durch nichts gerechtfertigt, relativiert oder entschuldigt werden: Nicht durch den Hinweis, dass mit der Oktoberrevolution, mit dem Aufbau des Sozialismus große Fortschritte und Errungenschaften verbunden waren; nicht durch die Feststellung, dass die Existenz der Sowjetunion eine positive internationale Bedeutung hatte für die Arbeiter- und Befreiungsbewegung und im Kampf um den Frieden; nicht durch die Berufung auf die inneren Schwierigkeiten des Aufbaus und die äußere Bedrohung der Sowjetunion - dass es nicht wenige Spione und eine umfassende ausländische Agententätigkeit tatsächlich gegeben hat; und auch nicht durch den Hinweis, dass der Imperialismus und Faschismus ungleich mehr Menschenopfer verschuldete. Das alles ist richtig. Aber die Stalinschen Repressionen gegen Unschuldige standen und stehen in diametralen, prinzipiellem, unvereinbarem Widerspruch zum humanistischen Charakter der kommunistischen Ideen und Ziele. Sie haben der gerechten Sache des Sozialismus schweren Schaden zugefügt und seinen Feinden genützt. Sie sind Bestandteil jener strukturellen Deformationen der Sowjetgesellschaft und der KPdSU, die die wesentlichen Ursachen für den Jahrzehnte später erfolgten Zusammenbruch der Sowjetunion, für das Scheitern des ersten sozialistischen Versuches darstellen.“

Quelle: Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, Nr. 3/2001

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