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Exportschlager Demokratie

  • Freitag, 6. Juli 2007 @ 13:16
Europa Mit dem neuen »Europäischen Instrument für Demokratie und Menschenrechte« will die EU Regierungswechsel in strategisch wichtigen Ländern finanzieren. EU-Beamte entscheiden außerhalb parlamentarischer Kontrolle über Mittelvergabe. Von Martin Hantke

Die internationale Menschenrechtspolitik der Europäischen Union ist im Wesentlichen durch drei Merkmale geprägt. Zum einen werden Verletzungen sozialer Menschenrechte systematisch ausgeblendet, zum zweiten werden Menschenrechtsverletzungen von Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU nicht benannt, und zum dritten wird die Menschenrechtspolitik der EU nach dem Vorbild der USA zur Unterstützung imperialer Außenpolitik umgebaut mit der Maßgabe, den Sturz unliebsamer Regime weltweit mitzubefördern.

Dazu hat sich die EU ein eigenes Finanzierungsinstrument »für die weltweite Förderung der Demokratie und der Menschenrechte (Europäisches Instrument für Demokratie und Menschenrechte)« geschaffen (Amtsblatt der Europäischen Union L 386/1). Diese Verordnung (EG) Nr. 1889/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates hat mit dem Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29. Dezember 2006 unmittelbar Rechtskraft erlangt, so dass auch keine weiteren Beratungen der nationalstaatlichen Parlamente über eine Umsetzung in einzelstaatliches Recht erforderlich waren. Dieser Umstand hat sicherlich mit dazu beigetragen, dass die Installierung dieses Finanzinstruments ohne parlamentarische Debatte in den Mitgliedsstaaten und damit auch praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor sich ging.

Vorbild aus den USA

Vorgesehen für das Instrument ist ein Finanzrahmen von 1,104 Milliarden Euro in der neuen Haushaltsperiode von 2007 bis 2013, so dass in etwa pro Jahr annähernd 160 Millionen Euro verausgabt werden können. Damit übertrifft der EU-Haushaltsansatz bei weitem den der US-amerikanischen Agentur »National Endowment for Democracy« (NED, Nationale Agentur für Demokratie) von rund 80 Millionen Dollar im Jahr, die offensichtlich bei der Konzeption des EU-Menschenrechtsinstruments Pate gestanden hat, sind doch die Parallelen bei Zielen und Adressaten des vorgesehenen Mitteleinsatzes unübersehbar. An den jeweiligen Regierungen vorbei können Aktivitäten von Nichtregierungsorganisationen, Parteien und Stiftungen finanziert werden, um so den Sturz unliebsamer Regierungen zu befördern.

Die US-Agentur NED wurde 1982 unter Präsident Ronald Reagan als antikommunistisches Instrument konzipiert (vgl. Ronald Reagan, Promoting Democracy and Peace, 8. Juni 1982: www.ned.org/about/reagan-060882.html) und 1983 gegründet. Sie ist offiziell eine Non-Profit-Organisation. Formal eine private Organisation, wird das NED aber zu 98 Prozent aus staatlichen Mitteln finanziert und ermöglicht so die Weitergabe von US-Haushaltsmitteln an Dritte überall auf der Welt. Neben Aktivitäten, die auf einen »Regime change«, also das aktive Herbeiführen eines Regimewechsels, gerichtet sind – besonders aktiv ist man in Venezuela, Belarus, der Ukraine und Russland –, werden Destabilisierungsmaßnahmen gegen fortschrittliche Bewegungen gefördert, dabei in erster Linie gegen sozialistische Bewegungen.

2004 verdoppelte Präsident George W. Bush den Etat des NED mit dem Ziel einer Intensivierung der Arbeit zur Förderung von »freien Wahlen, Pressefreiheit, Freihandel und Gewerkschaftsfreiheit« im Mittleren Osten (George W. Bush, Remarks by the President at the 20th Anniversary of the National Endowment for Democracy, 6. November 2003: www.ned.org/events/anniversary/20thAniv-Bush.html). International bekannteste Vorstandsmitglieder des NED sind, neben demokratischen und republikanischen Mitgliedern des US-Senats, der US-Politologe Francis *censored*uyama und Richard Holbrooke, ehemaliges Mitglied des US-Kabinetts. *censored*uyama erklärt in seinem jüngsten Buch »Scheitert Amerika? Supermacht am Scheideweg«: »Der klügste Weg, die amerikanische Macht zum gegenwärtigen Zeitpunkt geltend zu machen, ist kein militärischer.« Holbrooke hatte sich im Vorfeld des Jugoslawien-Krieges einen Namen als UCK-Unterstützer gemacht und ist mittlerweile stellvertretender Vorsitzender von Perseus Consulting, einer der führenden Private Equity Funds, also Investmentfonds (vgl. www.cfr.org/bios/548/richard_c_holbrooke.html).

Keine Kontrolle der Mittelvergabe

Dem nach dem Vorbild des NED gegründeten »Europäischen Instrument für Demokratie und Menschenrechte« (EIDH) zufolge soll »die Gemeinschaftshilfe im Rahmen dieser Verordnung darüber hinaus dank ihres globalen Charakters und ihrer Unabhängigkeit von der Zustimmung der Regierung von Drittstaaten und anderen staatlichen Behörden eine eigene und komplementäre Rolle spielen« (EIDH, Punkt 13). Dabei können Aktivitäten gefördert werden, die »weder geographisch gebunden noch krisenbezogen sind« und »Tätigkeiten sowohl innerhalb der Gemeinschaft als auch in einer Reihe von Drittländern beinhalten«.

Die Finanzhilfe der EU soll insbesondere auf die »stärkere Achtung und Einhaltung der Menschenrechte und Grundfreiheiten« abzielen sowie die »Förderung der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit« beinhalten. In einem Entwurf des Finanzinstruments war sogar explizit vorgesehen, dass die Zahlungen geheim erfolgen können. Offensichtlich um der Kritik zu entgehen, es werde ein Fonds eingerichtet, mittels dessen die EU-Kommission sich durch Drittstaaten geheim fördern lassen könnte, wurde in der jetzt vorliegenden Verordnung zwar auf eine ausdrückliche Formulierung verzichtet, nichtsdestotrotz ließ man sich ein rechtliches Schlupfloch für klandestine Zahlungen von Drittstaaten als zusätzliche Geldgeber offen.

Die EU-Kommission wird in Artikel 12 Absatz 4 der Verordnung ermächtigt, »im Falle einer gemeinsamen Kofinanzierung« im Namen der geldspendenden Staaten »Mittel für die Durchführung gemeinsamer Maßnahmen entgegennehmen und verwalten« zu können. Damit wird es mit der EU verbündeten Staaten möglich, Maßnahmen mitzufinanzieren, ohne als Geldgeber offen in Erscheinung treten zu müssen. Die letztendliche Entscheidung, welche Organisation mit wie viel Geld bezuschusst wird, liegt allein bei der EU-Kommission mit einem Apparat von einigen hundert EU-Beamten.

Besonders pikant ist, welche Organisationen zukünftig mit EU-Geldern finanziert werden sollen. Zunächst ist festgelegt, dass »die Teilnahme an den Verfahren zur Vergabe von Aufträgen oder Zuschüssen, die auf Grundlage dieser Verordnung finanziert werden«, allen natürlichen und juristischen Personen weltweit offen steht (Artikel 14). Zur Umsetzung der »Jahresprogramme«, »Sondermaßnahmen und »Ad-Hoc-Maßnahmen« kommen für die finanzielle Hilfe der EU ganz allgemein »Organisationen der Zivilgesellschaft«, aber auch »politische Stiftungen« und ganz unspezifisch »Einrichtungen und Organisationen und deren lokale, nationale, regionale und internationale Verbundnetze« in Frage. Zusätzlich können »nationale, regionale und internationale parlamentarische Gremien« gefördert werden sowie »natürliche Personen, wenn dies für die Verwirklichung der Ziele dieser Verordnung erforderlich ist«.

Kurz gesagt: Weltweit kann jede Organisation und jeder Mensch mit EU-Demokratiefördergeldern bezahlt werden. Um hier kein Missverständnis aufkommen zu lassen, ist in der Verordnung sogar noch einmal explizit festgehalten, dass über die aufgelisteten hinaus auch andere, nicht einzeln benannte Einrichtungen und Akteure »im Ausnahmefall und in ordnungsgemäß begründeten Fällen eine finanzielle Unterstützung erhalten«. Mit dieser Rechtsverordnung kann weltweit jeder, sofern ihre oder seine Aktivität auch nur im Entferntesten mit der Förderung von Demokratie und Menschenrechten in Verbindung zu bringen ist, von der EU Geld bekommen – sofern er mit den deren Zielen übereinstimmt. Gerade diese Generalermächtigung war im Europäischen Parlament noch heftig debattiert worden.

Durchgesetzt haben sich allerdings dann diejenigen Akteure, die für die weitgehendsten Formulierungen eintraten. Anlässlich des vom EU-Parlament verliehenen »Sacharow-Preises für geistige Freiheit« an den belarussischen Oppositionellen Alexander Milinkiewitsch hatte der CDU-Europaabgeordnete Michael Gahler denn auch »die heutige Entscheidung für das Förderinstrument für Demokratie und Menschenrechte« als »großartigen Erfolg für die europäische Menschenrechtspolitik« gefeiert (Pressemitteilung, 12.12.2006: www.michael-gahler.eu). Die grüne Europapolitikerin Angelika Beer hatte schon im Mai 2006 kategorisch erklärt: »Das Demokratie- und Menschenrechtsinstrument ist für uns nicht verhandelbar.«

Mit der Ausrichtung, Individuen fördern zu können, geht das EIDH sogar noch über sein US-amerikanisches Vorbild NED hinaus. Neben Beschaffungsaufträgen und Zuschußvereinbarungen kann die »Gemeinschaftshilfe« sogar in Form von Arbeitsaufträgen an Individuen gezahlt werden (Artikel 12 Absatz 2d). Das NED dagegen vergibt finanzielle Hilfe ausschließlich an Organisationen (vgl. www.ned.org/about/faq.html).

Beiden Agenturen gemein ist jedoch eine angestrebte Kofinanzierung ihrer Programme durch private Organisationen und Stiftungen. Im EIDH heißt es dazu lapidar, dass dafür insbesondere folgende Partner in Frage kommen: »Gesellschaften, Unternehmen und andere private Einrichtungen und Wirtschaftsbeteiligte, Gewerkschaften, Gewerkschaftsverbände sowie sonstige nichtstaatliche Akteure«. Diesen privaten Akteuren kann die EU-Kommission in diesem Fall auch noch »hoheitliche Aufgaben, insbesondere Haushaltsaufgaben, übertragen« (Artikel 13 Absatz 5).

Eine parlamentarische Kontrolle der Mittelvergabe ist praktisch nicht möglich. Mit der Zustimmung zum Menschenrechtsinstrument entmächtigte sich das Europäische Parlament selbst. So verfolgt und überprüft die EU-Kommission »die Durchführung ihrer Programme und bewertet regelmäßig die Wirksamkeit, Kohärenz und Konsistenz der Programmierung«. Vorschläge des Europäischen Parlaments werden, so heißt es im Text, »gebührend berücksichtigt«, und »gegebenenfalls« will man sich auch »unabhängiger externer Bewertungen« bedienen, »um Empfehlungen künftiger Maßnahmen aussprechen zu können« (Artikel 16 Absatz 1).

Im Klartext heißt dies, dass die EU-Kommission selbst entscheiden kann, ob, wann und von wem sie ihre Mittelvergabe kontrollieren lassen möchte. Das Europäische Parlament wird mit der Übermittlung von »Bewertungsberichten zur Kenntnisnahme« (Artikel 16 Absatz 2) abgefunden. Daneben wird jährlich von der EU-Kommission ein Jahresbericht erstellt, der dem EU-Parlament und dem EU-Rat zugeleitet wird. Auch über »Sondermaßnahmen« (Artikel 7) und »Ad-Hoc-Maßnahmen« (Artikel 9), die nicht in der Programmierung auftauchen, entscheidet allein die EU-Kommission. Bei Sondermaßnahmen unter drei Millionen Euro soll das Europäische Parlament »innerhalb von zehn Arbeitstagen nach der Beschlussfassung über die genehmigten Maßnahmen« unterrichtet werden, bei Ad-Hoc-Maßnahmen soll es »regelmäßig« im Nachhinein informiert werden.

Schiefes Demokratiebild

Wohin die Reise gehen kann, lässt sich in etwa an den bisherigen Schwerpunkten der Projekte im Jahr 2006 und dem von EU-Ratspräsidentschaft, EU-Rat und EU-Kommission gemeinsam erstellten Jahresbericht zur Menschenrechtslage 2006 ablesen. Während von EU- und NATO-Mitgliedsstaaten begangene Menschenrechtsverletzungen in Drittstaaten in den Länderberichten mit keinem Wort erwähnt werden, sind China, Russland und Kuba lange Passagen des Berichts gewidmet. Hingegen kommt der EU- und NATO-Verbündete Saudi-Arabien im Jahresbericht mit einigen wenigen Zeilen weg, und für die arabische Halbinsel wird gar ein fast schon rosiges Bild der Menschenrechtslage gemalt. Die anderen »Musterdemokratien« am Golf werden erst gar nicht erwähnt.

So frohlockt der Jahresbericht, dass »Menschenrechtsangelegenheiten in Saudi-Arabien immer mehr ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangten«, allerdings gebe »die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien nach wie vor Anlass zu ernster Besorgnis«. Das musste man anscheinend denn doch konstatieren. Deshalb wurde 2006 vermutlich auch nicht ein einziges Menschenrechtsprojekt in den Golfstaaten gefördert. Hingegen stellt die EU in Bezug auf Venezuela »mit Besorgnis fest, dass es Anzeichen einer autoritären Staatsführung« gebe, muss allerdings feststellen, dass »Venezuela alle wichtigen internationalen Übereinkommen ratifiziert und die grundlegenden Menschenrechte in seiner Verfassung verankert hat«. Dies rechtfertigt augenscheinlich, dass Venezuela neben der Ukraine und Russland zu einem der Schwerpunkte der EU-Förderung für Menschenrechtsorganisationen im Jahr 2006 wurde.

Mit keinem Wort werden im Bericht völkerrechtswidrige Kriege und die Tötung von Zivilisten in Afghanistan und Irak erwähnt. Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen oder gar einen Verweis auf die Beteiligung von EU-Mitgliedsstaaten an denselben sucht man vergeblich, geschweige denn konkrete Maßnahmen, um hier Abhilfe zu leisten. Die Wörter »Hunger«, »Nahrung«, »Arbeit« und »Wohnung« sind im Bericht praktisch nicht existent.

Vor diesem Hintergrund nimmt sich der einzige Verweis im Jahresbericht auf soziale Rechte doppelt zynisch aus: »Ende März 2006 nahm die Kommission eine Mitteilung mit folgendem Titel an: Umsetzung der Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung: ›Europa soll auf dem Gebiet der sozialen Verantwortung der Unternehmen führend werden.‹« Im Anschluss wird gleich klargestellt, was dies bedeutet, offenbar um möglichen Missverständnisse vorzubeugen, dies impliziere rechtliche Regelungen in der EU: »Soziale Verantwortung der Unternehmen ist ein Konzept, wonach Unternehmen auf freiwilliger Basis bei ihrer Geschäftstätigkeit und in ihrer Interaktion mit ihren Aktionären soziale und ökonomische Belange berücksichtigen.«

Venezuela ist ein klassisches Beispiel für das arbeitsteilige Vorgehen von USA und EU. Gravierendster Unterschied zu den USA war bisher, dass diese tendenziell die offen auf einen Regierungswechsel gerichteten Organisationen finanzierten, während die EU hier einer vorsichtigeren Praxis anhing. So wurde Súmate, eine der wichtigsten Organisationen, die hinter dem Abwahlreferendum gegen den Präsidenten Hugo Chávez vom 15. August 2004 standen, massiv vom NED gefördert. Súmate erhielt für die logistische Organisation der Sammelung der für die Abhaltung eines Referendums erforderlichen zweieinhalb Millionen Stimmen 54000 Dollar von der NED und weitere 85000 Dollar von der US Agency for International Development (USAID, US-Behörde für internationale Entwicklung).

2005 wurden noch einmal 107000 Dollar vom NED für Súmate bewilligt, u.a., »um Bürger über das Wahlgesetz aufzuklären« (vgl. www.ned.org/grants/05programs/grants-lac05.html). Im Putschjahr 2002 hatte das NED der rechten venezolanischen Opposition bereits fast 900000 Dollar überreicht (vgl. New York Times v. 16./17.3.2002). In der jetzigen Situation um die Auseinandersetzung wegen der Nichtverlängerung der terrestrischen Lizenz für den venezolanischen Privatfernsehsender RCTV, erfüllen auch von der EU geförderte Menschenrechtsorganisationen planmäßig ihre Funktion und prangern die Nichtverlängerung der Lizenz als Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit an. Erklärungen hingegen, die sich gegen private Monopole im Medienbereich und ihre negativen Auswirkungen auf die Presse- und Meinungsfreiheit richten, finden sich bei diesen Organisationen nicht, geschweige denn gar ein Hinweis auf die Medienlandschaft Venezuelas, die auch ohne RCTV von oppositionellen Medien dominiert wird.

Das legt die Vermutung nahe, dass es nicht um Meinungsfreiheit, sondern einzig darum geht, die Regierung Hugo Chávez anzugreifen. Die Menschenrechtspolitik der EU dient auf diese Art und Weise dazu, die Regime-Change-Politik der USA zu flankieren. Mit der Generalermächtigung des neuen Menschenrechtsinstruments kann die EU nach dem Vorbild der USA zudem viel offener Organisationen aufbauen und fördern, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die Regierung des jeweiligen Landes zu stürzen, auch in Venezuela.

Militärischer Eingriff einkalkuliert

Das Menschenrechtsinstrument ist erklärter Teil der »Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik« der EU. Dies machte die verantwortliche EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner in ihrer Rede »Europäische Politik mit Werten – Menschenrechte als integraler Bestandteil der Politik der Union« am 24. Mai 2007 vor dem Zentrum für Europäisches Recht und Politik in Graz überdeutlich: »Menschenrechte spielen heute eine immer wichtigere Rolle in allen Facetten der Außenpolitik.« Welche Entwicklung aber die radikale Aufstockung der Mittel um 50 Prozent gegenüber dem Vorläufer des Finanzinstruments auf 150 Millionen Euro im Jahr 2006 rechtfertigt, darüber schweigt sich die EU-Außenbeauftragte aus. Dagegen wird ganz offen eingestanden, dass mit diesem Instrument erstmals ohne jede Beteiligung der betroffenen Regierungen an die dortigen Staatsangehörigen herangetreten werden kann: »Die Umsetzung unserer Menschenrechtspolitik und solcher Projekte erfolgt durch Nichtregierungsorganisationen.

Daher ist das Besondere an unserem neuen Instrument, dass wir direkt und autonom die Zivilgesellschaft und ihre Organisationen unterstützen können, die einen großen Erfahrungsschatz bei der Durchführung vor Ort besitzen«, so Ferrero-Waldner. Und warum man beim europäischen Werteexport auf die internationale Kooperation angewiesen ist, daran ließ die EU-Außenbeaufragte keinen Zweifel: »Wir können diese Werte aber nicht alleine auf der Welt promovieren (vorwärts bringen – d. Red.), sonst würden sie ja auch oft als ›Neokolonialismus‹ von einigen abgelehnt. Es handelt sich um universelle Werte, die wir mit internationalen Partnern gemeinsam vorantreiben.«

Den Staaten, die keine Einsicht in die neue Menschenrechtspolitik der EU zeigen, wird dann gleich mit militärischer Intervention gedroht. Die in der UN-Charta geschützte Souveränität der Staaten hat für die EU-Repräsentantin ihre Gültigkeit verloren: »Einen neuen Ansatz auf internationaler Ebene gibt es durch das Konzept der ›Responsibility to Protect‹ (Verantwortung zum Schutz – d. Red.), eines der wichtigsten Ergebnisse des UN-Gipfels von 2005. Was heißt das? Souveränität wird erstmals als konkrete Verantwortung von Staaten definiert, ihre Bürger vor schweren Menschenrechtsverletzungen zu schützen. Wenn ein Staat aber außerstande oder unwillig ist, seine Bürger davor zu beschützen, dann liegt eine Verantwortung auch bei der internationalen Staatengemeinschaft. Primär geht es da um den Einsatz friedlicher Mittel, eine humanitäre militärische Intervention kann immer nur ›last resort‹ (letzter Ausweg – d. Red.) sein.«

Hinter den Menschenrechtsinterventionen lauert also immer die militärische Drohung der EU. Die Verknüpfung des Menschenrechtsinstruments mit der Sicherheits- und Militärpolitik spricht in diesem Zusammenhang Bände. Ferrero-Waldner will zudem die neuen finanziellen Möglichkeiten auch zur Begleitung von EU-Krisenmanagement, sprich EU-Kriegen, nutzen. Um diese Möglichkeiten effektiv umsetzen zu können, soll die gesamte Entscheidungskompetenz, wie im EU-Verfassungsvertrag vorgesehen, gebündelt werden. Dazu braucht Ferrero-Waldner unbedingt die Installation des Postens eines EU-Außenministers – im neuen Reformvertrag soll er wieder Außenbeauftragter heißen –, der die bisherigen Kompetenzen von EU-Kommission und EU-Rat bei sich vereint, um den Druck auf Staaten, die Menschrechte verletzen, zu verstärken: »Für uns kann aus solchen Fällen nur der Schluss gezogen werden, dass wir die Europäische Union als ganzes stärken müssen, um den Druck auf Staaten, die Menschenrechte verletzen, zu erhöhen. Dies verlangt aber auch eine Stärkung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und somit auch eine Erleichterung der Entscheidungsfindung. Zudem würde ein EU-Außenminister mit einem Standbein im Rat und einem in der Kommission mehr Kohärenz und Effektivität in die Menschenrechtspolitik bringen, wie er im Verfassungsvertrag grundsätzlich vorgesehen wäre.«

Mit dem »Finanzierungsinstrument für Demokratie und Menschenrechte« beschreitet die EU den Weg einer imperialen Menschenrechtspolitik. Es ist ein Programm, das nicht nur dazu angelegt ist, international Spannungen zu verschärfen, sondern auch einen offenen Angriff auf die UN-Charta darstellt. Das EU-Menschenrechtsprogramm ist jedenfalls nicht dazu angehalten »freundschaftliche, auf der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker beruhende Beziehungen zwischen den Nationen zu entwickeln« (UN-Charta Artikel 1 Absatz 2).

Martin Hantke ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Büro Tobias Pflüger (MdEP) in Strasbourg und Mitglied des EU-kritischen Netzwerks europeanwatch

Quelle: Junge Welt, 6. Juli 200007

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