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Eine politische Kraft, die in allen Ländern weiter wächst

  • Montag, 15. Januar 2007 @ 10:59
Europa Appell "Entwickeln wir die EL zu einer politischen Kraft, die in allen Ländern weiter wächst!" der Tagung des Rates der Vorsitzenden und des Vorstandes der Partei der Europäischen Linken (EL), Berlin, 15. Jänner 2007

Europa ist im Umbau begriffen. Die Völker der nunmehr 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom Schwarzen Meer bis zum Atlantik, von Zypern bis zum Nordkap stehen vor neuen Herausforderungen. Wir heißen die Bürger Rumäniens und Bulgariens herzlich in der EU willkommen.

Die neuen Herausforderungen laufen auf die Frage hinaus, was die Politik anzubieten hat, um die alltäglichen Probleme der Bürger zu lösen. Arbeitslosigkeit, prekäre Arbeitsverhältnisse, eine wachsende Zahl von Armen trotz Arbeit, hochqualifizierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Kulturschaffende ohne Job, das Elend der Migrantinnen und Migranten, Menschenhandel, die sich vertiefende Kluft zwischen denen, die Zugang zu den neuen Technologien haben und denen, die von Bildung und Wissen ausgeschlossen sind, der Klimawandel, die endlose Spirale von Gewalt und Krieg... Niemand kann sich aus der Verantwortung stehlen zu handeln - hier und heute.

50 Jahre nach Unterzeichnung der Römischen Verträge leidet Europa an einem politischen Vakuum, das von der Durchsetzung neoliberaler Politik in nahezu allen Lebensbereichen herrührt. Von unserem Treffen am Beginn der ersten 18-monatigen Trio-Präsidentschaft der EU (Deutschland, Portugal und Slowenien) erklären wir: Die Partei der Europäischen Linken kann und wird eine politische Kraft sein, die sich dafür einsetzt, dieses Vakuum zu füllen, die Vertrauenskrise im Verhältnis von Bürgern und Politik in Europa zu überwinden. Wir wollen die Menschen ermutigen, die Politik zu verändern und ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen.

Gegenwärtig beobachten wir ein wachsendes Streben, die EU zu einer international agierenden globalen Macht aufzubauen, die ihre Interessen in dieser globalisierten Welt mit Krieg und militarisierter Außenpolitik durchzusetzen sucht. Dieses stößt auf den starken Widerstand der Antikriegsbewegungen, die gegen den Krieg und die Besatzung des Iraks, für den Rückzug der Truppen aus Afghanistan, für ein friedliches, von US- und NATO-Bevormundung freies Europa kämpfen.

Die Europäische Linke weist jeden Versuch entschieden zurück, die Außenpolitik der EU und der Nationalstaaten zu militarisieren. Wir treten für die Lösung von Konflikten mit nichtmilitärischen Mitteln ein. Wir verweisen auf die große Verantwortung Europas, die Zusammenarbeit im Mittelmeerraum als wichtigen Bestandteil der EU-Nachbarschaftspolitik zu entwickeln, die Kooperation mit den Staaten Osteuropas zu intensivieren und einen Beitrag zum Nahost-Friedensprozess zu leisten. Wir fordern den planmäßigen Rückzug der US-Truppen und aller anderen ausländischen Streitkräfte aus dem Irak, die gleichzeitige Entwaffnung aller Milizen und die Wiederherstellung der vollen Souveränität des irakischen Volkes. Den einzigen Ausweg sehen wir in Allparteiengesprächen, die eine Entflechtung der gewaltsamen Konflikte zum Ziel haben.

Die deutsche EU-Präsidentschaft steht vor großen Herausforderungen. Dazu erklären wir:

Die von der neoliberalen Politik verursachte Krise muss zu Schlussfolgerungen Anlass sein. Es ist höchste Zeit, das bisherige Konzept der Allmacht des Marktes und des zügellosen Wettbewerbs aufzugeben.

Eine der dramatischsten Veränderungen in den europäischen Gesellschaften ist die wachsende Prekarität. Sie ist heute nicht nur ein ökonomisches, sondern ein politisches Phänomen, das demokratische Strukturen zerstört. Um sich greifende Prekarisierung, soziale Unsicherheit und verstärkte Ungleichheit sind der Kern der Krise, die die Europäische Union ergriffen hat. Das ist der Boden, auf dem populistische, rechtsextreme, fremdenfeindliche und rassistische Kräfte, Antisemitismus und Antiislamismus gedeihen.

Die Projekte von Kommission und Mitgliedstaaten für eine weitere Flexibilisierung zielen darauf ab, die Arbeitswelt noch stärker zu deregulieren. Die EL wendet sich gegen Pläne, eine Lissabon-II-Strategie zu starten. Das würde bedeuten zu ignorieren, dass Lissabon I total gescheitert ist. Seine Durchsetzung hat mehr Menschen in Arbeitslosigkeit und Prekarität gestürzt, zu mehr Privatisierung öffentlicher Güter, zu mehr Liberalisierung und einem weiteren Rückzug des Staates aus seinen öffentlichen Pflichten geführt.

Das Grünbuch der EU-Kommission zum Arbeitsrecht ist nichts anderes als eine verschärfte Bolkestein-Richtlinie. Es zielt darauf ab, Arbeit und Produktion zu entkoppeln, Arbeit und öffentliche Dienstleistungen zur Privatangelegenheit zu machen. In dem Grünbuch werden Flexibilisierung und Individualisierung als neuer Rahmen für Arbeit gesetzt. Dies sind zutiefst politische Fragen, mit denen sich die Linke befassen muss.

Die EL fordert, die gegenwärtige Situation nach dem Nein in Frankreich und den Niederlanden dafür zu nutzen, um an die Überwindung des Demokratiedefizits zu gehen und für eine soziale, friedliche und nachhaltige Europäische Union zu wirken, die auf der breitesten demokratischen Teilhabe der Bürger beruht.

Europa und der Europäischen Union fehlt es an Projekten und Perspektiven, denen die Bürger zugestimmt haben und die sie unterstützen. Die herrschende Politik hat die Werte von Frieden und Solidarität ausgehöhlt. Das Vakuum wächst weiter.

Von der deutschen EU-Präsidentschaft fordert die EL:

> die demokratische Teilhabe der Bürger aller Mitgliedstaaten an den Entscheidungen zu stärken, um die Politikverdrossenheit der Menschen abzubauen;
> eine weitere Militarisierung der Gemeinsamen EU-Außen- und Sicherheitspolitik zu verhindern, den Waffenexport zu reduzieren und schließlich ganz einzustellen und den Abrüstungsprozess wieder in Gang zu bringen;
> die neoliberale Orientierung des Binnenmarktes zu beenden, die Lissabon-Strategie aufzugeben und die EU-Wirtschaftspolitik auf die Bedürfnisse der Menschen auszurichten. Das schließt europaweite Sozialstandards, Mindestlöhne, Zugang zu unentgeltlicher Bildung, Berufsbildung und Erststudium für alle sowie Altersrenten ein, die ein Leben in Würde ermöglichen;
> eine gemeinsame europäische Energiepolitik zu betreiben, die stabile Energieversorgung bei effizienterem Energieeinsatz, die Entwicklung erneuerbarer alternativer Energien, den Schutz und die Verbesserung der Umwelt statt Privatisierung der Energiemärkte umfasst (über den Verzicht auf Nuklearenergie wurde kein Konsens erreicht);
> eine Politik für fairen internationalen Handel zu starten, die Zugang für Waren und Dienstleistungen aus Entwicklungsländern zum europäischen Markt nach den Prinzipien von Zusammenarbeit und Entwicklung statt Wettbewerb schafft; eine internationale Energiepolitik zu betreiben, die jegliche militärischen und kolonialen Komponenten strikt ausschließt.

Die EL wendet sich gegen die Absicht der deutschen EU-Präsidentschaft, den Entwurf des Europäischen Verfassungsvertrages wieder aufs Tapet zu bringen. Inzwischen haben Bewegungen aus EU-Mitgliedsländern und weiteren europäischen Staaten Vorstellungen entwickelt, welche Werte und Prinzipien in Europa vorangebracht werden sollten. Die EL und ihre Mitgliedsparteien beteiligen sich aktiv an der Diskussion über eine Prinzipiencharta für Europa, die im Februar in Paris der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll. Die EL wird zu dem gemeinsamen Vorschlag mit den Bewegungen eigene Ideen beitragen.

Die Europawahlen 2009 sollen allen in der EU lebenden Menschen die Möglichkeit geben, über die Zukunft der Gemeinschaft und ihr Verhältnis zu anderen Staaten Europas ihre Stimme abzugeben.

Im Vorfeld ihres 2. Kongresses ist die EL gefordert, ihr Profil als eine politische Kraft in der EU und darüber hinaus weiter zu schärfen. Das werden ihre Mitglieder in engem Zusammenwirken mit den sozialen, Friedens-, Umwelt- und demokratischen Bewegungen tun, mit denen sich eine neue Art der Zusammenarbeit herausgebildet hat. Die Politischen Thesen des Athener Kongresses sind die Grundlage unseres politischen Handelns für ein Europa der Arbeit, der Demokratie und des Friedens.

Auf der Berliner Tagung haben die Leitungsgremien der EL über die Perspektive und die konkreten Aufgaben der politischen Linken für 2007, beim Start in die Vorbereitung der Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahre 2009 diskutiert. Die EL, die selbstbewusst in diesen Prozess eintritt, sendet das klare Signal aus, dass sie sich in ihrem politischen Handeln auf die Entwicklung der erweiterten EU und die notwendige Veränderung ihrer Politik sowie auf ihr Verhältnis zu den neuen Nachbarn in Ost- und Südeuropa konzentrieren wird. Damit tritt die EL selbst mit alternativen politischen Ideen, mit neuen politischen und sozialen Bündnissen in eine neue Entwicklungsphase ein. Der 2. Kongress wird die Partei weiter verändern.

Von Berlin ergeht unser Appell: Entwickeln wir die EL zu einer politischen Kraft, die in allen Ländern weiter wächst!

Infos: http://www.european-left.org/news/latest_news?set_language=de&cl=de

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