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Oh du mein „Österreich“…

  • Montag, 13. November 2006 @ 14:27
Österreich „Denk ich an Österreich in der Nacht, wird´ ich um den Schlaf gebracht“, kommt einem Heinrich Heine unwillkürlich leicht abgewandelt in den Sinn, wenn man tagaus, tagein mit Gratisexemplaren der seit September erscheinenden gleichnamigen Tageszeitung überhäuft wird. Seither findet nämlich ein Schlagabtausch zwischen „Krone“ und „Österreich“ – von den Herausgebern Dichand vulgo Cato und Wolfgang Fellner höchstpersönlich in ihren Kolumnen geführt – statt, der sich gewaschen hat.

Dem „alternden Kleinformat“ (Fellner liebevoll über Dichand) mit bislang größter Auflage im Verhältnis zur Bevölkerung steht die Kampfansage von „Österreich“ entgegen. Die neue Zeitung hat schon nach wenigen Wochen angeblich über eine Million Leser, was insofern nicht verwundert, als massenhaft Gratisexemplare verteilt und Probeabos aufgedrängt werden.

Die Schlachtfelder in diesem Kampf der medialen Titanen sind populistische Reizthemen. So zeigte sich Fellner etwa mit einem Kommentar am 18. Oktober auf dem besten Wege, Dichand mitsamt „Krone“ vom Boulevard wegzuputzen: „Unsere Behörden versagen“, die „Justiz ist nicht in der Lage Recht zu sprechen“, Mord der wie „ein Kavaliersdelikt durchgeht“ - solche populistischen Phrasen helfen zwar weder Witwen noch Kindern, vor allem wenn sie schon tot sind, dienen aber offenbar dazu der „Krone“ wieder einige LeserInnen abzujagen. Einen tragischen Fall so auszuschlachten, das ist Hetze der Marke „Law and Order“, wie man sie eigentlich nur von FPÖ und BZÖ kennt.

Warum „immer mehr gestörte Eltern“ ihre Kinder zu Tode quälen beantwortete Fellner natürlich nicht. Dafür die Ankündigung „In Kürze ist der Vater auf freiem Fuß - frei fürs nächste Kind“. Warum er sich bei einer solchen Geisteshaltung nicht gleich mit BZÖ-Westenthaler verbündete, der im Wahlkampf „Keine Gnade“ plakatiert hat und nach US-amerikanischem Vorbild via Täterdatei im Internet zur öffentlichen Hetzjagd aufrufen möchte, aber natürlich jetzt nach der Wahl Kreide frisst um koalitionsfähig zu sein, blieb offen. Eine solche Hetze zielt auf elementare Grundlagen des bürgerlichen Rechtsstaates, auf autoritäres Denken wie Selbstjustiz und Todesstrafe etc. Schaut so das „neue Österreich“ aus, das in der gleichnamigen Zeitung propagiert wird?

Völlig widersprüchlich zeigte sich „Österreich“ in der Verkehrspolitik: Da wird einerseits die Kampagne der Autofetischisten und ihrer populistischen Lobby von ÖAMTC und ARBÖ bis (Erich) Haider (SPÖ) und Max Walch (BZÖ) gegen das auf einzelnen Strecken der Autobahnen verordnete Tempo 100 gepusht. Gleichzeitig ist das Blatt aber empört über die vielen Verkehrstoten, wenn die üblichen Wochenendaus- und Disco-Heimfahrten an einem Baum oder am gegnerischen Auto enden. Also was nun, schneller fahren oder doch nicht? Der Volkswille ist offensichtlich mehr als gespalten…

Hauptschauplatz der Auseinandersetzung ist aber die Politik. Da wetteiferten „Krone“ und „Österreich“ beispielsweise bei der Veröffentlichung, was uns SteuerzahlerInnen die Bezüge der noch amtierenden Regierung kosten, nämlich 11.300 Euro täglich. Ganz so als ob eine neue Regierung, wie immer diese auch ausschauen mag, weniger kosten würde…

Fellner nahm sogar Bundespräsident Heinz Fischer in die Pflicht und forderte von ihm fast ultimativ die große Koalition oder eine Neuwahl ein. Der „Offene Brief“ war sinnigerweise gezeichnet mit „Ihr Österreich“: Eine so geniale Vermengung von Öffentlichkeit und Privatkapital schafft die „Krone“ natürlich nicht, diese kann höchstens nostalgisch-monarchistische Ansprüche befriedigen.

Als Begründung für die Aktion hieß es da, es sei „katastrophal für unser Land, ein nicht absehbarer Schaden für die Wirtschaft und die Arbeitsplätze, ein Tiefschlag für den letzten Rest Vertrauen, den die Wähler in die Politik noch haben“. Da allerdings faktisch heute 80 Prozent der Politik in Brüssel bestimmt, weil die entsprechenden Kompetenzen mit Zustimmung österreichischer Regierungen dorthin abgegeben wurden, fällt es gar nicht besonders auf, wenn wir eine Zeitlang keine richtige Regierung haben. Der Laden läuft auch von allein und vielleicht wird dabei sogar weniger Schaden angerichtet.

Was Fellner von LeserInnen und WählerInnen hält dokumentierte sein Blatt bei der Veröffentlichung von Fischers Antwort auf den „Offenen Brief“. Dieser wurde als Faksimile abgedruckt, aber mit entsprechenden Erläuterungen versehen, die schlichtweg deutlich machen, dass „Österreich“ die ÖsterreicherInnen für zu dumm hält, um das Schreiben des Präsidenten selbst zu beurteilen.

Was der Zweikampf „Krone“ gegen „Österreich“ anschaulich dokumentiert ist der Fakt, dass damit deutlich gemacht wird, wer in diesem Land Politik macht, nämlich die Medienkonzerne. Die Parteien dienen ihnen eigentlich nur als unterwürfige Anhängsel, die sie mit ihrem Tun oder Nicht-Tun, für die populistischen Medien besser aber noch mit Skandalen und Affären füttern dürfen. Und wenn sie devot genug sind, dann werden sie gepusht wie derzeit Gusenbauer von „Österreich“.

Gemeinsam ist beiden nicht nur die Präpotenz den Willen des Volkes im Allgemeinen und den Wählerwillen im Besonderen zu verkörpern, sondern auch der Appell an das so genannte „gesunde Volksempfinden“. Dieses pflegt Fellner etwa mit der Berufung auf die „überwältigende Mehrheit der Leser“. So was kann der Kontrahent nicht auf sich sitzen lassen, daher der Vorwurf des „greisen Herausgebers“ (Fellner über Dichand) „Österreich“ habe massives Interesse an Neuwahlen wegen des Inseratengeschäfts.

Fellner dementiert heftig und beschwört, im Gegensatz zur „Krone“ würde sein Blatt Inserate von „rechtsextremen Parteien mit menschenverachtendem Inhalt“ ablehnen. In Erinnerung ist aber sehr wohl, dass in den Werbeexemplaren für „Österreich“ während der Fußball-WM laufend Westenthaler-Inserate zu sehen waren. Und im Übrigen macht eine redaktionelle Berichterstattung die Strache-Politik auch nicht besser.

Einen besonderen Freund hat „Österreich“-Herausgeber Fellner offensichtlich im Chef der Gewerkschaft Druck-Journalismus-Papier, dem Multifunktionär Franz Bitter. Dieser konnte sich im Gewerkschaftsblatt „Vorwärts“ nicht genug über die neue Tageszeitung ereifern und lobhudelte den Eröffnungsevent zu einem Staatsereignis hoch. Offenbar stieß dies aber auch bei der eigenen Gewerkschaftsklientel nicht auf besondere Zustimmung, so dass sich „Vorwärts“ bemüßigt sah, in der nächsten Ausgabe einige kritische Anmerkungen nachzuschieben.

So wird festgehalten, dass das neue Medienprodukt „viele Widersprüche und Gegenstrategien hervorgerufen“ hat, das Layout „gewöhnungsbedürftig“ sei und „nicht von ungefähr“ die Zeitung auf den vorderen Seiten immer eine „Bedienungsanleitung“ enthält. Die Produktion ist so chaotisch, dass die vorgegebene Andruckzeit kaum erreicht wird und auch journalistisch „dürfte einiges im Argen liegen“. Manche Redakteure stehen mit der Rechtschreibung „auf leidenschaftlichem Kriegsfuss“, sogar in festgeschriebenen Texttiteln gäbe es Druckfehler, was auf Hektik und Stress hinweist.

Auch wird „berechtigte Kritik an manchen Recherchen“ festgestellt, weil häufig mit „Kopieren und Einfügen“ aus Artikeln anderer Zeitungen gearbeitet wird und dies ohne Hinweis auf die Quelle. Die Einschaltungen von Inseraten der Werbewirtschaft sind bisher eher dürftig ausgefallen. Kein Wunder, der Werbekuchen kann nur einmal verteilt werden und da sind viele Haie unterwegs, die einen Happen haben wollen…

Wir dürfen also gespannt sein, ob die Rechnung aufgeht durch Einsatz vieler Millionen Euro eine zweite „Krone“ auf dem Markt zu platzieren. Irgendwie erinnert dieser Zweikampf auf dem medialen Sektor aber an den Konflikt zwischen FPÖ und BZÖ auf der politischen Ebene. Eines haben beide Beispiele nämlich gemeinsam und es ist auch ziemlich unverkennbar: Die Lizitation der beiden Kontrahenten führt zu immer neuen bislang nicht gekannten Auswüchsen des Populismus, des Kampfes um die niedrigsten Instinkte und das ist kein gutes Zeichen – weder für die Medien noch für die Politik.

Leo Furtlehner

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