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Nachhaltig – aber wie?

  • Montag, 25. September 2006 @ 17:22
Umwelt Der ursprünglich für die Forstwirtschaft geprägte, später von der Umweltbewegung aufgegriffene und 1987 von der so genannten Brundtland-Kommission in die politische Debatte eingeführte Begriff Nachhaltigkeit bedeutet einen sorgfältigen Umgang mit den Ressourcen und Rücksichtnahme auf die Regenerierung derselben. Mit dem Weltgipfel für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio wurde die nachhaltige Entwicklung zum gängigen politischen Begriff.

Derzeit ist Nachhaltigkeit allerdings zu einem politischen Schlag- und Modewort verkommen. Konzerne und Politik verwenden sie als Synonym für „umweltfreundlich“, „erfolgreich“ oder „innovativ“ um die katastrophalen Auswirkungen des neoliberalen Kapitalismus auf Mensch und Umwelt zu übertünchen. Aus marxistischer Sicht hat dieser Begriff jedoch eine sehr grundsätzliche Bedeutung und steht dabei in Wechselwirkung mit dem Motto „global denken, lokal handeln“.

Der Zwang zum Maximalprofit als Wesenszug und Triebkraft des Kapitalismus führt zu einem immer gravierenderen Raubbau an den natürlichen Ressourcen. Die Beeinträchtigung und Zerstörung der Umwelt und der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen geht soweit, dass auf Dauer dadurch die Existenz der Menschen selbst gefährdet ist.

Ein zunehmender Teil der Menschheit leidet an Hunger, verfügt über zuwenig Trinkwasserressourcen, ist Klimaveränderungen und dadurch Naturkatastrophen ausgeliefert und wird durch Umweltvergiftungen, Krankheiten und Seuchen bedroht. Die Entwicklung riskanter Technologien wie Atomkraft oder Gentechnik hat unkontrollierbare Folgen. Durch eine zunehmende Zersiedelung im Umland der Städte und im ländlichen Raum und die durch die vier Grundfreiheiten der EU geradezu zum Dogma erklärte wachsende Mobilität steigt der Verbrauch natürlicher Ressourcen sprunghaft an und wirkt sich etwa in Bodenversiegelungen, Umweltbelastung durch wachsenden Verkehr und hohe Aufschließungskosten aus. Die Auflagen der WTO für den freien Welthandel und eine verfehlte Subventionspolitik der EU für die agrarische Massenproduktion wirkt sich negativ auf Umwelt und Lebensqualität aus.

Die kommunistische Bewegung arbeitet nach wie vor die tief greifenden Ursachen des Scheiterns des realsozialistischen Versuchs von 1917 bis 1991 auf. Ein Aspekt dabei ist auch ein geradezu fahrlässiger Umgang mit Natur und Ressourcen, für den etwa die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, die Versteppung von weiten Teilen Mittelasiens durch exzessive Wassernutzung für den Baumwollanbau oder die Belastung von Gewässern und Boden durch Chemie oder Ölindustrie ebenso wie Atomversuche oder Lagerung von Atom- oder Chemiemüll stehen.

Für diesen nicht nur mit dem Systemwettbewerb zwischen Realsozialismus und Kapitalismus erklärbaren Aspekt sind Rückgriffe auf frühe Erkenntnisse des Marxismus angebracht: „Jeder Fortschritt der kapitalistischen Agrikultur ist nicht nur ein Fortschritt in der Kunst, den Arbeiter, sondern zugleich in der Kunst, den Boden zu berauben, jeder Fortschritt in Steigerung seiner Fruchtbarkeit für eine gegebene Zeitfrist zugleich ein Fortschritt in Ruin der dauernden Quellen dieser Fruchtbarkeit … Die kapitalistische Produktion entwickelt daher nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter.“ Soweit Karl Marx im „Kapital“ (MEW23, S.529)

Und Friedrich Engels schrieb in seiner „Dialektik der Natur“ zum selben Thema: „Und so werden wir bei jedem Schritt daran erinnert, dass wir keineswegs die Natur beherrschen, wie ein Eroberer ein fremdes Volk beherrscht, wie jemand, der außer der Natur steht - sondern dass wir mit Fleisch und Blut und Hirn ihr angehören und mitten in ihr stehen, und dass unsere ganze Herrschaft über sie darin besteht, im Vorzug vor allen andern Geschöpfen ihre Gesetze erkennen und richtig anwenden zu können.“ (MEW20 S.453)

Oft wird Marx „Fortschrittsgläubigkeit“ vorgeworfen. Ihm war ebenso klar, dass es kein Zurück in die „gute alte Zeit“ gibt wie auch, dass diese Zeit alles andere als „gut“ war. Seine Kritik an der Industrie bezog sich zweifellos auf die kapitalistischen Verhältnisse, aber er war sich durchaus auch über die dieser Produktionsweise inhärenten Probleme bewusst. Also jener Probleme die trotz Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse weiter existieren, wie die Geschichte anschaulich bestätigt hat.

Generell ist die Kritik von Marx an den sozialen Verhältnissen nicht von einer ökologischen Kritik zu trennen. Denn Marx sieht den Menschen als Teil der Natur und die Natur als Teil des Menschen: „Die Natur ist der unorganische Leib des Menschen, nämlich die Natur, soweit sie nicht selbst menschlicher Körper ist. Der Mensch lebt von der Natur, heißt: Die Natur ist sein Leib, mit dem er in beständigem Prozess bleiben muss, um nicht zu sterben. Dass das physische und geistige Leben des Menschen mit der Natur zusammenhängt, hat keinen anderen Sinn, als dass die Natur mit sich selbst zusammenhängt, denn der Mensch ist ein Teil der Natur.“ So in den „Ökonomisch-philosophische Manuskripten“ (MEW 40, S.516).

Nachhaltig ist eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, den Einklang zwischen Mensch und Natur ebenso berücksichtigt wie eine gerechte Verteilung der Ressourcen. Anders formuliert geht es darum, von den Zinsen und nicht auf Kosten des Kapitals zu leben. Nachhaltigkeit bedeutet ökologisch eine Absage an den Raubbau an der Natur, ökonomisch nicht über die Verhältnisse zu leben, sozial Spannungen in Grenzen halten und Konflikte auf friedlichem und zivilem Wege auszutragen.

Die Nachhaltigkeitsstrategie der EU und damit auch jene Österreichs steht im Konflikt mit den vier Grundfreiheiten (Kapital, Güter, Personen, Dienstleistungen) ebenso wie mit dem Dogma der Liberalisierung. Ohne konkrete und nachprüfbare Ziele bleiben die besten Absichten einer Nachhaltigkeitsstrategie nur auf dem Papier, wobei auch die Kostenwahrheit etwa im Verkehr oder beim Energieverbrauch maßgebliche Faktoren darstellen.

Die Maastricht-Auflagen und der Euro-Stabilitätspakt werden mit einer nachhaltigen Budgetsanierung begründet. Faktisch wird jedoch gerade dadurch ein jahrzehntelang gewachsenes Sozialsystem mit dem Argument der Unfinanzierbarkeit zerstört, was im Ergebnis für eine wirklich nachhaltige Entwicklung völlig kontraproduktiv ist.

Die „freie Marktwirtschaft“ als Behübschung des Kapitalismus sieht den Wettbewerb und damit den Profit als oberstes Prinzip. Neoliberale Politik zielt vorrangig darauf ab, alle diesbezüglichen Hemmnisse zu beseitigen und zerstört auch systematisch jegliche Solidarität. Damit steht aber eine solche Politik im krassen Gegensatz zu wirklicher Nachhaltigkeit. Sie spaltet nämlich die Gesellschaft zunehmend in eine kleine Minderheit von immer Reicheren und einer wachsenden Mehrheit, welcher zunehmend Verarmung droht. Gerade das vielfach zum wichtigsten Faktor von Nachhaltigkeit erklärte Sozialkapital wird durch eine solche Entwicklung geschädigt. Wirkliche Nachhaltigkeit in sozialer und gesellschaftlicher Hinsicht kann hingegen nur Ausgleich, Sicherheit, Solidarität und Erhaltung der Ressourcen bedeuten.

Nachhaltigkeit steht auch in einem engen Zusammenhang und Wechselwirkung mit dem Anspruch auf Partizipation, also der Teilhabe möglichst vieler Menschen am gesellschaftlichen Prozess. Wir Nachhaltigkeit ernst genommen, verlangt sie geradezu zwingend die möglichst breite demokratische Willensbildung und Verantwortung über die Ressourcen und den Umgang damit.

Ein wesentliches Hemmnis für jede Nachhaltigkeit ist die Verschwendung gigantischer Ressourcen für die Rüstung. Die dafür aufgewendeten Mittel fehlen in vielen anderen Sektoren, sei es wirksamer Umweltschutz, Entwicklung effizienter Energieformen bis hin zur Finanzierung des Sozialstaates, Bildungs- und Gesundheitswesens. Eine Nachhaltigkeit welche ihren Namen verdient verlangt daher auch das Eintreten gegen Rüstung und Krieg, mit denen jede Nachhaltigkeit in brutaler Form konterkariert wird.

Stellungnahme zu den politischen Aspekten einer nachhaltigen Entwicklung in Österreich

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