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”Sanct Jörg – teutsch allerwege!”

  • Samstag, 1. Januar 2005 @ 15:11
Antifa Für engagierte Antifaschistlnnen ist es gerade im Gedenkjahr 1995 ein Anliegen, für die ”Freiheitlichen” ist es ”politischer Kannibalismus”, wie der ”Aula” zu entnehmen ist: Es geht um die Umbenennung von Straßen und Plätzen, die nach dem deutschnationalen Pfarrer und Dichter Ottokar Kernstock benannt sind.

Lyrische Laute

Der Mann ist nicht sehr bekannt, und die Berufung auf einen Dichter hört sich immer gut an. Ein Grund, warum wohl in rund 20 österreichischen Gemeinden einst ohne größeren Widerspruch Straßen nach ihm benannt wurden. Immerhin, ”Das große Buch der Österreicher” aus dem Verlag von Kremayr & Scheriau, 1987 von Walter Kleindel herausgegeben, kennt ihn und listet ihn unter seinen 4.500 Einträgen auf: Geboren am 25. Juli 1848 im heute slowenischen Maribor, gestorben am 5. November 1928 auf der Festenburg in der Steiermark.

Ottokar Kernstock war katholischer Geistlicher und Lyriker, studierte in Graz Jus - wo er der schlagenden Burschenschaft ”Gothia” angehörte und später ein Ehrendoktorat der Universität erhalten hat - und war Chorherr im Stift Vorau (Steiermark). 1871 wurde er zum Priester geweiht, und ab dem Hitler-Geburtsjahr 1889 war er Pfarrer auf der Festenburg. Beschönigend wird die Literatur des ”großen Österreichers” als ”spätromantisch” und in ”Geist und Sprache der mittelhochdeutschen Lyrik nachempfunden” bewertet. Niederschlag fand dies in – wohl nur in einschlägig deutschnationalen Kreisen verbreiteten - Werken wie ”Die wehrhaft Nachtigall” (1-900), ”Aus dem Zwingergärtlein” (1901), ”Unter der Linde” (1905), ”Aus der Festenburg” (1911), ”Tagweisen” (1912) und ”Der redende Born” (1922). Doch diese Literatur ist im allgemeinen so unbekannt, daß sie in einschlägigen Schriftstellerlexika kaum Niederschlag findet.

Blutrünstiger Dilettant

Bekannt wurde Kernstock vielmehr als Dichter der zwischen 1929 und 1938 verwendeten Bundeshymne der ersten Republik ”Sei gesegnet ohne Ende” und vor allem des 1923 auf Ersuchen der steirischen NSDAP-Ortsgruppe Fürstenfeld für eine Fahnenweihe geschriebenen Hakenkreuzliedes.

Der Wortlaut ”Das Hakenkreuz im weißen Feld/Auf feuerrotem Grunde/Hat uns mit stolzem Mut beseelt/Es schlägt in unserer Runde/Kein Herz, das feig die Treue bricht/Wir fürchten Tod und Teufel nicht!/Mit uns ist Gott im Bunde!” wurde im ganzen deutschsprachigen Raum verbreitet, stieß aber auf Widerstand der damaligen Christlich-Sozialen und der Kirche. Kernstock schwächte daraufhin den Charakter ab und meinte, mit seiner NS-Propaganda müsse ”jeder brave Deutsche” einverstanden sein.

Seine Literatur und Lyrik war von solcher ”Blut und Boden”-Rünstigkeit, daß Karl Kraus den Dichter als ”blutigsten Dilettanten der Weltkriegslyrik” bezeichnete. Schon 1911 dichtete der Pfarrer Kernstock ganz und gar unchristlich ”Drum schilt die Deutschen nicht/Scheint's auch zuweilen/Als habe Rost ihr tapf´res/Schwert belegt'/Wenn sie die Not bezwingt/Hiebe auszuteilen/ist's rasch an Feindes-/Schädeln blankgefegt.

Ein dem chauvinistischen Kriegsfieber entsprungenes Extrembeispiel ist ein Erguß mit dem Wortlaut: ”Steirische Holzer holzt mir gut Büchsenkolben die Serbenbrut! Steirische Jäger trefft mir glatt/Den russischen Zottelbären aufs Blatt! Steirische Winzer preßt mir fein/Aus Welschlandfrüchten blutroten Wein!” (1915).

Rückwärts oder denken

Ein - ausgesprochener Rückwärtsdenker ist angesichts dieser literarischen wie politischen Fakten der Weiser Bürgermeister Karl Bregartner (SPÖ) mit seinem - Beharren auf Beibehaltung der 1955 erfolgten Benennung einer Straße nach Kernstock in der zweitgrößten Stadt Oberösterreichs. Wenn Bregartner meint, ”ich habe mit dem Namen Kernstock kein Problem”, ignoriert er nicht nur die massive Kritik in dieser Frage, sondern schädigt bewußt und nachhaltig das Ansehen der Messestadt, warf ihm die Weiser KPÖ vor. Bregartner meint freilich zum Image der Stadt in einem Interview für die ”Salzburger Nachrichten”, dafür sei nicht der Stadtsenat verantwortlich, sondern ”einige ganz wenige, die solche Unterstellungen bewußt einsetzen”.

Das Weiser Stadtoberhaupt bleibt aber auch weit hinter der Haltung von Parteifreunden zurück: So beschloß erst kürzlich der Gemeinderat von Ansfelden auf Antrag von SPÖ-Bürgermeister Walter Ernhard, die dortige Kernstockgasse im Gedenkjahr 1995 umzubenennen. Nun hat auch die Stadt Traun (OÖ) nachgezogen und angekündigt, daß der Kernstockweg im Gedenkjahr 1995 umbenannt wird.

Ansehen und Absichten

In Wien erfolgte bereits 1992 die Umbenennung des Kernstockplatzes im 16. Bezirk in Familienplatz. Dieser ursprünglich nach dem deutschen Arbeiterführer August Bebel benannte Platz war von den Austrofaschisten nach der blutigen Niederschlagung des Arbeiteraufstandes vom Februar 1934 nach dem Nazidichter benannt worden. 1993 wurde auch im 14. Bezirk die dortige Kernstockstraße umbenannt - gegen wütenden Widerstand der FPÖ, die deswegen vor allem die ÖVP attackierte und von ”politischem Kannibalismus” sprach.

In Graz hat die SPÖ eine Diskussion begonnen, nach einschlägig deutschnationalen Personen benannte Straßen umzubenennen. Der steirische SPÖ-Landesbildungsvorsitzende Wolfgang Riedler vergleicht sogar manche Straßennamen in der einstigen ”Stadt der

Volkserhebung” mit einem ”Who is who” des NS-Kulturbetriebes und führt als Beispiele neben Kernstock Aurelius Polzer, Hans Kloepfer, Max Mell, Robert Hohlbaum, Rudolf Hans Bartsch und Rudolf List an.

Gerhard Fuchs, Kulturexperte des Grazer Franz-Nabl-Instituts, bewertet Kernstock als Wegbereiter der deutschnationalen Bewegung und seine Literatur als Wechselspiel von harmlosen Naturkitsch-Idyllen und blutrünstigem Kriegsgeschrei, spricht ihm aber jede Bedeutung ab, die eine Straßenbenennung rechtfertigen würde.

Daß nicht literarische, sondern politische Aspekte im Streit um Kernstock entscheidend sind, bestätigt auch der Wiener F-Stadtrat Lothar Gintersdorfer in seinem Artikel ”Kernstock und die Hexenjäger” in der rechtsextremen Zeitschrift ”Aula”. Ginterstorfer bewertet Kernstocks Rolle als ”zeitgebundener Schriftsteller eher bescheiden”, führt aber gleichzeitig an, er habe sich ”begeistert ihr den ersten Weltkrieg ausgesprochen und auch einige hemmungslose Gedichte dazu verfaßt”.

Deutschnationale Note

Daß Kernstock bereits 1928 gestorben ist, wird von seinen Verteidigern als Argument angeführt, daß er kein Nazi gewesen sein konnte. Doch die kriegsverherrlichende und völkische Linie seines ganzen literarischen und lyrischen Schaffens macht ihn eindeutig als Nazi-Schriftsteller erkennbar. Auch in seinem Text der Bundeshymne ist die deutschnationale Note mit dem Refrain

Deutsche Arbeit, ernst und ehrlich/Deutsche Liebe, zart und weich!” unverkennbar. Und in seinem Gedicht ”Das Losungswort” heißt es völkisch-pfäffisch gemixt ”Deutsch sein und zusammenhalten! Alles andre wird Gott walten!”

Mit den bereits erfolgten bzw. angekündigten Unbenennungen von Kernstockstraßen fällt auch das ”Alibi” des Welser Bürgermeister Bregartner, es gebe keinen Handlungsbedarf für eine Umbenennung und eine solche sei nur bundesweit möglich, wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

Eine Debatte über Kernstock bzw. eine Umbenennung nach ihm benannter Straßen und Plätze gab es bereits in den sechziger Jahren, die allerdings in der Folge wieder einschlief. Es ist eine Schande für Österreich, wenn beim heutigen Wissensstand immer noch öffentliche Plätze nach dem ”blutigsten Dilettanten der Weltkriegslyrik” und geistigen Wegbereiter des NS-Faschismus benannt sind. Die Initiative Welser gegen Faschismus (IWGF) hat schon 1989 in einem Postwurf an alle Haushalte durch die Historiker Michael John und Rudolf Kropf von der Linzer Johannes-Kepler-Universität eine hinreichende Bewertung der ”Braunen Flecken” der Messestadt, darunter auch der Kernstockstraße, vollzogen.

Treu bis in den Tod...

An Bregartner als hartnäckigem Verteidiger der ”Braunen Flecken” von Wels - Kernstockstraße, Waffen-SS-Gedenktafel in der Sigmarkapelle, Subventionierung der nach dem NSDAP-Kreisschulungsleiter Moritz Etzold benannten ÖTB-Turnhalle - gibt es seit Jahren massive Kritik von Antifaschisten und auch in der Sozialdemokratie. Die Bundes-SJ hat, unterstützt von Hugo Pepper (Sozialdemokratische Freiheitskämpfer), vor einiger Zeit sogar ein Parteiausschlußverfahren beantragt, worauf Bregartner mit dem kollektiven Parteiaustritt der Weiser SPÖ drohte.

Freilich spielt das sozialdemokratische Establishment in Oberösterreich diese Kritik herunter, SPÖ-Landeschef Fritz Hochmair bezeichnete Bregartner als ”integeren Sozialdemokraten”, und der eigentliche ”starke Mann” der Landes-SPÖ, Landesrat Josef Ackerl, distanzierte sich trotz seiner Funktion als Landesobmann der Freiheitskämpfer von Hugo Pepper.

Die pikante politische Aktualität von Kernstock-Sprüchen wie ”Treu bis in den Tod dem Feldgeschrei: Sanct Jörg! - Teutsch allerwege!” in Kernstocks ”Reiterlied” müßte freilich der Sozialdemokratie zu denken geben. Mit Haltungen wie der von Bregartner werden nämlich die Schleusen des Wählerstroms von der SPÖ nach rechts geradezu geöffnet. Bereits die Wahlen von 1991 und 1994 haben in Wels augenscheinlich gezeigt, daß mit einer Anbiederung nach rechts, wie es die Linie Bregartners und seiner Stadt-SPÖ ist, die Sozialdemokratie überdurchschnittliche Verluste direkt an die F-Partei verzeichnen muß.

Leo Furtlehner, „Volksstimme“ 14/1995, 6. April 1995

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