Willkommen bei KPÖ Oberösterreich 

Komm ins Offene...

  • Montag, 1. Mai 2006 @ 16:00
Global Von Franz Fend

Komm ins Offene Freund! Komm ins Offene Freundin!

Diesen lyrischen Aufruf des deutschen Dichters Friedrich Hölderlin an seine ZeitgenossInnen kann man als romantische Aufforderung lesen, sich in der frühlingshaften Natur zu ergehen und mit einem appetitlichen Wesen, gleich welchen Geschlechts, der Liebe zu frönen. Ein dichterischer Aufruf, dem ich viel abgewinnen kann.

Doch anders gelesen, bedeutet Hölderlins Appell auch, sich das Offene wieder zurückzuholen. Den öffentliche Raum, wie wir heute sagen. Denn der öffentliche Raum wird, wie alles im Kapitalismus den wir heute erleben, privatisiert, gesäubert und zu einer Ware gemacht. Einer Ware, die den neuen Eliten des Neoliberalismus vorbehalten bleiben soll. Ihn wieder zu besetzten, ihn aufs Neue zurück zu erobern, das ist das Gebot der Stunde. Und genau das tun wir auch hier mit unserer gemeinsamen Maidemonstration, zu der ich Euch herzlich willkommen heißen möchte, liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde.

Sehen wir uns um in der Stadt: Allerorts wird gebaut. Paläste aus Glas und Stahl. Aber allerorts wird auch gesäubert. So genannte Punks oder Sandler beispielsweise werden vertrieben, wo sie einen Platz gefunden haben. Brunzdumme Securitys mit Metzgerhundvisage verjagen vom sie Bahnhof, aufgebrachte Landstraßen-Kleinkapitalisten die um ihre lächerlichen Geschäfte bangen, hetzen sie vom Taubenmarkt und wild gewordenen Regionalmedien möchten diese Leute am liebsten weggesperrt wissen.

Sie passen nicht ins zeitgeistigen Bild vom umfassend verwertbaren Menschen. Vom Menschen, der vor allem Arbeitskraft ist, der nicht murrt und brav schluckt was der Neoliberalismus für ihn bereithält. Und vom Menschen der die restliche Zeit Konsument ist und kauft und frisst was ihm vorgesetzt wird. Und sie passen nicht in den Zeitgeist, der fordert, dass sich die Menschen um alles selber zu kümmern haben, weil soziale Sicherungssysteme demoliert worden sind, weil man sich das Gesundheitssystem nicht mehr leisten will und weil man den Alten die Pensionen gestohlen hat. Und weil man den Arbeitslosen das Arbeitslosengeld gestrichen hat, damit man sie leichter in schlecht bezahlte, unwürdige und ungesicherte Jobs zwingen kann. Das oberösterreichische AMS ist ja bekanntlich besonders gut darin.

Wir nennen diese Entwicklung Prekarisierung der Arbeits- und Lebensverhältnisse. Geringfügige Beschäftigung, Pseudoselbständige die in Wirklichkeit abhängig produzieren, zweifelhafte Ich-AGs, wie auch der Abbau von sozialen Rechten und Arbeitsschutzbestimmungen fallen da darunter. Alles was abseits des weißen, männlichen Normalarbeitsverhältnisses lebt und ausgebeutet wird, fällt unter den Begriff des Prekariats, sagen die Sozialwissenschafter. Die Auswirkungen der prekären Verhältnisse auf die so genannten Normalos in Büros und Werkhallen sind evident. Zukunftsangst, Lohndruck, Mobbing machen sich auch in jenen Sektoren breit, die bislang als wohl geregelt und geschützt galten. Privatisierung und Individualisierung sämtlicher Lebensrisiken wie Gesundheits- und Altersvorsorge mit eingeschlossen.

Ich möchte ihren Blick auch auf jene richten, die unter verschärft prekären Bedingungen leben in unserer Gesellschaft. Menschen mit migrantischem Hintergrund, für die Prekarität existenzielle Unsicherheit bedeutet. Menschen, die sich ihres Lebens nicht mehr sicher sein können. Denen fremdenpolizeilich nachgestellt wird. Menschen die in Schubhaft zu Tode kommen, Menschen die Opfer von rassistischen und neonazistischen Übergriffen werden, weil sie es gewagt haben, dem Elend in ihren Ländern zu entfliehen. Dabei sind jene, die bei uns gelandet sind schon weit gekommen. Tausende kommen um, auf ihrer Flucht. Sie ertrinken nicht, weil das würde ihnen unterstellen, dass sie ohnehin selber schuld seien. Ich sage, sie werden ersäuft in den Meeren, von den Sondereinsatzkommandos der Festung Europa. Der Festung Europa, in der Blair, Merkel und Schüssel das sagen haben.

Es gibt einen Vorschlag liebe Freundinnen, liebe Genossinnen, wie wir der Prekarisierung sämtlicher Lebensbereiche beikommen könnten. Er wird in der radikalen Linken bis hin zu Leuten von der katholischen Sozialakademie gleichermaßen gefordert: Ein Grundeinkommen für alle. Ein Grundeinkommen, ohne Kontrolle von Arbeitsfähigkeit, Arbeitswilligkeit, ohne Repressionen und Demütigungen seitens des AMS. Es müsste Existenz sichernd sein, das heißt die BezieherInnen dürfen nicht mit einem Armengeld, einem Bettel abgespeist werden. Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum wäre gefordert und nicht Teilhabe am Existenzminimum.

Es müsste frei sein von familiärer, pflegerischer Verpflichtung. Es müsste frei sein von Fortbildungszwang oder Studienerfolg und ähnlichen Dingen. Und familiäre oder partnerschaftliche Beziehungen, wie sie bei der Notstandshilfe geprüft und angerechnet werden, dürften ebenfalls keine Rolle spielen. Und es setzte eine Residenzbürgerschaft voraus. Alle, egal woher sie kommen und aus welchem Grund sie hier sind müssten es erhalten.

Ein Grundeinkommen ist gewiss eine Übergangsforderung. Aber es würde vom allgegenwärtigen Arbeitszwang befreien wie der Philosoph André Gorz es formulierte: „Es soll nicht mehr diejenigen, die es beziehen, zu jeder beliebigen Arbeit unter allen Umständen zwingen, sondern es zielt auf die Befreiung von den Zwängen des Arbeitsmarktes ab. Es soll ihnen ermöglichen, ,unwürdige‘ Arbeit und Arbeitsbedingungen abzulehnen…“ Und das ist es doch was wir wollen?

Wenn ich die Mai-Plakate unserer Sozialdemokratischen Freunde betrachte beschleicht mich ein Unbehagen. Denn die Forderung „An die Arbeit“ erinnert doch eher an einen Meister der seinen Lehrling zur Arbeit stampert, als an eine politische Forderung. Es ist eine unverhohlene Drohung. Kann es sein, dass die SP in etwas rüdem Ton von ihrer Klientel etwas verlangt, was sie selber mit Sicherheit nicht garantieren kann? Oder anders gefragt: Kann es sein, dass die SP da ihr Klientel zu etwas vergattert, was längst nicht mehr ausreichend vorhanden ist, nämlich Erwerbsarbeit? Diese Aufforderung ist, wenn man sie genauer betrachtet, eher eine Manifestation des autoritären Charakters wie ihn Erich Fromm beschrieb, denn eine emanzipatorische Ansage.

Eine Linke, die das Attribut emanzipatorisch auch verdient, sollte doch eher den Weg der Selbstermächtigung einschlagen. Empowerment wäre gefragt. Mit Kompetenz, Mobilisierung und Aktivismus die eigenen Geschicke selber verhandeln. Nicht angsterfüllt nach oben blicken, wie das berühmte Karnickel vor der Schlange, und warten, was die selbst ernannten Stellvertreter in Gewerkschaften und Sozialpartnerschaft wieder vorhaben. Es geht um die umfassende Einmischung des Individuums in die eigenen Angelegenheiten. Es geht darum, zu einem handelnden politischen Subjekt zu werden und nicht zum hilfsbedürftigen, bedauernswerten Individuum, wie das die Vertreter der paternalistischen Stellvertreterpolitik so gerne hätten, um so gleichzeitig Bevormundung, Ausgrenzung und Unterdrückung aufrecht erhalten zu können.

Der Philosoph Ernst Bloch hat von zwei Antrieben für Gesellschaft veränderndes Handeln gesprochen. Den Kampf gegen Armut für soziale Gerechtigkeit und das Ringen um die Menschenwürde, um den aufrechten Gang. In den Einsatz für soziale Gerechtigkeit können wir unsere Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen einbringen. Den aufrechten Gang müssen wir selber üben. Täglich aufs Neue. Nicht als besserwisserische Avantgarde voranmarschierend oder in religionsartigem Dogmatismus erstarrt, sondern lebendig die Wirklichkeit wahrnehmend und die eigene Position immer wieder überprüfend.

In diesem Sinne möchte ich an Bertold Brechts „Lob des Lernens“ erinnern:
„Scheue dich nicht, zu fragen, Genosse!
Lass dir nichts einreden
Sieh selber nach“

Dieser Brecht lehrte uns auch, dass Kommunismus nichts mit verzwickter Askese und protestantischer Genügsamkeit zu tun hat, sondern vielmehr mit dem Genießen und dem prallen Leben.

So darf ich mit dem Ahnherren der Toskana Fraktion Bolschewiki, dem Professore für Subversion, Johannes Agnoli schließen: „Der Kommunismus ist wichtig, aber Ossobucco ist auch nicht zu verachten!“

Rede von Franz Fend bei der Kundgebung des Aktionskomitees 1. Mai am 1. Mai 2006 in Linz
Franz Fend ist Stellvertretender Bezirksvorsitzender der Linzer KPÖ

Themen