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Stellungnahme der KPÖ zum Europäischen Rüstungsmarkt

  • Donnerstag, 27. April 2006 @ 08:31
Frieden Im Rahmen der laufenden Konsultationen der Europäischen Kommission liegt das „Konsultationspapier zum innergemeinschaftlichen Verkehr mit Rüstungsgütern der Mitgliedstaaten“ zur Begutachtung auf.

Bereits 1998 unterzeichneten die wichtigsten Rüstungsproduzenten der EU (Deutschland, Frankreich, Italien, Schweden, Spanien, Großbritannien) quasi als „Kerneuropa“ eine Absichtserklärung zur Restrukturierung der Rüstungsindustrie. Ergänzt wurde dies 1998 durch einen Verhaltenskodex für die Ausfuhr von Waffen und 2003 durch einen Gemeinsamen Standpunkt über den Verkehr mit Rüstungsgütern und als Vorgriff auf die gescheiterte Verfassung die Errichtung der Europäischen Verteidigungsagentur.

Grundsätzlich ist zu diesem Konsultationspapier festzustellen, dass darin weder die Freiheit die Rüstungsindustrie und den Handel mit Rüstungsgütern abzulehnen noch eine Konversion zu ziviler Produktion vorgesehen ist. Die fast durchgehende Verwendung des Begriffs „Verteidigungsgüter“ wirft die Frage auf, gegen wen sich die EU eigentlich verteidigen will und ob es nicht vielmehr um Kriegsmaterialien für den Einsatz außerhalb der EU geht.

Aus der Sicht der KPÖ bedeutet der Handel mit Kriegsmaterialien grundsätzlich immer ein Geschäft mit dem Tod: Rüstung tötet auch in Friedenszeiten, weil Waffen nur zu einem Zweck produziert werden. Die „Verteidigungspolitik“ der EU geht in zunehmendem Masse in Richtung von Kriegseinsätzen außerhalb der EU. Das Geschäft mit der Rüstung ist ein Geschäft mit dem Tod. Darüber hinaus fehlen die Mittel in wichtigen Bereichen wie Sozialpolitik, Bildung und Gesundheitswesen.

Der neuerliche Vorstoß der EU-Kommission sieht vor, dass die bedingungslose Rüstungszusammenarbeit von den derzeit sechs Mitgliedsstaaten auf alle 25 erweitert wird. Darüber hinaus soll ein „Gemeinschaftsinstrument“ zur Beseitigung der Handelshemmnisse für Rüstungsprodukte in der EU durch eine einheitliche Ausfuhrregelung geschaffen werden.

Das Konsultationspapier ist im Zusammenhang mit der in der nach dem Nein bei den Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden vorläufig gescheiterten EU-Verfassung zu sehen. Darin ist eine Aufrüstungsverpflichtung der EU-Mitgliedsländer vorgesehen: „Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.“, Art. I-40, 3. Ebenso ist im Verfassungsentwurf die Bildung einer Europäischen Rüstungsagentur geplant: „Es wird ein Europäisches Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten eingerichtet, dessen Aufgabe es ist, den operativen Bedarf zu ermitteln und Maßnahmen zur Bedarfsdeckung zu fördern, zur Ermittlung von Maßnahmen zur Stärkung der industriellen und technologischen Grundlage des Verteidigungssektors beizutragen und diese Maßnahmen gegebenenfalls durchzuführen, sich an der Festlegung einer europäischen Politik im Bereich Fähigkeiten und Rüstung zu beteiligen sowie den Ministerrat bei der Beurteilung der Verbesserung der militärischen Fähigkeiten zu unterstützen.“, Art. I-40, 3.

Der ausdrückliche Bezug des Konsultationspapiers auf die Umsetzung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik macht den Zusammenhang von wirtschaftlicher Entwicklung und Militarisierung deutlich. Auch dieser Aspekt ist in der Verfassung vorgesehen: „Die Mitgliedstaaten stellen der Union für die Umsetzung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zivile und militärische Fähigkeiten als Beitrag zur Verwirklichung der vom Ministerrat festgelegten Ziel zur Verfügung.“, Art. I-40, 3.

Wenn die EU-Kommission aktiv wird, geht es durchgängig darum „einzelstaatliche Hindernisse“ für angeblich „freie Märkte“ zu beseitigen. Im Konsultationspapier wird das Interesse von Mitgliedsstaaten betont, eine eigene Rüstungsindustrie aufrechtzuerhalten und durch Handelshindernisse abzuschotten. Demnach zielt das Papier darauf, diese Hemmnisse zugunsten der Interessen der großen EU-Länder bzw. deren Rüstungskonzerne abzubauen. Der für den Abbau der Handelshemmnisse angeführte Artikel 95 EGV stellt dabei einen Freibrief für massiven Druck auf die kleineren EU-Länder zur Durchsetzung der Interessen der großen Staaten bzw. deren Rüstungskonzerne dar.

Dass für den Rüstungsmarkt die österreichische Neutralität eine sehr lästige einzelstaatliche Regelung ist – die daher auch von den Regierenden in Österreich seit vielen Jahren Stück um Stück abgetragen wird – liegt auf der Hand. Im Zusammenhang damit stellt auch das österreichische Kriegsmaterialiengesetz ein Hindernis für den freien Rüstungshandel dar. So werden auf EU-Ebene mit Zustimmung der Mitgliedsländer jene Sachzwänge hergestellt, mit denen die österreichischen PolitikerInnen dann für die weitere Zersetzung der Neutralität argumentieren.

Wie immer müssen wirtschaftliche Argumente und die Not um die Arbeitsplätze herhalten, um zu belegen, wie wichtig eine solche Regelung wäre. Die bisher – von der Kommission geschätzten – 770.000 Arbeitsplätze in der EU-Rüstungsindustrie sollen angeblich damit gesichert werden. Was dabei überhaupt nicht mehr sichtbar ist, dass Rüstung ausschließlich aus öffentlichem Geld – also zum überwiegenden Teil aus Steuern der Lohnabhängigen - bezahlt wird.

Ein besonderer Zynismus ist die mit dem Papier angestrebte Zertifizierung nach ISO 9000 für den Handel mit Rüstungsgütern. Sie bedeutet letztlich nichts anderes als eine Lizenz für den Tod. Mit dem praktischen Einsatz der so gehandelten zertifizierten Kriegsmaterialien kann somit das Prädikat „EU-konform getötet“ vergeben werden.

Das vorliegende Konsultationspapier ist im Rahmen der Militarisierung der EU und deren Entwicklung zu einer mit den USA gleichwertigen Supermacht zu sehen. Zusammenfassend lehnt die KPÖ diese Vorlage grundsätzlich ab und tritt anstelle dessen als Alternative für ein Konzept über die Konversion der Rüstungsindustrie auf zivile Produkte ein und tritt überdies für die Abschaffung des österreichischen Bundesheeres ein.

KPÖ-Bundesausschuss 27. April 2006

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