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Prinzipiencharta für ein anderes Europa

  • Mittwoch, 1. März 2006 @ 15:25
Europa Einleitung

1. Von den Oligarchien zur europäischen Demokratie

Das „Nein“ zum Verfassungsvertrag bei den französischen und niederländischen Referenden im Frühling 2005 kennzeichnet einen historischen Übergang: es ist nicht das Versagen Europas, sondern die Krise der Regierungen, die mittels eines Vertrags, den sie selbst verhandelt hatten, eine Verfassung durchsetzen wollten. Das französische und niederländische „Nein“ endete die historische Klammer, die durch die Schumann-Erklärung am 9. Mai 1950 geöffnet worden war, und kann es uns ermöglichen, das zwischenstattliche Schachern, das Regime des Paktierens zwischen Staaten internationalen Rechtes, den Markt und das Geldwesen zu überwinden, die der liberalen Politik und dem demokratischen Defizit, die für den Aufbau der Europäischen Union typisch sind, zugrunde liegen. Darum haben wir uns, nach dem Sieg des „Neins“ anlässlich der Referenden in Frankreich und in den Niederlanden, neben den großen europäischen Mobilisierungen der ersten Jahre des 21. Jahrhunderts gegen den Krieg, den Liberalismus und den Rassismus und denen der letzten Monate gegen die Privatisierung der öffentlichen Dienstleistungen und für die Garantie der universellen Rechte (wie den Rückzug der Bolkestein-Richtlinie) daran gemacht, eine Prinzipiencharta für ein anderes Europa auszuarbeiten und zu schreiben.

Die antiliberalen sozialen Bewegungen haben die Methoden und den Inhalt des „Europäischen Verfassungsvertrags“ kritisiert und die Herausforderung der „Verfassungsgebung“ angenommen, ja diese sogar zu einem herausragenden Element der Kämpfe um Gegenmodelle und für die Rücknahme liberaler Politik gemacht. Die Hauptaufgabe der Bewegungen ist die Integrierung der BürgerInnen, der MigrantInnen und der EinwohnerInnen in die Ausarbeitung von Verfassungsprinzipien.

Zunächst einmal die Entwicklung der Europäischen Gemeinschaften, und dann die der Europäischen Union, hat mit der Zeit die Rolle der Märkte und der Betriebe betont, um die herum die wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen, wie auch die Institutionen selbst, organisiert worden sind. Seitdem sehen wir uns mit einer Wirtschaftsverfassung konfrontiert, die in offensichtlichem Widerspruch mit den Gründungsprinzipien der konstitutionellen Charten des 20. Jahrhunderts steht. Es wurde die Herrschaft der Wirtschaft über die Gesellschaft etabliert, durch das Mittel z.B. des Vertrags von Maastricht, der die Preisstabilität und die Beschränkung der öffentlichen Ausgaben durchsetzt und damit den Hebel zur Zerstörung des Sozialstaates, zur Deregulierung des Arbeitsmarktes etc. bildet, wobei letztere so weit geht, dass sie jede kollektive Aktion aufgrund ‚freier’ individueller Verhandlung zwischen den Partnern zunichte macht. Der Binnenmarkt repräsentiert – dank der freien Zirkulation der Waren, der Personen, der Dienstleistungen und der Kapitale – das Herzstück der Politik und der Institutionen der Union.

Man sollte, im Gegenteil, statt dessen den Vorrang der Grundrechte und ihre Wirksamkeit betonen: Bildung, Gesundheit, Kultur, Energie, Transport, Kommunikation, Wasser, Miete, soziale Sicherheit… Diese Rechte sollten sich an einer Politik der ausgewogenen Gebietsverwaltung orientieren und an einer Umweltpolitik, die das Recht zukünftiger Generationen garantiert.

Die öffentlichen Dienstleistungen sind, ihrer Mission nach, das Mittel, den Zugang zu den Grundrechten real zu machen.

Die Verwirklichung wahrhaft öffentlicher Dienstleistungen und gemeinsamer Güter – Boden, Wasser, Luft, Energie – setzt den Einsatz von Formen sozialen Eigentums voraus. Es geht darum, eine neue Form der Sozialisierung, zu unterscheiden von den Nationalisierungen oder dem Staatseigentum, zu entwickeln, die es den Bevölkerungen und den LohnempfängerInnen erlauben würde, an der Wahl der Organisationsform, des Funktionierens und der Definition der Ziele der öffentlichen Dienstleistungen teilzuhaben.

Man sollte einem Prozess der sozialen Wiederaneignung Raum geben, um die sozialen Bedürfnisse durch einen Prozess der Definition dieser Bedürfnisse durch die BürgerInnen und der Kontrolle durch die BürgerInnen zu befriedigen, und zwar auf allen Ebenen, auf denen soziale Dienstleistungen geliefert werden.

Um die Europäische Union, wo der Staat und der Markt als Souveräne regieren, umzugestalten, wollen wir einen Prozess verfolgen und ausdehnen, mit direkter Beteiligung der BürgerInnen, EinwohnerInnen (oder auch nicht), um in Europa die konstitutionelle Demokratie umzusetzen, um universelle Rechte zu begründen, die gleichzeitig eine europäische Staatsbürgerschaft der EinwohnerInnen und der MigrantInnen schaffen, wie auch einen supranationalen öffentlichen Raum, der durch eine Demokratie auf mehreren Ebenen gekennzeichnet ist.

Die Prinzipien des anderen Europas gründen sich auf:
- der gleichen Würde der Personen und die Unverletzlichkeit der Person;
- Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit und Sicherheit als individuelle und kollektive Güter;
- Gleichheit in der Verschiedenheit;
- die europäische Wohnbürgerschaft;
- die sozialen Rechte und die der Arbeit;
- die Solidarität, um die Armut, den Ausschluss, das Leid abzuschaffen;
- Demokratie und Partizipation;
- eine sozial gerechte Wirtschaft, ökologisch nachhaltig und demokratisch verwaltet.

2. Richtung IV. ESF in Athen: einige Anmerkungen zu den Arbeitsetappen

Die oben aufgeführten Prinzipien sind die Grundlage der sozialen Bewegungen, ihrer Alternativprogramme zu den Programmen der europäischen Führungsklassen und könnten der Gegenstand eines Verfassungsgebenden Prozess für das andere Europa sein. Sie haben immer im Zentrum der ESF gestanden, von Florenz bis London, so wie auch der Versammlung von Florenz (November 2005) und werden auch noch während der Versammlungen, der Seminare und der Runden Tisch in Athen diskutiert werden.

Wir müssen garantieren, dass die Prinzipiencharta weiterhin in einem transparenten und inklusiven (einbeziehenden) Rahmen diskutiert wird; die Arbeitsgruppe zur Charta anlässlich der EVG in Wien hat neuerlich betont:

Die Ausarbeitung und das Schreiben dieser Charta sollten ein offener Vorgang sein, um soziale Akteure mit einzubeziehen, da der Verfassungsgebende Prozess für das demokratische Europa die großen Massen und ihre Organismen mit einbeziehen sollte.

Dieser Prozess soll transparent sein, und jede Etappe soll offen und auf demokratische Weise entscheiden werden. Jedoch sollte in dem Programm nicht ignoriert werden, dass die Europäische Elite den Verfassungsvertrag wiederauflegen will, und die sozialen Bewegungen sollten bereit sein, dieser Neuauflage die Stirn zu bieten.

„Unser“ Europa ist ein gemeinsamer und offener Raum, dessen Grenzen weder mit den geographischen Grenzen noch mit den so genannten natürlichen Grenzen übereinstimmen. Es ist das Resultat der Bildung einer Gesellschaft, die auf den Werten beruhen würde, die die Grundlagen der neuen Bürgerschaft wären: Pazifismus, soziale Rechte, Demokratie, Feminismus, Ökologie, Multikulturalität.

Wir wollen dieses Europa durch zivile Integration bauen, was antithetisch zu einer antidemokratischen Vorgehensweise wäre, die von den Regierungen während der letzten 56 Jahre des konstitutiven Prozesses der EWG/EU verfolgt worden ist, die eher auf den Gesetzen des Marktes und kapitalistischen Wirtschaftsbeziehungen beruht und die neuerdings durch die neoliberale Politik der Gegenwart verschärft wird.

Die Versammlung von Florenz war ein guter Ausgangspunkt, aber wir müssen versuchen, mit Blick auf Athen weiter zu kommen, ohne uns durch irgendeinen Termin beschränken zu wollen, sondern vorzugsweise durch einen Prozess der Vertiefung der Ausarbeitung und durch die Überwindung einer weiteren Etappe im Prozess des Schreibens.

Die Vorschläge, über die die Arbeitsgruppen übereingekommen sind, sind:
- Vorbereitung eines Textes von Berichten und Stellungnahmen dazu, mit einführenden Notizen, um die Absichten und die Ziele der Charta zu erklären, die wir bei der EVG in Frankfurt am Freitag den 3.3.2006 diskutieren werden.
- Organisation einer Reihe von Aktivitäten in Athen, in Zusammenarbeit mit anderen Netzwerken, um einem größeren (dort anwesenden oder vernetzten) Publikum den umfassendsten Stand der dort erreichten Ziele vorzustellen, um die Punkte zu vertiefen, die wir in Florenz diskutiert haben und um die Themen zu diskutieren, die bis jetzt ignoriert worden sind oder die Grund von Meinungsunterschieden zwischen uns sind.

Insbesondere ist vorgeschlagen, was folgt:
- Eine erste Versammlung in Athen, die sich, nach einer allgemeinen Vorstellung, in Arbeitsgruppen aufspalten könnte, wie wir dies in Florenz getan haben, um das Publikum zu informieren und einzubeziehen und um die in Florenz erreichten Resultate zu verbessern
- Eine gewisse Anzahl an Seminaren zu Themen, die wir noch nicht oder nicht in ausreichendem Maße diskutiert haben, wie zum Beispiel:
- die Wissensgesellschaft, die kapitalistische Integration zwischen Wissenschaft und Produktion (Informationstechnologien, pharmazeutische Unternehmen, Biotechnologie usw.)
- makroökonomische Politik, um den neoliberalen Strategien zu begegnen (EZB, Stabilitätspakt)
- Armut und Ausschluss in Osteuropa und auch im Westen
- Das demokratische Leben der Betriebe: die Modalität der Produktion als „Genossenschaft/Kooperative“.
- „Runder Tisch“ zu den Fragen, zu denen keine Einigkeit erzielt wird:
- Terrorismus/Terrorismen: Definitionen, Analysen und Strategien, um sie zu bekämpfen
- Verteidigung der Menschenrechte, UNO, Völkerrecht; internationale Gesetze etc.
- Selbstbestimmung und Menschenrechte jedes Mitglieds einer jeden Gemeinschaft, die auf Selbstbestimmung abzielt; Minderheitengruppen in Europa und ihr Recht, ihre Identität zu bewahren.
- Europa: bürgerschaftliche Integration im Gegensatz zur Integration (oder besser gesagt, Nicht-Integration) durch die Nationalstaaten
- Prekarisierung, Minimaleinkommen, demokratische Rechte der ArbeitnehmerInnen
- Patriarchat, Kapitalismus, Gleichheit, Unterschiede
- Thesen zur Bildung einer demokratischen institutionellen Architektur Europas und zur Ausgestaltung der Beziehungen zu den in den Mitgliedsstaaten angenommenen Formen
- Schlussversammlung, um die getane Arbeit auszuwerten und um die nächsten Etappen und Initiativen zu beschließen.

Für jede und jeden hat sich Europa in einen Raum der sozialen und politischen Initiative verwandelt und seine demokratische, pazifistische, feministische, ökologische, multiethnische, solidarische Gestaltung – wie es der Schlusstext der Versammlung in Paris am 25. Juni letzten Jahres formuliert hat – ist eine gemeinsame Verpflichtung aller am Europäischen Sozialforum teilnehmenden Bewegungen.

A. Die Prinzipiencharta für ein anderes Europa

Die menschliche Würde ist unverletzlich. Sie soll respektiert und geschützt werden. Europa anerkennt und respektiert die in der Universellen Erklärung der Menschenrechte (1948), durch die Europäische Konvention des Schutzes der Menschenrechte und der Grundrechte (1950), durch die Internationale Konvention zur Abschaffung jeder Form der Diskriminierung gegenüber Frauen (1970) und durch die Konvention zum Schutz der Rechte des Kindes (1989) verbrieften Rechte.

1. Frieden und Sicherheit

Unser Europa (?) ist auf Frieden gegründet, und unsere Sicherheit ist gemeinsam und zusammenhängend

Prinzipien

Unser Europa (1) lehnt den Krieg als Mittel zur Lösung internationaler Konflikte ab und anerkennt den Frieden als grundsätzliches Recht der Menschen und der Völker.

Es wirkt als aktives Subjekt für die Verteidigung und die Förderung der universellen Rechte, die die Grundlage des Friedens darstellen: menschliche Würde, soziale und demokratische Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit, Freiheit und Gleichheit zwischen allen Menschen, Freiheit und soziale Verantwortung, und diese gegründet in Kulturen, die ihre Vielfalt anerkennen.

Europa verpflichtet sich, Frieden durch den Kampf gegen jede Form der Ungerechtigkeit durchzusetzen, gegen Ausbeutung, Marginalisierung und Bedrohungen, die zum Teil das Völkerrecht instrumentalisieren, und bei diesem Kampf das Völkerrecht, die Politik und die Diplomatie als seine Hauptinstrumente zu nutzen.

Europa anerkennt das Recht der Menschen und der Völker, der Unterdrückung und der Ungerechtigkeit zu widerstehen (2) und dabei jedes Mittel zu nutzen, das nicht seinerseits Unterdrückung und Vergewaltigung von allgemeingültigen Menschenrechten hervorbringt. Zu diesem Zweck versucht Europa, die internationale Gemeinschaft in die Verteidigung der Ansprüche auf Freiheit und soziale Gerechtigkeit der Opfer mit einzubinden.

Aus diesem Grund unterstützt Europa den Internationalen Strafgerichtshof (3), als einen ersten Schritt in Richtung eines internationalen Rechtssystems, das es erlaubt, staatliche und Kriegsverbrechen zu sanktionieren, unabhängig davon, wer dabei gewinnt.

Europa arbeitet für die aktive Verpflichtung der internationalen Institutionen, gegen jede Form militärischer, sozialer und wirtschaftlicher Unterdrückung vorzugehen. Dieses Ziel soll mit friedlichen Mitteln erreicht werden und das Prinzip der Anwendung militärischer Gewalt ausschließen.

Europa setzt sich gegen den so genannten „Krieg zu humanitären Zwecken“ und den „Präventivkrieg“ ein (4), da wir davon ausgehen, dass der Krieg, angesichts seiner Unmenschlichkeit und seiner Vergewaltigung des Völkerrechts und der Menschenrechte niemals heilen, sondern nur neue Verbrechen hervorbringen kann.

Europa trägt zum Aufbau einer neuen friedlichen und demokratischen internationalen Ordnung bei, die dem unilateralen Handeln der Staaten auf eigene Faust, der Machtpolitik und jeder Form des Imperialismus und Kolonialismus vorbeugt. (5)

Europa respektiert das bestehende Völkerrecht des Friedens und der Gerechtigkeit, angefangen mit der Universellen Erklärung der Menschenrechte, und fördert ihre Entwicklung und Verbesserung.

Europa verpflichtet sich, die internationalen Institutionen zu fördern und zu entwickeln (6), die daran arbeiten, Frieden und Gerechtigkeit unter den Völkern zu sichern. Europa arbeitet auch für ein internationales System von Institutionen, die allen Menschen auf diesem Planeten gleiche Würde und gleiche Rechte garantieren.

Zu diesem Zweck verpflichtet Europa sich, alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die das augenblickliche System der internationalen Institutionen diesem Ziel in den Weg stellt, da diese leider heutzutage den Interessen der Großmächte und der durch transnationale Firmen und Finanzinstitutionen kontrollierten Wirtschaftsmächte unterworfen sind.

Europa anerkennt das Recht der Menschen und der Gemeinschaften, frei von Aggressionen, Gefahren und Bedrohungen zu leben; es sieht ein, dass seine eigene Sicherheit die Konsequenz der Sicherheit anderer ist. Aus diesem Grund fördert es eine gemeinsame und zusammenhängende Sicherheit.

Im Namen dieser Prinzipien nimmt Europa Abstand von jeder Bedrohung oder offensiven Haltung; es arbeitet an die Vorbeugung von Konflikten, für deren friedliche Lösung und für die Humanisierung der internationalen Beziehungen.

Europa lehnt die jede Anwendung von Nuklearwaffen und jedweder Waffen zur Massenvernichtung sowie jede Form der Folter und abwertende Behandlungen ab. Es verpflichtet sich zur Abrüstung und Demilitarisierung, um eine offene und gastfreundliche Welt und eine Gesellschaft zu schaffen, die die freie Bewegung der Menschen sichert.

2. Europa in der Welt

- Das andere Europa gründet sich auf der Grundlage des Friedens, des Universalismus und der Kosmopolität, lehnt jede Strategie der wirtschaftlichen und militärischen Herrschaft, jede Form des Nationalismus, einschließlich des europäischen Nationalismus, und alle Formen des Rassismus ab.
- Das andere Europa ist weltoffen und verpflichtet sich dazu, zum Aufbau der globalen Gerechtigkeit beizutragen: es anerkennt und schätzt den Geschlechterunterschied und die kulturellen und historischen Unterschiede, in einem Rahmen der Gleichheit der individuellen und kollektiven Rechte. Die neuen Wurzeln Europas haben daher einen Meta-Charakter, wozu in hohem Maße die Anwesenheit der Migrantinnen und Migranten beiträgt: die Gewalt der institutionellen Grenzen ist unannehmbar.
- Der europäische Raum identifiziert sich nicht mit dem Raum der 25 der Europäischen Union und lehnt einen Integrationsprozess mittels der neoliberalen Politiken ab, die bereits in Osteuropa, aber auch in Westeuropa, Arbeitslosigkeit, Armut und Marginalisierung provozieren und die Nationalismen nähren.
- Die europäische Kolonialgeschichte, mit ihrer Plünderung der Ressourcen im Süden der Welt, den Kriegen, die Millionen Opfer verursacht haben, erfordert, dass das Europa, das wir uns wünschen, auf einem Prinzip der Verantwortung gegenüber den wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen des größten Teils der Welt, des globalen Südens insbesondere, gegründet ist.
- Das Prinzip der Solidarität, das die Beziehungen zwischen den Ländern des europäischen Raums und den Ländern des Südens anleiten soll, soll keine Form der willkürlichen Wohltätigkeit gegenüber den Schwächsten sein, geprägt - wie im Fall des „Kriegs gegen die Armut“ der Weltbank – durch neoliberale Prinzipien, sondern eine bewusste Verwirklichung eines gemeinsamen Interesses an der Durchsetzung der globalen sozialen und wirtschaftlichen Rechte. Das andere Europa unterstützt das Recht der Bevölkerungen, über sich selbst zu verfügen und ihre einige wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung festzulegen. Es soll garantieren, dass die Souveränität über die eigenen Bodenschätze und die Umwelt ausgeübt werden kann.
- Das Recht auf Entwicklung ist ein unveräußerliches Menschenrecht, wie die Gleichheit der Chancen in punkto Entwicklung ein Vorrecht der Nationen und der Individuen ist.
- Das Europa, das wir wollen, unterstützt eine neue Weltwirtschaftsordnung und entwickelt in diesem Zusammenhang eine internationale Zusammenarbeit, die die auseinanderklaffenden Bedingungen berücksichtigt und die notwendige Gleichheit der Rechte zur Anwendung bringt.
- Der Erlass der Auslandsschulden der armen Länder ist eine notwendige Sofortmaßnahme und geht einher mit der Unterstützung aller Zivilgesellschaften, die gegen unterdrückerische Regime kämpfen, um Gerechtigkeit und Grundrechte zu erreichen.
- Die Wirtschaftsabkommen müssen der Anwendung der Menschenrechte im Sinne der Regeln und internationalen Konventionen und der Transparenz der Reziprozität zwischen Europa und den Ländern, mit denen die Abkommen geschlossen werden, untergeordnet werden.
- Europa unterstützt eine internationale Besteuerung der Kapitalbewegungen und widersetzt sich ihrem freien Umlauf. Es unterstützt die Herausbildung regionaler Märkte, um die Schaffung einer multipolaren Welt zu begünstigen.
- Das Recht und die internationale Legitimität mit allen ihren Instrumenten (Verträge, Abkommen, Konventionen, UN- Resolutionen, Gerichtshöfe, internationales Strafgericht…) müssen auch unter diesem Aspekt betrachtet werden. Um eine reelle multilaterale Wirtschaftsgouvernanz zu erreichen, sollen die Kriterien, die den internationalen Handelsaustausch und die Handelsbeziehungen anleiten, auf die Prinzipien und Orte der internationalen Legalität und die Organe der Vereinten Nationen zurückgeführt werden können.
- Ein anderes Europa lehnt die Existenz eines „Handels“rechts parallel und im Gegensatz zur Gesamtheit des Völkerrechts ab, wie man das heutzutage an den Institutionen von Bretton Woods und der WTO beobachten kann.
- Ein anderes Europa übt eine Rolle der Vorbeugung und der Moderation von Konflikten aus. Die Verhütung bewaffneter Konflikte und des Krieges zeigt sich auch durch die wirtschaftliche und politische Unterstützung für die Bevölkerungen, die gegen Unterdrückung und autoritäre Regime kämpfen.

3. Gleichheit und Unterschied

- Europa respektiert in allen seinen Aktivitäten das Prinzip der Gleichheit der BürgerInnen.
- Europa anerkennt und garantiert das Recht auf gleichen Status zwischen Männern und Frauen in allen Bereichen des politischen und sozialen Lebens.
- Alle Bürger Europas nehmen auf der Grundlage der Gleichheit am politischen Leben teil.
- Die politischen Institutionen beschließen spezielle Maßnahmen, die gleiche Teilnahme von Frauen und Männern in den politischen Institutionen und Organismen beschleunigen.
- Jede Person, die auf dem Territorium der Union lebt [mindestens seit…] erhält ihre Staatsbürgerschaft, mit allen Rechten, die daraus folgen.
- Die öffentlichen Institutionen begünstigen jede Initiative, die darauf abzielt, jedwede Form des Patriarchats, sowohl sozialen als auch politischen Typs, abzuschaffen, und dies durch aktive Unterstützung für Fraueninitiativen, sowohl individuelle, wie kollektive.
- Die öffentlichen Institutionen verpflichten sich, mit dem Menschenhandel und der Sklaverei Schluss zu machen.
- Die politischen Institutionen begünstigen jede Initiative, die die sexuelle Gewalt gegen Frauen und Kinder abschaffen will,
- Europa bekräftigt die Laizität der politischen Institutionen und die Gewissensfreiheit, anerkennt und garantiert die Freiheit der Konfessionen, ihren Glauben in jeder Form, individuell und kollektiv, daraus Propaganda zu machen und privat oder öffentlich diesen Kult auszuüben.
- Das Asylrecht und das auf wohlwollenden Empfang steht jeder Person aus einem Land zu, wo die Vergewaltigung der zivilen, politischen oder sozialen Rechte, der unveräußerlichen Rechte der Person und insbesondere die sexuellen und Reproduktionsrechte der Frauen praktiziert wird.
- Die öffentlichen Institutionen engagieren sich, jede physische, kulturelle, symbolische und linguistische Schranke, die zu Spaltungen zwischen den Menschen führt, zu beseitigen.
- Die öffentlichen Schulen müssen die ursprünglichen Sprachen der Menschen respektieren. Sie sollen auch deren Lernen und Verwendung begünstigen.
- Alle Menschen haben das Recht, frei über sich zu verfügen. Auf der Grundlage dieses Rechtes entscheiden sie frei über ihren politischen Status und verfolgen als freie Menschen die Verwirklichung des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Wohlergehens.
- Jede Person, die zu einer nationalen Minderheit gehört, sollte das Recht haben, frei zu bestimmen, ob er oder sie als Angehörige/r einer Minderheit behandelt werden will, und keinerlei Vorurteil sollte aus dieser Entscheidung oder der Ausübung der mit dieser Entscheidung verbundenen Rechte entspringen.

4. Prinzipien eines demokratischen Europas

- Jede europäische Institution soll ihre Legitimität aus dem Willen der europäischen Völker ziehen, entweder direkt durch Referenda oder Bürgerinitiativen oder indirekt durch repräsentative Versammlungen. Der konstituierende Prozess erfordert die feierliche Erklärung eines „We, the people…“ (Wir, die Völker von Europa), die letztlich, auch für die europäische Union, den Anfang der Lösung des Demokratiedefizits darstellen würde.
- Sie konstruiert sich auf der Grundlage der Souveränität der Völker, aber sie verwirklicht sich letztendlich durch die Verfassung und die Teilnahme an der Macht eines großen Demos der miteinander vereinten europäischen Bürgerinnen und Bürgern. Dieser Demos wird durch viele lokale und regionale Demoi des europäischen Territoriums artikuliert werden.
- Die Verfassung hat ihre Grundlage in ihrer Normativität, d.h. in der Bestätigung der universellen Rechte jeder Person, die der anderen dieselben Rechte als BürgerIn zuerkennt.
- Ein Europa einer Föderation der organisierten Völker [ organisiert als eine Konföderation aus Demoi?]. Das Europa, das wir im Sinn haben, wird eine Union der Völker und der Demoi und nicht der Staaten sein und wird darauf abzielen, bürgerliche Beziehungen zwischen Personen als Grundlage der politischen Institutionen aufzubauen. Die politische, nationale und kulturelle Identität jedes Volkes – Ausgeburt der historischen Erfahrungen – müssen respektiert und durch die Errichtung verschiedener europäischer politischer Institutionen intakt gelassen werden.
- Eine transnationale Demokratie, die auf der nicht-hierarchischen Zusammenarbeit vieler verschiedener Demois und mehrerer verschiedener Ebenen beruht.
- Die Originalität der politischen Integration Europas besteht daher in der Tatsache, dass die politische Macht sich weder im Zentrum, noch in Brüssel, noch an der Peripherie, noch bei den Staaten befindet, sondern am Punkt der Artikulierung der europäischen Institutionen mit den nationalen Institutionen. Die europäische Demokratie gründet sich auf die Artikulierung und die Zusammenarbeit mehrer Demoi, die eine neue Art der politischen Repräsentierung realisieren, die komplizierter ist als die nationale Vertretung und die Vertretung der Völker und der Nationen, der Regionen und der sozialen Interessen kombiniert.
- Daraus folgt, dass die Strukturierung der Institutionen in der europäischen politischen Gesellschaft im Dialog und auf der gleichberechtigten Zusammenarbeit mehr als auf der Hierarchie zwischen den verschiedenen politischen oder juristischen Institutionen gegründet sein soll, wie dies zum Beispiel die Verfassungsgerichtshöfe, die Parlamente und die nationalen und europäischen Exekutivorgane sind. Es soll sich um eine horizontale und multizentrale Gouvernanz handeln, wobei Entscheidungen überall in Europa unter der vereinheitlichenden Koordination der internationalen Institutionen getroffen werden.
- Auf jeder Ebene sind die Regierungen [die Exekutivorgane?] vor den repräsentativen Institutionen verantwortlich; auf der europäischen Ebene soll die Regierung vom Europäischen Parlament gewählt haben, sein Vertrauen genießen und es über ihre Entscheidungen und Aktionen unterrichten; das Europäische Parlament hat das Recht auf die Gesetzgeberische Initiative, die auch von den örtlichen, regionalen und nationalen Institutionen ausgeübt werden kann, und zwar auf der Grundlage von Prozeduren, die durch ein europäisches Gesetz festzulegen sind. Die Bürger dürfen die Gesetzesinitiative direkt ausüben. Das Parlament besteht aus einer auf europäischer Ebene nach dem gleichen Wahlrecht von den BürgerInnen direkt gewählten Kammer und einer zweiten Kammer, die die territorialen Institutionen repräsentiert.
- Die europäische Demokratie ist weder national noch supranational sondern transnational, sowohl was ihre institutionelle und post-nationale Struktur als auch was ihre zivile Bestimmung angeht.
- Das Recht auf Information und Kommunikationsfreiheit sollte wie die grundlegenden politischen Rechte aller Individuen behandelt werden. Sie garantieren ihre Autonomie, miteinander in Kommunikation zu treten, sich zu informieren und frei (fort-) zu bilden, sowie auch gleichberechtigt an der Informations- und Kommunikationsgesellschaft teilzuhaben. Die öffentliche politische Sphäre, die auf das Recht auf Information und durch die Kommunikationsfreiheit gegründet ist, soll wie ein wertvolles öffentliches Gut betrachtet werden, das allen gehört. Die Kommunikationsfreiheit ist eine öffentliche Freiheit und keine private.
- Die Kultur und die Kommunikation sind keine Waren, sie sollen vom Zugriff des Marktes und des freien Wettbewerbs ausgenommen werden.
- Europa respektiert und garantiert die jüngste UNESCO-Konvention über die Kultur, die uns den Weg zeigt, den wir weiter gehen wollen. Wir verlangen, dass sie als grundlegendes Prinzip der europäischen Politik zu den audiovisuellen und kulturellen Produkten festgelegt wird. Die Information und die Kommunikation sind öffentliche Güter. Die Annahme einer europäischen Charta für die Audiovision ist dringend, wenn man die Kultur und die Zivilität vor der liberalen Globalisierung retten will.

5. Eine europäische Bürgerlichkeit gegründet auf der sozialen Bürgerschaft

- Europa schützt die Gleichheit und garantiert die Solidarität, durch die Förderung und den Schutz der grundlegenden sozialen und wirtschaftlichen Rechte und die Errungenschaften der gemeinsamen Verfassungstraditionen: die Erklärung der Vereinten Nationen von 1948, die UNO-Pakte zu den wirtschaftlichen und sozialen Rechten von 1966, die ILO-Konventionen, die Gemeinsame Charta der Grundlegenden Sozialen Rechte der Arbeitnehmer von 1989 und die Europäische Sozialcharta von Turin. Die Garantie der oben genannten Rechte durch die nationalen Institutionen ist eine notwendige Bedingung zur Teilnahme an Europa.
- Europa ist solidarisch mit den nationalen Institutionen der Garantie dieser Rechte im Einklang mit dem Prinzip der Unteilbarkeit und gleichen Gewichts der grundlegenden Rechte. Die Grundlage Europas ist der Respekt der Würde des arbeitenden Individuums sowie der Schutz der Arbeit in allen ihren Formen und Anwendungen.
- Die im ersten Abschnitt erklärten Rechte müssen vor den europäischen und nationalen Richtern einklagbar sein; jeder Akt der europäischen Institutionen, die den wesentlichen Inhalt dieser Rechte vergewaltigt, soll Gefahr laufen, von den europäischen Gerichten annulliert zu werden und auch, von den nationalen Gerichten nicht angewandt zu werden. Europa soll sich durch adäquate Politik dazu verpflichten, insbesondere den wirtschaftlich schwachen Personen Zugang zur Justiz zu garantieren.
- Die Union anerkennt und beschützt die Rechte, die aus den nationalen Verfassungen folgen; im Fall eines Konflikts zwischen europäischen und nationalen Normen wird das günstigste Prinzip angewandt.
- Die Politik Europas und der nationalen Institutionen soll nicht nur vermeiden, die Beachtung der oben genannten Rechte in Frage zu stellen, sondern auch über ihre wirkliche Anwendung wachen. Die reale Beachtung der Rechte, in ihrer Ganzheit und Unteilbarkeit, stellt eines der Ziele Europas dar; die Organe der Union sind für die Verfolgung dieses übergeordneten Zieles politisch vor dem Europäischen Parlament verantwortlich. Die Verwirklichung dieses Zieles wird die Aufgabe geeigneter institutioneller Organe sein sowie auch der Behörde für die Überwachung der Grundrechte.
- Europa anerkennt unter seinen grundsätzlichen Rechten den sozialen Dialog und die Freiheit der Gewerkschaften und der Vereinigungen.
- Das Streikrecht, selbst aus Solidarität oder aus politischen Gründen, ist auf jeder Ebene anerkannt; die Möglichkeit, das Recht auf Tarifverhandlungen auszuüben muss bestehen und soll auch auf der supranationalen Ebene wirksam sein: die Regeln zur Vertretung und der Überprüfung des Konsens der interessierten ArbeiterInnen werden auf europäischer Ebene festgelegt.
- Um den wirksamen Respekt der im ersten Abschnitt festgelegten Rechte zu garantieren, setzt Europa angemessene Wirtschafts- und Sozialpolitiken ein, mit Hinblick darauf, jeder Person, die stabil in ihrem jeweiligen Land lebt, ein Staatsbürgereinkommen (auf deutsch üblicherweise bedingungsloses Grundeinkommen genannt) zu garantieren, sowie auch sie vor Risiken von Arbeitslosigkeit, Unfall, Alter, sozialer Randlage und Krankheit zu schützen. Es soll möglich sein, die Unzulänglichkeiten dieser Politiken geltend zu machen, und zwar sowohl gegenüber den Nationalstaaten (da wo deren Regeln es erlauben) wie auch gegenüber der Union, indem die zuständigen juristischen Organe direkt damit befasst werden.
- In der Verfolgung des im vorigen Abschnitt genannten Zieles verfügt Europa über ausreichende Mittel und kann eine einheitliche Haushaltspolitik sowie auch eine kohärente Wirtschaftspolitik annehmen, im Sinne des Modells eines politischen Primats über die Wirtschaft. Der Status der europäischen Zentralbank soll verändert werden, damit ihre Interventionen die Verfolgung der sozialen Ziele der Union nicht hindern können.

6. Gemeinsame Soziale Güter

- Die Durchsetzung eines neuen Wirtschaftsmodells stellt einen politischen Prozess dar, der sich nur durch eine tief reichende Überprüfung des überkommenen Paradigmas der europäischen politischen Ökonomie und durch radikale Änderungen der Grundlagen der Verträge zur Europäischen Union und des Verfassungsprojektes realisieren lässt.
- Eine allgemeine Orientierung zugunsten der Gerechtigkeit in den Nord-Südbeziehungen, des Respekts der lokalen und globalen ökologischen Gleichgewichte sowie der Verteidigung und der Erweiterung der Rechte aller BürgerInnen des Planten soll für alle Politikmaßnahmen der Union obligatorisch werden, sowohl interne als auch externe.
- Es ist gleichermaßen notwendig, die restriktive, antiinflationäre und Wettbewerbsorientierte Obsession aufzugeben, die augenblicklich die europäische Wirtschaftspolitik kennzeichnet. Dennoch ist die Überwindung des Stabilitätspaktes und das Abblocken neuer normativer Akte zugunsten der Konkurrenz wichtig, aber nicht ausreichend, um ein neues Paradigma der Wirtschaftspolitik zu bestätigen.
- Die öffentlichen Dienstleistungen stellen trotz der Unterschiede ihrer Organisationsformen in den verschiedenen Ländern ein öffentliches Eigentum dar: sie sind ein System öffentlicher Verwaltung, das eingesetzt werden muss, um die Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen und nicht, um nach Gewinn zu streben.

7. Prinzipien, zur Verteidigung und Verbesserung der öffentlichen Dienstleistungen in Europa

- Die Verteidigung der öffentlichen Dienstleistungen soll ins Herz der Vorschläge für ein anderes Europa eingeschrieben werden.
- Wir betonen ausdrücklich die Priorität der Grundrechte: Bildung, Gesundheit, Kultur, Energie, Transport, Kommunikation, Wasser, Wohnung, soziale Sicherheit und ihrer Wirksamkeit. Diese Rechte sollen mit ausgeglichenen regionalen Strukturprogrammen verbunden sein.
- Diese Rechte sollen Vorrang vor dem Recht auf Geschäfte, dem Recht auf Konkurrenz, dem Recht der Kapitale auf freien Umlauf und dem Freihandel genießen.
- Öffentliche Dienstleistungen sind ihrem Bestimmungszweck nach das Mittel, den Zugang zu den Grundrechten wirksam zu machen. Die öffentlichen Dienstleistungen sollen durch die Prinzipien der Universalität (überall, für jede und jeden), der Gleichheit des Zugangs (was die Gleichheit der Behandlung sämtlicher NutzerInnen bedeutet), der Kontinuität und der Anpassungsfähigkeit (neue öffentliche Dienstleistungen sollen geschaffen werden, um auf neue soziale Bedürfnisse zu antworten) geregelt werden.
- Die öffentlichen Dienstleistungen sollen durch öffentliche Strukturen, öffentliches Eigentum, die dem Profitgesetz, den Regeln des Privatrechts, des Handels, dem Wettbewerbsprimat entzogen sein sollen; diese Prinzipien sind gültig, ganz egal welches das Organisations- oder Interventionsniveau ist: lokal, regional, national, oder europäisch.
- Dies setzt voraus, jede Beteiligung privater Kapitale am Funktionieren der öffentlichen Betriebe abzulehnen.
- Die Umsetzung der gemeinsamen Güter setzt die Verwirklichung von Formen sozialen Eigentums voraus. Es geht darum, eine neue Form der Sozialisierung zu erfinden, im Unterschied der Nationalisierung oder des Staatseigentums, die den Bevölkerungen und den Werktätigen erlaubt, an der Wahl der Organisationsform, des Funktionierens und der Definition der Mission der öffentlichen Dienstleistungen teilzunehmen.
- Das setzt auch voraus zu verhindern, dass die öffentlichen Dienstleistungsbetriebe sich in anderen Ländern wie Raubtiere, wie die großen multinationalen Konzerne aufführen, insbesondere in Ländern des Südens und des Ostens.
- Um die Arbeit der öffentlichen Dienstleistungen von hoher Qualität zu garantieren bedarf es eines Personals mit garantierten Statuten, die der Entwicklung von Prekarität Widerstand leisten.
- Die öffentlichen Dienstleistungen sollen einen Prozess der sozialen Wiederaneignung auslösen. Ihr Ziel soll die Befriedigung aller sozialen Bedürfnisse durch die Verwirklichung eines Prozesses der Definition dieser Bedürfnisse durch die BürgerInnen und eines Prozesses der Bürgerkontrolle sein, auf allen Ebenen, auf denen öffentliche Dienstleistungen erbracht werden.

BILDUNG UND GESUNDHEIT sind universelle Rechte. Die europäischen Bewegungen gegen den Freihandel (?) sollten auf folgende Grundsätze Wert legen:
- Bildung und Gesundheit müssen universelle Rechte sein, die allen garantiert sind, ohne Unterschied nach Einkommen oder Staatsangehörigkeit ; sie müssen Dienstleistungen erster Güte sein, die allen BürgerInnen zustehen;
- Sie müssen umsonst sein und nicht als Dienstleistungen gegen Profit verkauft werden; sie müssen auf kollektiver Solidarität, Gleichheit, dem Prinzip der Nichtdiskriminierung auf der Grundlage von Gesellschaftsklasse, Geschlecht, Religion, Herkunft, Hautfarbe und sexueller Orientierung beruhen;
- Sie müssen auf die Menschen zentriert sein, sollen auf Männer und Frauen zugeschnitten sein; sie müssen die Würde, die Unterschiede, die Gefühle und die Herkunft der Menschen respektieren, da die Menschen viele Tage ihres Lebens in diesen Strukturen (der Bildung und der Gesundheit) verbringen; darum müssen diese Strukturen auch alle Beschäftigten respektieren, die dort arbeiten.

Die europäische Bewegung gegen den Freihandel (?) muss ein öffentliches Schulsystem unterstützen, das
- reale kulturelle und soziale Emanzipationsprozesse auslöst und nicht nur unsere Gesellschaft und ihre Ungleichheiten widerspiegelt; das Schulsystem soll die soziale Integration unterstützen und Ausschluss und Marginalisierung, sowie die Betonung aller Unterschiede, die durch Ursprung, Klasse, physische Möglichkeiten und Geschlecht bedingt sind, verhindern;
- aktive Einbeziehung in den Lernprozess statt nur passive Beteiligung fördert, sowie auch die volle Aufnahmemöglichkeit der Menschen, was auch die Tatsache respektieren sollte, dass Lernen Zeit braucht,
- völlig sekulär ist und religiöse Propaganda und Lehre aus den Schulen und den Klassen fern hält, so wie auch Diskriminierung auf der Grundlage einer „vorgezogenen“ Religion, deren Symbole, Traditionen, Gewohnheiten und Auflagen nicht begünstigt werden sollten.

Die europäischen Länder und Institutionen sollten folgendes garantieren:

1. hohe Investitionen für Bildung, Gesamtschulen bis hin zur Universität und öffentliche Forschungsvorhaben;

2. staatlich verwaltete Bildung bis hin zur Hochschule, und die Verpflichtung, die alle Staaten erfüllen müssen, die darauf konzentriert ist, staatlich verwaltete Schulen von der Grundschule bis hin zur Universität überall in Europa (?) zu schaffen;

3. die Bildung sollte auch gänzlich kostenfrei sein, vom Kindergarten bis zur Uni, Schulbesuch sollte Pflicht sein – und kann allein durch die Anwesenheit an der Schule erbracht werden – bis zum 18. Lebensjahr;

4. Schule, Universität und der Forschungssektor müssen gänzlich unabhängig sein und nicht durch Firmen, Regierungen, politische Institutionen, Kirchen und religiöse Körperschaften beeinflusst werden können;

5. Bildung und Forschung sollten der Kommodifizierung nicht unterworfen werden, und die volle Unabhängigkeit, was die Ausarbeitung von Forschungen und den Forschungssektor angeht, muss den Studenten und den Beschäftigten im Schul-, Hochschul- und Forschungsbereich garantiert werden;

7. Hindernisse und Diskriminierung von Migrantenfamilien, Behinderten, oder sozial ausgeschlossenen Menschen müssen abgeschafft werden, ihr Lernen muss in die gewöhnliche Schulbildung integriert werden und sie nicht davon getrennt werden, indem „andere“ Bildungswege geschaffen werden;

8. religiöse Propaganda, die erzwungene Präsenz von Symbolen, die mit Religionen oder irgendeiner Art religiösen Glauben zu tun haben, müssen aus dem universitären und Forschungssektor verbannt werden.

Das Gesundheitssystem
- Um ein wirklich erstklassiges staatliches Gesundheitssystem zu schaffen, das alle bedienen muss, werden erhöhte Subventionen für das öffentliche Gesundheitssystem gebraucht;
- Die öffentlichen Gesundheitssysteme müssen die Qualität ihrer Dienstleistungen verbessern, indem sie ihre hervorragendsten und fortschrittlichsten Erfahrungen verbreiten;
- Netzwerke, die sich auf das Recht auf Gesundheit konzentrieren, müssen geschaffen werden und ArbeiterInnen, BürgerInnen und Vereinigungen ansprechen. Was erreicht werden muss, ist ein öffentliches, kostenloses, allgemeines und menschliches Gesundheitssystem, das die physische und psychische Integrität der BürgerInnen und Beschäftigten respektiert; außerdem darf Behandlung keine „Invasion“ darstellen. Diese Netzwerke sollten Gesundheitsmaßnahmen und Politik durch Monitoring begleiten und sollen auch die aktive Teilnahme der BürgerInnen am Gesundheitsprozess fördern;
- Die Privatmedizin darf mit ihrem öffentlichen Partner nicht im Wettbewerb stehen, und dieses Prinzip muss auf alle Gesundheitsbediensteten angewandt werden.

UMWELT

KULTUR UND WISSEN
- das Recht auf Kultur und Lernen und Kreativität, und das Recht, diese Rechte permanent in Anspruch nehmen zu dürfen.

B. Politik der Europäischen Union

1. Frieden und Sicherheit

Auf der Grundlage der oben erwähnten Prinzipien wollen wir, die BürgerInnen von Europa, ein Europa der Sicherheit und wollen, dass dieser Friede als grundlegender Wert anerkannt wird. Europa sollte ein Subjekt des Friedens und der Gerechtigkeit nicht nur für die Völker Europas, sondern für den ganzen Planeten sein.

Insbesondere rufen wir die Europäische Union, ihre Mitgliedstaaten und die Netzwerke der Zivilgesellschaft auf, folgende Maßnahmen zu verwirklichen:
- Den sofortigen Stopp der Verbreitung von US-Militärbasen auf der ganzen Welt;
- Nutzung des Militärhaushalts der EU und ihrer Mitgliedsländer für Friedensschaffende Maßnahmen und internationale Zusammenarbeit, um so zur Befriedigung der sozialen Bedürfnissen der gefährdeten Bevölkerungen in den von Krieg und internen Konflikten heimgesuchten Bevölkerungen beizutragen.
- Einrichtung eines Internationalen Völkertribunals (siehe oben, A1), um die Verursacher von Krieg und ausländischer Besatzung durch ein Team internationaler Staatsanwälte und Richter und unter aktiver Einbeziehung der von Krieg und Besatzung betroffenen Zivilgesellschaften verfolgen zu lassen.
- Einrichtung eines weltweiten Friedensnetzwerkes, das fähig wäre, die Wurzeln internationaler und innerer Konflikte aufzudecken und jeder/m im Konflikt befindlichen Gruppe oder Menschen ein „Recht auf Mediation“ (7) auf lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Ebene garantiert.
- Vollen Respekt in bestehenden und zukünftigen Konflikten für das Recht auf Selbstbestimmung der Völker (insbesondere der unterdrückten und diskriminierten Minderheiten) (8) und ihrer gerechten Ansprüche auf lokale und regionale Autonomie im Rahmen der bestehenden Staaten (9); die Förderung der interkulturellen Beziehungen und einer nachhaltigen Entwicklung aller Völker der Erde müssen Ziel der Staaten sein.
- Widerstand gegen die so genannten Antiterrorgesetze und repressive Maßnahmen öffentlicher und privater Sicherheitskräfte durch die Einrichtung von Mechanismen demokratischer Kontrolle durch Parlamente, Gemeinschaften und Netzwerke der Zivilgesellschaft.
- Zentralisierte öffentliche und private Sicherheitskräfte so weit wie möglich durch ein interaktives Netzwerk von gemeinschaftlicher Wachsamkeit auf lokaler und regionaler Ebene zu ersetzen. Europa soll sich nicht zur Militärmacht und Komponente einer Militärallianz wie der NATO stilisieren, die dazu noch von den Vereinigten Staaten abhinge. Die NATO sollte überholt werden. Im Gegenteil sollte Europa Erfahrungen wie das Peace Corps und zivile Missionen aufgreifen. Gegen das Europa der Rüstungsagentur setzen wir das der Abrüstung und der zivilen Konversion, d.h. eine andere Industriepolitik, eine Rüstungskürzungspolitik zugunsten der Sozialausgaben und öffentlichen Vorhaben und die Kontrolle des Waffenhandels.

2. Soziale Rechte

1. Die Union garantiert die Solidarität und den sozialen Zusammenhalt auf ihrem Territorium. Sie fördert die Arbeit in allen ihren Formen.

2. Die Konvergenz der Lebens- und Arbeitsbedingungen, und zwar nach oben hin, stellt ein vorrangiges Ziel der Union und ihrer Mitgliedsstaaten, eine Grundlinie ihrer Wirtschafts- und Sozialpolitik dar.

3. Die Union engagiert sich in den internationalen Institutionen für eine progressive Verbesserung der ILO-Normen. Der Respekt der durch die ILO-Konventionen fixierten Normen stellt ein Kriterium in der Praxis der internationalen Beziehungen durch die Union und ihre Mitgliedstaaten dar.

Insbesondere ist die gewerkschaftliche Freiheit ein fundamentales Recht der Beschäftigten, um die Lebensbedingungen zu verbessern und die sozialen Rechte auf den ganzen Planeten auszudehnen. Die Union wird alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um ihr überall zum Respekt zu verhelfen.

Das Niveau des europäischen Haushalts wird in Funktion der notwendigen Umverteilung zwischen den reichsten und den ärmsten Regionen der Union und der Welt erhöht. Die Steuerregime auf Kapitaleinkünfte werden auf europäischem Niveau zusammengeführt. Das Steuerdumping und die Steuerflucht werden bekämpft.

I.

Die Union garantiert auf ihrem Territorium die sozialen Rechte, die individuell und vom Gesetz geschützt sind, wie z.B. das Recht sich frei auf dem gesamten europäischen Territorium zu bewegen, die Freiheit der Berufswahl, die Gleichheit des Zugangs zu Bildung, zu Anstellung und Beruf. Jede Diskriminierung, vor allem auf der Grundlage des Geschlechtes, der Hautfarbe, der Nationalität, der Meinung oder des Glaubens ist unerlaubt und wird bekämpft.

Die Europäische Union anerkennt und garantiert das Recht auf kollektive Verträge auf supranationalem und europäischem Niveau.

Die Europäische Union anerkennt und garantiert das europäische Streikrecht. Die Praxis des Lockouts ist verboten.

II.

1. Jede/r EinwohnerIn der Union hat das Recht auf einen Lebensstandard, der es ihr/ihm ermöglicht, ein Leben in Würde zu führen und soziale und kulturelle Beteiligung auszuüben.

2. Für jede/n Arbeitenden in der Union sollen die Bedingungen der Beschäftigung je nach den Gesetzen der Mitgliedsländer durch Gesetz, durch einen Tarifvertrag oder durch einen Arbeitsvertrag geregelt werden.

3. Jede/r Beschäftigte hat das Recht auf Schutz gegen willkürliche Entlassung. Die Bedingungen der Entlassung und des Bankrotts werden durch die europäische Gesetzgebung harmonisiert.

4. Jede/r Beschäftigte/r hat das Recht auf einen hohen Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz.

5. Die Vermittlung in Anstellungsverhältnisse ist eine öffentliche Aufgabe. Der Zugang zu ihr ist kostenlos.

6. Die Anstellungsbedingungen für entsendete ArbeitnehmerInnen werden durch Europäisches Gesetz geregelt. Diese Beschäftigten werden den Anstellungsbedingungen und den Systemen der sozialen Sicherung des Empfangslandes zugeordnet.

7. Die maximale Arbeitzeit pro Woche in der Union ist 40 Stunden. Die Union koordiniert eine Politik der progressiven Reduzierung der Arbeitszeit auf europäischer Ebene.

8. Die LohnempfängerInnen haben das Recht zur wirtschaftlichen und finanziellen Situation des Betriebes, in dem sie arbeiten, gehört und konsultiert zu werden. Die Unternehmen, die Fabriken in mehreren Mitgliedsstaaten unterhalten und die industriellen Gruppen, die Betriebe in mehreren Staaten unterhalten, müssen die Bildung europäischer Betriebsräte (EBR) zulassen.

9. Jede/r Erwachsene, der/die nicht genug Anspruch auf andere Einkommensquellen hat, hat das Recht auf ein minimales individuelles und garantiertes Einkommen. Seine Höhe stellt die Armutsschwelle dar, unter die er/sie nicht fallen darf.

Die Armutsschwelle wird in der ganzen Union festgesetzt, und zwar auf einem Niveau, das eine konvenable Wohnung, Mobilität und soziale und kulturelle Teilhabe ermöglicht. Sie wird per Gesetz definiert. Um eine Harmonisierung in diesem Bereich zu ermöglichen wird sie, wie die wirtschaftlichen Indikatoren, als Prozentsatz des BIP ausgedrückt.

10. Der Minimallohn ist in allen Mitgliedsstaaten verbindlich. Die Union schafft die Bedingungen, um ein gemeinsames Niveau für einen Minimallohn in Beziehung zum Minimaleinkommen festzusetzen.

III.

1. Junge Leute arbeiten erst ab 18 Jahren. Ständige Bildung und Weiterbildung soll ihnen garantiert werden. Die Anstellung von jungen Leuten genießt denselben Schutz wie die Anstellung von Erwachsenen. Speziellen Bestimmungen für Junge, die darauf abzielen, billigere Arbeitskraft zu erhalten, sind verboten.

Kinderarbeit ist verboten. Nachtarbeit und Entsendungen sind bei Jugendlichen unter 18 Jahren verboten.

2. Die Ausbildung ist Teil der Arbeitszeit. Ihre Vergütung entspricht dem geltenden Niveau, aber darf nicht unter die minimale Einkommensschwelle fallen.

Volljährige StudentInnen, die nicht genug Anspruch auf andere Ressourcen haben, haben Anrecht auf das Minimaleinkommen.

3. Die Minimalpension wird auf der Schwelle des Mindesteinkommens festgelegt.

4. Behinderte Personen haben das Recht auf Maßnahmen, die ihrer sozialen und beruflichen Integration dienen.

IV.

1. Die sozialen Rechte sind unteilbar und von gleichem Rang. Sie sind vor den nationalen und europäischen Gerichten einklagbar.

2. Die Union und die Mitgliedsstaaten engagieren sich, diese Rechte wirksam zu gestalten. Zu diesem Zweck definieren sie die zu erreichenden Resultate, was die sozialen Ziele angeht, sie arbeiten Konvergenzkriterien und die Bedingungen für ihren Respekt aus.

3. Was soziale und Haushalts- (Steuer-) fragen angeht, wird die Abstimmung nach dem Mehrheitsprinzip eingeführt.

4. Jede Gesetzgebung, die den wesentlichen Inhalt der hier aufgezählten Rechte beeinträchtigt, kann durch den Europäischen Gerichtshof annulliert und durch die nationale Gesetzgebung zurückgenommen werden.

Die Union garantiert gleichen Zugang zur Gerichtsbarkeit.

5. Die UNION anerkennt und unterstützt die von den nationalen Verfassungen abgeleiteten Rechte. Im Fall eines Konfliktes zwischen den europäischen Normen und den nationalen Normen wird das Prinzip der günstigeren Behandlung angewandt.

6. Einrichtung von Kriterien und Prozessen sozialer Konvergenz

Um in Richtung identischer sozialer Rechte in allen Ländern der Union zu gehen, wo diese sich doch auf sehr verschiedenen wirtschaftlichen Niveaus befinden, geht es darum, eine exakte Liste der fundamentalen sozialen Rechte zu bestimmen, für die Konvergenznormen – die von Fall zu Fall festzusetzen sind, ihr exakter Inhalt würde vom Entwicklungsniveaus des betreffenden Landes abhängen. Es wäre gleichzeitig angebracht, einen präzisen und genauso zwingenden Kalender wie den der Maastrichtkriterien festzusetzen.

Eine Nichtregressionsklausel soll jeden sozialen Rückschritt vermeiden.

Im Rahmen des Kampfes gegen die Arbeitslosigkeit und für die Verwirklichung der sozialen Gerechtigkeit ist wirksames Mittel die Vereinheitlichung der Löhne und Pensionen in allen Ländern der Union, wobei auch Formen der strengeren Besteuerung der Standortverlagerung vorzusehen sind.

3. Definition von Elementen des Arbeitsrechts

Es geht darum, die transnationalen Rechte der Beschäftigten zu stärken:

- Neuverhandlung der Leitlinie zu den Europäischen Betriebsräten (CEE) mit Hinblick auf eine Stärkung der Rolle der Europäischen Betriebsräte und Schaffung eines Rechtes der „Betriebsverwaltung“, was die obligatorische Anwesenheit von VertreterInnen der Beschäftigten in den Aufsichtsräten der Konzerne beinhaltet;

- Verwirklichung des Begriffs der „wirtschaftlichen und sozialen Einheit“ auf europäischer Ebene, um die Auftraggebenden Betriebe verantwortlich für die Beschäftigten ihrer Subunternehmen zu machen und der Gesamtheit der Beschäftigten die gleichen Rechte zu garantieren;

- Neuverhandlung der Richtlinie 96/71/CE (Recht auf Arbeit) und der Regelung 1408/71 zur Koordinierung der Sozialversicherungssysteme für die entsendeten Arbeitskräfte, um deren Einbeziehung in die Beschäftigungsnormen des Empfangslandes zu stärken und die verstärkte Abhängigkeitsbeziehung, die zwischen den von ihrem Arbeitgeber getrennten Arbeitnehmern und dem Arbeitgeber aufgrund der Unterordnung des Rechtes auf Aufenthalt unter den Arbeitsvertrag besteht, zu brechen;

- Ausarbeitung einer wirklichen Richtlinie zur Arbeitszeit, die tatsächlich zum Schutz der LohnempfängerInnen dient.

4. Radikale Änderung der Wirtschaftspolitik

1. Es wird vorgeschlagen, aus dem Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, mit dem Ziel der Beseitigung der Arbeitslosigkeit, ein explizites Ziel der Wirtschaftspolitik zu machen, ausgehend von zahlenmäßigen Indikatoren zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit. Es soll dann auch ein europäischer „policy-mix“ (Beziehung zwischen der Fiskal- und Geldpolitik) verwirklicht werden, durch die Reform des Stabilitätspaktes, sowie auch des Statuts und den Interventionskriterien der Europäischen Zentralbank (EZB). Eine koordinierte Politik zur Reduzierung der Arbeitszeit auf europäischem Maßstab kann, bei wirklichem europäischen Willen, ohne Lohnverlust, durchgesetzt werden und effizient zum Kampf gegen die Arbeitslosigkeit beitragen. Schließlich soll die Versammlung der Finanzminister der Eurozone (Eurogruppe) die Vorrechte nutzen, die ihr die Verträge in punkto Währungspolitik einräumen, insbesondere vis-à-vis dem Dollar. Das Niveau des europäischen Haushalts soll bedeutend erhöht werden, und es muss eine gemeinsame europäische Besteuerung der Kapitaleinkünfte eingeführt werden und die der Betriebsgewinne reformiert werden, um gegen das Steuerdumping zu kämpfen. Es wird im Übrigen vorgeschlagen, dass die Eurozone eine Steuer auf den Devisenmarkt erheben sollte.

2. Umgestaltung der öffentlichen Dienstleistungen

Die öffentlichen Dienstleistungen sollen anerkannt und neu begründet werden und nicht mehr dem Konkurrenzrecht unterworfen sein:
- Einführung eines Moratoriums auf Liberalisierung und Durchführung einer öffentlichen, demokratischen und argumentierten Bewertung derselben;
- Entwicklung der öffentlichen Dienstleistungen zur Befriedigung der sozialen Bedürfnisse: Empfang für die Kleinkinder (Krippen, Horte, Kindergärten, Vorschulen etc.) und Hilfsdienste für abhängige Personen (Ältere, Kranke etc.). Diese Dienste sollten in einem gemeinsamen Rahmen organisiert werden, mit Personal, dessen Qualifikation anerkannt werden sollte mit einem Ziel der Mischung von Frauen und Männern dieser Berufsgruppen;
- Ablehnung des Herkunftslandsprinzips.

3. Beseitigung der Armut

Um die Verschlechterung der sozialen Situation anzuhalten, sollten die bestehenden Bedingungen verändert werden. Die sozialen und Menschenrechte sollen in der Europäischen Union gänzlich respektiert werden. Wir müssen den bedürftigen Personen eine Arbeit garantieren, so wie auch Sicherheit in konkreten Lebenslagen. Wir müssen den Beschäftigten (Frauen und Männern), wie auch jedem/r BürgerIn würdige, friedliche und sichere Lebensumstände garantieren.

Dazu verlangen wir die folgenden Sofortmaßnahmen:
- Sofortmaßnahmen zur Beseitigung der extremen Armut und um weitere Verarmung zu stoppen;
- Wir müssen das Problem der Obdachlosigkeit lösen, ihr Hauptgrund: die Kündigung durch die Vermieter, soll verhindert werden! Wir verlangen „Keine Rausschmisse mehr“, niemand soll aus seiner Wohnung vertrieben werden, unabhängig von den Gründen, die eine derartige Situation verursacht haben, es sei denn, er/sie erhielten nach mindestnötiger Bearbeitungszeit eine neue Wohnung vermittelt. Die öffentlichen Institutionen müssen verpflichtet sein, sich aller anzunehmen, die schon in einer Notsituation leben. Das Recht auf eine angemessene Wohnung soll in die Verfassung aufgenommen werden, als Teil des Menschlichen Rechtes auf Leben.
- Hunger und Fehlernährung sollen abgeschafft werden! Alle, die keinen ausreichenden Zugang zu Nahrung haben, sollen Essen erhalten. Wir müssen daran arbeiten allen, die dies benötigen, eine warme Mahlzeit pro Tag zu sichern.
- Jede Person, die nicht in der Lage ist, sich um ihr eigenes Leben und das ihrer Kinder zu kümmern, soll ohne Verzug in den Genuss sozialer und konkreter Hilfeleistung kommen.
- Die Erhöhung des Rentenalters soll von der Tagesordnung genommen werden.
- Um die Kaufkraft zu erhöhen, sollte der Minimallohn und das soziale Mindesteinkommen (Grundeinkommen) bedeutend erhöht werden.
- Wir müssen mit der Privatisierung der öffentlichen Dienstleistungen, wie Gesundheit, Bildung, Kultur und Medien aufhören.
- Um die Ungleichheit zu verringern, müssen die ärmsten Schichten der Gesellschaft konkrete Hilfe und Unterstützung im Bereich der Bildung erhalten!
- Wir müssen einen Unionshaushalt aufstellen, der die Einbeziehung der neuen Mitgliedsländer ermöglicht.

Mittelfristig verlangen wir folgendes:

1. Ein europäisches soziales Mindesteinkommen muss eingeführt werden.

2. Die sozialen Organisationen sollen über hinreichende Finanzmittel zur Durchführung ihrer Aktivitäten verfügen! Das Recht der zivilen und sozialen Organisationen soll das Schreiben und die Ausarbeitung von Gesetzen umfassen, sowie die Definition der Handlungsleitlinien der Sozialpolitik.
Wir verlangen die Reform der Wahlsysteme und der Institutionen mit dem Ziel, die sozialen Rechte: Zivilgesellschaftliche Foren, gesellschaftliches Veto zu verwirklichen.

3. Es muss bekräftigt werden, dass einmal erkämpfte soziale Rechte nicht rückgängig gemacht werden dürfen.

5. Bei der demokratische, ökologische Entwicklung des Südens helfen

Die Union verfügt über exklusive Kompetenz in handelspolitischen Angelegenheiten. Sie verhandelt für die Mitgliedsländer in der Welthandelsorganisation (WTO) und hat zahlreiche „Partnerschafts“- oder „Kooperationsabkommen“ mit Ländern oder Ländergruppen des Südens entwickelt, die durch die Unterordnung dieser Länder unter die Interessen der reichen Länder zum Ausdruck kommen. Wir schlagen vor:
- mit dem verallgemeinerten Freihandelsprinzip zu brechen und Bedingungen für gerechte Handelsbeziehungen herzustellen, insbesondere durch die Wiedereinführung der nicht gegenseitigen Präferenzregime und von finanzieller und technischer Kooperationen;
- dass die Mitgliedsländer der Union im Rahmen der internationalen Finanzorganisationen die Zuteilung finanzieller Mittel auf der Grundlage der Marktöffnung ablehnen und dass sie an der Errichtung eines internationalen Schuldrechts auf der Grundlage der Anerkennung der gemeinsamen Verantwortung der Kreditgeber und der Rückgriffsgarantie arbeiten. Die Zuteilung von Hilfe soll der Durchführung von Maßnahmen dienen, die auf die Befriedigung der Grundbedürfnisse der Völker abzielen, an das Bestehen von demokratischen Rechten, darunter insbesondere die Gleichheit zwischen Frauen und Männern geknüpft sein müssen;
- die gemeinsame Landwirtschaftspolitik (CAP) auf der Grundlage der Multifunktionalität der Landwirtschaft und des Stopps der Subventionen für den Export zu reformieren;
- ein Moratorium auf die Politik der internationalen Handelsliberalisierung zu verhängen und das Recht auf Sicherheit und Nahrungssicherheit aller Länder und Gruppen von Ländern in den internationalen Verhandlungen anzuerkennen.

6. Kooperative Formen der Produktion entwickeln

Wir müssen in der heutigen Gesellschaft und in der anderen „möglichen Gesellschaft“ die individuellen und kollektiven Rechte der Werktätigen in den Betrieben garantieren und neue Formen der Vergesellschaftung der Produktion aufbauen.

Gleichzeitig gibt es eine Frage innerhalb der Unternehmen, egal wie groß sie sind, und das ist die der Demokratie. Wer soll denn über die großen Orientierungslinien entscheiden, über die Wahl der Manager, der Entwicklung, der Lohnskalen, der Verteilung der Profite, des guten Funktionierens der Betriebe entscheiden… wenn nicht ihre LohnempfängerInnen selbst?

- Erstes Prinzip

Als der Begriff der Staatsbürgerschaft im XVII. Jahrhundert in Europa aufkam, war sie von dem Begriff: „Eine Person=eine Stimme“ geprägt. Von ihren Anfängen an hat die kooperative Bewegung dieses Prinzip auf wirtschaftlichem Plan in die Betriebe eingeführt. In unseren Betrieben hätte jede/r LohnempfängerIn eine und eine einzige Stimme, unabhängig vom Posten, den er oder sie ausübt und der Zahl der Anteile an der Firma, die er/sie besitzt. Dies ist das Prinzip selbst der demokratischen Gleichheit zwischen allen Angestellten desselben Betriebes. Und es wäre in der Hauptversammlung, dass die Beschäftigten ihre LeiterInnen (Verwaltungsangestellte und Manager) wählen, sich absprechen und über die großen Orientierungen entscheiden würden.

- Zweites Prinzip

Damit die LohnempfängerInnen selbst über das Schicksal ihres Unternehmens entscheiden können, ist es außerdem nötig, dass sie seine Nutznießer, seine Eigentümer sind. Also sollten die Beschäftigten mindestens 51% des Kapitals innehaben. Dies hat nichts mit dem minoritären Aktienbesitz zu tun, der nur ein Köder ist, da die Lohnabhängigen dadurch nichts an effektiver Entscheidungsmacht gewinnen.

- Drittes Prinzip

In einer kooperativen Firma wird das Kapital der Gesellschaft nicht durch Aktien sondern durch Sozialobligationen gebildet. Für uns schafft nur die Arbeit Reichtum und daher verdient nur die Arbeit Bezahlung.

Das Unternehmen gehört allen Beschäftigten gemeinsam. Wenn eine Person sie verlässt, kann sie nicht einfach einen Teil der Firma mitnehmen. Die (unteilbaren) Reserven des Unternehmens gehören der Firma und daher zukünftigen Generationen. Dies ist die einzige Unternehmensform, die wirklich an dauerhafter Entwicklung teilhaben kann.

Franco Russo, Leo Gabriel, Angela Klein, Pierre Khalfa, Imma Barbarossa und andere

Ital., Franz. und Engl. Versionen auf www.transform.it, übersetzt von Carla Krüger, 26. Februar 2006

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