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Neutralität ist kein Auslaufmodell

  • Mittwoch, 25. Oktober 2006 @ 10:07
Frieden Die österreichische Neutralität ist kein Auslaufmodell: Eine aktive Neutralitätspolitik vorausgesetzt könnte sie vielmehr dazu beitragen, Alternativen zu einer militärisch hochgerüsteten Supermacht EU zu entwickeln. Die KPÖ bekennt sich zur Neutralität und kann für sich mit Fug und Recht sagen, dass sie über fünf Jahrzehnte hindurch diese Errungenschaft der Zweiten Republik immer vehement verteidigt hat.

Am 26. Oktober 1955 beschloss der österreichische Nationalrat im Zusammenhang mit dem Staatsvertrag vom 15. Mai 1955 über die Wiedererlangung der vollen Souveränität mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und KPÖ gegen die Stimmen des FPÖ-Vorläufers VdU das Bundesgesetz über die immerwährende Neutralität Österreichs.

Mit diesem Beschluss siegte die politische Vernunft über die in der Besatzungszeit von 1945 bis 1955 von SPÖ wie ÖVP gleichermaßen vertretene Vasallentreue gegenüber den USA. Die Position der KPÖ, deren Eintreten für die Neutralität in den 50er Jahren noch als Hochverrat denunziert wurde, fand eine Bestätigung.

Die Neutralität entwickelte sich in der Folge als Grundlage der österreichischen Außen- und Sicherheitspolitik über mehrere Jahrzehnte hinweg als ein Grundpfeiler einer erfolgreichen Entwicklung Österreichs. Sie wurde insbesondere in den 70er Jahren mit zu einem Wesensmerkmal der Souveränität und des Selbstverständnisses der 2. Republik.

Seit den 80er Jahren vermehren sich jedoch die Bestrebungen der herrschenden Eliten, die Neutralität zu zersetzen und zu beseitigen. Sie wurde immer mehr in Frage gestellt und durch das Mittragen von mit einem neutralen Status unvereinbaren Aktionen – Golfkrieg 1991, Bosnien 1995, Beitritt zur EU und zur NATO-Partnerschaft 1995, NATO-Krieg gegen Jugoslawien 1999 – zersetzt. Mit der Behauptung, Österreich sei ein sicherheitspolitischer „Geisterfahrer” wird versucht, die Neutralität zu denunzieren und für überholt zu erklären.

Vor dem Beitritt Österreichs zur EU im Jahre 1995 erklärte die Regierung, die Neutralität werde dadurch nicht in Frage gestellt. Ohne diese Bedingung wäre die Zwei-Drittel-Mehrheit für den Beitritt bei der Volksabstimmung im Jahre 1994 wohl auch nicht zustande gekommen. In der praktischen Politik sind die österreichischen Bundesregierungen – rotschwarz ebenso wie scharzblau – allerdings immer mehr von dieser Haltung abgerückt. Sie haben ihre Bereitschaft erklärt, am Aufbau einer als „Sicherheitsgemeinschaft” deklarierten EU-Militärunion mitzuwirken und Österreich an einer ausdrücklich für Interventionszwecke geplanten Euro-Armee zu beteiligen. Das gilt ebenso für den Nationalrat, wie die Zustimmung der Parlamentsparteien zur EU-Verfassung mit einer Verpflichtung zur Aufrüstung beweist.

Zusammenhang von Neutralität und Sozialstaat
Mit militärischen Mitteln und Bündnissen können jedoch die Probleme der Zukunft genauso wenig gelöst werden wie jene in der Vergangenheit. Ganz abgesehen von den unsozialen Auswirkungen einer damit verbundenen militärischen Aufrüstung auf Kosten der SteuerzahlerInnen und damit des Sozialstaates, die mit einer Anpassung des Bundesheeres an den EU- bzw. NATO-Standard durch Erhöhung des Heeresbudgets verbunden wäre. Gemessen am NATO-Durchschnitt von 3,7 Prozent hat sich Österreich laut dem Rüstungsforschungsinstitut SIPRI seit 1956 nicht weniger als 102 Mrd. € Rüstungsausgaben erspart. Ein guter Teil des wirtschaftlichen Aufschwunges Österreichs in der Zweiten Republik erklärt sich also auch durch die Neutralität,

Mit einer Preisgabe der Neutralität und Einbindung in bestehende oder zukünftige – atomar, biologisch und chemisch bewaffnete und konventionell hochgerüstete – Militärbündnisse würde Österreich den letzten Rest von Souveränität aufgeben und sich in Konflikte hineinziehen lassen. Demgegenüber können mit einer Politik der aktiven Neutralität wichtige Impulse für wirkliche Abrüstung, Entspannung und Konfliktlösung sowohl in Europa als auch zur Lösung von Problemen beim immer bedeutsameren Nord-Süd-Konflikt geleistet werden.

Österreich darf sich nicht zum Mitverantwortlichen beim Aufbau einer ausgrenzenden „Festung Europa” machen, durch welche die wirtschaftliche und politische Macht der Großkonzerne militärisch abgesichert werden soll. Österreich muss im Gegenteil Initiativen dafür entwickeln, dass wirkliche Sicherheit, Entspannung und Abrüstung in Europa statt dem Aufbau neuer Feindbilder und Blöcke zustande kommt.

Gegen die EU-Verfassung
Die österreichische Neutralität ist kein veraltetes, lediglich dem „kalten Krieg” geschuldetes, sondern im Gegenteil ein zukunftsweisendes und konstruktives Konzept. Gerade die Neutralität könnte ein sinnvolles Gegenkonzept zu der auch in der geplanten Verfassung festgeschriebenen Militarisierung der EU sein. Daher ist Österreich gefordert, im Sinne einer aktiven und selbstbewussten Politik die Neutralität zu erhalten, aktiv zu gestalten und weiterzuentwickeln. Deshalb begrüßt die KPÖ das „Nein“ zur EU-Verfassung bei den Volksabstimmungen in Frankreich und in den Niederlanden und fordert auch eine solche in Österreich.

Die Neutralität ist auch kein nationalistisches, provinzielles und rückständiges Konzept, sondern ermöglicht im Gegenteil die Zusammenarbeit mit allen Ländern ohne den Druck von Militärblöcken und auf der Basis der Gleichberechtigung und Achtung der Souveränität.

Die Neutralität ist außerdem eine völkerrechtliche Verpflichtung, da sie von über sechzig Staaten völkerrechtlich anerkannt ist. Nach den Bestimmungen des Maastricht-Vertrages kann kein EU-Mitgliedsland von Brüssel gezwungen werden, völkerrechtlich verbindliche Verpflichtungen aufzugeben.

Es liegt daher an der österreichischen Bundesregierung, am Nationalrat und letztlich an der österreichischen Bevölkerung diese Verpflichtung auch in der Zukunft ernst- und wahrzunehmen.

Stellungnahme des KPÖ-Bundesausschusses vom 25. Oktober 2005

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