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1950: Der Oktoberstreik in der Voest

  • Freitag, 25. September 2020 @ 08:00
Geschichte Ein Interview mit dem Voest-Betriebsrat Rudolf Kührer

Ganglbauer: In Linz hat der Oktober-Streik seinen Ausgang genommen?

Kührer: Ja.

Ganglbauer: Und was war das Auslösende, daß es gerade da losgegangen ist, weil von der Zusammensetzung der Belegschaft her— das ist eh schon mehrmals erwähnt worden z.B. bei der Eva Priester — daß das ja insofern überraschend ist, als dort der VdU ja sehr stark vertreten war zu der Zeit?

Kührer: Ja gut, das war so. Im Betriebsrat bei den Arbeitern 14 VdUler, 12 Sozialisten und 2 Kommunisten und wie der Pakt abgeschlossen worden ist, waren die Arbeiter im Betrieb sehr empört darüber und es hat folgendes gegeben. Wir haben eine Gewerkschaftsortsgruppe gehabt und die Gewerkschaftsortsgruppe hat eine Sitzung abgehalten und hat den Protest eben an die Zentrale, an die Landesleitung weitergeleitet.

Ganglbauer: Wann war die Sitzung?

Kührer: Wann die war? Na gut, die war gleich, wie es bekannt geworden ist Das haben wir sogar genau festgestellt da, muß ich nachschauen. „Am 24. September gaben Radio und Presse Einzelheiten über das neue Lohn- und Preisabkommen bekannt das vom Ministerrat am Dienstag beschlossen werden sollte. Es beinhaltete folgende Hauptpunkte: Erhöhung der Preise von 20 - 30%, Erhöhung der Löhne und Gehälter durchschnittlich 14 Prozent. Am Montag, 25. September große Empörung der Arbeiterschaft über das geplante Lohn- und Preisabkommen in allen Betrieben und Abteilungen wurde erregt diskutiert. Unter dem Eindruck dieser Sammlung wurde um 10.00 Uhr eine gemeinsame Sitzung des Arbeiter- und Angestelltenbetriebsrat einberufen. In dieser Sitzung wurde mit Stimmenmehrheit der Beschluß gefaßt um 15.00 Uhr eine Betriebsvollversammlung abzuhalten, um 13.00 Uhr berief die Gewerkschaftsortsgruppe der Arbeiter die Hauptvertrauensmänner zu einer Sitzung ein. Dabei kam einstimmig zum Beschluß, von 15.00 -16.00 Uhr einen Warnstreik durchzuführen der auch lückenlos durchgeführt wurde. Die Angestellten schlössen sich an, ohne daß ein besonderer Beschluß gefaßt worden wäre." Weil es eine Gewerkschaftsortsgruppe nicht gab.

Ganglbauer: Bei den Angestellten?

Kührer: Ja. „Während des Streiks wurde von der Belegschaft in den Betrieben überall über den neuen Pakt diskutiert und dieser schärfstens abgelehnt. Der Warnstreik..."

Ganglbauer: Diese Aufzeichnungen, sind die von Dir, welche, die Du selbst angefertigt hast?

Kührer: Ja. Ja das war das Protokoll dann. „ ... sollte der Regierung ein Signal geben, daß die Arbeiterschaft der Voest den Lohn- und Preispakt einmütig ablehnt und zu weiteren Kampfmaßnahmen bereit ist" Der Beschluß des Streikkomitees, jeder Tag ist da genau angeführt.

Ganglbauer: Wie war eigentlich die Zusammenarbeit damals mit sozialdemokratischen Kollegen und mit Kollegen, die VdU-Anhänger waren? Hat es da eigene Fraktionssitzungen gegeben oder im wesentlichen nur die Besprechungen, die Du bereits erwähnt hast, also im Betriebsrat und in der Gewerkschaftsortsgruppe?

Kührer: Ja schau, die Gewerkschaftsortsgruppe war der treibende Teil und die Gewerkschaft, die Gewerkschafter waren in allem bestimmend und Du wirst dann lesen, wie der Betriebsrat zusammengekommen ist, der Albeiterbetriebsrat und Kollege Brauneis, das war der Betriebsratsobmann, selber vorgeschlagen hat, daß wir ein Streikkomitee bilden sollen, daß der Vorsitzende eben der Kollege Kührer sein soll und ich war Obmann-Stellvertreter der Gewerkschaftsortsgruppe und der Obmann, der Kollege Födinger, mein Stellvertreter sein soll. Das Streikkomitee wurde einstimmig von allen 24 Betriebsräten gewählt, das ist genau drinnen, wer aller drinnen war, alles. So war das. Es war ein, sagen wir, ein gewerkschaftlich gutes Verhältnis, sagen wir, zwischen allen Betriebsräten da.

Ganglbauer: Wie haben sich damals eigentlich die ÖVP-Anhänger verhalten? Haben die irgendeine Rolle gespielt?

Kührer: Nein, nein, die haben überhaupt keine Rolle gespielt Die waren so schwach in der Gewerkschaft damals, daß sie damals keine Rolle gespielt haben.

Ganglbauer: Ich komme jetzt zu dieser schwierigen Frage, nämlich wie die Orientierung der KPÖ, daß man den Streik unterbrechen soll, dann diese gesamtösterreichische Betriebsrätekonferenz durchrühren und dann ein Ultimatum stellen und im Fall, daß das Ultimatum von der Regierung nicht eingehalten wird, dann weiterzustreiken - wie ist das eigentlich aufgenommen worden bei Euch?

Kührer: Schau, gut Du siehst, bei uns in Linz hat der Streik begonnen und in Steyr drüben auch. Wir haben schon fast tagelang gestreikt, wir haben... für uns ist die Konferenz in Wien zu spät gekommen. Wir waren ja schon fast vier oder fünf Tage in Streik und dann war die große Konferenz in Wien, wir haben zwar jemanden runtergeschickt, eine Delegation nach Wien, aber das war für uns dann nicht mehr bindend, da war es schon zu spät.

Ganglbauer: Wie war diese Delegation zusammengesetzt?

Kührer: Einer von den Sozialisten, einer vom VdU und einer von uns, drei Mann haben wir runtergeschickt Vom Streikkomitee haben wir drei Leute delegiert und runtergeschickt zu dieser Konferenz, aber das war für uns schon zu spät, wir haben schon... wir hätten die Unterstützung gleich von Anfang an gebraucht, der anderen Betriebe. Am 24., 25., 26., da hätten wir die Unterstützung gebraucht von allen, nicht erst nach einigen Tagen Streik. Derweil haben's schon die Betriebsräte in Donawitz verhaftet, und so war das.

Ganglbauer: Aber wie habt's Dir eigentlich, habt's Euch Dir an die Orientierung gehalten, daß man den Streik unterbrechen soll oder habt's Ihr weiter gestreikt?

Kührer: Nein, wir haben weiter gestreikt!

Ganglbauer: Und wie ist das überhaupt aufgenommen worden, daß die KPÖ dann gesagt hat, man soll unterbrechen? Habt's Ihr das einfach ignoriert, ist über das überhaupt diskutiert worden?

Kührer: Nein, wir haben überhaupt nicht diskutiert Wir haben, solange wir die Kraft gehabt haben und solange die Arbeiter bereit waren zu streiken, haben wir gestreikt.

Ganglbauer: Also diese Orientierung auf Streikabbruch, den die KPÖ-Parteileitung in Wien vorgeschlagen hat, also das Polbüro vorgeschlagen hat, diese Orientierung hat bei Euch überhaupt keine Rolle gespielt?

Kührer: Ja gut, schau. Wir haben es zur Kenntnis genommen, aber hier in Oberösterreich hat sich der Streik anders entwickelt gehabt Die Wiener und die niederösterreichischen Betriebe haben sich zu spät angeschlossen. Wenn wir eh schon fast eine Woche streiken, können wir nicht unterbrechen und dann wieder streiken, das geht nicht Das war unmöglich.

Ganglbauer: Aber irgendwie aufgebracht wart Dir auch nicht über diese Orientierung? Ihr habt's das einfach nicht ernst genommen?

Kührer: Nein, nein, aufgebracht waren wir nicht Wir haben eines gemacht beim Streik: Die Arbeiter waren empört und wir sind konsequent zu ihnen gestanden, wir haben zu den Arbeitern gehalten, das war unser Dings, aber die Arbeiter wären nicht bereit gewesen, wie die da im Fernsehen da alles schon gehämmert haben, daß man das durchgestanden wäre.

Ganglbauer: Du meinst jetzt die Putschlüge?

Kührer. Die Putschlüge, wie sie angefangen haben. Das Streikkomitee, wir waren am Anfang eine feste Einheit, danach sind die Sozialisten gezwungen worden von Ihrer Führung und einer nach dem anderen hat sich abgemeldet aus dem Streikkomitee und danach, immer weniger sind wir geworden. Der Födinger war zwar noch da und einige andere, aber von außen sind die Einflüsse immer größer geworden und zum Schluß, die VdUler sind auch weg, zum Schluß sind nur mehr wir Kommunisten übriggeblieben und die Arbeiter haben gesehen, wir stehen bis zum Schluß zu ihnen.

Ganglbauer: Und ab wann wart Ihr dann allein im Streikkomitee?

Kührer: So um den 30., so Ende September waren wir allein und weil wir eben durchgehalten haben bis zum Schluß, sind wir von den Arbeitern bei der nächsten Betriebsratswahl belohnt worden. Weil sie gesagt haben, das waren die einzigen, die ehrlich zu uns gehalten haben.

Ganglbauer: Also Dir habt von 2 auf 9 Mandate erhöhen können? Das hast Du da auch aufgezeichnet?

Kührer: Ja haben wir auch aufgezeichnet.

Ganglbauer: Wie war das mit den Sanktionen, mit den verschiedenen Maßnahmen, die dann seitens der Betriebsleitung, des ÖGB oder auch der SPÖ ergriffen worden sind gegenüber Kommunisten oder auch gegenüber anderen, die sich im Streik besonders hervor getan haben? War das in der Voest ähnlich wie in Steyr oder war das doch anders?

Kührer: Nein, war so ähnlich. Es hat Kräfte gegeben, die zum Streik gehalten haben, das war die Gewerkschaft, die war einig, hat es keine Austritte gegeben.

Ganglbauer: Die Ortsgruppe?

Kührer: Ja die Ortsgruppe, die Gewerkschaftsortsgruppe war einig. Aber es hat gegeben, der Betrieb hat Leute rausgesucht und über die Direktionen sind die Verantwortlichen in verschiedenen Betriebsstreikkomitees dann gemaßregelt worden. Sehr ungerecht

Ganglbauer: Und hat es da nur Kommunisten getroffen oder sind da andere auch davon betroffen worden?

Kührer: Nein, Kommunisten, Parteilose sind betroffen worden.

Ganglbauer: Sozialdemokraten und VdUler nicht oder auch?

Kührer: Hat es auch, sind auch gemaßregelt worden.

Ganglbauer: Und wie haben diese Maßregelungen ausgeschaut?

Kührer: Gut, man hat die Leute direkt freigesetzt, direkt gekündigt und wir haben dann ja einen großen Prozeß gehabt, da sind auch alle Unterlagen und alle Namen haben wir auch. Dann gibt es ein eigenes Protokoll über die Einigungsamtverhandlungen, haben wir auch, ein komplettes Protokoll, wo alle die ganzen Einigungsamtsverhandlungen der Voest aufgeführt wenden, das haben wir auch.

Ganglbauer: Hat es in solchen Fallen eigentlich eine Solidarisierung gegeben? Wenn es einen Kollegen oder einen Genossen getroffen hat, solche Maßregelungen, habt Ihr Euch dann bemüht, den...

Kührer: Ja selbstverständlich, klar. Es hat sogar anständige Direktoren gegeben. Ein schmutziger Mann der Voest, der die Sachen zusammengetragen hat, das Material gegen uns, gegen das Streikkomitee, hat auch behauptet, ich bin gewaltsam. „Der Kührer ist gewaltsam im Stahlbau eingedrungen." Aber der Direktor Silber hat gesagt: „Nein, Kührer ist nicht gewaltsam in den Stahlbau eingedrungen." Wie ich gekommen bin mit der Montage mit den Arbeitern, mit einigen hundert, haben die Arbeiter die Tore aufgemacht und ich bin nicht gewaltsam rein. Jetzt haben sie gegen mich keine Anklage führen können. Ist ja klar, wenn ich gewaltsam eingedrungen wäre, dann wäre ich auch als Vorsitzender vom Streikkomitee strafbar gewesen. Und ich habe nachher zum Direktor gesagt, nach einem Jahr einmal: „Herr Direktor, wieso haben Sie da diese Aussage gemacht?" Sagt er. „Weil Sie wahr war. Ich habe die Wahrheit gesagt, ich habe mich von niemanden beeinflussen lassen." Aber es hat so Kräfte gegeben, die alle Mitteln angewendet hätten, gegen die Streikenden und das Streikkomitee vorzugehen. Na gut, den Namen möchte ich gar nicht erwähnen, weil er lange tot ist, der da so ein schmutziger Mann war, der das gemacht hat

Ganglbauer: Eine der Wirkungen war der Zuwachs der Einheitsliste, wo wir ja die Tabelle auch haben? Ich habt als Einheitsliste und nicht als kommunistische Fraktion oder...

Kührer: Nein, eine gewerkschaftliche Einheit waren wir.

Ganglbauer: Also aus dem geht hervor. Ihr habt von 2 auf 9 Mandate gewinnen können, aber die Sozialisten, die sozialistische Liste hat auch ein Mandat dazu gewonnen und vor allem verloren hat der VdU von 14 auf 8 bei den Arbeitern. Das sind die Ergebnisse. Warum hat der VdU soviel verloren?

Kührer: Warum? Weil sie groß geredet haben. Und wie ich Dir gesagt habe, wie es ernst war, sind sie unentschlossen gewesen und haben eben die Arbeiter nicht konsequent vertreten, aus dem Grund, weißt'.

Ganglbauer: Bei den Angestellten allerdings haben sie sich gehalten.

Kührer: Ja da haben sie sich gehalten. Da haben sie eine stärkere Organisation gehabt.

Ganglbauer: Da ist der Mandatsstand eigentlich für alle gleichgeblieben, wir haben l Mandat dazu gewonnen.

Kührer: Eines haben wir dazu gekriegt, ja.

Ganglbauer: Und haben auf dieser Einheitsliste Parteilose mit Kommunisten gemeinsam kandidiert oder waren da auch Sozialisten dabei oder waren es überhaupt nur Kommunisten, die halt versucht haben ...

Kührer: Kommunisten und einzelne Parteilose.

Ganglbauer: Und bei wem haben die Kommunisten da vor allem Ansehen gewinnen können? Nach dem Wahlergebnis zu schließen, dürfte ja unter den Sozialisten trotz der streikbrecherischen Rolle, die die SPÖ als Gesamtpartei gespielt hat, dürfte es Dir ja doch gelungen sein, relativ gut die Positionen zu halten?

Kührer: Ja, weil es ist aus dem Grunde, weil nach diesem Streik die Sozialisten Ihre Parteiorganisation im ganzen Werk weiter ausgebaut haben. Sie haben alle führenden Positionen Millimeter um Millimeter mit Sozialisten besetzt, wo es gegangen ist Durch das haben sie sich gut gehalten, haben sich auch erhalten. Und viele vom VdU, die beim VdU waren und die noch beim Streik dort waren, sind zu den Sozialisten gegangen. So ist das, das war das Entscheidende.

Ganglbauer: Hast Du jetzt gemeint, sie haben Ihre Fraktion gewechselt?

Kührer: Ja natürlich. Die haben Ihre Fraktion gewechselt, sind Sozialisten worden und wurden auch sozialistische Betriebsräte.

Ganglbauer: Hast Du jetzt gemeint, es sind VdUler zu den Sozialisten übergegangen, aber das andere war noch, sie haben Ihre Parteiorganisation aufgebaut und da hast Du gesagt, sie haben dann verschiedene Stellen bekleidet, heißt das auch, daß da, weiß ich, Abteilungsleiter oder Meister oder sonst irgendwas ...

Kührer: Ja, richtig. So ist es. Meisterposten wurden nur mehr, sagen wir, an Sozialisten vergeben. Abteilungsleitung und das wurde mit Ihrem Funktionärsstab besetzt

Ganglbauer: Und hat es das umgekehrt auch gegeben, daß Sozialisten, die den Streik unterstützt haben und die dagegen waren, daß diese Putschlüge in Umlauf gesetzt wurde und damit der Streik gebrochen werde sollte, hat es welche gegeben, die dann zu uns gewechselt sind oder nicht? War da die Kluft doch zu groß?

Kührer: Nein, sind keine zu uns gekommen. Wir haben ein gutes Verhältnis gehabt mit ihnen in der Gewerkschaft weiter, aber ist niemand zu uns gegangen.

Ganglbauer: Ist es in nennenswerter Zahl zu Austritten von der Gewerkschaft oder auch von der SPÖ gekommen?

Kührer: Nein, nein. Gut, es war eine schlechte Stimmung, war da gegen die Führung der Gewerkschaft in Wien, aber es ist zu keinen Austritten gekommen.

Ganglbauer: Also das hat sich vor allem auf Wien konzentriert?

Kührer: Ja hauptsächlich auf Wien. Schau, wir haben eine Delegation nach Wien runtergeschickt

Ganglbauer: Du meinst jetzt zur Betriebsrätekonferenz?

Kührer: Ja, zum Geiger, zu der Leitung der Metall- und Bergarbeiter, zum Zentralsekretariat haben wir eine Delegation geschickt vom Streikkomitee. Das war der Obmann, der Födinger, Kopp und ein VdUler war dabei, aber ich weiß den Namen nicht auswendig. Und die sind von Wien zurückgekommen und haben uns berichtet in der Vollversammlung bei den Leuten:, ie Wiener haben gesagt, es G 'scherten. Ihr könnt's streiken, solange Dir wollt's, gemacht wird das, was wir in Wien sagen." Und das hat alle erbost und da haben wir gesagt: „Dann streiken wir eben weiter." So war das, so war die Stimmung damals.

Ganglbauer: Wann war diese Delegation?

Kührer: Das haben wir eh auch festgehalten. Wir haben nur geschrieben, eine schlechte Behandlung haben sie gehabt, aber nicht so ausgerührt, wie ich Dir das gesagt habe, was sie wirklich gesagt haben.

Interview des Historikers Stephan Ganglbauer mit Rudolf Kührer am 13. Juli 1990

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