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Wie rechts ist der ÖTB?

  • Donnerstag, 1. Januar 2004 @ 09:57
Antifa Die meisten Menschen sind über das Gedankengut des „Österreichischen Turnerbundes“ (ÖTB) nicht informiert. Das gilt auch für viele ÖTB-Mitglieder, die nur aus Gründen des Sports beigetreten sind. Das OÖ Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus, dem mehr als 30 politische, kirchliche, kulturelle und humanitäre Organisationen angehören, will mit dieser Aussendung nachprüfbare Fakten bekannt machen. Die aktuelle Diskussion rund um den „Arbeiterball“ der SPÖ Perg in der ÖTB-Halle soll damit versachlicht werden. Urteilen Sie selbst:

„Viele Behauptungen über das Dritte Reich entstammen der Kriegspropaganda und sind maßlos übertrieben. Und wie soll der Laie erkennen können, ob tatsächlich 6 Millionen Juden vergast worden sind, oder nur 300.000?“ („Der Junge Bund“ 4/78)
„Als der (2. Welt-)Krieg kam, zogen wir aus, das Vaterland zu schützen, die Heimat zu verteidigen, Europa zu befreien. Unsere bedingungslose Einsatzfreudigkeit war auf den Endsieg ausgerichtet ...“ („Bundesturnzeitung“ 4/83)
„Wenn ein britischer Historiker (Anm.: gemeint ist der Neonazi und Holocaust-Leugner David Irving) im privaten Freundeskreis in Österreich nicht einmal sprechen darf (ich war selbst dabei, als er „Redeverbot“ erteilt bekam!), dann nehmen wir es nicht tatenlos hin!“ („Bundesturnz.“ 9/90)
Alle diese Aussagen sind Zeitungen des „Österreichischen Turnerbundes“ (ÖTB) entnommen. Das Landesgericht für Strafsachen Wien hat in einem rechtskräftigen Urteil einen „fast wörtlichen Gleichklang der Äußerungen eines Goebbels und der Bundesturnzeitung“ festgestellt und von einer „nationalsozialistischen und österreichfeindlichen Politik des ÖTB“ gesprochen. In diesem Urteil heißt es auch:

„Besonders gravierend ist der Text auf Seite 17, wo eine Anzahl von 6 Millionen vergaster Juden ohne jede Begründung und vollkommen willkürlich auf 300.000 reduziert und diese Zahl 300.000 mit den Opfern der Bombardierung Dresdens aufgerechnet wird, eine Aufrechnung, die an historischer Haltlosigkeit, Demagogie und nationalsozialistischer Propaganda wohl kaum zu übertreffen ist.“
Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes bezeichnet den ÖTB als die „mit Abstand wichtigste Organisation des Deutschnationalismus und Rechtsextremismus“ in Österreich. Der ÖTB ist nach seinem Selbstverständnis keine Sportorganisation, sondern erhebt den umfassenden „Erziehungs- und Bildungsanspruch eines nationalbewussten völkischen Vereines“ (ÖTB-Originalzitat). Er beruft sich bis heute auf „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn, dessen rassistisches Gedankengut in Sätzen wie „Polen, Franzosen, Pfaffen, Junker und Juden sind Deutschlands Unglück!“ seinen Ausdruck fand.

Auf welche Weise die ÖTB-Führung (mit Bundessitz Traun, früher Linz) ihre Mitglieder, von denen viele nur aus Gründen des Sports beigetreten sind, beeinflusst, lässt sich am Beispiel des oö. „Gau-Turnfestes“ 1990 in Vöcklabruck zeigen: Schon bei der Vorbereitung des Festes wurde in einem Schaufenster eine Urkunde ausgestellt, die ein stilisiertes Hakenkreuz und die Jahn’sche Parole „Rassenreinheit“ trug. Dieses rechtsextreme Schlagwort fand sich dann auch auf Fahnen der „Turnbrüder“ bei der Eröffnung wieder. Der Redewettbewerb des Festes befasste sich mit den „deutschen Ostgebieten“ und ihrer „Rückgewinnung“. Immer wieder waren „Heil“-Rufe und einschlägige Lieder wie der „Westerwald“ zu hören. Auch der ÖTB Perg nahm an diesem „Gau-Turnfest“ mit zahlreichen Kindern und Jugendlichen teil.

Eine über Jahrzehnte prägende Führungsperson des ÖTB Oberösterreich war Sepp Holzinger (1923 – 2001). Als „Gauturnwart“ und „Gaujugendwart“ hatte er großen Einfluß auf ÖTB-Jugendliche. Holzinger war aber auch jahrelang oö. Landesvorsitzender der neonazistischen, später verbotenen „Nationaldemokratischen Partei“ (NDP). Als der Salzburger Rechtsextremist Fritz Rebhandl 1992 wegen NS-Wiederbetätigung verurteilt wurde, schrie Holzinger im Gerichtssaal „Schandurteil!“.

1995 wurde der Geschäftsführer der rechtsextremen Zeitschrift „Aula“, Herwig Nachtmann, von einem Grazer Geschworenengericht wegen Verbrechens gegen das NS-Verbotsgesetz einstimmig schuldig gesprochen. Unter seiner Verantwortung hatte die „Aula“ die Judenvernichtung durch Giftgas geleugnet. Schon Mitte der 70er Jahre betätigte sich Nachtmann in der neonazistischen NDP. Das hinderte den ÖTB aber nicht, ihn 1979 zum stellvertretenden „Bundesdietwart“ zu machen – also zum zweithöchsten Ideologiefunktionär. Seit damals hatte Nachtmann führende Positionen im ÖTB inne und bestimmte dessen Kurs maßgeblich mit.

Der „Gauobmann“ des ÖTB Kärnten, Dr. Bruno Burchhart, und der „Dietwart“ des ÖTB Steiermark, Dr. Hanns Göttl, gehören Burschenschaften an, denen das Bundesministerium für Inneres in seinem Rechtsextremismusbericht 2000 den Versuch bescheinigt, „auf Umwegen eine gewisse Akzeptanz für nationalsozialistisches Gedankengut zu schaffen“. Burchhart ist außerdem als Autor der rechtsextremen Zeitschrift „Aula“ (siehe oben) tätig. Der ÖTB unterstreicht auch in seinen neuen Leitsätzen (1996) das Bekenntnis zum Deutschnationalismus. Er lehnt weiterhin die österreichische Nation ab.

Erst im Mai 2001 ist der Welser ÖTB-Verein "Turngemeinde Jahn" mit 300 Mitgliedern geschlossen aus dem ÖTB ausgetreten. Ausdrückliche Begründung: "Die Modernisierung scheitert an ewiggestrigen Strömungen." („Salzburger Nachrichten“ vom 17. Juli 2001)

Seitens der SPÖ wurden hinsichtlich des ÖTB beim Bundesparteitag 1995 Konsequenzen gezogen: Ein mit großer Mehrheit gefasster Beschluss verpflichtet "alle sozialdemokratischen Funktionäre und Mandatare, auf allen Ebenen (Bund, Land, Gemeinde) jede wie immer geartete Subventionierung oder öffentliche Unterstützung des Österreichischen Turnerbundes abzulehnen".

Angesehene Wissenschafter beurteilen den ÖTB folgendermaßen:

„Die verschiedenen Aktivitäten des ÖTB überschreiten vielfältig die Grenze zum Rechtsextremismus.“ Univ.-Prof. Dr. Anton Pelinka, Politikwissenschafter, Universität Innsbruck
„Der Sport wird von der ÖTB-Führung nicht als Selbstzweck verstanden, sondern als Bestandteil einer umfassenden deutsch-völkischen Erziehung.“ Univ.-Prof. Dr. Rudolf Kropf, Historiker, Universität Linz
Wir vom OÖ Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus wenden uns keineswegs gegen jene vielen Mitglieder des ÖTB, die nur aus Gründen des Sports beigetreten sind. Vielmehr wollen wir sie mit dieser Aussendung - ebenso wie alle Nicht-Mitglieder - über die mehr als bedenkliche Politik der ÖTB-Führung informieren. Solange die Funktionäre des ÖTB Perg zu dieser Politik schweigen, tragen sie dafür Mitverantwortung. Erst wenn der Perger Verein dem Beispiel der Welser „Turngemeinde Jahn“ folgt und aus dem ÖTB austritt, hat er sich von den „ewiggestrigen Strömungen“ glaubwürdig distanziert. Und erst dann verstößt die SPÖ Perg mit einer Veranstaltung in der Halle des Vereins nicht mehr gegen den klaren Beschluss ihrer Bundespartei.

Postwurf des OÖ Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus an die Haushalte in Perg anläßlich der Proteste gegen die Abhaltung des SPÖ-Arbeiterballs in der Turnhalle des ÖTB in Perg im Jänner 2002.

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