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Plattform des Antifa-Komitees Linz

  • Samstag, 1. Januar 2005 @ 18:21
Antifa "Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen." (Max Horkheimer)
„Faschismus ist Rebellion auf der Basis des Privateigentums.“ (Walter Benjamin)


Die Entwicklung, vor welcher das Antifa-Komitee Linz bei seiner Gründung im Jahre 1995 gewarnt hat, ist leider eingetreten. Die seit 1986 unübersehbar erfolgte Verschärfung des politischen Klimas in Österreich hat zu Beginn des Jahres 2000 mit der Bildung einer blauschwarzen Regierung zur bedeutendsten Veränderung des politischen Systems seit 1945 geführt. Der Ausgangspunkt dafür war im Jahre 1986 das Zerbrechen der Koalition SPÖ-FPÖ, die Wahl Waldheims als Bundespräsident, die Machtergreifung Haiders als FPÖ-Chef und die Bildung der großen Koalition. Dazu kamen in den folgenden Jahren internationale Faktoren wie das Zusammenbrechen der sozialistischen Länder im Zeitraum von 1989 bis 1991 und in deren Gefolge die Kapitaloffensive gegen die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung und die mit dem Maastricht-Vertrag 1992 forcierten Integrationsbestrebungen der EU, die sich für Österreich mit dem EU-Beitritt 1995 besonders deutlich zeigten.

Die allgemeine Rechtsentwicklung in Österreich ist Teil einer internationalen Rechtsentwicklung, die nicht bloß auf das Erstarken rechter Parteien reduziert werden kann, sondern mit dem Einschwenken auf einen neoliberalen Grundkonsens durch fast alle politischen Lager – Konservative, Liberale, Sozialdemokraten, Grüne – gekennzeichnet ist. Diese Rechtsentwicklung ist daher auch in Österreich nicht auf die FPÖ zu reduzieren, sondern geht weit darüber hinaus. Jörg Haider spielte dabei die Rolle eines An- und Übertreibers der Koalition. Dies äußerst sich darin, daß er und seine Partei die Themen vorgaben, die Koalition sich in der Regel zwar davon zunächst verbal distanziert, sie aber dann politisch letztlich umgesetzt hat. Beispiele dafür sind etwa die Asylgesetzgebung, der EU-Beitritt, die Preisgabe der Neutralität, ein Beitritt zur NATO, die "Sozialschmarotzer"-Debatte, Aufrüstung von Polizei und Bundesheer, "großer Lauschangriff" und Rasterfahndung.

Der Aufstieg der FPÖ zur heutigen Stärke und ihre Regierungsbeteiligung ist daher weniger ihr eigenes Verdienst, sondern das Ergebnis der Politik der von 1986 bis 2000 amtierenden Koalition von SPÖ und ÖVP. Er ist ohne eine kritische Auseinandersetzung mit der Politik der bisherigen Koalition, insbesondere aber mit der zunehmend auf neoliberale Positionen eingeschwenkten Politik der Sozialdemokratie nicht zu erklären. Gerade in den 14 Jahren der Regierung von SPÖ und ÖVP mit der FPÖ als Antreiber haben sich die vom Neoliberalismus bestimmten Inhalte dieser drei Parteien soweit angenähert, daß sie heute vielfach beliebig austauschbar sind, wie die „Kataloge der Grausamkeiten“ von blauschwarz und rotschwarz beweisen. Umso schärfer müssen sie sich verbal voneinander abgrenzen um in der Öffentlichkeit den Eindruck der Unterschiedlichkeit aufrechtzuerhalten.

Hinter dieser Entwicklung stehen die Interessen des Kapitals, nach dem Wegfall der Systemkonkurrenz die "soziale Marktwirtschaft" zum "Kapitalismus pur" umzufunktionieren und die in Jahrzehnten errungenen politischen und sozialen Rechte der ArbeiterInnenbewegung und der bürgerlichen Demokratie einzuschränken und möglichst überhaupt zu eliminieren.

Mit der Bildung einer Regierung von FPÖ und ÖVP ist die von der FPÖ angestrebte und von der bisher amtierenden Koalition als Schreckgespenst beschworenen „3. Republik“ Realität geworden. Denn die wesentlichen Merkmale der 1945 entstandenen 2. Republik Österreich wie Verstaatlichte, Neutralität, Sozialstaat, Sozialpartnerschaft und Zwei-Parteiensystem wurden entweder bereits als Vorleistung von der bisherigen Koalition eliminiert oder sind nur mehr in Restbeständen in ausgehöhlter Form vorhanden. In Frage gestellt ist zudem der klare antifaschistische Auftrag, der in der Unabhängigkeitserklärung, im Staatsvertrag, im NS-Verbotsgesetz und im Neutralitätsgesetz Ausdruck findet.
Auf diesem politischen und geistigen Hintergrund wurde das ausländerfeindliche und mit dem Ruf nach dem "starken Mann" gekoppelte bierselige Stammtischniveau salonfähig gemacht. Gestützt auf eine rechtspopulistische Politik wurde die 2. Republik destabilisiert um dem Ruf nach dem "starken Mann" Gehör zu verschaffen.

Wesentliche Ursachen im politischen Erstarken der FPÖ liegen auch darin, daß sich der Verteilungsspielraum drastisch verengt hat und das früher selbstverständliche Rollenspiel einer sozialpartnerschaftlichen Vertretungsdemokratie - politische Unterordnung und Wohlverhalten und "richtige" Stimmabgabe als Preis für "Hilfe" bei Arbeitsplatz, Wohnung, Aufstieg usw. - nicht mehr funktioniert. Die FPÖ konnte sich das leicht zunutze machen und sich sozialdemagogisch gebärden. Die Verwendung von Feindbildern - AusländerInnen, "Sozialschmarotzer", Intellektuelle, Linke usw. - hat für diese politische Strömung Tradition.

Die Eckpunkte der Rechtsentwicklung in Österreich – die sich in der Politik der FPÖ in besonderer Weise – konzentrieren, sind:

Rassismus in allen Spielarten wie Antisemitismus, Antislawismus, allgemeiner AusländerInnen- und Fremdenfeindlichkeit verbunden mit einem ausgeprägten Deutschnationalismus und Versatzstücken eines reaktionären Österreichertums
Revisionismus in bezug auf die Verbrechen des Nazifaschismus durch Relativierung und Verharmlosung der Naziverbrechen - Stichwort "Straflager", "ordentliche Beschäftigungspolitik", "österreichische Nation ist ideologische Mißgeburt" - und gezielte Aufrechnung gegen andere politische Fehlentwicklungen
Führerprinzip durch Drang zum "starken Staat", Ablehnung der als "gleichmacherisch" denunzierten repräsentativen Demokratie, Forcierung einer autoritären "3. Republik"
Elitedenken durch Appell an das "Normale" verbunden mit Abgrenzung gegen Außenseiter aller Art (AusländerInnen, Linke, Homosexuelle, Feministinnen, "Sozialschmarotzer" usw.)
Kunst-, Kultur- und Intellektuellenfeindlichkeit, Absage an Aufklärung und Vernunft, Bekämpfung deren Errungenschaften
Militarismus durch Eintreten für Aufrüstung des Bundesheeres, Verunglimpfung des Zivildienstes, Forderung nach NATO-Beitritt, Hochhalten der Weltkriegstradition
"Völkisch" geprägter Provinzialismus durch Überbetonung von Heimat und Volk als Kampfansage gegen Weltoffenheit und Internationalismus, Aufbereitung des Terrains für eine "Volksgemeinschaft"
Die Ursprünge der FPÖ liegen in der großdeutschen Bewegung in Österreich während der Habsburger-Monarchie und in der 1. Republik, die dann fast nahtlos in der NSDAP aufging und sich 1949 als VdU neuformierte, aus welcher 1955 die FPÖ hervorgingen. Der deutschnationale Kern der FPÖhat sich während dieser ganzen Entwicklung nicht gewandelt, auch wenn er taktisch zeitweise nicht so deutlich sichtbar war.

Unbestreitbar ist auch die Verfilzung der FPÖ und ihrer direkt untergeordneten Verbände mit rechten Vorfeldorganisationen - wie Turnerbund, Kärntner Heimatdienst usw. - bis hin zu offen rechtsextremen Gruppen - wie etwa der VAPO. Nicht zufällig entschied der Oberste Gerichtshof, daß Haider als "Ziehvater des rechtsextremen Terrors" bezeichnet werden darf.

Zum heutigen Stellenwert der FPÖ haben SPÖ und ÖVP mit ihrem Buhlen um Stimmen der sich 1949 im VdU – aus dem 1956 die FPÖ hervorging – zusammengeschlossenen "Ehemaligen" wesentlich beigetragen. Die Strategie Kreiskys durch eine Aufwertung der FPÖ – bei der sogar die SS-Vergangenheit des früheren FPÖ-Chefs Friedrich Peter verteidigt wurde – das bürgerliche Lager zu spalten hat letztlich Schiffbruch erlitten. Zur Aufwertung der FPÖ hat schließlich auch ihre Regierungsbeteiligung von 1983 bis 1986 als Juniorpartner der SPÖ beigetragen. Der etablierte "Antifaschismus" ist daher keine Garantie gegen die weitere Rechtsentwicklung.

Die FPÖ ist eine rechtspopulistische Partei, die sich völlig ungeniert rassistischer, rechtsextremer und faschistischer Versatzstütze durch Aussagen mit denen der Faschismus verharmlost oder gar verherrlicht wird sowie durch personelle und organisatorische Querverbindungen zu offen rechtsextremen und faschistischen Gruppen bedient. Taktisch verdreht die FPÖ jede Kritik an ihrer Politik als "linke Verschwörung" und "Tugendterror", sie präsentiert sich in einer Opferrolle, spekuliert mit dem Mitleidseffekt bei politisch für Demagogie anfälligen Menschen. Möglich ist dies auf dem Boden der in Österreich nicht bewältigten NS-Vergangenheit, bei der sich Österreich viel zu lange ausschließlich als Opfer und nicht als Täter gesehen hat.

Die Rechtsentwicklung kann aber nur im Zusammenhang mit der dahinter stehenden Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung erklärt werden. Der seit Jahren forcierte und mit dem Wegfall des Sozialismus als Systemkonkurrenz massiv verschärfte Neoliberalismus als Ausdruck der Kapitaloffensive gegen die Lohnabhängigen ist der eindeutige Gegenpol und die Kampfansage an den Sozialstaat. Verschärft wird dies durch die rassistische Komponente.

Ein wirksamer Widerstand gegen die Rechtsentwicklung muß daher mit einer klaren Absage an den neoliberalen Grundkonsens und den etablierten Rassismus verbunden sein. Er kann nur unabhängig von den Parlamentsparteien als breite und entschlossene außerparlamentarische Bewegung stattfinden und bedingt eine konsequente Auseinandersetzung mit allen rechten Tendenzen, nicht nur durch FPÖ und Rechtsextreme, sondern auch in den Großparteien und deren Anpassung an das Diktat der FPÖ.

Beschlossen im September 1995, aktualisiert im Februar 2000

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