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Aktive Bilanz antifaschistischer Arbeit

  • Samstag, 2. Oktober 2004 @ 18:17
Antifa Mit rund hundert TeilnehmerInnen, zahlreichen Berichten, Infoständen und Diskussionsbeiträgen bot das 4. Netzwerktreffen des OÖ Netzwerkes gegen Rassismus und Rechtsextremismus am 2. Oktober 2004 im Bildungshaus Schloss Puchberg bei Wels eine anschauliche Leistungsschau über die Aktivitäten der 43 mittlerweile dem Netzwerk angehörenden Gruppen. Bildungshaus-Leiter Wilhelm Achleitner führte in seiner Begrüßungsrede den Abstieg der FPÖ sogar direkt auf die Verdienste dieser antifaschistischen Bewegung zurück.

Der Welser Vizebürgermeister Hermann Wimmer räumte ein, dass das Verhältnis der Stadt zur Antifa-Bewegung „nicht immer friktionsfrei“ war, der Gemeinderat aber nach dem Bürgermeisterwechsel 1997 ein Programm gegen Rassismus und Rechtsextremismus beschlossen hatte. Dazu gehören Aktionen mit der und für die Jugend, die Umbenennung der Kernstockstraße, die Schaffung des Integrationsbüros Mosaik und jüngst die Errichtung eines würdigen Denkmales für die jüdischen MitbürgerInnen beim Pollheimerpark anstatt der Gedenktafel auf dem Kaiser-Josef-Platz.

AK-Vizepräsident Reinhold Entholzer meinte, dass die Arbeiterbewegung stets das erste Opfer des Faschismus war, die FPÖ zwar dezimiert wurde, die ÖVP aber immer noch ein Dollfuß-Bild in ihrem Parlamentsklub hängen hat. Birgit Feigl informierte in ihrer Begrüßung über die Tätigkeit der ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus in der Steiermark im Rahmen von EU-Projekten, Einsatz von ZeitzeugInnen und die Errichtung eines Denkmals für die Opfer des Todesmarsches vom Frühjahr 1945 auf dem Präbichl.

In seiner Bilanz über die gemeinsamen Aktivitäten des Netzwerkes ausgehend vom letzten Netzwerk-Treffen am 4. Oktober 2003 informierte Netzwerk-Sprecher Robert Eiter über zwei kleine Netzwerk-Treffen am 26. Jänner und am 24. Mai 2004, 39 per e-Mail verbreitete Netzwerk-Infos und zwei Gespräche mit Sicherheitsdirektor Lißl über Neonazi-Konzerte, Polizei-Ignoranz gegen Rassismus sowie die Aktivitäten des Bundes Freier Jugend (BFJ). Weiters fanden am 23. Jänner und 28. Februar 2004 Protestkundgebungen gegen Lokale in Linz („Globe“, „Kolosseum“) statt, wo AusländerInnen der Eintritt verwehrt wurde. Aktiv war das Netzwerk mit einer Demo in Steyr am 20. März 2004 gegen den „Tag der volkstreuen Jugend“ des BFJ und am 17. April in Braunau. In der Gastronomie-Zeitung „Insider“ konnte ein Artikel über „gefährliche Neonazi-Teffen“ lanciert werden und gegen Aktivitäten des BFJ in Linz (Verteilungsaktion am Bahnhof, Plakatständer in Auwiesen) wurde bei ÖBB bzw. Magistrat interveniert.

Anschließend informierte Verena Krausneker über die Anti-Rassismus-Arbeit der 1999 gegründeten, bundesweit tätigen Gruppe ZARA: Neben laufender Beratung für Opfer von Rassismus in deutsch, türkisch und englisch, fallweise auch in französisch und spanisch gibt ZARA jährlich den „Rassismus-Report“ heraus. 2003 wurden darin rund 600 Fälle dokumentiert, die Zahl ist – bedingt durch die wachsende Bekanntheit der Gruppe – steigend.

Während die Stadt Wien die Arbeit von ZARA für ein halbes Jahr subventioniert, verweigert der Bund eine Subvention. Die Ministerien arbeiten angeblich mit dem Report, vom Innenministerium werden rassistischen Übergriffe hingegen nicht erhoben. Die Betroffenen gehen meist zunächst zu Vereinen ihrer eigenen Community, diese wenden sich dann an ZARA. Seit 1. Juli 2004 gilt das Antidiskriminierungsgesetz des Bundes, ZARA hat einen Klagsverband ► www.klagsverband.at gegen Diskriminierungen ins Leben gerufen.

Boris Lechthaler (Friedenswerkstatt) ging in einem Input auf den Zusammenhang von Militarismus und Rechtsextremismus ein. Er verwies auf den rechtsextremen Block von FPÖ-Mölzer, Lega Nord, Vlaams Blok und anderen im EU-Parlament und die strategische Krise der FPÖ durch den Widerspruch der Einbindung ihrer Spitze in das politische Establishment – sie trat als erste für EU- und NATO-Beitritt ein – und der „Kleine Mann“-Rhetorik als Stimmenmaximierung.

Die EU-Verfassung beinhaltet Aufrüstungszwang, Neoliberalismus, Entdemokratisierung und Anspruch auf eine Supermachtrolle, Ethnifizierung und Aushöhlung der österreichischen Souveränität. Ergebnis ist eine Entwertung der Menschen und Senkung des Lebensniveaus durch Arbeitsplatz- und Sozialabbau. Lechthaler bezeichnete die Handlungsfähigkeit von unten gegen die elitäre Politik von oben als notwendig: „Der Finanzmarkt ist nicht anonym, sondern hat Namen und Adresse“. Es gilt für den Antifaschismus als eine der Grundlagen der 2. Republik zu kämpfen, konkret für das Verbotsgesetz. Neutralität, soziale Standards und öffentliches Eigentum müssen verteidigt werden.

Christoph Köttl präsentiert die von ihm gemeinsam mit Clemens Rosenauer eingerichtete Website ► www.nationalsozialismus.at, die sich allgemein verständlich vor allem an SchülerInnen und Jugendliche wendet und etwa 50.000 Zugriffe pro Jahr verzeichnet. Die Website wurde dem Verein für demokratische Bildung übertragen, der eine Aktualisierung sowie eine englische Version plant. Bislang gab es für die Website keine öffentlichen Förderungen. Ein Diskussionsforum wird wegen der Gefahr des Missbrauchs nicht betrieben.

Grünen-Klubchef Gunther Trübswasser informierte über das oö Antidiskriminierungsgesetz und bezeichnete dieses als „absolute Notwendigkeit“ und meinte „Jede Diskriminierung muss verpönt sein“. Für das Gesetz wurden Anleihen in anderen Ländern genommen. Zum Entwurf wurden über 100 Stellungnahmen abgegeben (das sind die meisten nach dem Hundehaltungsgesetz mit 1.500 Stellungnahmen, bei üblichen Gesetzentwürfen gibt es gerade um die zehn Stellungnahmen).

Am 14. Oktober werden die Verhandlungen im zuständigen Unterausschuss weitergeführt und über Ergänzungen verhandelt, voraussichtlich wird das Gesetz noch heuer beschlossen. Eckpunkte dabei sind, dass es sich um ein Landesgesetz handelt, also nur für die Zuständigkeit von Land und Gemeinden, indirekt auch über die Bezirksverwaltungen im Wege des Vollzuges gilt.

Geplant ist die Anwendung auf Anstalten und Betriebe auszuweiten. Vorgesehen ist eine Beweislasterleichterung, allerdings keine Umkehr sowie die Einbeziehung auch immaterieller Schäden. Diskriminierungen wegen des Geschlechts sind nicht beinhaltet, weil dafür das Gleichbehandlungsgesetz gilt und dieses nicht aufgehoben werden soll.

Die geplante Antidiskriminierungsstelle soll weisungsfrei sein und ihre Ausstattung und Dotierung auch Öffentlichkeitsarbeit leisten. Trübswasser sieht im ADG nicht den Endpunkt, sondern den Anfang der Bekämpfung von Diskriminierungen, beginnend mit Aufklärung und Schaffung des Bewusstseins, dass es notwendig ist sich zu wehren. Der Tendenz der Ausgrenzung muss die Tendenz der Solidarisierung gegenübergestellt werden. Das ADG des Bundes ist nur auf die Arbeitswelt abgestimmt und laut Trübswasser das EU-konforme „absolute Minimum“.

Ein inhaltlicher Schwerpunkt des Treffens war dem Thema Austrofaschismus gewidmet: Dazu referierte der Historiker Thomas Hellmuth, ergänzt von einem Kulturteil, der vom Schauspieler Andreas Baumgartner mit einer Lesung aus dem Buch „Ich sterbe, weil es einer sein muss“ über den Februarkämpfer Karl Münichreiter musikalisch begleitet vom Linzer Liedermacher Christian Buchinger gestaltet wurde.

Hellmuth skizzierte ausgehend vom Zusammenbruch der Habsburger-Monarchie und Ausrufung der 1. Republik im Jahre 1918 mit wichtigen sozialen Reformen die Entwicklung bis zum Faschismus in den 30er Jahren. Nach dem Scheitern der Koalition von Sozialdemokratie und Christlichsozialen 1920 verschärfte sich das politische Klima im Gleichklang mit den wirtschaftlichen und sozialen Belastungen. Immer stärker dominierte die Gewalt auf der Straße durch die Fronstellung von Heimwehr und Schutzbund.

1927 kam es zum Justizpalastbrand als Ergebnis der Proteste gegen den Freispruch der Mörder von Schattendorf, 1929 folgte die Weltwirtschaftskrise. Die Heimwehr tendierte mit dem „Korneuburger Eid“ von1930 immer stärker zum Faschismus, der Schutzbund agierte hingegen defensiv. Dazu kam der politische Einfluss von Italien und Deutschland auf Österreich. 1933 folgte die Selbstausschaltung des Parlaments, Dollfuß regierte mit Rückgriff auf ein Kriegsermächtigungsgesetz von 1917. KPÖ, Schutzbund und NSDAP wurden verboten, der Druck auf die SP erhöht, die nach dem Bürgerkrieg 1934 ebenfalls verboten wurde.

Nach Ausschaltung der Parteien gab es nur mehr die Vaterländische Front, die sich aber als Bewegung definierte, gegen Klassen- und Kulturkampf, für Vaterland und Glauben agierte. Dollfuß wurde beim Nazi-Putsch 1934 ermordet, ist jedoch kein Widerstandskämpfer, sondern im Gegenteil ein Wegbereiter auch für den NS-Faschismus.

Die in Österreich übliche Differenzierung der Historiker zwischen faschistischen und autoritären Systemen ist nicht überzeugend und dient der Reinwaschung des Austrofaschismus. Eine Abgrenzung ist schwierig, der Faschismus hat verschiedene Spielarten, eine Reduktion auf den NS-Faschismus würde andere Faschismen verharmlosen, wenngleich die Unterschiede zu sehen sind.

Hellmut führte für die Definition als Faschismus Antiliberalismus, Antimarxismus, Volksgemeinschaft statt Klassenkampf, Führerprinzip statt Parlamentarismus und Mehrparteiensystem, Gewaltbereitschaft, Ästhetisierung der Politik, Rassismus und Nationalismus, Massenmobilisierung, Antiklerikalismus, Imperialismus und Kriegsbereitschaft an. Für den Austrofaschismus gilt hingegen, dass er keine imperialistischen Eroberungstendenzen aufwies, ausgeprägt katholisch war, das Ständestaatsprinzip vertrat, Polizei und Heer statt einer gewaltbereiten Bewegung als Machtinstrument einsetzte und kaum rassistisch bzw. antisemitisch war, so dass die Definition Klerikalfaschismus durchaus zutreffend ist.

Den Schlussteil des Treffens bildete ein Ausblick auf die nächsten Schwerpunkte und Berichte verschiedener Gruppen. Robert Eiter wies auf die Bedeutung des Gedenkjahres 2005 hin, im 60. Jahr nach der Befreiung 1945 jährt sich auch der als „Mühlviertler Hasenjagd“ bezeichnete Verfolgung von KZ-Häftlingen nach ihrem Ausbruch aus dem KZ Mauthausen durch SS und örtliche Bevölkerung. Die verschiedenen Aktivitäten aus Anlass des Jahrestages der Befreiung sollen über das Netzwerk kommuniziert werden.

Albert Langanke informierte, dass die Befreiungsfeier am 8. Mai 2005 mit Beginn um 11 Uhr unter dem Moto „Die Jugend Europas in Mauthausen“ stattfinden wird und mindestens 20.000 TeilnehmerInnen erwartet werden. Nach einem Statement als Ergebnis eines SchülerInnenredewettbewerbs werden Kardinal Schönborn und Bundespräsident Fischer sprechen, abgeschlossen wird die Kundgebung mit dem Gesang de „Moorsoldaten“ in allen Sprachen. Um einen flüssigen Ablauf zu gewährleisten wird der Einmarsch auf dem Appellplatz in zwei Zügen abgewickelt und die Tribüne der Ehrengäste hinter den Obelisk vor die nach hinten versetzte Bühne verlegt.

Eiter appellierte zur Unterstützung bei Demonstrationen und Kundgebungen wie etwa am 9. Oktober in Linz gegen rechte Gewalt und Rassismus. Beschlossen wurde von der Konferenz ein Antrag mit der Forderung nach Einhaltung der Grundvereinbarung über die Asylquote und gegen Auffanglager außerhalb der EU-Grenzen. Ein weiterer Antrag fordert eine konsequente Umsetzung des NS-Verbotsgesetzes und dessen Anwendung auf den BFJ.

In Kurzberichten wurde über Aktivitäten des Vereins Schloss Hartheim, Mauthausen-Komitee Österreich, Verein für Zeitgeschichte, Lehrernetzwerk, Land der Menschen, Sozialistisch Jugend, Aktion kritischer SchülerInnen, ÖGJ, SLP, Funke und Verein Gedenkdienst informiert. Großes Interesse fand der Bericht über eine Initiative zur Erforschung des Schicksals der Kinder von ZwangsarbeiterInnen durch den Journalisten Martin Kranzl-Greinecker: In Oberösterreich gab es mindestens zehn Heime für solche Kinder, so in Pichl, Spital am Pyhrn, Mauerkirchen, Schwanenstadt und Perg.

Abgeschlossen wurde das Treffen mit einem musikalischen Beitrag von Christian Buchinger, der die Konferenz auch musikalisch eröffnet hatte.

© Leo Furtlehner

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