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1950: Der Oktoberstreik und die KPÖ in Oberösterreich

  • Freitag, 25. September 2020 @ 08:00
Geschichte Die größte Streikbewegung der 2. Republik, der sogenannte Oktoberstreik vom September und Oktober 1950 hatte seine Ursache im allgemeinen Unmut über die damals ausgehandelten Lohn-Preis-Pakte mit ihren Lohnstopps. Über die bereits am Anfang des September 1950 durchgesickerten Informationen zum 4. Lohn-Preis-Abkommen berichteten nur die kommunistischen Medien.

Eine Landesleitungssitzung der KPÖ-Oberösterreich vom 3. September 1950 bemühte sich, landesweit Aktionen gegen diese neue, von der ÖVP-SPÖ-Regierung geplante Belastungswelle zu organisieren. Die Landesleitung beschloß, zu Aktivitäten gegen die Preissteigerungen, für Vollbeschäftigung (wegen der drohenden hohen Winterarbeitslosigkeit) und gegen das 4. LPA aufzurufen und diese zu organisieren.

In einer Reihe von Betrieben wurden in Betriebsräten und Betriebsversammlungen Beschlüsse gegen das LPA gefaßt. So beschlossen etwa die 700 Arbeiter der Ebenseer Solvaywerke den Antrag des kommunistischen Betriebsrates Gregor Ellinger für einen Kampf zur Verhinderung des 4. LPA und zur Durchführung einer den Preiserhöhungen entsprechenden Lohnbewegung.

Die Linzer Stickstoffwerke-Belegschaft forderte die restlose Aufhebung der Reallohnverluste seit dem 3. LPA. Der Betriebsrat der Steyrwerke forderte 15 bis 20 Prozent mehr Lohn und kündigte schärfste gewerkschaftliche Maßnahmen an, falls vor der Erfüllung ihrer Forderung noch weitere Preissteigerungen erfolgten. Auch der Arbeiter-Betriebsrat der Voest Linz forderte eine 15-prozentige Lohnerhöhung.

Demgegenüber verteidigte die sozialistische Parteiführung das LPA, da diesem eine Abgeltung „auf Heller und Pfennig“ folgen würde. Sie redete einer Spaltung von Arbeitern und Bauern das Wort, in dem die Bauernschaft als alleinschuldig hingestellt wurde. Sie leugnete, daß es „Geheimverhandlungen“ gebe: diese seien eine kommunistische „plumpe Hetze“.

Damit konnte die steigende Empörung, Kampf- und Streikbereitschaft der Arbeiter nicht abgewiegelt werden. In manchen oberösterreichischen Bezirken war kein Mehl mehr erhältlich, hielten Kaufleute Waren zurück. So wandte sich etwa der Braunauer ÖGB-Bezirkssekretär Zankl an die Gendarmerie(!), daß in den Betrieben deswegen Demonstrations- und Streikabsichten bestünden, jedoch in solchen Fällen die Gewerkschaft die Kontrolle über eine Demonstration verlieren könnte.

Am 21. September beschloß das Landessekretariat der KPÖ, angesichts des baldig zu erwartenden Abschlusses des LPA, in den folgenden Tagen verstärkt für die Ablehnung des LPA aufzutreten, Betriebsversammlungen abzuhalten und die unteren Gewerkschaftsorganisationen zur Übernahme des Kampfes zu bringen.

Am 22. September informierte der Rundfunk, am 23. September die Tagespresse bundesweit über die Einigung der LPA-Verhandlungen, die am 26. September dem Ministerrat vorgelegt werden sollte. Überall, wo es kommunistische Positionen gab, wurden am Montag, den 25. September, Betriebsversammlungen gefordert und teilweise durchgeführt.

Eine Extraausgabe der Tageszeitung „Neue Zeit“ wurde vor den Betrieben verteilt, die u.a. hinwies: „Mit der Lüge von der Preissenkung haben die Regierungsparteien das Volk beschwindelt, mit der Preistreiberei plündern sie es aus ... 'Arbeitervertreter', die an diesen Geheimverhandlungen beteiligt waren, haben sich ... über alles hinweggesetzt, was die Arbeiter fordern ... Die Preistreiber haben ihren Pakt geschlossen. Nun haben die Arbeiter das Wort!“

Die große Empörung zeigte sich am Montagmorgen zu Beginn der Frühschicht in der Voest: Hier waren die Arbeitermassen bereit, weiter zu gehen, als in der „Neuen Zeit“ vorgeschlagen wurde. Die Voest-Gewerkschaftsortsgruppe - im Betriebsrat hatten die „Freiheitlichen“ (VdU-Verband der Unabhängigen) 14, die Sozialisten 12 und die Einheitsliste (KPÖ-nahe) 2 Mandate - berief für 14 Uhr eine Hauptvertrauensmännersitzung ein. Diese beschloß einstimmig einen einstündigen Warnstreik. Dieser Warnstreik wurde lückenlos und diszipliniert durchgeführt.

Auch im Heizhaus der Bundesbahnen in Linz zogen hunderte Bedienstete zum Büro des Vertrauensmännerausschusses und verlangten eine Betriebsversammlung und Aufklärung über das LPA. Die SP-Funktionäre lehnten ab, das Heizhaus (Belegschaft 1.000 Mann) legte kurzfristig die Arbeit nieder und zwang die sozialistischen Mitglieder der Werkstättenexekutive zur Abhaltung der Versammlung. Der Obmann der Werkstättenexekutive wurde aufgrund seines Verhaltens zweimal vom Podium gepfiffen. Die versammelte Belegschaft beschloß, eine Delegation zur Landesregierung und ÖGB-Landesexekutive zu entsenden. Jedoch wurde noch kein Streik beschlossen.

In Steyr, wo die kommunistische Betriebsorganisation rund 560 der etwa 7.000 Arbeiter der Steyr-Werke umfaßte, berieten am Abend des 25. September die Funktionäre der KPÖ. Es sollten am Dienstag, 26. September die kommunistischen Betriebsräte in der Betriebsratssitzung einen Streikantrag stellen. Gleichzeitig sollte die BO voll die Streikagitation aufnehmen, um die sozialdemokratische BR-Mehrheit für den Streik zu gewinnen. Am Dienstag, 26. September, nahmen aber manche Abteilungen der Steyr-Werke erst gar nicht die Arbeit auf.

August Mascher berichtete darüber: „Mit einer Vehemenz ohnegleichen gingen die Genossen in die Abteilungen, binnen einer halben Stunde wurden 7.000 Arbeiter von der BO mobilisiert, die vor dem BR-Gebäude standen und den BR zu einer Demonstration auf dem Stadtplatz gezwungen haben.“

In der Voest wurde unter dem Eindruck der jüngsten Berichte aus Steyr eine Demonstration in die Stadt in einer Vertrauensmännersitzung der Arbeiter beschlossen, worauf um 14.30 Uhr im gesamten Werk die Arbeit niedergelegt wurde.

Auf die Nachricht von der Demonstration der Voest-Arbeiter und daß sich die Stickstoffwerke anschließen würden, forderte die kommunistische BO im Heizhaus die Teilnahme an der Demonstration. Dies lehnte jedoch der sozialistische Obmann der Werkstättenexekutive ab. Darauf organisierten die Kommunisten die Teilnahme an der Demonstration, während die SPÖ-Funktionäre auf eine „Gefährdung der Arbeitsplätze“ hinwiesen und dabei von der Verwaltung unterstützt wurden. Als dann der Zug der Heizhausbediensteten abmarschierte, fanden sich allerdings auch die SPÖ-Funktionäre ein und stellten sich, wie in Steyr, mit an die Spitze. Ehe die Demonstration in die Stadt zog, wurden von den Arbeitern des Heizhauses die 1.500 Kollegen der Bundesbahn-Hauptwerkstätte herausgeholt.

Der Strom der Arbeiter der großen Betriebe - an der Spitze des Zuges die Voest-Arbeiter - forderte auf einem Transparent „Weg mit dem Preistreiberpakt“. Auf dem Linzer Hauptplatz versammelten sich 20.000 Menschen. Im Verlauf dieses Dienstags, in dem die Bundesregierung das 4. LPA billigte, traten in Oberösterreich rund 60.000 ArbeiterInnen in etwa 120 Betrieben in den Streik...

Nach den wichtigsten Betrieben Oberösterreichs folgten im Protest gegen das 4. LPA Wien, die niederösterreichischen Industriegebiete und die Steiermark. Überall waren die Streiks mit Massendemonstrationen von Arbeitern aller Parteirichtungen verbunden. Die oberste Gewerkschaftsführung in Wien erklärte aber die Streiks für ungesetzlich. Auch die Bundesregierung lehnte unnachgiebig jegliche Verhandlungen mit den Streikenden ab. Damit fiel wiederum der KPÖ als einziger gesamtösterreichisch organisierter Kraft, die sich geschlossen hinter den Streik stellte, ein bedeutender Teil der politischen und organisatorischen Verantwortung für die Bewegung zu.

Das Politische Büro des ZK der KPÖ empfahl während des Streiks, diesen für einige Tage zu unterbrechen, um einer gesamtösterreichischen Betriebsrätekonferenz Gelegenheit zu geben, ein Forderungs- und Aktionsprogramm zu erstellen. Diese Betriebsrätekonferenz trat in Wien zusammen, richtete ihre Forderungen an die Regierung und beschloß bei Nichterfüllung am 4. Oktober die Ausrufung des Generalstreiks.

Diese Unterbrechung gab der Regierung und der ÖGB-Spitze eine Woche Zeit zu Gegenmaßnahmen auf allen Ebenen: massiver Druck auf sozialistische GewerkschafterInnen und BetriebsrätInnen, Verhaftungen kommunistischer Vertrauensleute, Mobilisierung der Gendarmerie gegen besetzte Betriebe, vor allem aber eine von den Massenmedien bis zur Hysterie betriebene Denunzierung des Streiks als kommunistischen Putschversuch.

Als am 4. Oktober der Streik wiederaufgenommen werden sollte, war die breite Bewegung des Beginns weg. Andererseits gingen vom Sekretär der Bauarbeitergewerkschaft, dem späteren Innenminister Franz Olah aufgestellte - und, wie später bekannt wurde, von der CIA finanzierte - Einsatzkommandos gewalttätig gegen Streikende und Demonstranten vor. Die Steyr-Werke, bundesweit gesehen eines der konsequentesten Zentren des Streiks, wurden von der Gendarmerie besetzt. Am 5. Oktober beschloß die Betriebsrätekonferenz den Streikabbruch.

Nach dem Streik wurden bundesweit an die tausend Beschäftigte der streikenden Betriebe gekündigt oder entlassen: je 350 bei der Voest Linz und in den Steyr-Werken, 90 in den Aluminiumwerken Ranshofen. In der Voest wurden wirtschaftliche Gründe angegeben, doch waren unter den gemaßregelten viele Aktivisten des Streiks und besonders Mitglieder der kommunistischen BO. In Steyr erfolgten die Kündigungen aufgrund von Berichten von Spitzeln, um die kommunistische BO ihrer aktiveren Mitglieder zu berauben. Auch zwei streikleitende Betriebsräte von Steyr wurden gekündigt, wozu das Einigungsamt zustimmte. In Ranshofen wurden die Kommunisten „bis auf den letzten Mann“ entlassen und auch der einzige kommunistische Betriebsrat Fritz Gerhartinger.

Die restlichen Maßregelungen gab es bei den Grazer SGP und Waagner-Biro-Werken, sowie in der Hütte Donawitz. Insgesamt wurden 22 Betriebsräte entlassen oder gekündigt, 12 von Donawtz, 2 von Steyr, 2 von Weyer bei Steyr, 1 von Ranshofen, 4 bei SGP Graz und 1 in Andritz (Graz).

Die Verhaftung von Betriebsräten und streikenden Arbeitern erfolgte meist nach dem Staatsschutzgesetz von 1936 und dem Koalitionsgesetz von 1870. Es ist bezeichnend, daß das austrofaschistische Staatsschutzgesetz und das Taaffe´sche Ausnahmegesetz, das zugleich mit dem „Sozialistengesetz“ in den reaktionärsten Zeiten der Habsburgermonarchie beschlossen worden war und rundweg der Unterdrückung der ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsbewegung diente, zur Anwendung kamen...

Die rabiat antikommunistische Ausgrenzungswelle führte bundesweit zu 85 Ausschlüssen führender kommunistischer Gewerkschafter, darunter des ÖGB-Vizepräsidenten und ÖGB-Mitbegründers 1945, Gottlieb Fiala. Auf Betreiben des SPÖ-Sozialministers Karl Maisel wurden fristlos die drei Sekretäre der Metallarbeitergewerkschaft Weidenauer (Wien), Gustl Moser (Steyr) und Blumenschein (Linz) entlassen. Ebenfalls fristlos entlassen wurden die kommunistischen ÖGB-Angestellten Hehs, Egon Kodicek, Neubauer und Szabo.

Setzten auch die Wahlen von Ende 1950 und 1951 für die KPÖ die Erfolge der vergangenen Jahre fort, so ist doch anzunehmen, daß die breite Masse der Arbeiterschaft die Niederlage im Oktoberstreik zu Entmutigung und geringerer Kampfbereitschaft führte. Streiks und Massendemonstrationen gingen ab 1951 zurück. Die ÖGB-Führung wurde nun zu einer flexibleren Taktik gezwungen: Im Frühjahr 1951 wurde von der Beschränkung auf ein generelles LPA abgegangen und den Einzelgewerkschaften ein größerer Spielraum in der Tarifpolitik eingeräumt. Die Lohnquote blieb 1951 und 1952 gleich. Der dann beginnende wirtschaftliche Aufschwung brachte in den nächsten Jahren neue Formen des Klassenkampfes.

Günther Grabner

P.S.: Vorliegende Zeilen sind ein kurzer, geraffter Überblick aus Arbeiten von Prof. Peter Kammerstätter, der als Landessekretär der KPÖ in dieser schwierigen Zeit und als profundester Historiker der Arbeiterbewegung Oberösterreichs die genauesten Analysen dazu erstellt und veröffentlicht hat.

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